Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3446/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 455/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Januar 2006 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 20.12.1948 geborene, aus Italien stammende Klägerin hat ihren Angaben im Rentenantrag zufolge keinen Beruf erlernt und in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Oktober 1971 und Juli 2000 - unterbrochen durch Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit - als Näherin und Arbeiterin versicherungspflichtig gearbeitet. Seither ist sie entweder arbeitsunfähig oder arbeitslos.
Am 03.02.2004 beantragte die Klägerin wegen Hand- und Knieoperationen sowie Bandscheibenbeschwerden die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. L., Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin, Ärztliche Untersuchungsstelle U ... Dieser diagnostizierte nach Auswertung weiterer Arztunterlagen (u.a. Arztbriefe des Dr. H. über die operative Meniskusteilresektion rechtes Knie, des Orthopäden Dr. B. über Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenks sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. über Wirbelsäulenbeschwerden) als Gesundheitsstörungen: 1. Reizknie rechts bei Knorpelschäden und nach Innenmeniskusoperation; 2. Schäden des linken Kniegelenkes mit medialer Gonarthrose und Innenmeniskusläsion; 3. Lumboischialgie; 4. Bronchialasthma; 5. medikamentös eingestellte Hypertonie sowie nebenbefundlich ein operiertes Carpaltunnelsyndrom rechts und links. Aufgrund des akuten Reizzustandes des rechten Kniegelenks lasse sich ein zuverlässiges Leistungsbild unter mittel- bis langfristigen Gesichtspunkten nicht erstellen. Derzeit sei der Reizzustand des rechten Kniegelenks noch so stark, dass ausreichende Wegefähigkeit im sozialmedizinischen Sinne nicht vorliege. Aus diesem Grunde werde vorgeschlagen, für die Dauer von insgesamt noch sechs Monaten seit dem Untersuchungszeitpunkt berufliche Leistungsunfähigkeit anzunehmen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde festgehalten, dass die Klägerin einen Führerschein besitze und ihr ein Pkw zur Verfügung stehe.
Mit Bescheid vom 30.04.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und wandte ein, dass sie aufgrund der irrtümlicherweise am rechten Kniegelenk durchgeführten Arthroskopie bis heute nicht in der Lage sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Sie sei nie schmerzfrei. Die Beklagte holte hierauf ein weiteres Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. S., Ärztliche Untersuchungsstelle U., ein. Dr. S., dem zusätzlich radiologische Befundberichte über die Kernspintomographie rechtes Kniegelenk vom Juni 2003 und die Szintigraphie des Skeletts vom Februar 2004, ein lungenfachärztlicher Befundbericht von Dr. H. sowie ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. B. vorlagen, erhob aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin am 19.07.2004 eine leichte, innenseitige Kniegelenksarthrose beidseits, links mit Innenmeniskusläsion, rechts mit chronischem Reizerguss seit arthroskopischer Innenmeniskus-Hinterwandresektion und Knorpelglättung, Verschleißzeichen der Lendenwirbelsäule, eine leichte Gefügestörung im Segment L4/5, eine Arthrose der kleinen Wirbelgelenke L5/S1 (Facettengelenksarthrose), einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck, einen chronischen Kopfschmerz und eine initiale Hüftgelenksarthrose links etwas deutlicher als rechts ohne Beschwerdesymptomatik. Als sonstige Diagnosen nannte Dr. S. ein erhebliches Übergewicht, den V.a. subklinische Blutzuckererkrankung, eine Pollenallergie, kein Asthma, Senk-Spreizfüße beidseits und einen Hallux valgus. Aus sozialmedizinischer Sicht sei die Klägerin derzeit nur in der Lage, leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung, häufiges Bücken und ohne häufiges Klettern oder Steigen sechs Stunden und mehr täglich auszuführen. Unter Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken bestehe keine sozialrelevante Gehstreckeneinschränkung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da sie leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie aufgrund ihrer zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit verwiesen werden könne, mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, der behandelnde Arzt habe irrtümlicherweise nicht das linke Knie operiert, sondern den Eingriff am rechten Knie durchgeführt, obwohl dieses nicht behandlungsbedürftig gewesen sei. Bis heute sei das rechte Kniegelenk nicht in Ordnung und keinen Tag schmerzfrei. Daher könne die notwendige Operation am linken Kniegelenk nicht durchgeführt werden. Aufgrund der Kniegelenksbeschwerden habe sie zwischenzeitlich zwei Bandscheibenvorfälle erlitten und könne einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen.
Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Der Radiologe Dr. E. übersandte eigene Befundberichte über eine CT-gestützte epidurale Therapie L4/5 rechts und links und L3/4 links und das Computertomogramm der Lendenwirbelsäule vom November 2004.
Dr. E., Allgemeinarzt, berichtete über Behandlungen der Klägerin seit 1987 und teilte die erhobenen Dauerdiagnosen mit. Seit Sommer 2004 habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin erheblich verschlechtert durch einen Bandscheibenvorfall L5/S1. Zumindest derzeit sei eine sechsstündige tägliche regelmäßige Arbeit unmöglich. Schmerzbedingt sei auch die Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt.
Dr. B., Facharzt für Orthopädie, teilte mit, das Krankheitsbild habe sich durch einen zusätzlichen Rückenschmerz verschlechtert. Durch die fortgeschrittene Arthrose des rechten Kniegelenks und dessen chronische Entzündung sei die Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt.
Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Dr. U. ein orthopädisch-chirurgisches Gutachten. Dieser führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Innenseitige Kniegelenksarthrose beidseits, links mit Innenmeniskusläsion, rechts Zustand nach arthroskopischer Innenmeniskus-Hinterhornresektion und Knorpelglättung rechts (18.02.2003) sowie Abrasionsarthroplastik und Microfracturing rechts (23.07.2004); Spondylarthrose L4/5 und L5/S1, dorsale Einengung des Spinalkanals in Höhe L4/5 und L5/S1, Nachweis eines intraforaminalen/extraforaminalen Bandscheibenvorfalls L3/L4 rechts bei generalisierter zirkulärer Bandscheibenprotrusion, Verdacht auf Wurzelkompression L3 rechts im CT, semizirkuläre Bandscheibenprotrusion L4/L5 und L5/S1, jeweils mit Nervenwurzelverlagerung, L5/S1 - Befund links betont, jeweils mit Kontakt zur Nervenwurzel, Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L5/S1, als Zeichen einer Wurzelkompression S1 Ausfall des Achillessehnenreflexes rechts sowie Verminderung des Gefühls im Bereich der rechten Wade, dadurch jedoch keine gravierenden funktionellen Beeinträchtigungen, Osteochondrose der Lendenwirbelsäule; degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vom 5. Halswirbelkörper bis zum 7. Halswirbelkörper; degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule; operiertes Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne Folgeerscheinungen; Senk-Spreizfüsse beidseits, Hallux valgus. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Unzumutbar seien Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 10 kg, Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen, mit häufigem Bücken, mit häufigem Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten überwiegend im Freien, unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Arbeiten unter Zeitdruck (Akkord, Fließband, taktgebundene Arbeiten), Arbeiten überwiegend im Stehen oder Gehen und Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und an den Gleichgewichtssinn. Die Kniegelenksveränderungen beidseits schränkten die Klägerin in ihrer Gehfähigkeit ein. Sie sei in der Lage, mindestens viermal täglich mehr als 500 Meter zu Fuß zurückzulegen. Für 500 Meter sei ein Zeitaufwand von ca. 30 Minuten erforderlich. Ein flotter Wanderschritt lasse in einer Stunde die Zurücklegung einer Wegstrecke von 5 km zu. Diese Geschwindigkeit könne die Klägerin aufgrund der Kniearthrose beidseits nicht erreichen. Sie bewege sich auch dann schwerfällig fort, wenn sie sich unbeobachtet glaube. Die beobachtete Fortbewegungsgeschwindigkeit lasse die Zurücklegung einer Wegstrecke von einem Kilometer in einer Stunde annehmen. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen und aus medizinischer Sicht einen Pkw fahren. In den wesentlichen Punkten und der Einschätzung des positiv vorhandenen Leistungsbildes weiche er von dem Vorgutachten vom 19.07.2004 nicht ab. Er rege eine zusätzliche Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an, um einerseits neurologisch bedeutsame Ausfälle aufgrund der Wirbelsäulenveränderungen und der operierten Carpaltunnelsyndrome auszuschließen, andererseits scheine die Klägerin auch an einer somatoformen Schmerzverarbeitungsstörung oder einer larvierten Depression zu leiden.
Für die Beklagte äußerte sich dazu Dr. B. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme dahingehend, es sei nicht zweifelsfrei belegt, dass die Klägerin eine Wegstrecke von über 500 Meter nicht auch innerhalb von 20 Minuten zurücklegen könne. Der von dem Sachverständigen angenommene Zeitaufwand von ca. 30 Minuten resultiere aus der Annahme, dass die Klägerin eine Wegstrecke von einem Kilometer in einer Stunde zurücklegen könne. Dieser Zeitaufwand erscheine aber nicht nachvollziehbar begründet, es handle sich offensichtlich nur um eine sehr grobe Schätzung.
Dr. U. hielt in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme daran fest, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, eine Wegstrecke von 500 Meter in einer Zeit unter 30 Minuten zurückzulegen.
Die Klägerin teilte auf Anfrage des SG mit, dass sie zwar einen Führerschein besitze, jedoch einen Pkw nur eingeschränkt zur Verfügung habe, da dieser ihrem Ehemann gehöre und von diesem wie auch von der Tochter genutzt werde. Sie befinde sich nicht bei einem Nervenarzt in ärztlicher Behandlung, sondern sei wegen ihrer Depression in ständiger Behandlung ihres Hausarztes Dr. E ...
Die Beklagte legte eine weitere Stellungnahme des Dr. B. vor, wonach sich keine Abweichung von der bisherigen Einschätzung ergebe.
Mit Urteil vom 11.01.2006, der Beklagten zugestellt am 18.01.2006, hob das SG den Bescheid vom 30.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2004 auf und verurteilte die Beklagte unter Klageabweisung im übrigen, der Klägerin vom 01.12.2005 bis 30.11.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Klägerin sei zwar nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter in der Lage, einer Arbeit unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden täglich nachzukommen, allerdings sei ihre Gehfähigkeit eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze die Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand, nämlich jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren oder den Arbeitsplatz mit Hilfe eines zur Verfügung stehenden Kfz erreichen zu können. Schon Dr. L. sei aufgrund der Untersuchung vom 03.03.2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin derzeit wegeunfähig sei, habe hierzu aber noch keine genauen Befunde mitgeteilt. Während Dr. S. noch eine seitengleiche Muskulatur ohne Schonungszeichen rechts und stabile Bänder festgehalten habe, sei von Dr. U. eine Verschmächtigung der Muskulatur rechts gegenüber links festgestellt worden. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nunmehr zwei Unterarmstützen verwende, diese auch in unbeobachteten Momenten einsetze und ein entsprechendes Gangbild aufweise, sowie der Tatsache, dass die Muskulatur mittlerweile rechts zum Teil verschmächtigt sei, sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass ab der Untersuchung durch Dr. U. nachgewiesen sei, dass die Klägerin eine Strecke von 500 Metern nicht mehr in einem Zeitaufwand von 20 Minuten zu Fuß bewältigen könne. Zwar könne die Klägerin die Wegstrecken mit einem Fahrzeug zurücklegen, hierzu fehle ihr jedoch das erforderliche Verkehrsmittel, denn das Fahrzeug, das der Familie zur Verfügung stehe, werde glaubhaft vom Ehemann benötigt. Vorliegend habe die Beklagte die Möglichkeit, der Klägerin noch Leistungen zur Rehabilitation anzubieten, weshalb die Behebung der vollen Erwerbsminderung nicht unwahrscheinlich sei und die Klägerin demnach nur Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit habe.
Hiergegen richtet sich die am 27.01.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor, der von Dr. U. angenommene Zeitaufwand von ca. 30 Minuten für die Bewältigung von 500 Metern werde nicht nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige verweise lediglich darauf, dass sich die Klägerin beim Verlassen der Praxis schwerfällig fortbewegt habe und dass die von ihm beobachtete Fortbewegungsgeschwindigkeit die Zurücklegung einer Wegstrecke von (nur) 1 km in einer Stunde annehmen lasse. Abgesehen davon, dass es schwer, wenn nicht gar unmöglich sein dürfte, die konkrete Fortbewegungsgeschwindigkeit eines Menschen durch bloßes Beobachten zuverlässlich einzuschätzen, müsse auch das im Gutachten beschriebene Aggravations- und Verdeutlichungsverhalten der Klägerin in Rechnung gestellt werden. Der Gutachter habe unmissverständlich erklärt, dass bei der Klägerin keine Motivation bestehe, noch einmal ins Arbeitsleben eingegliedert zu werden, mit anderen Worten, dass ihr lediglich am Erhalt einer Rente gelegen sei. Die beim Verlassen der Praxis beobachtete schwerfällige Fortbewegung könne also (zumindest teilweise) auch andere als gesundheitliche Gründe haben. Im übrigen verfüge die Klägerin über einen Führerschein und ein Kraftfahrzeug und sei aus medizinischer Sicht nicht gehindert, einen Pkw zu fahren. Dass das der Familie zur Verfügung stehende Fahrzeug vom Ehemann benötigt werde, werde bestritten, da der Ehemann nach Aktenlage arbeitslos und somit nicht auf den täglichen Gebrauch des Kraftfahrzeugs angewiesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und weist darauf hin, dass sie sich erneut einer Operation am rechten Kniegelenk habe unterziehen müssen. Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des Dr. G. über die stationäre Behandlung vom 25.05. bis 09.06.2006 in der Chirurg.-Orthop. Klinik Dr. B. (Diagnose: mediale Gonarthrose rechts; Therapie: Arthroskopie, partielle Meniskusresektion medial + valgisierende Tibiakopfosteotomie 6 Grad subtraktiv, Stabilisation mit Giebel-Platte) vorgelegt.
