L 5 KA 1095/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3333/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1095/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 wird abgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme.

Der Kläger nimmt seit 01.09.1974 als Augenarzt (Vertragsarztsitz Leutkirch) an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Mit Schreiben vom 13.10.1999 beschwerte sich der bei der AOK Baden-Württemberg Versicherte E. S. bei der Beklagten. Er gab an, er habe am Samstag, dem 04.09.1999, wegen Sehstörungen mit dem Kläger telefonisch Kontakt aufgenommen; dessen Dienstbereitschaft sowie Telefonnummer und Praxisanschrift habe er der Lokalpresse entnommen. Er habe das Gefühl verspürt, das linke Auge sei mit Rußpartikeln durchsetzt; später seien Regenbogenerscheinungen dazu gekommen und das Sehfeld sei stark eingeschränkt gewesen. Der Kläger habe erklärt: "also dann um 16:30 Uhr". An der Praxis habe er jedoch niemanden angetroffen, obwohl er bis 17:15 Uhr gewartet habe. Er habe dann am Montag einen anderen Augenarzt aufgesucht, der eine bereits 50%ige Netzhauablösung am linken Auge mit dringender Behandlungsbedürftigkeit diagnostiziert habe. Zur Vermeidung der Erblindung sei er sofort in die Universitätsklinik Ulm überwiesen worden.

Der Kläger trug hierzu unter dem 24.12.1999 vor, offensichtlich könne ihn Herr S. nicht leiden und sei voller Antipathie. Der Patient habe das Telefonat vorschnell beendet und deshalb nicht mehr gehört, wo er, der Kläger, ihn erwarte. Auf seinem Praxisschild sei außerdem die für Notfälle geschaltete Telefonnummer vermerkt. Herr S. hätte ihn nur anzurufen brauchen; gegenüber stehe eine Telefonzelle. Er habe 200 Meter von der Praxis entfernt (in seiner Wohnung) auf ihn gewartet.

Mit Schreiben vom 11. April 2000 beantragte der Vorstand der Beklagten beim Disziplinarausschuss die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger. Mit weiterem Schreiben vom 23. Mai 2000 wurde der Kläger hierüber informiert. Außerdem wurden ihm die zur Last gelegte Verfehlung und das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt gegeben (Verwaltungsakte S. 16); der Kläger erhielt Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Der Kläger trug vor, er stehe jedes Wochenende mit Ausnahme des Urlaubs als in Leutkirch zu erreichender Augenarzt in der Zeitung. Das sei eine freiwillige Leistung. Der organisierte Notdienst könne im Krankenhaus Wangen erfragt werden. Auf seinem Praxisschild sei die Notfallnummer nochmals verzeichnet. Die Ausrüstung in seiner 200 Meter von der Praxis entfernten Wohnung entspreche allen Erfordernissen für ophthalmologische Untersuchungen und Behandlungen.

Während des Verfahrens wurde der Beklagten von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (Bezirksstelle Schwaben) mit Schreiben vom 18.07.2000 (Eingang bei der Beklagten am 20.07.2000) eine weitere Beschwerde gegen den Kläger vorgelegt. Oberfeldwebel M. Sch. Soldat der Bundeswehr, beschwerte sich am 20.06.2000 beim zuständigen Truppenarzt über das Verhalten des Klägers am Sonntag, dem 18.06. 2000. Er habe den Kläger nach telefonischer Terminabsprache wegen des Verdachts auf eine Splitterverletzung im rechten Auge aufgesucht. Dieser habe, obwohl er sich korrekt als Bundeswehrangehöriger ausgewiesen habe, die Behandlung verweigern wollen, da er keine Versichertenkarte zur sofortigen Abrechnung habe vorweisen können. Der Kläger habe ihm angeboten, ein Pfand zu hinterlegen als Voraussetzung für den Beginn der Behandlung; andernfalls solle er die Praxis verlassen. Nachdem er sich bereit erklärt habe, seine Uhr zu hinterlassen, habe der Kläger mit der Behandlung begonnen. Am nächsten Tag habe er den Überweisungsschein gebracht, den Kläger allerdings nicht zu Hause angetroffen. Bei einem Telefonanruf in der Praxis habe es der Kläger abgelehnt, ihm die Uhr mit der Post zu schicken; er könne sie persönlich abholen.

Hierzu trug der Kläger unter dem 25.07. 2000 vor, er habe sich bei Herrn Sch. mehrmals entschuldigt. Da er mehrfach schlechte Erfahrungen mit Überweisungsscheinen der Bundeswehr gemacht habe, habe er den Patienten gebeten, ihm doch ein Pfand zu überlassen, bis er die nötigen Papiere beibringen könne. Diesem Wunsch habe der Patient nach der Behandlung entsprochen. Es treffe nicht zu, dass er die Behandlung von dem Pfand abhängig gemacht habe. Er habe zuerst behandelt und danach sei ihm freiwillig die Uhr als Pfand übergeben worden. Der Patient habe sich auch nicht schriftlich ausgewiesen, sondern sei in Badeshorts gekommen und ihm völlig unbekannt gewesen. Eine Verletzung oder eine andere erkennbare Krankheit habe nicht vorgelegen.

Mit Schreiben am 19.01. 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe beim Disziplinarausschuss beantragt, auch die Beschwerde des M. Sch. in das laufende Disziplinarverfahren einzubeziehen. Der dem Kläger insoweit vorgeworfene Sachverhalt wurde im Einzelnen mitgeteilt.

Zur Sitzung des Disziplinarausschusses vom 19.09.2001 erschien der Kläger nicht; hierzu war er ordnungsgemäß geladen worden (Ladung Verwaltungsakte S. 27; Rückschein Verwaltungsakte S. 28). Die Ladung enthielt den Hinweis, dass auch im Falle des Ausbleibens des Klägers ohne hinreichende Entschuldigung verhandelt werden könne.

Mit Beschluss vom 19.09.2001 stellte der Disziplinarausschuss fest, der Kläger habe gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen, und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 5000 DM.

Zur Begründung wurde im Bescheid vom 26.09.2001 ausgeführt, der Kläger sei von der Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst befreit; ein besonderer augenärztlicher Notfalldienst bestehe für Leutkirch nicht. Der Kläger erbringe jedoch, wenn er nicht in Urlaub sei, auch am Wochenende als Vertragsarzt augenärztliche Leistungen; insoweit werde er in der örtlichen Presse unter Angabe seiner Praxisanschrift und seiner Telefonnummer als diensttuender Augenarzt benannt, was auch am Wochenende 04./05.09.1999 der Fall gewesen sei.

Der Patient E. S. habe den Kläger wegen Sehstörungen am 04.09.1999 aufsuchen wollen, sei von diesem auf 16:30 Uhr einbestellt worden, habe die Praxis jedoch verschlossen vorgefunden und sei nach vergeblichem Warten um 17:15 Uhr wieder gegangen. Am folgenden Montag sei von einem anderen Augenarzt eine Netzhautablösung diagnostiziert worden, die eine sofortige Operation erforderlich gemacht habe; die Operation sei erfolgreich verlaufen. Auch für das Wochenende 17./18.06.2000 sei der Kläger in der Lokalpresse als diensttuender Augenarzt benannt worden. Der Patient M. Sch. habe ihn am 18.06.2000 wegen des Verdachts auf eine Splitterverletzung im rechten Auge aufgesucht und sich als Bundeswehrangehöriger vorgestellt; einen Überweisungsschein habe er nicht vorgelegt. Der Kläger habe daraufhin die Behandlung von einem Pfand (Bargeld oder Wertgegenstand) abhängig gemacht und erst nach Aushändigung einer Uhr als Pfand die Untersuchung aufgenommen.

Durch sein Verhalten habe der Kläger in beiden Fällen seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt. Er hätte den Patienten E. S. behandeln müssen. Dabei könne dahinstehen, ob der Vertragsarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mangels anderweitiger Vorkehrungen, wie Notdiensten, auch in sprechstundenfreien Zeiten verpflichtet sei. Denn der Kläger habe sich öffentlich in einer Zeitungsanzeige bereit erklärt, während der sprechstundenfreien Zeit - am Wochenende - dienstbereit zu sein. Deshalb träfen ihn die gleichen Pflichten wie einen Arzt, der im Rahmen der Notfalldienstordnung tätig werde. Der Kläger hätte in seiner Praxis grundsätzlich erreichbar sein müssen, wenngleich er sich dort nicht ständig aufhalten müsse. Ob es während der sprechstundenfreien Zeit ausnahmsweise zulässig sei, erforderliche ärztliche Maßnahmen außerhalb der Praxis, etwa in der Wohnung durchzuführen, könne offen bleiben. Denn dies müsste dem Patienten jedenfalls ausdrücklich und unmissverständlich klar gemacht werden. Andernfalls wäre das Ziel, auch am Wochenende die erforderliche Behandlung zu gewährleisten, verfehlt und es bestünde gerade im augenärztlichen Bereich die Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden. Gegen diese Pflicht habe der Kläger schuldhaft verstoßen. Er hätte den Patienten, wenn er ihn schon in seiner Wohnung behandeln wolle, unmissverständlich dorthin einbestellen müssen. Das sei, wie er gewusst habe, nicht geschehen. Deshalb hätte er sich zu dem vereinbarten Termin in seine Praxis begeben müssen und nicht darauf vertrauen dürfen, der Patient werde ihn noch anrufen. Aufgrund der geschilderten Symptomatik habe der Kläger auch von Gefahr im Verzug und der Dringlichkeit ärztlicher Behandlung ausgehen müssen.

Im Fall des Patienten M. Sch. habe der Kläger gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung nach Maßgabe des auf § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch. (SGB V) beruhenden Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verstoßen. Danach hätten Vertragsärzte im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch die ärztliche Behandlung von Soldaten der Bundeswehr sicherzustellen (§§ 1, 2 des Vertrages). Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages erfolge die Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Angehörigen der Bundeswehr grundsätzlich auf Grund eines von einem Arzt der Bundeswehr ausgestellten Überweisungsscheines. Könne dieser aber bei plötzlicher schwerer Erkrankung, einem Unfall oder einer Erkrankung außerhalb des Standortes nicht vorgelegt werden, sei er innerhalb von vier Wochen nachzureichen; geschehe das nicht, sei der Vertragsarzt berechtigt, eine Privatvergütung zu verlangen. Diesen Regelungen habe der Kläger zuwidergehandelt. Der Patient M. Sch. habe sich außerhalb seines Standortes aufgehalten und es habe eine schwere Erkrankung vorgelegen; hierfür genüge der Verdacht einer Pflichtverletzung im rechten Auge. Er sei deshalb berechtigt gewesen, die Dienste des Klägers ohne Überweisungsschein in Anspruch zu nehmen. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, die Behandlung von einem Pfand abhängig zu machen. Darin liege eine grobe Pflichtverletzung, die der Kläger auch schuldhaft begangen habe.

Zu Gunsten des Klägers sei berücksichtigt worden, dass er sich auch am Wochenende für ärztliche Behandlungen zur Verfügung stelle und bleibende Gesundheitsschäden nicht eingetreten seien. Allerdings habe im Fall des Patienten E. S. eine erhebliche Gefahr für die Sehkraft des erkrankten Auges bestanden. Die Gefahr sei ohne Zutun des Klägers abgewendet worden. Außerdem habe der Kläger ein hohes Maß an Gleichgültigkeit sowie Uneinsichtigkeit gezeigt und durch sein Verhalten das Vertrauen der Patienten in die vertragsärztliche Versorgung erschüttert sowie das Ansehen der Ärzteschaft gefährdet. Im Fall des Patienten Michael Schuh sei sein Verhalten unangemessen und eines Arztes unwürdig gewesen. Eine Verwarnung oder ein Verweis reichten deshalb nicht aus, um dem Kläger die Pflichtwidrigkeit seines Tuns im erforderlichen Umfang klar zu machen und ihn zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten anzuhalten. Andererseits wiege das Verhalten auch nicht so schwer, dass bereits das Ruhen der Zulassung hätte angeordnet werden müssen. Angemessen und erforderlich erscheine eine Geldbuße. Unter Würdigung aller Umstände, auch des vergleichsweise geringen Honorareinkommens des Klägers (Quartal 4/2000 ca. 24.000 DM, Quartal 1/2001 ca. 28.000 DM) werde die Buße auf 5000 DM bemessen.

Gegen den ihm am 17.11.2001 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 17.12.2001 Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Im Falle des Patienten E. S. sei unverständlich, weshalb dieser mit ihm keinen Kontakt mehr aufgenommen habe, etwa über Nachbarn, die wüssten, wo er zu finden sei, oder über die Polizei oder das Krankenhaus, an dem er auf dem Rückweg vorbeigekommen sein müsse. Die Kommunikationspanne sei bedauerlich, aber nicht von ihm zu verantworten. Im Fall des Patienten M. Sch. räume er ein, wegen des schlechten bürokratischen Verhaltens der Bundeswehr ein Pfand erbeten zu haben. Das sei ein Fehler gewesen und er habe sich bei allen Beteiligten entschuldigt. Allerdings habe er den Patienten zunächst behandelt und erst danach das Pfand genommen. Die Verhängung einer Geldbuße sei unangemessen. Das Auge des Patienten sei unverletzt, ohne Fremdkörper und ohne Rötung gewesen. Er behandle ausnahmslos alle Notfallpatienten in seiner dafür ausgerüsteten Wohnung. Die Strafe sei unverhältnismäßig hoch, da er als Alleinverdiener für vier studierende Kinder aufkommen müsse.

Das Sozialgericht führte am 10.03.2004 eine mündliche Verhandlung durch, die vertagt wurde; der Kläger hatte geltend gemacht, die Behandlung des Patienten M. Sch. nicht von der Übergabe eines Pfandes abhängig gemacht zu haben. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde sodann auf den 01.12.2004 bestimmt; hierzu wurde neben den Beteiligten der Patient M. Sch. als Zeuge geladen. Nachweise über die Zustellung der Ladungen der Beteiligten liegen nicht vor. Nachdem der Zeuge mitgeteilt hatte, er werde ab 17.11.2004 am Bundeswehreinsatz in Afghanistan teilnehmen, wurde auf den 15.11.2004 Termin zur Beweisaufnahme (in nicht öffentlicher Sitzung) bestimmt. Hiervon wurden die Beklagte und die Ehefrau des Klägers telefonisch unterrichtet. Außerdem wurde die Nachricht auf die Handy-Mailbox des Klägers, der selbst nicht erreichbar war, gesprochen. Zum Beweisaufnahmetermin erschien der Kläger nicht. Das Protokoll der Zeugenvernehmung wurde dem Kläger unter dem 16.11.2004 zur Stellungnahme übersandt. Eine Stellungnahme gab der Kläger nicht ab.

Der Zeuge M. Sch. gab im Beweisaufnahmetermin vom 15.11.2004 an, er sei Zeitsoldaten der Bundeswehr gewesen und habe eine Ausbildung zum Heilpraktiker abgeschlossen. An den Vorfall vom 18.06. 2000 könne er sich sehr gut erinnern. Am Vorabend habe er mit seinem Schwiegervater im Wald Holz gemacht und am Abend einen Fremdkörper ins Auge bekommen. Am nächsten Morgen habe er ziemliche Beschwerden gehabt. Deshalb habe er beim Kläger angerufen, der ihn auf 10:00 Uhr in seine Wohnung einbestellt habe. Der Kläger habe nach seiner Versichertenkarte gefragt, worauf er angegeben habe, er sei Bundeswehrangehöriger und habe deshalb keine Karte. Darauf habe der Kläger gesagt, dann behandele er nicht. Auf Nachfrage habe er erklärt, im Zusammenhang mit den notwendigen Papieren und Abrechnungen habe es schon Schwierigkeiten gegeben. Er, der Zeuge, habe sodann erwidert, das sei kein Problem, er habe seine Papiere dabei und der Kläger könne sich Personalien und notwendige Daten notieren. Er könne auch am kommenden Montagabend den vom Truppenarzt ausgestellten Überweisungsschein bringen. Der Kläger habe dennoch weiterhin die Behandlung abgelehnt und gemeint, es gebe nur die Möglichkeit, die Rechnung sofort zu bezahlen. Er, der Zeuge, habe jedoch nicht genügend Geld dabei gehabt. Nach einigem Hin und Her habe der Kläger gemeint, er sehe, dass er, der Zeuge, eine teure Uhr trage. Wenn diese als Pfand übergeben würde, würde er behandeln. Bis dahin habe der Kläger das Auge weder genau angeschaut noch gründlich untersucht. Am nächsten Tag habe er den Vorfall dem Truppenarzt gemeldet, der den Kläger im Beisein weiterer Zeugen angerufen habe; diese hätten das Gespräch mitgehört. Der Kläger habe den Sachverhalt am Telefon eingeräumt. Den Überweisungsschein habe er am Montagabend in den Briefkasten des Klägers eingeworfen. Die Uhr habe er schließlich zwei Tage später mit der Post zurückbekommen. Er betone nochmals, dass der Kläger zur Behandlung ausdrücklich nur gegen Hinterlassung des Pfandes bereit gewesen sei; das sei auch der Punkt gewesen, weshalb der Truppenarzt der Sache nachgegangen sei. Die Uhr sei vor der Untersuchung und nicht erst danach übergeben worden. Ein Missverständnis sei insoweit ausgeschlossen. Der Kläger habe eindeutig und klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er zur Behandlung erst bereit sei, wenn die Hinterlegung des Pfandes geklärt und die Uhr übergeben sei.

Zur mündlichen Verhandlung vom 01.12.2004 erschien der Kläger nicht. Unter dem 07.12.2004 teilte er dem Sozialgericht mit, er komme soeben aus dem Urlaub zurück und bitte noch um etwas Zeit für eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme im Termin vom 15.11.2004.

Mit nach mündlicher Verhandlung gefälltem Urteil vom 01.12. 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Disziplinarbescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf § 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V. Danach bestimmten die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllten. Die Maßnahmen seien je nach Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Gem. § 4 Abs. 5 der Satzung der Beklagten sei vorgesehen, dass gegen einen Vertragsarzt ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden könne, wenn er gegen seine aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erwachsenen Verpflichtungen sowie gegen Satzungen der Beklagten oder deren ordnungsgemäß gefasste Beschlüsse verstoße. Die Voraussetzungen, die Maßnahmen und das Verfahren seien in der von der Vertreterversammlung zu beschließenden Disziplinarordnung geregelt (§ 4 Abs. 5 Satz 2 der Satzung der Beklagten).

Im Falle des Patienten E. S. sei der Disziplinarausschuss von einem zutreffend festgestellten Sachverhalt ausgegangen, den der Kläger auch nicht bestritten habe. Dieser meine vielmehr nach wie vor, nicht gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen zu haben. Denn er habe annehmen dürfen, dass sich der Patient bei Bedarf melden werde, wenn er ihn, den Kläger, in der Praxis nicht antreffe. Damit könne der Kläger jedoch keinen Erfolg haben; die Kammer teile die Auffassung des Disziplinarausschusses, auf dessen Bescheid hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung eines Pflichtenverstoßes verwiesen werde (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG).

Im Fall des Patienten M. Sch. habe der Kläger bestritten, die Behandlung von einem Pfand abhängig gemacht zu haben. Das Pfand habe er erst nachträglich verlangt und der Patient habe es freiwillig hinterlegt. Dies treffe jedoch nicht zu, wie aus den Angaben des Patienten hervorgehe. Dieser habe sich bei seiner Zeugenvernehmung an den Sachverhalt genau erinnert. Es gebe keine Gründe dafür, an der Richtigkeit seiner Aussage und an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln, zumal er die Bundeswehr bzw. die Truppenärzte von Anfang an darüber informiert habe, der Kläger habe die Behandlung von einem Pfand abhängig gemacht. Davon seien die Truppenärzte auch nach einem Telefongespräch mit dem Kläger offensichtlich ausgegangen; den Sachverhalt hätten sie sodann der Beklagten mitgeteilt. Der Zeuge habe außerdem bekräftigt, dass die Forderung des Klägers nach einem Pfand klar und eindeutig gewesen sei und ein Missverständnis ausgeschlossen werden könne. Auch insoweit sei ergänzend auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug zu nehmen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Verhängung einer Geldbuße sowie deren Höhe seien nicht zu beanstanden. Bei der Auswahl von Disziplinarordnungsmaßnahmen stehe dem Disziplinarausschuss ein nur eingeschränkter Gerichtskontrolle unterliegender Ermessensspielraum zu. Das Gericht prüfe insoweit nur, ob der Ausschuss von einem richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei und sein Ermessen nicht überschritten bzw. rechtsmissbräuchlich angewendet habe. In subjektiver Hinsicht werde das Verhalten des Klägers im Fall des Patienten E. S. für eher weniger schwerwiegend angesehen als im Fall des Patienten M. Sch. Dabei gehe es aber um Nuancen; die Erwägungen des Disziplinarausschusses seien rechtlich nicht fehlerhaft. Der Disziplinarausschuss habe die Gründe für die Wahl einer Geldbuße und für deren Höhe nachvollziehbar dargestellt. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass dies unvertretbar oder unverhältnismäßig sei. Bei der Höhe der Geldbuße habe der Disziplinarausschuss die vergleichsweise niedrigen Honorareinnahmen des Klägers berücksichtigt.

Auf das ihm am 02.02.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.02.2005 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei der öffentlichen Verhandlung sei er als Kläger aus dem Saal geschickt worden, was ihm nicht rechtens erscheine.

Bereits unter dem 10.12.2004 hatte der Kläger beim Disziplinarausschuss der Beklagten beantragt, die verhängte Geldbuße in Anbetracht seiner finanziellen Situation in einen "temporären Ausschluss der Berufsausübung" umzuwandeln.

Mit Bescheid vom 02.02.2005 lehnte der Disziplinarausschuss diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, er sei an die durch Beschluss vom 19.09.2001 getroffene Disziplinarentscheidung gebunden. Die Ersetzung der verhängten Disziplinarordnungsmaßnahme durch eine andere komme allenfalls dann in Betracht, wenn sich nach Erlass der Entscheidung die maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert hatten (§ 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X). Das sei jedoch nicht der Fall. Dass zwischenzeitlich Umstände eingetreten wären, die es geboten erscheinen ließen, an die Stelle der - an sich milderen - Disziplinarmaßnahme der Geldbuße die - an sich härtere - Disziplinenmaßnahme des zeitweiligen Ruhens der Zulassung treten zu lassen, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 19 Disziplinarordnung) seien nicht erfüllt.

Am 22.02.2005 erhob der Kläger gegen den Bescheid des Disziplinarausschusses vom 02.02. 2005 (dem Kläger zugestellt am 04.02.2005) Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Das Sozialgericht hat die Klage dem Senat mit Schreiben vom 28.04.2005 zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit gem. § 96 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG vorgelegt.

Der Kläger trägt vor, er sei der am längsten niedergelassene Arzt in Leutkirch und habe seit über 30 Jahren immer die Visiten und die Versorgung der Patienten übernommen, ohne damit die Beklagte zu belasten und Kosten dafür zu erheben. Er habe sich während der ganzen Zeit nie etwas zu Schulden kommen lassen und bitte um mildernde Umstände. Seine finanzielle Situation sei prekär. Seine Ehefrau sei arbeitslos. Er habe drei Kinder, die Medizin studierten; ein viertes Kind habe das Medizinstudium beendet. Seine Lebenserwartung bemesse sich nur noch nach Monaten. Er sei schwerbehindert (GdB 100) und müsse mit konstanter Chemotherapie wegen therapieresistenter Leber- und Lungenmetastasen leben; sein Tumor sei inoperabel. Er bitte um Umwandlung der Geldbuße in eine Bewährungsstrafe oder den begrenzten Ausschluss von der vertragsärztlichen Tätigkeit. Dass Militärs einen Zivilisten, der nicht gedient habe, und dass Heilpraktiker Ärzte verabscheuten, komme öfter vor. Die Ausführungen des Sozialgerichts, zu denen er nicht mehr habe Stellung nehmen können, seien absolut unrichtig. Durch Zufall habe ein Patient das Telefonat mitbekommen und gehört, wie man ihn trotz seiner Entschuldigung völlig fertig gemacht habe. Dem Patienten M. Sch. habe seinerzeit nichts gefehlt, was er unschwer vor der Behandlung an dessen reizlosem Auge habe feststellen können. Das ausgestellte Rezept habe der Patient nicht eingelöst, sondern zerrissen. Sodann habe er ihn behandelt und nach der Behandlung ein Pfand verlangt, um zu vermeiden, dass kein Schein geschickt werde, was schon oft vorgekommen sei. Das sei sicher ein Fehler gewesen und er bedauere sein Verhalten außerordentlich. Er hab sich dafür auch bei allen Beteiligten mehrfach entschuldigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. Dezember 2004 sowie den Beschluss der Beklagten vom 19. September 2001 (Bescheid vom 26. September 2001) aufzuheben, 2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Februar 2005 zu verurteilen, den Beschluss vom 19. September 2001 (Bescheid vom 26. September 2001) abzuändern und an Stelle der verhängten Geldbuße das zeitweilige Ruhen der Zulassung anzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 02.02.2005 abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 01.12.2004 ist gem. §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG auch der Bescheid des Disziplinarausschusses vom 02.02.2005, mit dem die Abänderung der angefochtenen Disziplinarentscheidung vom 19.09.2001 abgelehnt wurde.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Denn auch dann, wenn mit dem Disziplinarbescheid eine Geldbuße verhängt wird, stellt dieser keinen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt dar (BSG Urteil vom 11.09.2002 - B 6 KA 36/01 R).

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Disziplinarbescheid vom 26.09.2001 (Beschluss vom 19.09.2001) abgewiesen. Die Beklagte hat auch zu Recht den Antrag des Klägers vom 10.12.2004 auf Änderung der Disziplinarmaßnahme von der Verhängung einer Geldbuße in die Anordnung des Ruhens der Zulassung abgelehnt, weshalb die hiergegen erhobene Klage abzuweisen ist.

1.) Die Klage ist zulässig. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass ein Vorverfahren gegen den Disziplinarbescheid vom 26.09.2001 im Sinne des § 78 SGG nicht durchgeführt wurde. Eines solchen bedurfte es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG i. V. m. § 81 Abs. 5 Satz 4 SGB V nicht.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist auch die richtige Beklagte, denn der für die Entscheidung über die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen zuständige Disziplinarausschuss ist nicht beteiligungsfähig und handelt im Namen der Beklagten. In solchen Fällen richtet sich die Klage gegen die Körperschaft selbst (BSG SozR 3-2500 § 2 Nr. 2).

2.) Rechtsgrundlage für den Disziplinarbescheid vom 26.09.2001 ist § 81 Abs. 5 S. 1 SGB V, wonach die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen müssen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Maßnahmen nach S. 1 sind je nach Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße - bis höchstens 20.000,00 DM (seit 1. Januar 2002 10.000,00 EUR)- oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu 2 Jahren (Sätze 2 und 3). Die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen sind ausreichend (vgl. BSG SozR 3-2500 § 81 Nrn. 6 und 7).

In Erfüllung dieser Verpflichtung sieht § 4 Abs. 5 der Satzung der Beklagten vor, dass gegen einen Vertragsarzt ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden kann, wenn er gegen seine aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erwachsenen Verpflichtungen sowie gegen Satzungen der Beklagten oder deren ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse verstößt. Die Voraussetzungen, die Maßnahmen und das Verfahren werden in der von der Vertreterversammlung zu beschließenden Disziplinarordnung geregelt (§ 4 Abs. 5 Satz 2 der Satzung der Beklagten).

a.) Zunächst ist der Bescheid des Disziplinarausschusses vom 26.09.2001 formalrechtlich nicht zu beanstanden.

Gem. § 2 Abs. 2 der Disziplinarordnung der Beklagten kann ein Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht mehr gestellt werden, wenn seit dem Bekanntwerden der Verfehlung mehr als zwei Jahre oder seit der Verfehlung selbst mehr als fünf Jahre vergangen sind. Bei Verfehlungen, die nach dem allgemeinen Strafrecht strafbare Handlungen darstellen oder mit einer solchen in Zusammenhang stehen, kann der Antrag darüber hinaus solange gestellt werden, wie die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist. Bei fortgesetzter gleichartiger Verletzung vertragsärztlicher Pflichten werden alle bisherigen Verstöße in das Disziplinarverfahren einbezogen; die Frist beginnt mit der letzten Verletzungshandlung. Diese Fristen sind eingehalten. Das Beschwerdeschreiben des Patienten Michael Schuh vom 13.10.1999 ging bei der Beklagten am 22.10.1999 ein, der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens wurde mit Schreiben vom 11.04.2000, beim Disziplinarausschuss am 12.04.2000 eingegangen, gestellt. Der der Beschwerde des Patienten Michael Schuh zugrundeliegende Sachverhalt wurde der Beklagten durch Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (Bezirksstelle Schwaben) vom 18.07.2000 mitgeteilt; unter dem 19.01.2001 wurde der Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass beim Diszplinarausschuss beantragt worden war, auch diesen Fall in das laufende Disziplinarverfahren einzubeziehen.

Zur mündlichen Verhandlung des Disziplinarausschusses vom 19.09.2001 war der Kläger ordnungsgemäß geladen. Er war in der Ladung auch darauf hingewiesen worden, dass die Sache auch im Falle seines Ausbleibens ohne hinreichende Entschuldigung verhandelt werden kann (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Disziplinarordnung). Dass der Kläger zur Verhandlung nicht erscheinen ist, ist deshalb ohne Bedeutung.

Schließlich durfte der Disziplinarausschuss seine Entscheidung auf den aktenkundigen Sachverhalt, insbesondere die Beschwerdeschreiben der Patienten, stützen. Deren Vernehmung als Zeugen war nicht notwendig und ist vom Kläger auch nicht beantragt worden. Er hat im Übrigen Rügen gegen die Verfahrensweise des Disziplinarausschusses nicht erhoben.

b.) Der Bescheid des Disziplinarausschusses ist auch materiellrechtlich rechtmäßig.

Der Disziplinarausschuss hat zu Recht eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten darin gesehen, dass der Kläger den Patienten E. S. letztendlich nicht und den Patienten M. Sch. erst nach Übergabe einer Armbanduhr als Pfand behandelt hat.

aa.)

Der Kläger war als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt und Mitglied der (seinerzeit noch bestehenden) Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg zur ordnungsgemäßen Behandlung des bei der AOK Baden-Württemberg gesetzlich versicherten Patienten E. S. verpflichtet. Das folgt aus § 72 Abs. 1 SGB V, wonach (u.a.) Ärzte und Krankenkassen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenwirken sowie aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der festlegt, dass die Sicherstellung auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) umfasst, und schließlich aus § 4 Abs. 2 und 3 der damals noch geltenden Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg i. V. m. §§ 13 ff. BMV-Ä. Danach sind die ordentlichen Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet und haben gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung alle Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus Gesetz, Verträgen, wie dem BMV-Ä, Satzungen und Richtlinien ergeben (§ 4 Abs. 2, 3 der Satzung). Dass der Kläger an einem Samstag zu sprechstundenfreier Zeit konsultiert wurde, ist vorliegend rechtlich unerheblich. Insoweit hat der Disziplinarausschuss zu Recht darauf abgestellt, dass den Kläger vorliegend die gleichen Pflichten trafen wie einen am (allgemeinen oder gebietsärztlichen) Notdienst nach Maßgabe der Notfalldienstordnung (NFDO) der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg und der Bezirksärztekammer Südwürttemberg (in der Fassung der Beschlüsse der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg bzw. Bezirksärztekammer Südwürttemberg vom 18.10.1991/16.11.1991, 29.11.1995, 14.11.1996/11.12.1996, 15.11.1997/26.11.1997 und in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg vom 17.6.1998) teilnehmenden Vertragsarzt, obwohl er an einem - gem. § 3 Abs. 3 NFDO denselben Bedingungen wie der allgemeine Notdienst unterliegenden - gebietsärztlichen Notfalldienst nicht mitwirkte. Denn der Kläger hat seine Dienstbereitschaft als Augenarzt für dringende Fälle am Wochenende ausdrücklich durch entsprechendes Zeitungsinserat in der örtlichen Presse erklärt und muss sich deshalb daran festhalten lassen. Deshalb mag offen bleiben, ob die Behandlungspflicht auch aus § 1 Abs. 1 NFDO hergeleitet werden könnte, wonach jeder niedergelassene Arzt verpflichtet ist, auch außerhalb der von ihm angekündigten Sprechstundenzeiten die ärztliche Versorgung seiner Patienten zu gewährleisten.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 NFDO ist der Notfalldienst vom Kassenarztsitz auszuführen. Diese Regelung entspricht dem in § 24 Abs. 2 Satz 1 Ärzte ZV niedergelegten Grundsatz, wonach der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten muss. Unter Vertragsarztsitz ist dabei die konkrete Praxisanschrift zu verstehen (Schallen, Kommentar zur Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV § 24 Rdnr. 519 unter Hinweis auf BSGE 77,188). Schließlich muss der Notfallarzt während des gesamten Notdienstes über die veröffentliche Telefonnummer erreichbar sein (§ 11 Abs. 1 Satz 2 NFDO).

Der Kläger, der seine Dienstbereitschaft für Notfälle am Wochenende durch Zeitungsanzeige öffentlich kund getan hat, hätte daher entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 NFDO den Notdienst vom Kassenarztsitz, also seiner Praxis, ausführen müssen. Ob er, nachdem er offenbar auch in seiner 200 Meter entfernt liegenden Wohnung über die entsprechende apparative Ausstattung verfügt, berechtigt gewesen wäre, Patienten dort notfallmäßig zu versorgen, kann der Senat offen lassen (vgl. zu Behandlungen außerhalb der Praxis bei Hausbesuchen etwa § 17 BMV-Ä). Den Kläger hätte dann nämlich gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 NFDO die Pflicht getroffen, den seine Notfalldienste in Anspruch nehmenden Patienten E. S. klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die Behandlung - entgegen der vom Kläger selbst veröffentlichen Anzeige hinsichtlich der Wochenenddienstbereitschaft und der Verabredung anlässlich des Telefonats mit dem Patienten - nicht in seiner Praxis, sondern in seiner Wohnung stattfinden solle. Das hat der Kläger unterlassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der entsprechende Hinweis deshalb unterblieb, weil der Patient das Telefongespräch aus Sicht des Klägers vorschnell beendet hatte. Der Kläger hätte sich in diesem Fall in seine Praxis begeben und den Patienten dort - und nicht in seiner Wohnung - erwarten müssen. Dass er nicht davon ausgehen durfte, der Patient werde schon noch einmal anrufen bzw. auf andere Weise herausbekommen, dass sich die Wohnung mit entsprechenden Behandlungseinrichtungen 200 Meter neben der Praxis befinde, liegt auf der Hand, zumal sich der Patient in einer Notfallsituation befand.

Der Kläger hat damit gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung des mit der Presseveröffentlichung kundgegebenen Notdienstes verletzt. Er hat auch schuldhaft gehandelt. Er wusste, dass er den Patienten in die Praxis einbestellt hatte; außerdem war ihm klar, dass in seiner Zeitungsanzeige für die Inanspruchnahme von Notfallbehandlungen die Praxis-, und nicht die Wohnanschrift benannt war. Dass er mit seinem Verhalten, dem Erwarten des Patienten in der Wohnung, seine ihm nach dem Gesagten obliegenden (Erreichbarkeits-)Pflichten verletzt, stand dem Kläger klar vor Augen. Schließlich musste er angesichts der geschilderten Symptomatik auch von einer dringenden Behandlungsbedürftigkeit ausgehen (insoweit wäre der Kläger ggf. nochmals zum Inhalt des Telefongesprächs zu befragen).

bb.)

Der Kläger war auch zur vertragsärztlichen Behandlung des Patienten M. Sch. Soldat der Bundeswehr, verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich aus dem auf § 75 Abs. 2 SGB V beruhenden Vertrag zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesrepublik Deutschland. Gem. §§ 1 und 2 dieses Vertrages haben die Vertragsärzte im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch die ärztliche Behandlung von Soldaten der Bundeswehr sicherzustellen. Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages wird der Vertragsarzt durch Angehörige der Bundeswehr grundsätzlich auf Grund eines von einem Arzt der Bundeswehr ausgestellten Überweisungsscheins in Anspruch genommen. Kann der Soldat bei plötzlicher schwerer Erkrankung, einem Unfall oder einer Erkrankung außerhalb des Standortes den Überweisungsschein nicht vorliegen, muss dieser innerhalb von vier Wochen nachgereicht werden. Der Vertragsarzt ist nur dann berechtigt, von dem Soldaten eine Privatvergütung zu verlangen, wenn dies nicht geschieht.

Der Kläger hat dieser ihn (ebenfalls gem. § 4 Abs. 3 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg) treffenden Verpflichtung zuwidergehandelt. Denn beim Patienten M. Sch. trat am 18.06.2000 während eines Aufenthalts in Aitrach (bei Leutkirch) außerhalb des Standortes (Kempten) eine plötzliche schwere Erkrankung i. S. der genannten Vertragsbestimmungen auf. Es bestand nämlich der Verdacht einer Splitterverletzungen am rechten Auge. Auf Grund dieses Verdachtes war der Patient berechtigt, Behandlungsleistungen des Klägers ohne Überweisungsschein eines Bundeswehrarztes in Anspruch zunehmen; die Wochenendedienstbereitschaft des Klägers hatte er, wie der Patient E. S. einer entsprechenden Zeitungsanzeige des Klägers entnommen. Dass der Kläger nicht berechtigt war, die von ihm nach Maßgabe des genannten Vertrages geschuldete Behandlung von der Übergabe eines Pfandes abhängig zu machen, liegt auf der Hand; eine rechtliche Grundlage dafür gibt es nicht.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger das Pfand vor der Behandlung des Patienten und nicht erst danach verlangt hat. Das hat der Patient M. Sch. bei seiner Zeugenvernehmung durch das Sozialgericht klar und unmissverständlich bekundet. Er hat sich genau an den Hergang anlässlich seiner Notfallbehandlungen bei dem Kläger erinnern können, was angesichts des außergewöhnlichen Geschehens auch plausibel ist, und den Ablauf der Ereignisse detailliert geschildert. Insbesondere gab er an, der Kläger habe zunächst nach der Versichertenkarte gefragt und, als er erklärt habe, er sei Soldat der Bundeswehr, die Behandlung abgelehnt. Es folgte eine Diskussion der Gründe dafür und das Anerbieten des Patienten, der Kläger möge seine Personalien anhand der mitgeführten Papiere notieren, und es werde am kommenden Montag ein vom Truppenarzt ausgestellter Überweisungsschein vorgelegt werden. Gleichwohl lehnte der Kläger die Behandlung ab bzw. verlangte sofortige Bezahlung und erklärte sich erst nach Übergabe der teuren Uhr des Patienten als Pfand zur Behandlung bereiten. Der Zeuge hat insoweit klar betont, dass der Kläger das verletzte Auge bis dahin weder angeschaut noch untersucht hatte. Schließlich hat der Zeuge den gesamten Vorgang am Folgetag in gleicher Weise seinem Truppenarzt mitgeteilt. Das Vorbringen des Klägers, er habe zuerst die Behandlung durchgeführt und sodann das Pfand verlangt, kann demgegenüber nicht überzeugen. Der Senat hält dies für eine Schutzbehauptung, mit der der Kläger den Folgen seiner Pflichtverletzung entgehen will. Es ist auch nichts Stichhaltiges dafür ersichtlich oder vorgetragen, was Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen wecken könnte. Auch inhaltlich hat der Kläger auf die ihm zur Stellungnahme übersandte Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen im Beweisaufnahmetermin des Sozialgerichts vom 15.11.2004 substantiierte Einwendungen nicht erhoben. Eine erneute Vernehmung des Zeugen durch den Senat ist deshalb nicht notwendig

Der Kläger hat die ihm bei der Behandlung des Patienten Michael Schuh anzulastende Pflichtverletzung schuldhaft begangen. Er wusste um seine Pflichten bei der Behandlung von Bundeswehrangehörigen, zumal er Behandlungen dieser Art bereits in der Vergangenheit durchgeführt hatte; gerade wegen dabei offenbar aufgetretener Abrechnungsprobleme hat er das Pfand vor Behandlungsbeginn verlangt. Dass er dazu nicht berechtigt war, war dem Kläger ebenfalls bewusst.

Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme, die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 5000 DM, ist nach Art und Höhe rechtlich nicht zu beanstanden. Der Disziplinarausschuss hat sein Ermessen bezüglich der Wahl der Disziplinarmaßnahme rechtsfehlerfrei ausgeübt. Er hat ohne Rechtsverstoß berücksichtigt, dass im Fall des Patienten E. S. die Sehkraft des erkrankten Auges erheblich gefährdet war und nur durch eine Notfallbehandlung in der Klinik gerettet werden konnte. Zu Recht wurde auch die erhebliche Gleichgültigkeit des Klägers gegenüber den seine Notfalldienste in Anspruch nehmenden Patienten hervorgehoben; der Senat kann ergänzend auf die Ermessenserwägungen im angefochtenen Disziplinarbescheid (S. 6, III) Bezug nehmen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG), die insgesamt Rechtsfehler nicht aufweisen. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist die vom Disziplinarausschuss festgesetzte Geldbuße auch hinsichtlich der Höhe nicht zu beanstanden, die eher am unteren Rand des Angemessenen liegt, insbesondere im Hinblick auf die vergleichsweise geringen Einkünfte des Klägers aus seiner vertragsärztlichen Tätigkeit. Bei der vom Kläger offenbar als milder eingeschätzten Disziplinarmaßnahme des Ruhens der Zulassung handelt es sich im Vergleich zur Geldbuße rechtlich um die schwerwiegendere Sanktion. Hierfür ist nicht das subjektive Empfinden des Arztes in seiner jeweiligen persönlichen Lage, sondern die gesetzliche Regelung in § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V maßgeblich. Dort sind die Disziplinarmaßnahmen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Schwere der Verfehlung nach ihrem Schwergrad aufsteigend aufgezählt mit Verwarnung, Verweis, Geldbuße und - als schwerwiegendste - Sanktion der Anordnung des Ruhens der Zulassung. Der Senat kann rechtlich nicht beanstanden, dass der Disziplinarausschuss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend die der Verfehlung angemessene mildere und nicht eine schärfer eingreifende Disziplinarmaßnahme ausgesprochen hat.

3.

Hinsichtlich des Antrags des Klägers vom 10.12.2004 auf Abänderung des Disziplinarbescheids und der Anordnung des Ruhens der Zulassung an Stelle der Verhängung einer Geldbuße entscheidet der Senat auf Klage, da dieser Antrag während des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 01.12.2004 durch Bescheid vom 02.02.2005 abgelehnt wurde und dieser Bescheid Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG). Für dieses Begehren des Klägers gibt es keine Rechtsgrundlage. § 48 SGB X ist schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich bei dem Disziplinarbescheid nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt; er erschöpft sich in einem einmaligen Gebot, der Verhängung einer Geldbuße (vgl. etwa von Wulffen, SGB X § 48 Rdnr. 3). Auch Gründe für die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens nach § 19 der Disziplinarordnung liegen nicht vor. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und es sind im Übrigen auch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel beigebracht, die seinerzeit nicht bekannt waren oder ohne Verschulden des Arztes nicht geltend gemacht werden konnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 2. Januar 2002 geltenden Fassung, da das gerichtliche Verfahren vor diesem Tag anhängig geworden ist.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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