L 8 AS 1969/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2624/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 1969/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den stationären Einrichtungen i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31.07.2006
geltenden Fassung gehört nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates
auch eine Justizvollzugs- oder eine Untersuchungshaftanstalt (Beschluss vom 27.03.2006
- L 8 AS 1171/06 ER-B).
2. Hilfebedürftige, die sich in Untersuchungshaft befinden, haben in den ersten sechs Monaten
der Untersuchungshaft Anspruch auf Taschengeld in Höhe von 10 v.H. der Regelleistung.
Rechtsgrundlage für diesen Anspruch gegen den Träger der Grundsicherung für
Arbeitsuchende sind § 19 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung des Art 1 des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I S. 2954) und § 20 Abs. 2 SGB II in der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung des Art 1 des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I S. 2954).
(Die Revision wurde zugelassen)
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. April 2006 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2005 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 23. Mai 2005 bis 31. Mai 2005 11 EUR, für die Zeit 1. Juni 2005 bis 31. Oktober 2005 monatlich 35,- EUR und für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 3. November 2005 4,- EUR zu zahlen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für die Dauer einer Untersuchungshaft in einer Justizvollzugsanstalt ein Anspruch auf Taschengeld zusteht.

Der 1952 geborene Kläger befand sich vom 04.05.2005 bis einschließlich 31.07.2006 in Untersuchungshaft. Seit dem 01.08.2006 verbüßt er eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten, zu der er durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.05.2006 (812 VRs 230 Js 15871/05) verurteilt wurde.

Am 23.05.2005 beantragte der Kläger bei der Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe Leistungen in Form von Taschengeld für die Dauer der Untersuchungshaft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dem Antrag war eine Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe vom 17.05. 2005 beigefügt, in der bestätigt wird, dass der Kläger Untersuchungsgefangener sei und für ihn kein Arbeitsplatz und kein Guthaben vorhanden seien. Der Kläger gab an, über kein Einkommen und Vermögen zu verfügen. Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, da der Grundsatz des Fördern und Fordern des SGB II bei einem Untersuchungshäftling nicht erreicht werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 09.06.2005 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2005 zurückgewiesen wurde. Aufgrund der aktuellen Untersuchungshaft sei der Kläger gehindert, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder in sonstiger Weise an seiner Eingliederung in das Erwerbsleben aktiv mitzuwirken. Die primäre Zielsetzung der Grundsicherung für Arbeit (Eingliederung in Arbeit) sei beim Kläger faktisch nicht erreichbar. Ein Leistungsanspruch nach dem SGB II sei daher nicht gegeben. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren Recht, die einen Anspruch auf Gewährung eines Taschengeldes für Untersuchungsgefangene angenommen habe, sei auf das SGB II nicht übertragbar.

Am 11.07.2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er befinde sich seit Anfang Mai 2005 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe. Er verfüge über keine Einnahmen. In der Anstalt werde er zwar versorgt. Er habe jedoch nicht die Möglichkeit, Nahrungsmittel wie Schokolade, Getränke oder Rauchwaren zu kaufen. Seit Jahrzehnten sei Taschengeld gewährt worden. Es bestehe keine Veranlassung, ihm kein Taschengeld zu gewähren. Mit Urteil vom 05.04.2005 hat das SG den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Dauer seiner Untersuchungshaft ein Taschengeld in Höhe von monatlich 10 v.H. des Regelsatzes der laufenden Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Die Berufung ist im Urteil zugelassen worden. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 18.04.2006 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, ob einem Untersuchungsgefangenen in Anlehnung an die zum Sozialhilferecht ergangene Rechtsprechung Leistungen nach dem SGB II in Gestalt von Taschengeld zu gewähren sei. Das Sozialgericht sei im Rahmen seiner Entscheidung der zum Sozialhilferecht ergangenen Rechtsprechung gefolgt, ohne hierbei die Unterschiede zwischen dem Sozialhilferecht einerseits und der Grundsicherung für Arbeitssuchende andererseits zu beachten. Für Untersuchungsgefangene sei ein Leistungsanspruch nach dem SGB II zu verneinen. Eine Prognose bezüglich der Dauer des Aufenthaltes in einer Justizvollzugsanstalt bedürfe es insoweit nicht. Hinzu komme, dass das SG es unterlassen habe, den Charakter einer Justizvollzugsanstalt zu beleuchten. Es entspreche keineswegs einhelliger Ansicht, dass es sich bei einer Justizvollzugsanstalt nicht um eine stationäre Einrichtung i. S. von § 7 Abs. 4 SGB II handele, wonach ein Leistungsanspruch des Klägers ebenfalls zu verneinen wäre. Hiervon gehe nunmehr auch die zum 01.08.2006 in Kraft getretene Fassung des § 7 Abs. 4 SGB II aus.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. April 2006 aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung vorgetragen, das Urteil des SG sei nicht zu beanstanden. Jahrelang hätten Untersuchungshäftlinge, die mittellos waren, vom Sozialamt Taschengeld erhalten. Diese Rechtsprechung sei dem Gesetzgeber bei der Änderung des Sozialgesetzbuches bzw. bei der "Hartzreform" bekannt gewesen. Es fände sich nirgendwo eine Erklärung, dass an dieser Handhabung etwas habe geändert werden sollen, weshalb davon auszugehen sei, dass sich die Rechtslage nach dem SGB II nicht geändert habe.