Die Beklagte hat der Klägerin ein Heilverfahren in der Klinik i. H. gewährt, welches in der Zeit vom 14.06. bis 05.07.2006 durchgeführt worden ist. In dem Entlassungsbericht sind als Diagnosen genannt: 1. Zustand nach valgisierender Umstellungsosteotomie rechtes Knie bei medialer Gonarthrose am 26.05.2006, 2. Gonarthrose links, 3. Lumbalsyndrom, 4. arterielle Hypertonie, 5. Diabetes mellitus Typ II b. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne die Klägerin leichte Tätigkeiten ständig im Sitzen und zeitweise im Gehen und Stehen ohne regelmäßiges Heben, Halten und Tragen von Gegenständen über 10 kg, insbesondere nicht in ungünstiger Körperhaltung, ohne Tätigkeiten in längerer oder gehäufter wirbelsäulenbelastender Zwangshaltung und ohne Tätigkeiten im tiefen Hocken oder Knien noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt.
Dr. B., Arzt für Orthopädie, hat unter Beifügung weiterer Arztunterlagen über Behandlungen der Klägerin zwischen Januar 2005 und März 2006 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei eingeschränkt vor allem für die Mobilität und für mittelschwere Tätigkeiten mit Zwangshaltung, mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und im Freien. Die Klägerin sei nicht fähig, eine Gehstrecke von viermal täglich 500 Metern zurückzulegen, jedoch könnten öffentliche Verkehrsmittel zweimal täglich benutzt werden.
Dr. E. hat mitgeteilt, über Rückenschmerzen habe die Klägerin seit Frühjahr 2006 nicht mehr geklagt, bezüglich der Kniebeschwerden sei sie postoperativ wohl nicht ganz zufrieden. Das Leistungs- und Gehvermögen der Klägerin vermöge er nicht zu beurteilen, da noch die Metallentfernung anstehe und beide Punkte eher durch Orthopäden zu beantworten seien.
Dr. S., Chirurg, hat bekundet, im Moment befinde sich die Klägerin noch in der Phase nach Durchführung der Metallentfernung am Schienbeinkopf (15.12.2006). Es bestehe noch eine lokale Druckschmerzhaftigkeit im Operationsgebiet. Die Klägerin sei derzeit nicht in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitraums von jeweils etwa 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen.
Prof. Dr. H., der sich der Mitarbeit des Leitenden Oberarztes Dr. T. bediente, ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden beidseits eine medial betonte Gonarthrose Stadium II bis III, rechts bei Zustand nach zweimaliger Arthroskopie und valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie mit mittlerweile erfolgter Metallentfernung im Jahre 2006 mit glaubhafter Schmerzsymptomatik sowie ein chronifiziertes, mittelschweres, überwiegend lokales Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1 beidseits rechts mehr als links sowie Osteochondrose L3/L4 ohne neurologische Ausfälle. Auf nichtorthopädischem Fachgebiet seien eine Adipositas, ein Diabetes mellitus Typ II b, medikamentös eingestellt, und eine arterielle Hypertonie, ebenfalls medikamentös eingestellt mit aktuell deutlich erhöhten Werten dokumentiert. Ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit könne die Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit kurzer Geh- und Stehbelastung und mit ergonomischer Ausstattung des Arbeitsplatzes (rückengerechter Stuhl) sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichten. Vermeiden müsse sie schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in fixierter Rumpfvorneigung oder unter Aussetzung von Stoß- oder Rüttelbelastungen sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten oder in häufig hockender oder kniender Stellung. Die Klägerin scheine aufgrund der Untersuchung durchaus in der Lage, innerhalb von 20 Minuten viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zurückzulegen. Bei diesen Überlegungen sei auch eine einige Minuten dauernde Pause mit eingeschlossen. Ebenfalls sei die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Hauptverkehrszeiten zumutbar. Von ärztlicher Seite spreche auch nichts dagegen, ein Kfz selbst zu führen. Die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden seit der ersten Knieoperation rechts im Februar 2003. Gegenüber dem Gutachten von Dr. U. sei die jetzt gemessene Fortbewegungsgeschwindigkeit erheblich höher gewesen, so dass 500 Meter ohne Pausen in 10 Minuten, mit Pausen sicherlich jedoch in 20 Minuten bewältigt werden könnten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit, weshalb das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 30.04.2004 zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar hat sie - wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt; sie ist jedoch weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.
Die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet vorliegend bereits von vornherein aus, weil die Klägerin während ihres Berufslebens lediglich ungelernte, allenfalls angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs verrichtet hat und weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung noch über sonstige berufsspezifische Qualifikationen verfügt. Etwas anderes hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 62, 74 ff.; 59, 249 ff. sowie 43, 243, 246; BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 49 und 50; BSG, Urteil vom 27.02.1997 - 13 RJ 9/96 -) ist die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und auf diesem nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig auszuüben.
Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf die schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., ferner auf den Entlassungsbericht der Klinik i. H. und die Gutachten von Dr. L. und Dr. S. (jeweils urkundsbeweislich verwertbar) und schließlich auf das Gutachten von Dr. U. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B ... Danach leidet die Klägerin im wesentlichen an folgenden Gesundheitsstörungen: beidseits medialbetonte Kniegelenksarthrose Stadium II-III, rechts Zustand nach zweimaliger Arthroskopie sowie valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie mit im Dezember 2006 erfolgter Metallentfernung und mit glaubhafter Schmerzsymptomatik; chronifiziertes belastungsabhängiges Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Verschleißerscheinungen, vor allem der kleineren Wirbelgelenke (Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1) ohne radikuläre Ausfälle oder Nervenreizerscheinungen; Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie, jeweils medikamentös eingestellt, Adipositas. Darüber hinausgehende, wesentlich schwererwiegende Gesundheitsstörungen haben weder Dr. U. noch die behandelnden Ärzte mitgeteilt.
Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin zwar eingeschränkt; sie ist jedoch über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus fähig, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Sitzen mit kurzen Steh- und Gehphasen und mit ergonomischer Ausstattung des Arbeitsplatzes (rückengerechter Stuhl) sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Vermeiden muss sie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in fixierter Rumpfvorneigung oder unter Aussetzung von Stoß- und Rüttelbelastungen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Der Senat sieht keinen Anlass, den insoweit im Ergebnis im wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen durch die Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. U., die Kurärzte der Klinik i. H., den Facharzt für Chirurgie Dr. S. und den beratenden Arzt Dr. B. nicht zu folgen, da sie im Einklang mit den erhobenen und dokumentierten Befunden und Funktionsbeeinträchtigungen stehen, schlüssig und nachvollziehbar sind. Soweit Dr. U. zusätzlich Arbeiten überwiegend im Freien, unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck für ungeeignet hält, mag diese zusätzliche qualitative Einschränkung angesichts des Wirbelsäulenbefundes gerechtfertigt sein. Für den weiteren Ausschluss von Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und an den Gleichgewichtssinn fehlt es hingegen an einer nachvollziehbaren Begründung. Die abweichende Auffassung des behandelnden Allgemeinarztes Dr. E. im erstinstanzlichen Verfahren, wonach eine 6-stündige tägliche regelmäßige Arbeit unmöglich sei, ist durch die fachärztlichen Äußerungen widerlegt. Die internistischen Gesundheitsstörungen Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind medikamentös behandelbar und führen zu keinen weiteren Einschränkungen des Leistungsvermögens, insbesondere nicht zu einer Limitierung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Die Adipositas wirkt sich zwar ungünstig auf die Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates aus, dies wurde jedoch bei der Beurteilung des Leistungsvermögens durch Prof. Dr. H. berücksichtigt.
Dagegen vermag sich der Senat ebenso wie die Beklagte der Beurteilung von Dr. U. hinsichtlich der Gehfähigkeit der Klägerin, die das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht anzuschließen. Zwar gehört zur Erwerbsfähigkeit nach ständiger Rechtssprechung des BSG auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, wobei generell eine Fähigkeit des Versicherten für erforderlich gehalten wird, insgesamt viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1247 Nr. 10). Eine derartige rentenrechtlich relevante Einschränkung des Gehvermögens erachtet der Senat aufgrund des medizinischen Beweisergebnisses nicht für erwiesen. Zu Recht weist insoweit Dr. B. darauf hin, dass der von Dr. U. angenommene Zeitaufwand von 30 Minuten für die Bewältigung von 500 Metern nicht nachvollziehbar begründet ist. Abgesehen davon, dass die konkrete Fortbewegungsgeschwindigkeit eines Menschen insbesondere dahingehend, ob für 500 Meter 20 Minuten oder 30 Minuten benötigt werden, durch bloßes Beobachten problematisch erscheint, hätte der Gutachter Dr. U. die von ihm beobachtete schwerfällige Fortbewegung der Klägerin beim Verlassen der Praxis angesichts der beschriebenen Aggravations- und Verdeutlichungstendenzen kritisch hinterfragen müssen. Gegen eine regelmäßige Benutzung der Unterarmstützen sprechen fehlende Zeichen eines regelmäßigen Gebrauchs. Bereits Dr. S. hatte darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin angegebene maximale Gehstrecke nicht glaubhaft sei und unter Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken unter zumutbarer Willensanstrengung keine sozial relevante Gehstreckeneinschränkung bestand. Auch Prof. Dr. H. hat insoweit für den Senat überzeugend aufgezeigt, dass die Klägerin in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitraums von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und während der Hauptverkehrszeiten zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Im Rahmen der Untersuchung bei Prof. Dr. H. legte die Klägerin ohne Gehstützen Wegstrecken von 20 Meter in 25 Sekunden und mit Gehstützen von 50 Meter und zurück (ohne zwischenzeitliche Pause) in jeweils einer Minute in der gleichen Geschwindigkeit zurück, das heißt sie ging 100 Meter in zwei Minuten. Dies bedeutet, dass auch bei eventuell auftretenden schmerzbedingten Pausen nicht mehr als 20 Minuten für 500 Meter benötigt werden. Der chronische Reizzustand am rechten Kniegelenk, der sich postoperativ entwickelt hatte, ist durch die im Jahr 2006 durchgeführte valgisierende Umstellungsosteotomie im rechten Tibiakopfbereich mit Metallentfernung im Dezember 2006 erheblich gebessert worden. Es zeigte sich eine in etwa seitengleich ausgebildete Kniegelenksarthrose überwiegend im medialen Gelenkkompartiment, eine jetzt korrekte Beinachse rechts und nach wie vor varische Beinachse links. Die Beweglichkeit hat sich ebenfalls gebessert, denn es fand sich kein beidseitiges Streckdefizit mehr und die Beugung gelang rechts bis 125° (dann mit Schmerzangabe) links bis 140°. Bei dieser Gegebenheit kann der Senat offen lassen, ob der Klägerin ein Pkw zur Verfügung steht. Soweit Dr. S. ein eingeschränktes Gehvermögen der Klägerin bejahte, ist zu beachten, dass er die Klägerin Ende Dezember 2006, d.h. 14 Tage nach der letzten Operation beurteilte. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. H. im März 2007 hatte sich bereits eine Besserung des Gehvermögens eingestellt.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Insbesondere ist der Ausschluss von Heben und Tragen schwerer Lasten, von Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" umfasst (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117 und SozR 3 - 2200 § 1247 Nr. 10; BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17). Auch die übrigen Leistungseinschränkungen wie "z. B. Akkordarbeit oder Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft fallen nicht unter "ungewöhnliche Leistungseinschränkungen" (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -). Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.
Schließlich ist der Klägerin auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle der Klägerin ist keiner dieser Fälle gegeben. Das Erfordernis einer angepassten Sitzgelegenheit stellt keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung dar, da die Ausstattung mit ergonomisch geformten Sitzmöbeln heutzutage üblich ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Arbeitsplätze, bei denen ein mehrfach verstellbarer Bürostuhl zur Verfügung gestellt wird, sind in ausreichendem Umfang vorhanden (vgl. Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 24.07.1998 - L 8 RJ 400/98 - und vom 12.09.2006 - L 13 R 3030/04 -).
Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95). Das Risiko, dass die Klägerin keinen für sie geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).
Die Klägerin kann sich nicht auf mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache berufen, denn diese stehen der Zumutbarkeit einer Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen (s. im Ergebnis BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17 sowie SozR 3 - 2200 § 1246 Nrn. 11 und 9, jeweils m.w.N.).
