L 13 R 3233/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 175/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3233/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1949 geborene Kläger gelangte im November 1982 aus O. nach Deutschland und ist als Vertriebener anerkannt. Abgesehen von einem Abendstudium in O. mit - nach eigenen Angaben - einem Diplomabschluss in Geschichte durchlief er keine Ausbildung. Von Mai bis September 1968 wurde er als Schlosser angelernt. In P. war er dann als Maschinenarbeiter beschäftigt. In Deutschland ging er ab 1986 bei einer Zeitarbeitsfirma in wechselnden Arbeitsverhältnissen ungelernten Beschäftigungen, teilweise ebenfalls als Maschinenarbeiter nach. Seit Februar 1998 bis zur Arbeitsunfähigkeit ab August 1998 arbeitete er als Versandarbeiter; seitdem ist er einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr nachgegangen. Den ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit vom 22. Februar 1999 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1999 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 26. Oktober 2001 (S 2 RJ 2207/99) abgewiesen. Die gegen dieses Urteil beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 21. Dezember 2001 eingelegte Berufung (L 3 RJ 5010/01) wurde mit Beschluss vom 17. April 2002 zurückgewiesen. Mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. September 2002 (B 13 RJ 115/02 B) wurde die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. April 2002 als unzulässig verworfen.

Am 26. Februar 2003 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts zog die Beklagte Befundunterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. W., Dr. B. und Dr. C. bei. Vom Arzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. L. ließ sie den Kläger begutachten. In seinem Gutachten vom 7. Juli 2003 führte er aus, der Kläger leide an einem chronischen Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L 5/ S 1, einer chronischen Periarthritis humero scapularis beidseits, einer Arthropatie beider Kniegelenke mit Femuroptellararthrose beidseits und medialer Meniskopathie beidseits, Verschleißzeichen der Halswirbelsäule und schließlich an einem Leistenbruch beidseits ohne wesentliche Beschwerdesymptomatik. Aus sozialmedizinischer Sicht könne der Kläger jedoch weiterhin mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, ohne schwere Hebe- und Tragearbeiten und ohne regelmäßige Überkopfarbeit sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Bescheid vom 16. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab; mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2004 wies sie den dagegen eingelegten Widerspruch zurück.