Mit Beschluss vom 28.07.2006 ist die Stadt Karlsruhe zum vorliegenden Rechtsstreit beigeladenen worden.

Die Beigeladene hat vorgetragen, für die Gewährung von Taschengeld für die Zeit bis zu sechs Monaten sei das Job-Center zuständig. Erst wenn feststehe, dass der Aufenthalt in der Einrichtung länger als sechs Monate andauern werde bzw. nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist ende die Zuständigkeit nach dem SGB II. Vorliegend laufe die Sechs-Monatsfrist am 03.11.2005 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte für die Taschengeldgewährung zuständig. Ab dem 04.11.2005 werde dem Kläger eine Taschengeldgewährung nach § 35 SGB XII in Höhe von 13 Prozent des maßgeblichen Regelsatzes (monatlich 44,85 EUR) angeboten. Der Kläger hat sich mit dem Angebot der Beigeladenen einverstanden erklärt.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter am 22.09.2006 in nichtöffentlicher Sitzung erörtert worden. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.09.2006 verwiesen. In der mündlichen Verhandlung am 26.01.2007 hat der Senatsvorsitzende einige rechtliche Hinwiese erteilt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom 26.01.2007 verwiesen. Da noch eine Anfrage bei der nicht erschienenen Beigeladenen erfolgen sollte, ist die mündliche Verhandlung vertagt worden.

In einer weiteren mündlichen Verhandlung am 11.05.2007 haben der Kläger und die Beigeladene einen Vergleich geschlossen. Die Beigeladene hat sich bereit erklärt, dem Kläger für die Zeit vom 04.11.2005 bis zum 31.07.2006 Taschengeld zu zahlen; auf die Sitzungsniederschrift vom 11.05.2007 wird verwiesen. Der Kläger hat nach Abschluss des Vergleichs erklärt, ihm gehe es jetzt nur noch um Leistungen für die Zeit vom 23.05. bis zum 03.11.2005.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie ein Band Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist noch ein Anspruch des Klägers auf Taschengeld für die Zeit vom 23.05.2005 (Antragstellung) bis zum 03.11.2005 (Ablauf von 6 Monaten nach Beginn der Untersuchungshaft). Durch den Abschluss des Vergleichs mit der Beigeladenen hat sich der Rechtsstreit für die Zeit vom 04.11.2005 bis zum 31.07.2006 (Ende der Untersuchungshaft) erledigt. Mit Beginn des Strafvollzugs (Vollstreckung der gerichtlich verhängten Freiheitsstrafe) am 01.08.2006 ergibt sich ein Anspruch auf Taschengeld aus § 46 Strafvollzugsgesetz.

