L 8 R 95/05

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 17 KR 54/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 R 95/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für den zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit der Änderung der Rechtsform seines Ar¬beitgebers von einer Anstalt öffentlichen Rechts in eine private Rechtsform weiterhin versiche¬rungsfrei in der Rentenversicherung ist.

Der 1950 geborene Kläger war seit 01. März 1985 bei der L Schleswig-Holstein, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Aufgrund einer von der L Schleswig-Holstein erteilten Versorgungszusage befreite ihn die Beigeladene zu 1) auf Antrag der Arbeitgeberin mit dieser erteiltem Bescheid vom 5. April 2001 gemäß § 230 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI), von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten. Am 02. Juni 2003 fusionierte die L Schleswig-Hol¬stein mit der L Ham¬burg. Es erfolgte eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, die Beigeladene zu 2). Die Art der Beschäftigung wurde unverändert fortgesetzt, für die von der L Schleswig-¬Holstein abgegebene Versorgungszusage übernahm die Beigeladene zu 2) die Gewährträger¬haftung. Zum 01. Juni 2003 wurde der Kläger durch den Arbeitgeber zur Rentenversicherung angemel¬det, es erfolgte eine Abführung von Beiträgen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 2003 und vertrat die Auffassung, das Beschäftigungsverhältnis habe sich nicht verändert, so dass weiterhin Versicherungs¬frei¬heit bestehe und ihm die Beiträge zu erstatten seien. Im Ablehnungsbescheid vom 28. Juli 2003 heißt es, der Arbeitgeber habe vor der Fusion die Problematik der rechtlichen Beurteilung der von der Rentenversicherungspflicht befreiten Ar¬beit¬nehmer durch die Beigeladene zu 1) klären lassen. Nach deren Auffassung sei die Befrei¬ung durch Umwandlung der Anstalt des öffentlichen Rechts in eine privatrechtliche Aktienge¬sellschaft nicht mehr wirksam, so dass Rentenversicherungspflicht der betroffenen Arbeitneh¬mer eingetreten sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, wonach versicherungsfrei lediglich sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts mit Anwartschaften auf Versorgung bei verminderter Er¬werbsfähigkeit und im Alter seien. Diese Auffassung sei auch durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestätigt worden. In seinem Widerspruch vom 08. August 2003 und im weiteren Schriftwechsel vertrat der Klä¬ger die Auffassung, die Befreiung durch die Beigeladene zu 1) vom 05. April 2001 sei auf die Dauer der ausgeübten Beschäftigung beschränkt. Die Beschäftigung habe jedoch über den 02. Juni 2003 hinaus unverändert angedauert. Darüber hinaus bestehe für ihn aufgrund der unver¬fallbaren Versorgungszusage kein Schutzbedürfnis.

Im Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2004 - zugestellt am 8. Januar 2004 - führte die Beklagte unter anderem aus, die Be¬freiung von der Versicherungspflicht sei an das Beschäftigungsverhältnis bei einem öffentlich¬rechtlichen Dienstherrn bzw. Arbeitgeber geknüpft. Diese Auffassung werde von der Beigela¬denen zu 1), in der sozialrechtlichen Literatur und seitens des Bundessozialgerichts bestätigt. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 09. November 1999 (B 4 RA 3/99 R), welches sich mit der Nachversicherung einer zunächst bei der Deutschen Bundespost und später bei der Deutschen Post AG beschäftigten Betriebsärztin befasste, ausgeführt, die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit, deren Verlust spiegelbildlich zum Eintritt des Nachversicherungs¬falles führe, lägen nicht mehr vor, wenn sich ein versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis in ein versicherungspflichtiges deshalb umwandele, weil der Arbeitgeber nunmehr eine in § 5 SGB VI nicht genannte Gesellschaft des privaten Rechts und nicht mehr ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts sei. Die Versicherungsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei zum Schutz der Solidargemeinschaft im Rahmen der zulässigen Typisierung unter anderem an das Beschäftigungsverhältnis bei einem öffentlich-rechtli¬chen Dienstherrn bzw. Arbeitgeber ge¬knüpft worden.

Vorliegend sei aufgrund der unverfallbaren Versorgungsanwartschaften zwar eine Nachversi¬cherung des Klägers nicht erforderlich. Dies sei für die Frage der Versicherungspflicht jedoch nicht relevant.

Hiergegen richtet sich die am Montag, dem 09. Februar 2004, beim Sozialgericht Kiel erhobene Klage.