Mit der am 22. Januar 2004 erhobenen Klage beim SG hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sehe sich nicht mehr in der Lage, einer auch nur leichten Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen; jedenfalls gebe es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Arbeitsplätze, bei denen seinem Restleistungsvermögen hinreichend Rechnung getragen werden könne, sodass von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen sei. Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. C., Dr. P. und Dr. B. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Der Urologe Dr. C. hat in seiner Aussage vom 28. April 2004 bekundet, der Kläger leide im wesentlichen an persistierenden sensorischen Drangbeschwerden und einem irritativen kleinen Prostataadenom; in Bezug auf schwere körperliche Tätigkeiten dürfte eine Einschränkung vorliegen; ansonsten sei eine leichte körperliche Tätigkeit möglich. In seiner weiteren Aussage vom 12. Mai 2004 hat der Internist Dr. P. mitgeteilt, vom internistischen Standpunkt aus könne der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden regelmäßig verrichten. In seiner weiteren Aussage vom 14. September 2004 hat er mitgeteilt, beim Kläger sei am 28. Juli 2004 eine absolute Tachyarrythmie aufgetreten. Deswegen habe er sich vom 28. Juli bis 1. August 2004 in einer stationären Krankenhausbehandlung befunden. Dort habe sich die Herzfrequenz und der Blutdruck spontan normalisiert; Ursachen für die Rhythmusstörung seien nicht gefunden worden. Insgesamt sei keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers eingetreten. Auf eine leichte vollschichtige berufliche Tätigkeit wirkten sich die angeführten Befunde nicht nachteilig aus. In seiner Aussage vom 26. April 2005 schließlich hat Dr. P. mitgeteilt, am 24. Oktober 2004 sei eine kardiologische Untersuchung durchgeführt worden. Das Belastungs-EKG sei bis 125 Watt unauffällig gewesen. Am 28. Februar 2005 sei es zu einem erneuten psychogenen synkopalen Zustand bei stabilen Kreislaufparametern gekommen. Deswegen habe sich der Kläger vom 28. Februar bis 7. März 2005 in den Kliniken Landkreis Biberach zur stationären Behandlung befunden. Am 1. März 2005 habe sich ein normaler normofrequenter Sinusrhythmus wieder eingestellt. Es sei eine dilative Kardiomyopathie festgestellt worden, wobei insgesamt die Herzfunktion als gering- bis mittelgradig eingeschränkt beurteilt werde. Nach dem Verlauf der Erkrankung könne der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der Orthopäde Dr. B. hat in seiner Auskunft vom 14. August 2004 darauf hingewiesen, aufgrund der chronischen Erkrankung der Wirbelsäule sowie der beiden Kniegelenke bestünden beim Kläger schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und verminderte Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie der beiden Kniegelenke; Bücken, Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg sowie Arbeiten in Zwangshaltung der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten und stehende und kniende Tätigkeiten seien nicht mehr leidensgerecht. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das SG hat den Orthopäden Dr. H., Leitender Arzt beim Orthopädischen Forschungsinstitut S., mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25. Februar 2005 hat der Sachverständige ausgeführt, der Kläger leide orthopädischerseits an einem chronischen schmerzhaften Halswirbelsäulensyndrom bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule und Instabilität im Segment C4/C5 ohne neurologische Ausfallserscheinungen der Arme und Beine, an einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom und Bandscheiben-Degeneration L4/L5 und L5/S1 ohne sichere neurologische Begleiterscheinungen, an schmerzhaften Bewegungsstörungen beider Schultern bei nachgewiesener Arthrose im rechten Schultergelenk, schmerzhaften variablen Bewegungsstörungen beider Kniegelenke, radiologisch ohne sichere Arthrosezeichen, schmerzhaften Bewegungsstörungen beider Hüftgelenke bei radiologisch unauffälliger Darstellung beider Gelenke und schließlich chronischen Schmerzen der linken Ferse bei diskreter plantarer und dorsaler Fersenspornbildung. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeit überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben. Anhaltende Zwangshaltung des Kopfes über mehr als einige Minuten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg auf den Schultern, anhaltende Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule über längere Zeit und schließlich Über-Kopf-Arbeiten seien nicht leidensgerecht und zu vermeiden. Auf Antrag des Klägers hat das SG sodann den Facharzt für Innere Medizin und Chefarzt der Klinik im Landkreis B. Prof. Dr. H. mit der Erstattung eines internistischen Gutachtens beauftragt. Mit seinem Gutachten vom 21. Februar 2006 hat er ausgeführt, der Kläger leide an rezidivierenden Tachyarrythmien bei Vorhofflimmern mit AP-Symptomatik und Belastungsdyspnoe, arterieller Hypertonie und Adipositas Grad II. Bezüglich der kardialen Erkrankungen hätten sich keine wesentlichen Einschränkungen bei der Lungenfunktionstestung gezeigt. Die Echokardiographie habe den einmaligen Befund einer dilativen Kardiomyopathie mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion nicht bestätigt; die Herzhöhlen wirkten normal groß. Aufgrund der Belastbarkeit bis 75 Watt sei dem Kläger eine leichte Tätigkeit vollschichtig zumutbar. Schichtarbeit, Akkordarbeit und alle Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Arbeit und starkem psychischem Stress seien zu vermeiden. Mit Urteil vom 26. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben; eine schwere spezifische Leistungsminderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sei nicht gegeben.

