L 11 R 4522/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 753/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4522/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. Juli 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1955 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war zuletzt bis Februar 1993 als Haushaltshilfe in einem Dialysezentrum beschäftigt. Seither ist sie arbeitslos mit Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Auf ihren ersten Rentenantrag vom 28.09.2000 wurde sie auf Veranlassung der Beklagten orthopädisch, internistisch und nervenärztlich nach stationärer Untersuchung begutachtet. Dabei wurden zusammenfassend die Diagnosen 1. eines Fibromyalgiesyndroms, 2. einer geringen Funktionseinschränkung und Minderung der Belastbarkeit der Hals- und Rumpfwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und muskulärer Dysbalance, 3. eines Zustandes nach brusterhaltender Entfernung eines ductalen Mamma-Carcinomes links mit lokalen Restbeschwerden, 4. einer Beschwerdeüberlagerung durch eine leichte Konversionsneurose und 5. diverser Allergien gestellt, die Klägerin aber für in der Lage erachtet, leichte Arbeiten regelmäßig und vollschichtig unter qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Gestützt hierauf wurde ihr Antrag mit Bescheid vom 21.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2001 abgelehnt. In dem dagegen angestrengten Klageverfahren (S 9 RJ 1671/01) beim Sozialgericht Freiburg (SG) schlossen die Beteiligten nach Einholung eines internistisch-rheumatologischen Gutachtens von Dr. M. (kein sinnvolles Restleistungsvermögen bei sekundärer Fibromyalgie, die bei intensiver Therapie innerhalb von zwölf Monaten deutlich gebessert werden könne), einen außergerichtlichen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2001 bis zum 31.05.2003, ausgehend von einem am 28.09.2000 eingetretenen Leistungsfall, gewährte (Ausführungsbescheid vom 20.09.2002).

Am 06.03.2003 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Rente unter Hinweis darauf, dass sich eine Verschlimmerung ergeben habe. Der Internist und Rheumatologe L. bestätigte im beigelegten Arztbericht, dass bei der Klägerin ein deutlich psychovegetativ überlagertes Fibromyalgie-Syndrom mit erheblicher depressiver Begleitsymptomatik vorliege.

Die Beklagte veranlasste eine erneute chirurgische (Dr. F.), nervenärztliche (Dr. B.) und internistische Begutachtung (Dr. M.) nach stationärer Untersuchung. Danach wurde der Klägerin ab 01.06.2003 wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Exposition gegenüber Kälte und Nässe, Überkopfarbeiten, häufigem Steigen und Klettern auf Leitern und Gerüsten, ständigem Bücken, ständigem Zeitdruck, ständiger nervöser Anspannung, besonderen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein, Arbeit an unmittelbar gefährdenden Maschinen und Nachtschicht attestiert. Als Diagnosen wurden 1. eine Fibromyalgie mit mäßiggradiger Funktionseinbuße, 2. leicht extrovertierte, eher einfach strukturierte, auch etwas unreife Persönlichkeitszüge mit Neigung zu konversionsneurotischer Überlagerung/Ausweitung der somatisch beklagten Beschwerden, 3. arthroligamentäre Kreuzschmerzen bei Verschleißleiden der unteren Rumpfwirbelsäule, 4. eine leichtgradige Bluthochdruckerkrankung ohne Sekundärschäden, 5. ein Zustand nach Mammacarcinom im Frühstadium links, 1999 brusterhaltend operiert, ohne Anhalt für Rezidiv, sowie 6. ein leichtgradiges Übergewicht gestellt.

Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2003 den Rentenantrag zurück.

Ihren hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sich seit August 2002 die Symptomatik weiter verschlechtert habe. Sie sei auch nach Auffassung der behandelnden Ärzte der neurologischen Klinik des Klinikums L. weiterhin arbeitsunfähig. Sie hat hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Klinikums L. vorgelegt. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M., der ausführte, die Klägerin habe Dr. B. gegenüber ein recht aktives Freizeitverhalten mit gut erhaltener Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geschildert, so dass die Feststellung, sie sei bei der Versorgung der alltäglichen Verrichtungen stark eingeschränkt, nicht nachvollziehbar sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2004 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin könne wieder mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit könne sie auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden, so dass die Benennung einer konkreten noch zumutbaren Tätigkeit nicht erforderlich sei.