Der Kläger hat zu deren Begründung geltend gemacht, sein Beschäftigungsverhältnis habe nach dem 02. Juni 2003 bis zu seinem späteren Ausscheiden aus der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) am 30. Juni 2004 unverändert fortbestanden. Aus der Recht¬sprechung der Arbeits¬gerichte zum Betriebsübergang nach § 613a BGB, des Bundesfinanzhofes und auch des Bundessozialgerichts zur Fusion von Krankenkassen ergebe sich, dass bei einer Fusion wie der vorliegenden eine Universalsukzession eintrete, also eine Rechtsnachfolge des neuen Rechts¬trägers in alle Rechte und Pflichten. Hierbei bleibe das Arbeitsverhältnis unverändert. Zudem habe das Bundessozialgericht im Urteil vom 09. November 1999 deutlich gemacht, dass Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und Nachversicherungstatbestand in einem Gesamtzusammenhang stünden, der vorliegend nicht gegeben sei. Auch habe die Beigeladene zu 2) ihren Bescheid vom 05. April 2001 nicht widerrufen, so dass schon deshalb weiterhin Versicherungsfreiheit bestehe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbe¬scheides vom 07. Januar 2004 aufzuheben und festzustellen, dass er - der Kläger - in seinem Arbeitsverhältnis zur HSH Nordbank AG nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung war.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 29. April 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zu Recht habe die Beklagte als zuständige Einzugsstelle nach § 28 h SGB IV die Versicherungs¬- und Beitragspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung bejaht. Für die Frage der Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI komme es darauf an, ob die Beschäftigung bei einem öffentlich-recht¬li¬chen Dienstherrn bzw. Ar¬beitgeber fortdauere. Die Beschäftigung des Klägers bei der L Schleswig-Holstein, die eine Anstalt des öffentlichen Rechts gewesen sei, habe am 01. Juni 2003 geendet. Ab 02. Juni 2003 habe die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2), einer Aktiengesellschaft, also einer Körperschaft des Privatrechts, stattgefunden. Der eindeutige Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI lasse eine andere Auslegung, als dass damit die Versicherungsfreiheit geendet habe und ab 02. Juni 2003 Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung eingetreten sei, nicht zu. Hierzu habe es auch keiner Aufhebung des Bescheides der Beigeladenen zu 1) vom 05. April 2001 bedurft. Dieser Bescheid sei auf die Dauer der Beschäftigung beschränkt gewesen. Bei gesetzeskon¬former Auslegung habe eine Beschränkung auf ein Beschäftigungsverhältnis, welches eine Versicherungsfreiheit im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. eine Befreiung auf Antrag nach § 230 Abs. 2 Satz 2 SGB V unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V grundsätzlich ermögliche, bestanden. Somit sei die in diesem Bescheid festgestellte Versicherungs¬freiheit mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei einem öffentlichen Arbeitgeber entfallen.

Gegen dieses dem Kläger am 17. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Juni 2005 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Mit ihr macht der Kläger weiterhin geltend, weil sich sein Arbeitsverhältnis durch den Betriebsübergang gemäß § 613a BGB nicht geändert habe, gelte auch die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beigeladenen zu 1) bis zum 30. Juni 2004 fort. Im Übrigen sei der Betriebsübergang auf die Beigeladene nicht am 1. Juni 2003 sondern am 2. Juni 2003 erfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbe¬scheides vom 07. Januar 2004 aufzuheben und festzustellen, dass er - der Kläger - in seinem Arbeitsverhältnis zur HSH Nordbank AG nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.

Auch sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beigeladene zu 2) stellt ebenfalls keinen Antrag.

Sie hält die Auffassung des Klägers für richtig.

Die den Sachverhalt betreffende Verwaltungs¬akten der Beklagten haben in der Berufungsverhandlung vorgelegen. Auf sie und die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht dem Begehren des Klägers auf Feststellung dessen, dass er in seinem Arbeitsverhältnis bzw. Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 2) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag, nicht entsprochen und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2004 als rechtmäßig beurteilt.