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 20.12.1948 geborene, aus Italien stammende Klägerin hat ihren Angaben im Rentenantrag zufolge keinen Beruf erlernt und in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Oktober 1971 und Juli 2000 - unterbrochen durch Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit - als Näherin und Arbeiterin versicherungspflichtig gearbeitet. Seither ist sie entweder arbeitsunfähig oder arbeitslos.
Am 03.02.2004 beantragte die Klägerin wegen Hand- und Knieoperationen sowie Bandscheibenbeschwerden die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. L., Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin, Ärztliche Untersuchungsstelle U ... Dieser diagnostizierte nach Auswertung weiterer Arztunterlagen (u.a. Arztbriefe des Dr. H. über die operative Meniskusteilresektion rechtes Knie, des Orthopäden Dr. B. über Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenks sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. über Wirbelsäulenbeschwerden) als Gesundheitsstörungen: 1. Reizknie rechts bei Knorpelschäden und nach Innenmeniskusoperation; 2. Schäden des linken Kniegelenkes mit medialer Gonarthrose und Innenmeniskusläsion; 3. Lumboischialgie; 4. Bronchialasthma; 5. medikamentös eingestellte Hypertonie sowie nebenbefundlich ein operiertes Carpaltunnelsyndrom rechts und links. Aufgrund des akuten Reizzustandes des rechten Kniegelenks lasse sich ein zuverlässiges Leistungsbild unter mittel- bis langfristigen Gesichtspunkten nicht erstellen. Derzeit sei der Reizzustand des rechten Kniegelenks noch so stark, dass ausreichende Wegefähigkeit im sozialmedizinischen Sinne nicht vorliege. Aus diesem Grunde werde vorgeschlagen, für die Dauer von insgesamt noch sechs Monaten seit dem Untersuchungszeitpunkt berufliche Leistungsunfähigkeit anzunehmen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde festgehalten, dass die Klägerin einen Führerschein besitze und ihr ein Pkw zur Verfügung stehe.
Mit Bescheid vom 30.04.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und wandte ein, dass sie aufgrund der irrtümlicherweise am rechten Kniegelenk durchgeführten Arthroskopie bis heute nicht in der Lage sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Sie sei nie schmerzfrei. Die Beklagte holte hierauf ein weiteres Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. S., Ärztliche Untersuchungsstelle U., ein. Dr. S., dem zusätzlich radiologische Befundberichte über die Kernspintomographie rechtes Kniegelenk vom Juni 2003 und die Szintigraphie des Skeletts vom Februar 2004, ein lungenfachärztlicher Befundbericht von Dr. H. sowie ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. B. vorlagen, erhob aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin am 19.07.2004 eine leichte, innenseitige Kniegelenksarthrose beidseits, links mit Innenmeniskusläsion, rechts mit chronischem Reizerguss seit arthroskopischer Innenmeniskus-Hinterwandresektion und Knorpelglättung, Verschleißzeichen der Lendenwirbelsäule, eine leichte Gefügestörung im Segment L4/5, eine Arthrose der kleinen Wirbelgelenke L5/S1 (Facettengelenksarthrose), einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck, einen chronischen Kopfschmerz und eine initiale Hüftgelenksarthrose links etwas deutlicher als rechts ohne Beschwerdesymptomatik. Als sonstige Diagnosen nannte Dr. S. ein erhebliches Übergewicht, den V.a. subklinische Blutzuckererkrankung, eine Pollenallergie, kein Asthma, Senk-Spreizfüße beidseits und einen Hallux valgus. Aus sozialmedizinischer Sicht sei die Klägerin derzeit nur in der Lage, leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung, häufiges Bücken und ohne häufiges Klettern oder Steigen sechs Stunden und mehr täglich auszuführen. Unter Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken bestehe keine sozialrelevante Gehstreckeneinschränkung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da sie leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie aufgrund ihrer zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit verwiesen werden könne, mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit der Begründung, der behandelnde Arzt habe irrtümlicherweise nicht das linke Knie operiert, sondern den Eingriff am rechten Knie durchgeführt, obwohl dieses nicht behandlungsbedürftig gewesen sei. Bis heute sei das rechte Kniegelenk nicht in Ordnung und keinen Tag schmerzfrei. Daher könne die notwendige Operation am linken Kniegelenk nicht durchgeführt werden. Aufgrund der Kniegelenksbeschwerden habe sie zwischenzeitlich zwei Bandscheibenvorfälle erlitten und könne einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen.
Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Der Radiologe Dr. E. übersandte eigene Befundberichte über eine CT-gestützte epidurale Therapie L4/5 rechts und links und L3/4 links und das Computertomogramm der Lendenwirbelsäule vom November 2004.
Dr. E., Allgemeinarzt, berichtete über Behandlungen der Klägerin seit 1987 und teilte die erhobenen Dauerdiagnosen mit. Seit Sommer 2004 habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin erheblich verschlechtert durch einen Bandscheibenvorfall L5/S1. Zumindest derzeit sei eine sechsstündige tägliche regelmäßige Arbeit unmöglich. Schmerzbedingt sei auch die Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt.
Dr. B., Facharzt für Orthopädie, teilte mit, das Krankheitsbild habe sich durch einen zusätzlichen Rückenschmerz verschlechtert. Durch die fortgeschrittene Arthrose des rechten Kniegelenks und dessen chronische Entzündung sei die Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt.
Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Dr. U. ein orthopädisch-chirurgisches Gutachten. Dieser führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Innenseitige Kniegelenksarthrose beidseits, links mit Innenmeniskusläsion, rechts Zustand nach arthroskopischer Innenmeniskus-Hinterhornresektion und Knorpelglättung rechts (18.02.2003) sowie Abrasionsarthroplastik und Microfracturing rechts (23.07.2004); Spondylarthrose L4/5 und L5/S1, dorsale Einengung des Spinalkanals in Höhe L4/5 und L5/S1, Nachweis eines intraforaminalen/extraforaminalen Bandscheibenvorfalls L3/L4 rechts bei generalisierter zirkulärer Bandscheibenprotrusion, Verdacht auf Wurzelkompression L3 rechts im CT, semizirkuläre Bandscheibenprotrusion L4/L5 und L5/S1, jeweils mit Nervenwurzelverlagerung, L5/S1 - Befund links betont, jeweils mit Kontakt zur Nervenwurzel, Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L5/S1, als Zeichen einer Wurzelkompression S1 Ausfall des Achillessehnenreflexes rechts sowie Verminderung des Gefühls im Bereich der rechten Wade, dadurch jedoch keine gravierenden funktionellen Beeinträchtigungen, Osteochondrose der Lendenwirbelsäule; degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vom 5. Halswirbelkörper bis zum 7. Halswirbelkörper; degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule; operiertes Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne Folgeerscheinungen; Senk-Spreizfüsse beidseits, Hallux valgus. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Unzumutbar seien Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 10 kg, Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen, mit häufigem Bücken, mit häufigem Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten überwiegend im Freien, unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe, Arbeiten unter Zeitdruck (Akkord, Fließband, taktgebundene Arbeiten), Arbeiten überwiegend im Stehen oder Gehen und Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und an den Gleichgewichtssinn. Die Kniegelenksveränderungen beidseits schränkten die Klägerin in ihrer Gehfähigkeit ein. Sie sei in der Lage, mindestens viermal täglich mehr als 500 Meter zu Fuß zurückzulegen. Für 500 Meter sei ein Zeitaufwand von ca. 30 Minuten erforderlich. Ein flotter Wanderschritt lasse in einer Stunde die Zurücklegung einer Wegstrecke von 5 km zu. Diese Geschwindigkeit könne die Klägerin aufgrund der Kniearthrose beidseits nicht erreichen. Sie bewege sich auch dann schwerfällig fort, wenn sie sich unbeobachtet glaube. Die beobachtete Fortbewegungsgeschwindigkeit lasse die Zurücklegung einer Wegstrecke von einem Kilometer in einer Stunde annehmen. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen und aus medizinischer Sicht einen Pkw fahren. In den wesentlichen Punkten und der Einschätzung des positiv vorhandenen Leistungsbildes weiche er von dem Vorgutachten vom 19.07.2004 nicht ab. Er rege eine zusätzliche Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an, um einerseits neurologisch bedeutsame Ausfälle aufgrund der Wirbelsäulenveränderungen und der operierten Carpaltunnelsyndrome auszuschließen, andererseits scheine die Klägerin auch an einer somatoformen Schmerzverarbeitungsstörung oder einer larvierten Depression zu leiden.
Für die Beklagte äußerte sich dazu Dr. B. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme dahingehend, es sei nicht zweifelsfrei belegt, dass die Klägerin eine Wegstrecke von über 500 Meter nicht auch innerhalb von 20 Minuten zurücklegen könne. Der von dem Sachverständigen angenommene Zeitaufwand von ca. 30 Minuten resultiere aus der Annahme, dass die Klägerin eine Wegstrecke von einem Kilometer in einer Stunde zurücklegen könne. Dieser Zeitaufwand erscheine aber nicht nachvollziehbar begründet, es handle sich offensichtlich nur um eine sehr grobe Schätzung.
Dr. U. hielt in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme daran fest, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, eine Wegstrecke von 500 Meter in einer Zeit unter 30 Minuten zurückzulegen.
Die Klägerin teilte auf Anfrage des SG mit, dass sie zwar einen Führerschein besitze, jedoch einen Pkw nur eingeschränkt zur Verfügung habe, da dieser ihrem Ehemann gehöre und von diesem wie auch von der Tochter genutzt werde. Sie befinde sich nicht bei einem Nervenarzt in ärztlicher Behandlung, sondern sei wegen ihrer Depression in ständiger Behandlung ihres Hausarztes Dr. E ...
Die Beklagte legte eine weitere Stellungnahme des Dr. B. vor, wonach sich keine Abweichung von der bisherigen Einschätzung ergebe.
Mit Urteil vom 11.01.2006, der Beklagten zugestellt am 18.01.2006, hob das SG den Bescheid vom 30.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2004 auf und verurteilte die Beklagte unter Klageabweisung im übrigen, der Klägerin vom 01.12.2005 bis 30.11.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Klägerin sei zwar nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter in der Lage, einer Arbeit unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden täglich nachzukommen, allerdings sei ihre Gehfähigkeit eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze die Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand, nämlich jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren oder den Arbeitsplatz mit Hilfe eines zur Verfügung stehenden Kfz erreichen zu können. Schon Dr. L. sei aufgrund der Untersuchung vom 03.03.2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin derzeit wegeunfähig sei, habe hierzu aber noch keine genauen Befunde mitgeteilt. Während Dr. S. noch eine seitengleiche Muskulatur ohne Schonungszeichen rechts und stabile Bänder festgehalten habe, sei von Dr. U. eine Verschmächtigung der Muskulatur rechts gegenüber links festgestellt worden. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nunmehr zwei Unterarmstützen verwende, diese auch in unbeobachteten Momenten einsetze und ein entsprechendes Gangbild aufweise, sowie der Tatsache, dass die Muskulatur mittlerweile rechts zum Teil verschmächtigt sei, sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass ab der Untersuchung durch Dr. U. nachgewiesen sei, dass die Klägerin eine Strecke von 500 Metern nicht mehr in einem Zeitaufwand von 20 Minuten zu Fuß bewältigen könne. Zwar könne die Klägerin die Wegstrecken mit einem Fahrzeug zurücklegen, hierzu fehle ihr jedoch das erforderliche Verkehrsmittel, denn das Fahrzeug, das der Familie zur Verfügung stehe, werde glaubhaft vom Ehemann benötigt. Vorliegend habe die Beklagte die Möglichkeit, der Klägerin noch Leistungen zur Rehabilitation anzubieten, weshalb die Behebung der vollen Erwerbsminderung nicht unwahrscheinlich sei und die Klägerin demnach nur Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit habe.
Hiergegen richtet sich die am 27.01.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor, der von Dr. U. angenommene Zeitaufwand von ca. 30 Minuten für die Bewältigung von 500 Metern werde nicht nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige verweise lediglich darauf, dass sich die Klägerin beim Verlassen der Praxis schwerfällig fortbewegt habe und dass die von ihm beobachtete Fortbewegungsgeschwindigkeit die Zurücklegung einer Wegstrecke von (nur) 1 km in einer Stunde annehmen lasse. Abgesehen davon, dass es schwer, wenn nicht gar unmöglich sein dürfte, die konkrete Fortbewegungsgeschwindigkeit eines Menschen durch bloßes Beobachten zuverlässlich einzuschätzen, müsse auch das im Gutachten beschriebene Aggravations- und Verdeutlichungsverhalten der Klägerin in Rechnung gestellt werden. Der Gutachter habe unmissverständlich erklärt, dass bei der Klägerin keine Motivation bestehe, noch einmal ins Arbeitsleben eingegliedert zu werden, mit anderen Worten, dass ihr lediglich am Erhalt einer Rente gelegen sei. Die beim Verlassen der Praxis beobachtete schwerfällige Fortbewegung könne also (zumindest teilweise) auch andere als gesundheitliche Gründe haben. Im übrigen verfüge die Klägerin über einen Führerschein und ein Kraftfahrzeug und sei aus medizinischer Sicht nicht gehindert, einen Pkw zu fahren. Dass das der Familie zur Verfügung stehende Fahrzeug vom Ehemann benötigt werde, werde bestritten, da der Ehemann nach Aktenlage arbeitslos und somit nicht auf den täglichen Gebrauch des Kraftfahrzeugs angewiesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und weist darauf hin, dass sie sich erneut einer Operation am rechten Kniegelenk habe unterziehen müssen. Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des Dr. G. über die stationäre Behandlung vom 25.05. bis 09.06.2006 in der Chirurg.-Orthop. Klinik Dr. B. (Diagnose: mediale Gonarthrose rechts; Therapie: Arthroskopie, partielle Meniskusresektion medial + valgisierende Tibiakopfosteotomie 6 Grad subtraktiv, Stabilisation mit Giebel-Platte) vorgelegt.