Gegen das den Bevollmächtigten des Klägers am 29. Mai 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Juni 2006 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er trägt vor, es sei zwar zutreffend, dass er seine Leiden deutlich manifestiere und auch demonstrativ darlege; dies ändere jedoch nichts daran, dass er erwerbsunfähig sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2004 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2003 Rente wegen voller Erwerbs- minderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfs- weise ein Obergutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat eine schriftliche Zeugenaussage von Dr. B. eingeholt. In seiner Auskunft vom 18. November 2006 hat er die Auffassung vertreten, der Kläger könne aufgrund schmerzhafter Bewegungseinschränkungen und verminderter Belastbarkeit der Wirbelsäule und schmerzhafter verminderter Belastbarkeit der Kniegelenke und der Schultergelenke nur noch unter 3 Stunden leichte Arbeit verrichten. In seiner weiteren schriftlichen Aussage vom 3. Mai 2007 hat er mitgeteilt, gerade eine sitzende Tätigkeit über längere Zeit stelle für die Wirbelsäule eine große Belastung dar und sei nicht leidensgerecht. Die Minderung der Leistungsfähigkeit beruhe ganz überwiegend auf orthopädischen Erkrankungen. Der Sachverständige Dr. H. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2007 ausgeführt, im wesentlichen gehe Dr. B. von denselben Beschwerden und Funktionsstörungen aus. Die unterschiedliche Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens beruhe auf einer unterschiedlichen Bewertung derselben medizinischen Sachverhalts, wobei sich Dr. B. hierzu vor allem auf strukturelle Befunde der Wirbelsäule stütze; strukturelle Veränderungen der Wirbelsäule ließen jedoch keine zuverlässige Aussage zu Belastbarkeit zu.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 27. September 2006 erörtert.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (63 300594 K 030) die Klageakten des SG (S 2 RJ 297/99, S 19 RJ 175/04) und die Berufungsakte des Senats (L 13 R 3233/06) sowie die beigezogene Akte des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 3 RJ 5010/01) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG; vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag des Klägers vom 8. April 2003 ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2004. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können jedoch gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der hier anwendbaren, seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung (vgl. § 302b Abs. 1 SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Der Kläger hat zwar die allgemeine Wartezeit (vgl. §§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 1 SGB VI) und - unter Zugrundelegung eines zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfalls, die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt; er ist aber noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Damit ist er weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.

Hinsichtlich der dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnenden und das Leistungsvermögen limitierenden Erkrankungen steht dies fest aufgrund der überzeugenden Darlegung des Sachverständigen Dr. H., dessen sozialmedizinische Beurteilung sich der Senat zu eigen macht. In seinem Gutachten vom 25. Februar 2005 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2007 hat Dr. H. aus den von ihm erhobenen Befunden (Diagnosen: chronisches schmerzhaftes Halswirbelsäulen- Syndrom bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule und Instabilität in Segment C4/C5 ohne neurologische Ausfallserscheinungen der Arme und Beine, chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei relativer spinaler Enge im Segment L 4/L5 und Bandscheibendegeneration L 4/L5 und L 5/S1 ohne sichere neurologische Begleiterscheinungen, schmerzhafte Bewegungsstörung beider Schultern bei kernspintomographisch nachgewiesener Arthrose im rechten Schultergelenk, schmerzhafte variable Bewegungsstörungen beider Kniegelenke, radiologisch ohne sichere Arthrosezeichen, schmerzhafte Bewegungsstörung beider Hüftgelenke bei radiologisch unauffälliger Darstellung der beiden Kniegelenke und chronische Schmerzen der linken Ferse bei diskreter plantarer und dorsaler Fersenspornbildung) nachvollziehbar und schlüssig gefolgert, dass die orthopädischen Krankheitsbilder die Durchführung schwerer und mittelschwerer Arbeiten ausschließen, das berufliche Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten - gelegentlich mittelschwere Arbeit - aber nicht in quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist. Solche Arbeiten sollen überwiegend im Sitzen verrichtet werden. Der Kläger muss zwar anhaltende Zwangshaltung des Kopfes über mehr als einige Minuten (beispielsweise stundenlange Montagearbeiten oder Kontrollfunktionen womöglich mit Lupe oder Mikroskop) anhaltende Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule - Rumpfbeugung, Seitverdrehung oder Seitverbiegung des Rumpfes; Heben und Tragen von schweren Lasten über 20 kg und Überkopfarbeiten bzw. Arbeiten mit nach vorn oder seitlich ausgestreckten Armen vermeiden; bei Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen besteht aber noch ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche für leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten. Dr. H. bestätigt damit die Einschätzung von Dr. L. in dessen Gutachten vom 7. Juli 2003, der den Kläger ebenfalls für fähig erachtet hat trotz seiner orthopädischen Erkrankungen leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich bei annähernd gleichlautenden qualitativen Funktionseinschränkungen zu verrichten. Der abweichenden Einschätzung von Dr. B. in seinen sachverständigen Zeugenaussagen vom 14. August 2004, 18. November 2006 und 3. Mai 2007 vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dr. B. hat keine Befunde mitgeteilt, die geeignet wären, die überzeugend begründete Einschätzung von Dr. H. in Zweifel zu ziehen oder gar zu widerlegen. Die von ihm angeführten Diagnosen bzw. Befunde entsprechen denen , die Dr. H. ebenfalls erhoben bzw. seiner Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers zugrunde gelegt hat; eine Verschlechterung der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet folgt aus ihnen nicht. Dr. B. stützt sich für seine Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers vor allem auf strukturelle Befunde aus bildgebenden Diagnoseverfahren, die jedoch eine zuverlässige Aussage zur Belastbarkeit der Wirbelsäule des Klägers nicht zulassen.