Zur Begründung ihrer dagegen erneut beim SG erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, nach Auffassung ihrer behandelnden Ärzte sei eine Befundverbesserung nicht eingetreten.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes holte das SG wiederum ein internistisch/rheumatologisches Gutachten bei Dr. M., T.-Klinik B. K., ein. Die Sachverständige führte aus, die Leistungsfähigkeit sei unter dreistündig abgesunken bei 1.) einer ausgeprägten, dekompensierten, somatoformen Schmerzstörung, Typ Fibromyalgie, Panalgie, fehlender Copingmechanismen, einem sekundären Krankheitsgewinn durch ausgedehnte Hilfestellung des Ehemannes und der Familienmitglieder bei Rückzugstendenz, einer zunehmenden sozialen Isolation, einer zunehmenden Katastrophisierungstendenz, 2. einer Medikamentenabhängigkeit im Rahmen der Grunderkrankung, 3. einer dekompensierten, anhaltenden depressiven Störung mit asthenischer Komponente bei vordiagnostizierter unreifer Persönlichkeit und konversionsneurotischer Überlagerung, 4. einer Adipositas und 5. einem chronisch degenerativen LWS-Syndrom.

Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten von Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, verurteilte das SG die Beklagte mit Urteil vom 07.06.2005, zugestellt an die Beklagte am 14.10.2005, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.05.2003 hinaus auf Dauer zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, Dr. M. habe nachvollziehbar dargelegt, dass im Gesundheitszustand der Klägerin keinerlei Besserung eingetreten und daher weiterhin von einem unter dreistündigen täglichen Leistungsvermögen auszugehen sei. Die von Dr. M. anlässlich der ersten Begutachtung geäußerte vorsichtig optimistische Prognose für die weitere Entwicklung des Leistungsvermögens sei deshalb nicht zum Tragen gekommen, da die therapeutischen Vorgaben nicht einmal versucht, geschweige denn erfolgreich umgesetzt worden wären. Dass Dr. G. dargelegt habe, dass im Verlauf wiederholter Untersuchungen ein gewisser Lerneffekt zu verzeichnen sei, was die unterschiedlichen Befunde der Gutachter der Beklagten einerseits, der Sachverständigen andererseits erkläre, stehe dem nicht entgegen. Dr. M. habe sich auch auf objektive Diagnostik gestützt.

Mit ihrer dagegen am 28.10.2005 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, Dr. M. habe in ihrem ersten Gutachten eine Leistungsreduzierung mit veränderten Laborwerten (grenzwertige Anämie mit Makrozytose bei Folsäuremangel und vermindertem Serotonin) begründet. In ihrem zweiten Gutachten habe sie aber insoweit einen Normalwert, also eine Besserung, vorgefunden, dafür aber (fachfremd) eine ausgeprägte dekompensierte somatoforme Schmerzstörung in den Vordergrund ihrer Ausführungen gestellt. Dieses Krankheitsbild sei aufgrund der von Dr. B. festgestellten Aktivitäten, denen immerhin eine dreitägige stationäre Begutachtung zugrunde liege, nicht nachvollziehbar. Sie hat hierzu eine weitere Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. M. vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. Juni 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, Dr. M. habe sie nicht fachfremd begutachtet. Die Berücksichtigung der Leitlinien der Begutachtung von chronischen Schmerzen ersetze nicht eine einzelfallbezogene Beweiswürdigung.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Klägerin von Amts wegen und auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) neurologisch-psychiatrisch bzw. psychosomatisch begutachten lassen.