Die Beklagte hat der Klägerin ein Heilverfahren in der Klinik i. H. gewährt, welches in der Zeit vom 14.06. bis 05.07.2006 durchgeführt worden ist. In dem Entlassungsbericht sind als Diagnosen genannt: 1. Zustand nach valgisierender Umstellungsosteotomie rechtes Knie bei medialer Gonarthrose am 26.05.2006, 2. Gonarthrose links, 3. Lumbalsyndrom, 4. arterielle Hypertonie, 5. Diabetes mellitus Typ II b. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne die Klägerin leichte Tätigkeiten ständig im Sitzen und zeitweise im Gehen und Stehen ohne regelmäßiges Heben, Halten und Tragen von Gegenständen über 10 kg, insbesondere nicht in ungünstiger Körperhaltung, ohne Tätigkeiten in längerer oder gehäufter wirbelsäulenbelastender Zwangshaltung und ohne Tätigkeiten im tiefen Hocken oder Knien noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt.
Dr. B., Arzt für Orthopädie, hat unter Beifügung weiterer Arztunterlagen über Behandlungen der Klägerin zwischen Januar 2005 und März 2006 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei eingeschränkt vor allem für die Mobilität und für mittelschwere Tätigkeiten mit Zwangshaltung, mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und im Freien. Die Klägerin sei nicht fähig, eine Gehstrecke von viermal täglich 500 Metern zurückzulegen, jedoch könnten öffentliche Verkehrsmittel zweimal täglich benutzt werden.
Dr. E. hat mitgeteilt, über Rückenschmerzen habe die Klägerin seit Frühjahr 2006 nicht mehr geklagt, bezüglich der Kniebeschwerden sei sie postoperativ wohl nicht ganz zufrieden. Das Leistungs- und Gehvermögen der Klägerin vermöge er nicht zu beurteilen, da noch die Metallentfernung anstehe und beide Punkte eher durch Orthopäden zu beantworten seien.
Dr. S., Chirurg, hat bekundet, im Moment befinde sich die Klägerin noch in der Phase nach Durchführung der Metallentfernung am Schienbeinkopf (15.12.2006). Es bestehe noch eine lokale Druckschmerzhaftigkeit im Operationsgebiet. Die Klägerin sei derzeit nicht in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitraums von jeweils etwa 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen.
Prof. Dr. H., der sich der Mitarbeit des Leitenden Oberarztes Dr. T. bediente, ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden beidseits eine medial betonte Gonarthrose Stadium II bis III, rechts bei Zustand nach zweimaliger Arthroskopie und valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie mit mittlerweile erfolgter Metallentfernung im Jahre 2006 mit glaubhafter Schmerzsymptomatik sowie ein chronifiziertes, mittelschweres, überwiegend lokales Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1 beidseits rechts mehr als links sowie Osteochondrose L3/L4 ohne neurologische Ausfälle. Auf nichtorthopädischem Fachgebiet seien eine Adipositas, ein Diabetes mellitus Typ II b, medikamentös eingestellt, und eine arterielle Hypertonie, ebenfalls medikamentös eingestellt mit aktuell deutlich erhöhten Werten dokumentiert. Ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit könne die Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit kurzer Geh- und Stehbelastung und mit ergonomischer Ausstattung des Arbeitsplatzes (rückengerechter Stuhl) sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichten. Vermeiden müsse sie schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in fixierter Rumpfvorneigung oder unter Aussetzung von Stoß- oder Rüttelbelastungen sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten oder in häufig hockender oder kniender Stellung. Die Klägerin scheine aufgrund der Untersuchung durchaus in der Lage, innerhalb von 20 Minuten viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zurückzulegen. Bei diesen Überlegungen sei auch eine einige Minuten dauernde Pause mit eingeschlossen. Ebenfalls sei die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Hauptverkehrszeiten zumutbar. Von ärztlicher Seite spreche auch nichts dagegen, ein Kfz selbst zu führen. Die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden seit der ersten Knieoperation rechts im Februar 2003. Gegenüber dem Gutachten von Dr. U. sei die jetzt gemessene Fortbewegungsgeschwindigkeit erheblich höher gewesen, so dass 500 Meter ohne Pausen in 10 Minuten, mit Pausen sicherlich jedoch in 20 Minuten bewältigt werden könnten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit, weshalb das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 30.04.2004 zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar hat sie - wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt; sie ist jedoch weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.
Die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet vorliegend bereits von vornherein aus, weil die Klägerin während ihres Berufslebens lediglich ungelernte, allenfalls angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs verrichtet hat und weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung noch über sonstige berufsspezifische Qualifikationen verfügt. Etwas anderes hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 62, 74 ff.; 59, 249 ff. sowie 43, 243, 246; BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 49 und 50; BSG, Urteil vom 27.02.1997 - 13 RJ 9/96 -) ist die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und auf diesem nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig auszuüben.
Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf die schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., ferner auf den Entlassungsbericht der Klinik i. H. und die Gutachten von Dr. L. und Dr. S. (jeweils urkundsbeweislich verwertbar) und schließlich auf das Gutachten von Dr. U. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B ... Danach leidet die Klägerin im wesentlichen an folgenden Gesundheitsstörungen: beidseits medialbetonte Kniegelenksarthrose Stadium II-III, rechts Zustand nach zweimaliger Arthroskopie sowie valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie mit im Dezember 2006 erfolgter Metallentfernung und mit glaubhafter Schmerzsymptomatik; chronifiziertes belastungsabhängiges Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Verschleißerscheinungen, vor allem der kleineren Wirbelgelenke (Spondylarthrose L4/L5 und L5/S1) ohne radikuläre Ausfälle oder Nervenreizerscheinungen; Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie, jeweils medikamentös eingestellt, Adipositas. Darüber hinausgehende, wesentlich schwererwiegende Gesundheitsstörungen haben weder Dr. U. noch die behandelnden Ärzte mitgeteilt.
Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin zwar eingeschränkt; sie ist jedoch über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus fähig, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Sitzen mit kurzen Steh- und Gehphasen und mit ergonomischer Ausstattung des Arbeitsplatzes (rückengerechter Stuhl) sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Vermeiden muss sie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in fixierter Rumpfvorneigung oder unter Aussetzung von Stoß- und Rüttelbelastungen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Der Senat sieht keinen Anlass, den insoweit im Ergebnis im wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen durch die Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. U., die Kurärzte der Klinik i. H., den Facharzt für Chirurgie Dr. S. und den beratenden Arzt Dr. B. nicht zu folgen, da sie im Einklang mit den erhobenen und dokumentierten Befunden und Funktionsbeeinträchtigungen stehen, schlüssig und nachvollziehbar sind. Soweit Dr. U. zusätzlich Arbeiten überwiegend im Freien, unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck für ungeeignet hält, mag diese zusätzliche qualitative Einschränkung angesichts des Wirbelsäulenbefundes gerechtfertigt sein. Für den weiteren Ausschluss von Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und an den Gleichgewichtssinn fehlt es hingegen an einer nachvollziehbaren Begründung. Die abweichende Auffassung des behandelnden Allgemeinarztes Dr. E. im erstinstanzlichen Verfahren, wonach eine 6-stündige tägliche regelmäßige Arbeit unmöglich sei, ist durch die fachärztlichen Äußerungen widerlegt. Die internistischen Gesundheitsstörungen Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind medikamentös behandelbar und führen zu keinen weiteren Einschränkungen des Leistungsvermögens, insbesondere nicht zu einer Limitierung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Die Adipositas wirkt sich zwar ungünstig auf die Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates aus, dies wurde jedoch bei der Beurteilung des Leistungsvermögens durch Prof. Dr. H. berücksichtigt.
Dagegen vermag sich der Senat ebenso wie die Beklagte der Beurteilung von Dr. U. hinsichtlich der Gehfähigkeit der Klägerin, die das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht anzuschließen. Zwar gehört zur Erwerbsfähigkeit nach ständiger Rechtssprechung des BSG auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, wobei generell eine Fähigkeit des Versicherten für erforderlich gehalten wird, insgesamt viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1247 Nr. 10). Eine derartige rentenrechtlich relevante Einschränkung des Gehvermögens erachtet der Senat aufgrund des medizinischen Beweisergebnisses nicht für erwiesen. Zu Recht weist insoweit Dr. B. darauf hin, dass der von Dr. U. angenommene Zeitaufwand von 30 Minuten für die Bewältigung von 500 Metern nicht nachvollziehbar begründet ist. Abgesehen davon, dass die konkrete Fortbewegungsgeschwindigkeit eines Menschen insbesondere dahingehend, ob für 500 Meter 20 Minuten oder 30 Minuten benötigt werden, durch bloßes Beobachten problematisch erscheint, hätte der Gutachter Dr. U. die von ihm beobachtete schwerfällige Fortbewegung der Klägerin beim Verlassen der Praxis angesichts der beschriebenen Aggravations- und Verdeutlichungstendenzen kritisch hinterfragen müssen. Gegen eine regelmäßige Benutzung der Unterarmstützen sprechen fehlende Zeichen eines regelmäßigen Gebrauchs. Bereits Dr. S. hatte darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin angegebene maximale Gehstrecke nicht glaubhaft sei und unter Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken unter zumutbarer Willensanstrengung keine sozial relevante Gehstreckeneinschränkung bestand. Auch Prof. Dr. H. hat insoweit für den Senat überzeugend aufgezeigt, dass die Klägerin in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitraums von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und während der Hauptverkehrszeiten zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Im Rahmen der Untersuchung bei Prof. Dr. H. legte die Klägerin ohne Gehstützen Wegstrecken von 20 Meter in 25 Sekunden und mit Gehstützen von 50 Meter und zurück (ohne zwischenzeitliche Pause) in jeweils einer Minute in der gleichen Geschwindigkeit zurück, das heißt sie ging 100 Meter in zwei Minuten. Dies bedeutet, dass auch bei eventuell auftretenden schmerzbedingten Pausen nicht mehr als 20 Minuten für 500 Meter benötigt werden. Der chronische Reizzustand am rechten Kniegelenk, der sich postoperativ entwickelt hatte, ist durch die im Jahr 2006 durchgeführte valgisierende Umstellungsosteotomie im rechten Tibiakopfbereich mit Metallentfernung im Dezember 2006 erheblich gebessert worden. Es zeigte sich eine in etwa seitengleich ausgebildete Kniegelenksarthrose überwiegend im medialen Gelenkkompartiment, eine jetzt korrekte Beinachse rechts und nach wie vor varische Beinachse links. Die Beweglichkeit hat sich ebenfalls gebessert, denn es fand sich kein beidseitiges Streckdefizit mehr und die Beugung gelang rechts bis 125° (dann mit Schmerzangabe) links bis 140°. Bei dieser Gegebenheit kann der Senat offen lassen, ob der Klägerin ein Pkw zur Verfügung steht. Soweit Dr. S. ein eingeschränktes Gehvermögen der Klägerin bejahte, ist zu beachten, dass er die Klägerin Ende Dezember 2006, d.h. 14 Tage nach der letzten Operation beurteilte. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. H. im März 2007 hatte sich bereits eine Besserung des Gehvermögens eingestellt.
Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Insbesondere ist der Ausschluss von Heben und Tragen schwerer Lasten, von Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" umfasst (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117 und SozR 3 - 2200 § 1247 Nr. 10; BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17). Auch die übrigen Leistungseinschränkungen wie "z. B. Akkordarbeit oder Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft fallen nicht unter "ungewöhnliche Leistungseinschränkungen" (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -). Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.
Schließlich ist der Klägerin auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle der Klägerin ist keiner dieser Fälle gegeben. Das Erfordernis einer angepassten Sitzgelegenheit stellt keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung dar, da die Ausstattung mit ergonomisch geformten Sitzmöbeln heutzutage üblich ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Arbeitsplätze, bei denen ein mehrfach verstellbarer Bürostuhl zur Verfügung gestellt wird, sind in ausreichendem Umfang vorhanden (vgl. Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 24.07.1998 - L 8 RJ 400/98 - und vom 12.09.2006 - L 13 R 3030/04 -).
Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95). Das Risiko, dass die Klägerin keinen für sie geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).
Die Klägerin kann sich nicht auf mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache berufen, denn diese stehen der Zumutbarkeit einer Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen (s. im Ergebnis BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17 sowie SozR 3 - 2200 § 1246 Nrn. 11 und 9, jeweils m.w.N.).
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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