Die von der Beigeladenen zu 1) gegenüber der seinerzeitigen Arbeitgeberin, der ehemaligen L Schleswig-Holstein, Girozentrale, auf deren Antrag gemäß § 230 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ausgesprochene Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist mit der Verschmelzung der L Schleswig-Holstein, Girozentrale, Anstalt des öffentlichen Rechts, und der H L , Girozentrale, Anstalt des öffentlichen Rechts, auf eine Aktiengesellschaft gemäß § 1 des Staatsvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein vom 4. Fe¬b¬ruar 2003 i.V.m. dem Schleswig-Holsteinischen Lan¬des¬gesetz zu diesem Staatsvertrag vom 7. Mai 2003 mit Wirkung zum 2. Juni 2003 gegenstandslos geworden. Diese Wirkung ist eingetreten, ohne dass es einer Aufhebung oder eines Widerrufs dieses Verwaltungsaktes vom 5. April 2001 gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch, (SGB X) bzw. § 47 Abs. 1 SGB X bedurf¬te, und zwar weder gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers (bis zum 1. Juni 2003), Adressatin des Verwaltungsaktes, oder deren Rechtsnachfolgerin, der Beigeladenen zu 1) noch gar unmittelbar gegenüber dem Kläger. Diese Wirkung der Beendigung der Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht ergibt sich unmittelbar daraus, dass der Kläger ab dem 2. Juni 2003 nicht mehr Beschäftigter einer Anstalt des öffentlichen Rechts im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI war; denn seine Arbeitgeberin war seither keine Anstalt des öffentlichen Rechts, sondern eine privat-recht¬liche Aktiengesellschaft. Für Beschäftigte privater Aktiengesellschaften ist eine Versicherungsfreiheit im SGB VI nicht vorgesehen. Beschäftigte privater Aktiengesellschaften sind mithin versicherungspflichtig. An der deshalb seit dem 2. Juni 2003 wegen der Beschäftigung des Klägers in dieser Aktiengesellschaft bestanden habenden Versicherungspflicht ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil der Kläger wegen der Übergangsregelung des § 230 Abs. 2 SGB VI in seiner Beschäftigung bei seiner damaligen Arbeitgeberin, der L , bis zum 1. Juni 2003 nicht ohnehin kraft Gesetzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei war, sondern diese Wirkung erst auf Antrag dieser Arbeitgeberin eingetreten war, da er am 31. De¬zem¬ber 1991 noch ein versicherungspflichtiger, nicht versicherungsfrei und nicht von der Versicherungspflicht befreiter Beschäftigter der L Schleswig-Holstein gewesen war. Inhalt der Regelung des § 230 Abs. 2 SGB VI ist eine auf den entsprechenden Antrag des Arbeitgebers erfolgende Gleichstellung dieser Arbeitnehmer für die Zukunft mit schon kraft Gesetzes ohne weiteres nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungs¬freien Beschäftigten. Nach § 230 Abs. 2 Satz 2 SGB VI setzt eine solche Befreiung voraus, dass zu ihrem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erfüllt sind. Dass eine derartige Befreiung auf Antrag des die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und § 230 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllenden Arbeitgebers irgendwelche weiteren Fortwirkungen haben könnte als eine ohnehin nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI von Gesetzes wegen bestehende Versicherungsfreiheit, ist nicht begründbar. Die Versicherungsfreiheit, die eine Feststellung auf Antrag und durch Bescheid erfordert, teilt vielmehr für den Fall, dass der Arbeitgeber nicht mehr die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt, das Schicksal einer von Gesetzes wegen eingetretenen Versicherungsfreiheit, der sie gleichgestellt ist. Sie wird gegenstandslos mit der Folge, dass sich der Befreiungsbescheid "auf andere Weise" erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X), und zwar ab dem 2. Ju¬ni 2003 dadurch, dass es seither die Arbeitgeberin, deren Eigen¬schaft als Anstalt des öffentlichen Rechts Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit ihrer Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 230 Abs. 2 Satz 1 SGB VI war, als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht mehr gibt. Sie ist nach § 1 Abs. 1 des genannten Landesgesetzes zum Staatsvertrag aufgelöst. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass nach § 613a BGB, wie der Kläger meint, bzw. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, wie in § 1 Abs. 5 des genannten Landesgesetz bestimmt, die Beigeladene zu 2) in die Rechte und Pflichten aus dem zur früheren L Schleswig-Holstein bestehenden Arbeits-/Beschäftigungs¬ver¬hältnis zum 2. Juni 2003 eingetreten war; denn die Eigenschaft der letzteren als Anstalt des öffentlichen Rechts als Anstalt des öffentlichen Rechts nahm an der Rechtsnachfolge nicht teil.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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