Prof. Dr. Dr. W. hat eine anhaltende, inzwischen weitgehend chronifizierte somatoforme Schmerzstörung auf dem Boden einer primär wahrscheinlich wenig belastbaren, zwanghaften Persönlichkeit mit Verlustängsten, jedoch bestünden auch in erheblichem Umfang Versorgungswünsche, beschrieben. Bei zumutbarer Willenanstrengung könne die Klägerin seiner Auffassung nach noch körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen (Vermeidung von Zwangshaltungen, Stress, besonderen psychischen Belastungen sowie besonderer Verantwortung) wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Sie habe trotz in der Begutachtungssituation sicherlich bestehender psychischer Extrembelastung ausgeprägt zielgerichtet gehandelt und erst gegen Ende einen sichtbaren Abfall des Leistungsvermögens gezeigt. Insoweit bestehe Übereinstimmung mit den beiden nervenärztlichen Vorgutachten von Dr. S. und Dr. B ... Dr. M. habe es in ihrem Gutachten an einer detaillierten Anamnese der Alltagsfähigkeiten und der sozialen Partizipation fehlen lassen.

Prof. Dr. E. hat ebenfalls eine als chronifiziert anzusehende Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz bei sekundärem Krankheitsgewinn und Bewusstseinsneigung zur Aggravation begutachtet. Das Schmerzgeschehen habe sich weitgehend verselbständigt und erscheine therapeutisch kaum noch zugänglich. Daneben leide die Klägerin an einer Dysthymie bei erheblicher Selbstwertproblematik und an dependenten und zwanghaften Persönlichkeitszügen. Diagnostisch deckten sich seine Untersuchungsergebnisse mit denen des Vorgutachters Prof. Dr. Dr. W., allerdings erachte er eine Überwindbarkeit der durch die Persönlichkeitsproblematik und die dieser zugrunde liegenden biographischen Determinanten gegebenen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch eigene Willensanstrengung für nicht mehr gegeben. Die Klägerin könne daher seiner Einschätzung nach nur noch unter drei Stunden täglich dauerhaft arbeiten, weise auch eine hohe Stressanfälligkeit auf, die die Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit erheblich beeinträchtige.

Die Beklagte ist dem Gutachten von Prof. Dr. E. unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von Dr. G. entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Vorprozessakten des SG S 9 RJ 1671/01 sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer auch über den 31.05.2003 hinaus zu gewähren, weswegen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Der angefochtene Bescheid vom 07.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Senat folgt dem vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. wie auch den von der Beklagten eingeholten Gutachten, wonach die Klägerin noch leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten kann und deswegen nicht erwerbsgemindert ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Zwar hat sie die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich dies aus dem Versicherungsverlauf vom 20.09.2002 ergibt. Indessen fehlt es an einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im erforderlichen Umfang.

Die Klägerin ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Expositionen gegenüber Kälte und Nässe, Überkopfarbeiten, häufigem Steigen und Klettern auf Leitern und Gerüsten, ständigem Bücken, ständigem Zeitdruck, besonderer Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein sowie Arbeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen und Nachtschicht zu verrichten. Durch diese qualitativen Leistungseinschränkungen wird weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung begründet, so dass der Klägerin, die als ungelernte Kraft auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, weshalb auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ausscheidet, eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht benannt werden muss (BSGE 80, 24). Das folgt zur Überzeugung des Senat aus dem eingeholten Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. wie auch den im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. M., Dr. F. und Dr. B ...