Auch auf internistisch - kardiologischem Fachgebiet liegen, wie Prof. Dr. H. in seinem gegenüber dem SG erstatteten Sachverständigengutachten vom 21. Februar 2006 überzeugend ausgeführt hat, keine Erkrankung vor, die eine zeitliche Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens begründen könnten. Dies ist für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt durch die vom Sachverständigen Prof. Dr. H. angeführten Diagnosen (rezidivierende Tachyarrthytmien bei Vorhofflimmern mit AP-Symptomatik und Belastungssympnoe, arterielle Hyperthonie, Adipositas Grad II) und den von ihm erhobenen Befunden. Eine dilatative Kardiomyopathie, wie noch vom behandelnden Internisten Dr. P. angegeben, konnte durch eine Echokardiographie nicht bestätigt werden; die Herzhöhlen sind normal groß und es besteht keine Wandbewegungsstörung. Die diastolische Funktionsstörung ist als Hinweis auf die bestehende partielle Hypertonie zu sehen. Zwar konnte Prof. Dr. H. ein verwertbares Belastungs-EKG nicht durchführen; der Kläger konnte jedoch in Begleitung ein Stockwerk ohne größere Atemnot bewältigen, was in etwa einer asymtomatischen Belastbarkeit bis 75 Watt entspricht. Somit ist dem Kläger eine leichte Arbeit zumutbar. Damit bestätigt Prof. Dr. H. auch die Einschätzung des behandelnden Internisten Dr. P., der in drei sachverständigen Zeugenauskünften (12. Mai 2004, 14. September 2004, 26. April 2005) - die letzten beiden Auskünfte nach vorherigen stationären Behandlungen des Kläger - bestätigt hat, das dem Kläger noch eine leichte Arbeit sechs Stunden täglich regelmäßig zumutbar ist.

Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246/Nr. 117; auch großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Das BSG hat hierzu einen Katalog sog. "Seltenheitsfälle" entwickelt, in den die in Betracht kommenden Fallgruppen abschließend erfasst sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137 und 139; großer Senat a.a.O.). Die Reduzierung des Leistungsvermögens des Klägers auf grundsätzlich leichte und überwiegend sitzende Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes schließt verschiedene qualitative Anforderungen, denen der Kläger nicht mehr genügen kann, aus. Das Vermeidenmüssen von Überkopfarbeiten oder von Arbeiten mit nach vorn oder seitlich ausgestreckten Armen stellt - auch zusammen mit der Beschränkung auf überwiegend sitzende Arbeiten - keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, die in Ermangelung einer praktischen Einsatzfähigkeit des Klägers den Arbeitsmarkt für den Kläger verschließen.

Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; der Kläger ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a.F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).

Ausgehend von diesem Schema ist der Kläger allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens 12 Monaten zuzuordnen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland ab 1986 bei einer Zeitarbeitsfirma in wechselnden ungelernten Tätigkeiten, teilweise jedoch auch als Maschinenarbeiter - wie schon in P. - gearbeitet. Hierbei handelt es sich um einfache Arbeiten, die keine Anlernzeit von mehr als 12 Monaten erfordern. Der Kläger genießt damit keinen qualifizierten Berufsschutz und kann auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf.

Im Hinblick auf den Antrag des Klägers, ein "Obergutachten" einzuholen, sah sich der Senat nicht gedrängt, so zu verfahren. Alle relevanten Fragen zur Klärung des medizinischen Sachverhalts sind durch die Gutachten von Dr. H. und von Prof. Dr. H. beantwortet. An der Verwertbarkeit, Geschlossenheit und fachlichen Stichhaltigkeit der Gutachten, die sich auch in der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers nicht widersprechen, besteht kein Zweifel; der Senat hält sie für überzeugend. Im übrigen wurde dem Sachverständigen Dr. H. Gelegenheit gegeben, unter Berücksichtigung der schriftlichen Zeugenaussagen von Dr. B. vom 18. November 2006 und 3 März 2007 sowie des Befundberichts von Dr. W. vom 16. März 2007 seine Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers zu überprüfen; er blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2007 bei seiner früheren Beurteilung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved