Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 78/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.2.2007 unter Einbeziehung des Bescheides vom 3.4.2007 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die Monate März 2007 und April 2007 Grundsicherungsleistungen in Höhe von jeweils 447,17 Euro monatlich, d.h. in Höhe von insgesamt 894,34 Euro vorläufig zu zahlen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach.
Gründe:
Der von der Antragstellerin am 22.3.2007 sinngemäß gestellte Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu zahlen,
hat Erfolg.
Das mit dem Antrag verfolgte sinngemäße Begehren der Antragstellerin auf (Weiter-) Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wird verfahrensrechtlich vom Gericht dahingehend ausgelegt (§ 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), dass die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15.3.2007 gegen den Änderungsbescheid vom 20.2.2007 unter Einbeziehung des Aufhebungsbescheides vom 3.4.2007 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens angeordnet werden soll (Anordnungsfall des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Denn der fristgemäß erhobene Widerspruch gegen die belastenden Entscheidungen vom 20.2.2007 und 3.4.2007, mit denen die Antragsgegnerin die der Antragstellerin bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Kalendermonate März 2007 und April 2007 (Bescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2006) aufgehoben und damit über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden hat, entfaltet gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II (sofortige Vollziehbarkeit) keine aufschiebende Wirkung. Wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 20.2.2007 unter Einbeziehung des Aufhebungsbescheids vom 3.4.2007 von Seiten des Gerichtes gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angeordnet, erreicht die Antragstellerin ihr Ziel der vorläufigen Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen in bisheriger Höhe für die Monate März 2007 und April 2007.
Der so verstandene Antrag ist begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung, wobei die Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung und dem öffentlichen Interesse der Verwaltung an der sofortigen Vollziehung zu erfolgen hat. Im Vordergrund steht hierbei die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. ist dieser offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines nicht rechtmäßigen Verwaltungsaktes nicht bestehen kann. Ist der Widerspruch bzw. die Klage aussichtslos, weil sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweist, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Leitherer/ Keller, SGG, § 86 b Rdn. 12a, 12c, 12f).
Nach summarischer Prüfung der Sach– und Rechtslage bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Bescheide vom 20.2.2007 (1) und 3.4.2007 (2).
(1) Der Änderungsbescheid vom 20.2.2007, mit dem die Antragsgegnerin die der Antragstellerin bewilligten Leistungen für die Kalendermonate März und April 2007 aufzuheben beabsichtigte, dürfte aus formellen Gründen notleidend sein. Insoweit bestehen zunächst Bedenken, ob der Bescheid der Antragstellerin wirksam bekannt gegeben worden ist, dies vor dem Hintergrund, dass der Bescheid nicht sie sondern an ihren Ehemann N adressiert worden ist. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes setzt voraus, dass er an denjenigen gerichtet bzw. adressiert wird, der von der Regelung betroffen ist (Adressat des Verwaltungsakts). Die Antragstellerin ist Anspruchsinhaberin der Ansprüche auf Grundsicherung in Höhe von 447,17 Euro monatlich für die Monate März 2007 und April 2007, diese Ansprüche sind nicht der Bedarfsgemeinschaft als Ganzes zu zurechnen, vielmehr sind die Leistungsansprüche grundsätzlich in Bezug auf die hilfebedürftige Person zu individualisieren. Infolgedessen muss die Entscheidung, mit der zugesprochene Grundsicherungsleistungen aufgehoben werden sollen, an die Person gerichtet werden, welcher die Leistungen ursprünglich wegen (vermeintlicher) Hilfebedürftigkeit bewilligt worden sind. Deshalb war die Aufhebungsentscheidung in Bezug auf die der Antragstellerin bewilligten Grundsicherungsleistungen an diese selbst und nicht an ihren Ehemann N (auch nicht als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 38 SGB II) zu richten, d.h. sie war als Adressatin des Verwaltungsaktes zu benennen. Es kann offen bleiben, ob dieser Mangel (noch) geheilt bzw. eine Heilung in dem Erlass des Bescheides vom 3.4.2007 gesehen werden kann, denn darüber hinaus mangelt es dem Änderungsbescheid vom 20.2.2007 an einer hinreichenden Bestimmtheit. Der Bescheid dürfte den vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) aufgestellten Anforderungen an eine rechtmäßige Aufhebungsentscheidung nicht genügen, weil er inhaltlich zu unbestimmt ist. Nach der Entscheidung des LSG NRW vom 18.12.2006 (Az. L 20 SO 20/06) muss der Verfügungssatz eines Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheides so präzise wie möglich klarstellen, was geregelt ist. Deshalb ist zu erklären, welcher Verwaltungsakt mit Wirkung zu welchem genauen Zeitpunkt zurückgenommen bzw. aufgehoben wird. Der Änderungsbescheid vom 20.2.2007 hat die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2007, die der Antragstellerin Leistungen für den betroffenen Zeitraum 1.3.2007 bis 30.4.2007 zugesprochen haben, nicht hinreichend geregelt, denn in dem Änderungsbescheid sind diese Bewilligungsbescheide nicht als aufgehobene Bescheide ausgewiesen worden. Die allgemein gehaltene Formulierung "Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen werden insoweit aufgehoben." ist unzureichend, weil inhaltlich zu unbestimmt. Da die Rücknahme/Aufhebung einer Bewilligung actus contrarius zur Leistungsbewilligung ist, muss sie ausdrücklich und unmissverständlich erfolgen (LSG NRW, aaO mit Verweis auf BSG Urteil vom 23.10.1996 -4 RLW 3/95-). Die einzelnen Bewilligungsbescheide sind daher in der Rücknahme-/Aufhebungsentscheidung konkret in den Verfügungssatz aufzunehmen. Für eine mangelnde inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist eine Heilungsmöglichkeit nicht vorgesehen (§ 41 SGB X), so dass der Bescheid vom 20.2.2007 aus diesem Grund rechtswidrig sein dürfte. Die Antragsgegnerin dürfte selbst von formellen Unzulänglichkeiten des Bescheides ausgegangen sein, das zeigt der Umstand, dass sie im laufenden Antragsverfahren den Aufhebungsbescheid vom 3.4.2007 "nachgeschoben" hat.
(2) Auch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des nachgeschobenen Aufhebungsbescheides vom 3.4.2007, mit dem die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 29.9.2006 (der den Bewilligungsbescheid vom 18.9.2006 geändert hatte) gestützt auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X aufgehoben hat, bestehen erhebliche Bedenken. Zwar ist der Aufhebungsbescheid an die Eheleute N und damit auch an die Antragstellerin adressiert und benennt des weiteren in seinem Verfügungssatz konkret die aufgehobenen Leistungsbescheide sowie den Zeitpunkt, ab dem die Leistungen und des weiteren in welcher Höhe dieselben aufgehoben werden und dürfte daher den Anforderungen an eine wirksame Bekanntgabe und eine hinreichende inhaltliche Bestimmtheit genügen. Nach der gebotenen summarischen Prüfung sind jedoch die Voraussetzungen für eine wirksame Aufhebung der bewilligten Leistungen nach § 48 Abs. 1 SGB X nicht erfüllt.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft auszuheben. Unter den Voraussetzungen des Satz 2 (Katalogfälle) ist eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. auch für die Vergangenheit möglich. Die Änderung muss wesentlich, d.h. rechtserheblich sein. Die Änderung muss sich auf den Regelungsgehalt des (Bewilligungs-) Verwaltungsaktes auswirken, bei tatsächlichen Änderungen müssen diese derart erheblich sein, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führen (von Wulffen, SGB X, § 48 Rdn. 9). Das liegt hier nicht vor. Zwar hat sich nach Erlass der Leistungsbescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2006 insoweit in den tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung ergeben, als dass die Antragstellerin nach ihrer Mitteilung vom 23.1.2007 seit zwei Monaten, also ca. ab November 2006 ihr Studium an der C Universität X wieder aufgenommen hatte. Diese Änderung in den persönlichen Verhältnissen der Antragstellerin führt aber nicht zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II und infolgedessen nicht zum Verlust des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die streitbefangenen Monate März 2007 und April 2007. Zwar haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) förderungsfähig ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wobei es im Rahmen des § 7 Abs. 5 SGB II insoweit allein darauf ankommt, ob die Ausbildung(sform) selbst dem Grunde nach förderungsfähig ist, auch wenn der Betroffene konkret (aus unterschiedlichsten Gründen bspw. Überschreiten der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAFöG) keinen Anspruch auf BAFöG-Leistungen hat. Für ein Hochschulstudium, für welches sich die Antragstellerin eingetragen hat, wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAFöG grundsätzlich Ausbildungsförderung geleistet. Damit scheidet die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an Studenten, die ein Studium an der Hochschule betreiben, in der Regel aus. Der Gesetzgeber will mit dem Leistungsausschluss die Grundsicherung für Arbeitssuchende als Sozialhilfeleistung von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freihalten, es soll keine Ausbildungsförderung auf "zweiter Ebene" stattfinden. Im weiteren dürfte der Leistungsausschluss auf dem Gesichtspunkt beruhen, dass Studenten, die Fach- oder Hochschule besuchen und den dort vorgeschriebenen Studienplänen nachgehen, dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und damit in der Regel auch nicht als Arbeitssuchende im Sinne des SGB II einzustufen sind, deren Hilfebedürftigkeit nach dem Willen des Gesetzes durch (Wieder-)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (schnellstmöglich) beendet bzw. verringert werden soll bzw. die zur Übernahme von angebotenen (gemeinnützigen) Arbeitsgelegenheiten verpflichtet sind (vgl. §§ 1 und 2 SGB II). Diese Erwägungen dürften jedoch uneingeschränkt nur für Fälle gelten, in denen das Studium von dem Auszubildenden tatsächlich betrieben wird. Liegt dagegen nachweislich lediglich eine bloße Einschreibung als Student vor, ohne dass das Studium tatsächlich betrieben wird, wird durch die Gewährung von Arbeitslosengeld II weder eine Ausbildung, die gerade nicht stattfindet, gefördert noch ist die Verfügbarkeit des Hilfebedürftigen für den allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. angebotene (gemeinnützige) Arbeitsgelegenheiten eingeschränkt. Für den Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II ist maßgebend, dass die Hilfeleistung für den Auszubildenden eine Ausbildungsförderung ist, d.h. der Hilfebedürftige also seine Ausbildung auf Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II betreiben würde (vgl. SG Berlin Beschluss vom 9.11.2005 – S 59 AS 9016/05 ER - m.w.N.). Diese Erwägungen zugrunde gelegt, vermag das Gericht im Fall der Antragstellerin einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nicht anzunehmen. Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie das Studium tatsächlich nicht betreibt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist es ausreichend, dass die den Anspruch begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Gericht einen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit vermitteln soll (Thomas-Putzo, ZPO, § 294 Rdn. 1). Nach den Angaben der Antragstellerin, die das Gericht für glaubhaft hält, hat sie ihr Studium, das sie zuvor wegen Geburt und Erziehung ihrer vier Kinder unterbrochen bzw. ruhend gestellt hatte, Ende 2006 wieder aufgenommen mit dem Ziel, die noch ausstehende Diplomarbeit zu schreiben. Hierzu ist es in der Folgezeit aber nicht gekommen. Ausweislich der Bescheinigung der C Universität X vom 4.5.2007 hat die Antragstellerin bisher keine Diplomarbeit angemeldet, wobei der Beginn einer Diplomarbeit die Anmeldung voraussetzt. Hintergrund dieser Entwicklung dürfte die inzwischen eingetretene Schwangerschaft der Antragstellerin sein. Ausweislich des in den beigezogenen Akten S 00 AS 000/00 SG Düsseldorf befindlichen Mutterpasses der Antragstellerin ist sie Anfang 2007 schwanger geworden (errechneter Geburtstermin ist der 1.10.2007). Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20.4.2007 vorgetragen, die Diplomarbeit stehe seit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr an. Bei der sich dem Gericht jetzt bietenden Sachlage geht es davon aus, dass die Antragstellerin in der streitbefangenen Zeit (März 2007, April 2007) keiner Studientätigkeit nachgegangen ist und die Wiederaufnahme des Studiums lediglich "auf dem Papier" steht. Infolgedessen sieht das Gericht die Antragstellerin nicht als Auszubildende im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II an und verneint einen Leistungsausschluss für die bewilligten Leistungen für März 2007 und April 2007. Zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage wird die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren eine Bescheinigung der Universität X und ihr Studienbuch vorzulegen haben, die darüber Auskunft geben, ob sie in der streitbefangenen Zeit tatsächlich keiner Studientätigkeit (Vorlesungen, Seminare, Übungen etc.) nachgegangen ist.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung anordnen. Das Gericht hat insoweit im Rahmen seines Ermessens die Auskehrung der einbehaltenen Leistungen für die Monate März 2007 und April 2007 an die Antragstellerin angeordnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
Der von der Antragstellerin am 22.3.2007 sinngemäß gestellte Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu zahlen,
hat Erfolg.
Das mit dem Antrag verfolgte sinngemäße Begehren der Antragstellerin auf (Weiter-) Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wird verfahrensrechtlich vom Gericht dahingehend ausgelegt (§ 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), dass die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15.3.2007 gegen den Änderungsbescheid vom 20.2.2007 unter Einbeziehung des Aufhebungsbescheides vom 3.4.2007 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens angeordnet werden soll (Anordnungsfall des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Denn der fristgemäß erhobene Widerspruch gegen die belastenden Entscheidungen vom 20.2.2007 und 3.4.2007, mit denen die Antragsgegnerin die der Antragstellerin bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Kalendermonate März 2007 und April 2007 (Bescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2006) aufgehoben und damit über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden hat, entfaltet gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II (sofortige Vollziehbarkeit) keine aufschiebende Wirkung. Wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 20.2.2007 unter Einbeziehung des Aufhebungsbescheids vom 3.4.2007 von Seiten des Gerichtes gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angeordnet, erreicht die Antragstellerin ihr Ziel der vorläufigen Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen in bisheriger Höhe für die Monate März 2007 und April 2007.
Der so verstandene Antrag ist begründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung, wobei die Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung und dem öffentlichen Interesse der Verwaltung an der sofortigen Vollziehung zu erfolgen hat. Im Vordergrund steht hierbei die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. ist dieser offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines nicht rechtmäßigen Verwaltungsaktes nicht bestehen kann. Ist der Widerspruch bzw. die Klage aussichtslos, weil sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweist, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Leitherer/ Keller, SGG, § 86 b Rdn. 12a, 12c, 12f).
Nach summarischer Prüfung der Sach– und Rechtslage bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Bescheide vom 20.2.2007 (1) und 3.4.2007 (2).
(1) Der Änderungsbescheid vom 20.2.2007, mit dem die Antragsgegnerin die der Antragstellerin bewilligten Leistungen für die Kalendermonate März und April 2007 aufzuheben beabsichtigte, dürfte aus formellen Gründen notleidend sein. Insoweit bestehen zunächst Bedenken, ob der Bescheid der Antragstellerin wirksam bekannt gegeben worden ist, dies vor dem Hintergrund, dass der Bescheid nicht sie sondern an ihren Ehemann N adressiert worden ist. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes setzt voraus, dass er an denjenigen gerichtet bzw. adressiert wird, der von der Regelung betroffen ist (Adressat des Verwaltungsakts). Die Antragstellerin ist Anspruchsinhaberin der Ansprüche auf Grundsicherung in Höhe von 447,17 Euro monatlich für die Monate März 2007 und April 2007, diese Ansprüche sind nicht der Bedarfsgemeinschaft als Ganzes zu zurechnen, vielmehr sind die Leistungsansprüche grundsätzlich in Bezug auf die hilfebedürftige Person zu individualisieren. Infolgedessen muss die Entscheidung, mit der zugesprochene Grundsicherungsleistungen aufgehoben werden sollen, an die Person gerichtet werden, welcher die Leistungen ursprünglich wegen (vermeintlicher) Hilfebedürftigkeit bewilligt worden sind. Deshalb war die Aufhebungsentscheidung in Bezug auf die der Antragstellerin bewilligten Grundsicherungsleistungen an diese selbst und nicht an ihren Ehemann N (auch nicht als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 38 SGB II) zu richten, d.h. sie war als Adressatin des Verwaltungsaktes zu benennen. Es kann offen bleiben, ob dieser Mangel (noch) geheilt bzw. eine Heilung in dem Erlass des Bescheides vom 3.4.2007 gesehen werden kann, denn darüber hinaus mangelt es dem Änderungsbescheid vom 20.2.2007 an einer hinreichenden Bestimmtheit. Der Bescheid dürfte den vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) aufgestellten Anforderungen an eine rechtmäßige Aufhebungsentscheidung nicht genügen, weil er inhaltlich zu unbestimmt ist. Nach der Entscheidung des LSG NRW vom 18.12.2006 (Az. L 20 SO 20/06) muss der Verfügungssatz eines Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheides so präzise wie möglich klarstellen, was geregelt ist. Deshalb ist zu erklären, welcher Verwaltungsakt mit Wirkung zu welchem genauen Zeitpunkt zurückgenommen bzw. aufgehoben wird. Der Änderungsbescheid vom 20.2.2007 hat die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2007, die der Antragstellerin Leistungen für den betroffenen Zeitraum 1.3.2007 bis 30.4.2007 zugesprochen haben, nicht hinreichend geregelt, denn in dem Änderungsbescheid sind diese Bewilligungsbescheide nicht als aufgehobene Bescheide ausgewiesen worden. Die allgemein gehaltene Formulierung "Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen werden insoweit aufgehoben." ist unzureichend, weil inhaltlich zu unbestimmt. Da die Rücknahme/Aufhebung einer Bewilligung actus contrarius zur Leistungsbewilligung ist, muss sie ausdrücklich und unmissverständlich erfolgen (LSG NRW, aaO mit Verweis auf BSG Urteil vom 23.10.1996 -4 RLW 3/95-). Die einzelnen Bewilligungsbescheide sind daher in der Rücknahme-/Aufhebungsentscheidung konkret in den Verfügungssatz aufzunehmen. Für eine mangelnde inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist eine Heilungsmöglichkeit nicht vorgesehen (§ 41 SGB X), so dass der Bescheid vom 20.2.2007 aus diesem Grund rechtswidrig sein dürfte. Die Antragsgegnerin dürfte selbst von formellen Unzulänglichkeiten des Bescheides ausgegangen sein, das zeigt der Umstand, dass sie im laufenden Antragsverfahren den Aufhebungsbescheid vom 3.4.2007 "nachgeschoben" hat.
(2) Auch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des nachgeschobenen Aufhebungsbescheides vom 3.4.2007, mit dem die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 29.9.2006 (der den Bewilligungsbescheid vom 18.9.2006 geändert hatte) gestützt auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X aufgehoben hat, bestehen erhebliche Bedenken. Zwar ist der Aufhebungsbescheid an die Eheleute N und damit auch an die Antragstellerin adressiert und benennt des weiteren in seinem Verfügungssatz konkret die aufgehobenen Leistungsbescheide sowie den Zeitpunkt, ab dem die Leistungen und des weiteren in welcher Höhe dieselben aufgehoben werden und dürfte daher den Anforderungen an eine wirksame Bekanntgabe und eine hinreichende inhaltliche Bestimmtheit genügen. Nach der gebotenen summarischen Prüfung sind jedoch die Voraussetzungen für eine wirksame Aufhebung der bewilligten Leistungen nach § 48 Abs. 1 SGB X nicht erfüllt.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft auszuheben. Unter den Voraussetzungen des Satz 2 (Katalogfälle) ist eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. auch für die Vergangenheit möglich. Die Änderung muss wesentlich, d.h. rechtserheblich sein. Die Änderung muss sich auf den Regelungsgehalt des (Bewilligungs-) Verwaltungsaktes auswirken, bei tatsächlichen Änderungen müssen diese derart erheblich sein, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führen (von Wulffen, SGB X, § 48 Rdn. 9). Das liegt hier nicht vor. Zwar hat sich nach Erlass der Leistungsbescheide vom 18.9.2006 und 29.9.2006 insoweit in den tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung ergeben, als dass die Antragstellerin nach ihrer Mitteilung vom 23.1.2007 seit zwei Monaten, also ca. ab November 2006 ihr Studium an der C Universität X wieder aufgenommen hatte. Diese Änderung in den persönlichen Verhältnissen der Antragstellerin führt aber nicht zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II und infolgedessen nicht zum Verlust des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die streitbefangenen Monate März 2007 und April 2007. Zwar haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) förderungsfähig ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wobei es im Rahmen des § 7 Abs. 5 SGB II insoweit allein darauf ankommt, ob die Ausbildung(sform) selbst dem Grunde nach förderungsfähig ist, auch wenn der Betroffene konkret (aus unterschiedlichsten Gründen bspw. Überschreiten der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAFöG) keinen Anspruch auf BAFöG-Leistungen hat. Für ein Hochschulstudium, für welches sich die Antragstellerin eingetragen hat, wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAFöG grundsätzlich Ausbildungsförderung geleistet. Damit scheidet die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an Studenten, die ein Studium an der Hochschule betreiben, in der Regel aus. Der Gesetzgeber will mit dem Leistungsausschluss die Grundsicherung für Arbeitssuchende als Sozialhilfeleistung von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freihalten, es soll keine Ausbildungsförderung auf "zweiter Ebene" stattfinden. Im weiteren dürfte der Leistungsausschluss auf dem Gesichtspunkt beruhen, dass Studenten, die Fach- oder Hochschule besuchen und den dort vorgeschriebenen Studienplänen nachgehen, dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und damit in der Regel auch nicht als Arbeitssuchende im Sinne des SGB II einzustufen sind, deren Hilfebedürftigkeit nach dem Willen des Gesetzes durch (Wieder-)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (schnellstmöglich) beendet bzw. verringert werden soll bzw. die zur Übernahme von angebotenen (gemeinnützigen) Arbeitsgelegenheiten verpflichtet sind (vgl. §§ 1 und 2 SGB II). Diese Erwägungen dürften jedoch uneingeschränkt nur für Fälle gelten, in denen das Studium von dem Auszubildenden tatsächlich betrieben wird. Liegt dagegen nachweislich lediglich eine bloße Einschreibung als Student vor, ohne dass das Studium tatsächlich betrieben wird, wird durch die Gewährung von Arbeitslosengeld II weder eine Ausbildung, die gerade nicht stattfindet, gefördert noch ist die Verfügbarkeit des Hilfebedürftigen für den allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. angebotene (gemeinnützige) Arbeitsgelegenheiten eingeschränkt. Für den Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II ist maßgebend, dass die Hilfeleistung für den Auszubildenden eine Ausbildungsförderung ist, d.h. der Hilfebedürftige also seine Ausbildung auf Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II betreiben würde (vgl. SG Berlin Beschluss vom 9.11.2005 – S 59 AS 9016/05 ER - m.w.N.). Diese Erwägungen zugrunde gelegt, vermag das Gericht im Fall der Antragstellerin einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nicht anzunehmen. Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie das Studium tatsächlich nicht betreibt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist es ausreichend, dass die den Anspruch begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Gericht einen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit vermitteln soll (Thomas-Putzo, ZPO, § 294 Rdn. 1). Nach den Angaben der Antragstellerin, die das Gericht für glaubhaft hält, hat sie ihr Studium, das sie zuvor wegen Geburt und Erziehung ihrer vier Kinder unterbrochen bzw. ruhend gestellt hatte, Ende 2006 wieder aufgenommen mit dem Ziel, die noch ausstehende Diplomarbeit zu schreiben. Hierzu ist es in der Folgezeit aber nicht gekommen. Ausweislich der Bescheinigung der C Universität X vom 4.5.2007 hat die Antragstellerin bisher keine Diplomarbeit angemeldet, wobei der Beginn einer Diplomarbeit die Anmeldung voraussetzt. Hintergrund dieser Entwicklung dürfte die inzwischen eingetretene Schwangerschaft der Antragstellerin sein. Ausweislich des in den beigezogenen Akten S 00 AS 000/00 SG Düsseldorf befindlichen Mutterpasses der Antragstellerin ist sie Anfang 2007 schwanger geworden (errechneter Geburtstermin ist der 1.10.2007). Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20.4.2007 vorgetragen, die Diplomarbeit stehe seit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr an. Bei der sich dem Gericht jetzt bietenden Sachlage geht es davon aus, dass die Antragstellerin in der streitbefangenen Zeit (März 2007, April 2007) keiner Studientätigkeit nachgegangen ist und die Wiederaufnahme des Studiums lediglich "auf dem Papier" steht. Infolgedessen sieht das Gericht die Antragstellerin nicht als Auszubildende im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II an und verneint einen Leistungsausschluss für die bewilligten Leistungen für März 2007 und April 2007. Zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage wird die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren eine Bescheinigung der Universität X und ihr Studienbuch vorzulegen haben, die darüber Auskunft geben, ob sie in der streitbefangenen Zeit tatsächlich keiner Studientätigkeit (Vorlesungen, Seminare, Übungen etc.) nachgegangen ist.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung anordnen. Das Gericht hat insoweit im Rahmen seines Ermessens die Auskehrung der einbehaltenen Leistungen für die Monate März 2007 und April 2007 an die Antragstellerin angeordnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
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