Danach steht im Vordergrund der Leistungseinschränkungen der nervenärztliche Befund einer somatoformen Schmerzstörung, wie dies mittlerweile nach Beurteilung sämtlicher Gutachter unstreitig ist. Ob diese als Fibromyalgie zu bewerten ist, ist nicht maßgebend, denn für die rentenrechtliche Beurteilung kommt es allein darauf an, in welchem Umfang und mit welchen qualitativen Einschränkungen gearbeitet werden kann, nicht hingegen, worauf diese Einschränkungen beruhen. Insofern ist allein ausschlaggebend, inwieweit die Klägerin durch das Krankheitsgeschehen auch in ihrem Alltagsleben eingeschränkt ist, denn dies objektiviert die Befunde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 17.04.2007, L 11 R 4066/06) wird aber der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Der Senat ist ausgehend insbesondere von den Feststellungen von Dr. B., denen immerhin eine dreitägige Beobachtung zugrunde lag, und Prof. Dr. Dr. W. zu der Auffassung gelangt, dass aufgrund der geringen therapeutischen Maßnahmen, der eher mäßigen Medikation, der erheblichen sozialen Aktivitäten ohne wesentliches Rückzugsverhalten sowie der Beibehaltung von Führungs- und Kontrollfunktionen innerhalb der Familie nicht davon auszugehen ist, dass die Klägerin in rentenberechtigendem Ausmaß erwerbsgemindert ist. So war sie während der mehrstündigen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. W. immer wieder zu ausgeprägt zielgerichtetem Handeln in der Lage, hat dabei taktisch sehr klug und wendig reagiert. Auch zeigten sich beim An- und Auskleiden keine wesentlichen Behinderungen. Die Handverschwielung lässt Hinweise auf körperliche Tätigkeiten nicht vermissen. Sie hat lebhaft und mit großer Freude ihre Beschäftigung mit ihren Hunden geschildert. Nach Angaben ihres Ehemannes ist sie noch in der Lage, drei bis vier Stunden am Stück mit ihren Enkeln, zum Teil auch am Boden, Lego zu spielen. Demgegenüber konnte der Senat sich nicht von der Richtigkeit des Gutachtens von Prof. Dr. E. überzeugen. Dr. G. hat zu Recht darauf verwiesen, dass es dem Gutachten von Prof. Dr. E. an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Verdeutlichungstendenzen der Klägerin fehlt, obwohl er diese selbst beschreibt. Der Gutachter hat einen auch aus seiner Sicht weitgehend identischen Befund mit Prof. Dr. Dr. W. geschildert, wobei sich oft die gesundheitlichen Einschränkungen aus Sicht der Klägerin und der des Gutachters erheblich unterschieden haben. Bereits deswegen erscheint das Ergebnis nicht schlüssig begründet, zumal die Klägerin nach der Kostenabrechnung des Gutachters über sechs Stunden untersucht und Testverfahren unterzogen werden konnte, ohne dass nennenswert unterbrochen werden musste. Dies gilt auch im weiteren, z.B. hinsichtlich des der Klägerin attestierten stark beeinträchtigten Konzentrationsvermögens, obwohl der Sachverständige noch zuvor ausführte, sie habe die "immerhin vierstündige Untersuchungszeit" recht gut bewältigen können. Insofern war für den Senat nicht nachvollziehbar, warum das zur Begründung herangezogene Misshandlungserlebnis in der Herkunftsfamilie, von dem die Klägerin "angeblich" erst vor zwei Jahren Kenntnis erlangt haben will, nicht schon früher bei den zahlreichen Begutachtungen thematisiert wurde und sie dennoch eine solche Erlebnisfähigkeit zeigen konnte. Ohne Belang ist, ob Prof. Dr. E. seine Untersuchung nach systemischer Erhebung der Beeinträchtigung im Alltag nach ICF durchgeführt hat. Denn die von Dr. G. zu Recht bemängelten erheblichen Diskrepanzen zwischen der Einschätzung der Klägerin und der des Gutachters, aus der aber im nachfolgenden Gutachten keinerlei Schlüsse gezogen werden, verbleiben und machen die gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar. Insofern wäre es seine Aufgabe gewesen, wie dies auch Prof. Dr. Dr. W. getan hat, die von der Klägerin gemachten Angaben zu objektivieren. So hat die Klägerin bspw. ein einstündiges Sitzen auf einem Stuhl als unmöglich angegeben, was aber nach Beobachtung der möglichen Zeiten während der Untersuchung schlechterdings nicht der Fall gewesen ist.

Ebenso wenig konnte den Senat das Gutachten von Dr. M. überzeugen. Sie hat letztlich ihre Leistungseinschätzung damit begründet, dass keine Möglichkeit der Reintegration in die Arbeitswelt vorliege, somit Vermittelbarkeit und Leistungsfähigkeit verknüpft. Ihre Leistungseinschätzung hat sie allein mit Diagnosen aus rein psychiatrischen Krankheitsbildern begründet, nämlich der dekompensierten somatoformen Schmerzstörung, mithin fachfremd. Auf ihrem Fachgebiet ist indessen eine Besserung eingetreten, wie dies Dr. M. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme zu Recht bemängelt hat. Insofern erachtet der Senat das Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. als im Ergebnis überzeugender.

Nach alledem war deshalb auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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