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist die Berufung aufgrund der den Senat bindenden Berufungszulassung durch das SG im angefochtenen Urteil statthaft. Die Berufung des Beklagten ist aber nur teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Taschengeld gegen den Beklagten nicht für die gesamte Dauer der Untersuchungshaft, sondern nur für die Zeit vom 23.05.2005 bis zum 03.11.2005.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten sind § 19 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung des Art 1 des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I S. 2954) und § 20 Abs. 2 SGB II in der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung des Art 1 des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I S. 2954). Danach erhalten erwerbsfähige, alleinstehende Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form einer monatlichen Regelleistung in Höhe von 345 EUR. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und seine Eingliederung in Arbeit nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger zum Teil erfüllt. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum zwar nicht in vollem, aber in eingeschränktem Umfang hilfebedürftig. Er verfügte weder über Einkommen noch über verwertbares Vermögen und erhielt seinen Lebensunterhalt auch nicht durch Hilfe von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen. Die erforderliche Hilfe (u. a. Unterkunft, Heizung, Verpflegung) erhielt er aber in großem Umfang von Dritten, im konkreten Fall von der Justizvollzugsanstalt, in der er als Untersuchungshäftling untergebracht war. Damit wurde der wesentliche Teil der zum Lebensunterhalt gehörenden Bedürfnisse abgedeckt. Nicht abgedeckt wurden aber bestimmte persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens wie z.B. Aufwendungen für Zeitschriften, Körperpflegemittel, Tabak und sonstige Genussmittel. Der Kläger hat deshalb noch einen Anspruch auf Zahlung der Regelleistung in Höhe des Betrages der für die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse benötigt wird und von den Sachleistungen der Justizvollzugsanstalt nicht abgedeckt wird (Taschengeld). Der Senat hält es für zulässig, diesen Betrag ohne weitere Ermittlungen zum tatsächlichen Aufwand eines Untersuchungsgefangenen für Bedürfnisse des täglichen Lebens in Anlehnung an die hierzu ergangene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. OVG Lüneburg 13.05.1992 - 4 L 149/90 -) zum Sozialhilferecht im Wege der Schätzung auf 10 v.H. der Regelleistung festzusetzen (vgl. auch LSG Niedersachsen 07.03.2006 - L 7 AS 423/05 ER - ZFSH/SGB 2006, 346). Unter Berücksichtigung der Berechnungs- und Rundungsvorschrift in § 41 SGB II ergibt dies einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 11 EUR für die Zeit vom 23.05. bis 31.05.2005 (35 EUR/30-9), von monatlich 35 EUR für die Zeit 01.06. bis 31.10.2005 und 4 EUR für die Zeit vom 01.11. bis zum 03.11.2005 (35 EUR/30-3). Nach dem Urteil des SG vom 05.04.2006 beläuft sich die Höhe des zu gewährenden Taschengeldes zwar auf monatlich 10 vH des Regelsatzes der laufenden Leistungen nach dem SGB II. Dies wären 34,50 EUR monatlich. An dieses Urteil ist der Senat auch gebunden, da der Kläger gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt hat. Das SG hat jedoch den Zahlungsbetrag nicht konkret beziffert, so dass bei der Umrechnung weiterhin Raum für die Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II bleibt.

Der Anwendung des SGB II steht nicht entgegen, dass - worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat - die primäre Zielsetzung der Leistungen nach diesem Gesetz - Eingliederung in Arbeit - bei einem Untersuchungshäftling faktisch nicht erreicht werden kann. Denn dies ist nicht nur bei Untersuchungsgefangenen der Fall, sondern bei allen Personen, die sich für eine längere Zeit in stationären Einrichtungen aufhalten. Der Gesetzgeber hat dieses Problem durch § 7 Abs. 4 SGB II gelöst. Nach dieser Vorschrift, die hier in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung (SGB aF) anzuwenden ist, erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Zu den stationären Einrichtungen i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II aF gehört nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates auch eine Justizvollzugs- oder eine Untersuchungshaftanstalt (Beschluss vom 27.03.2006 - L 8 AS 1171/06 ER-B -; ebenso SG Würzburg Beschluss vom 29.03.2005 - S 10 AS 27/05 ER -; vgl. auch Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdn. 34; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II Loseblattsammlung, § 9 Rdn. 69; a.A. LSG Schleswig Holstein Beschluss vom 14.11.2005 - L 9 B 260/05 SO ER -; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.03.2006 - L 7 AS 423/05 ER -).

Im SGB II findet sich keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Bei der Auslegung dieser Bestimmung kann auch nicht auf Vorschriften des SGB XII zurückgegriffen werden. Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB II ist vielmehr im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII zu interpretieren. Diese Bestimmungen schließen für Personen, die erwerbsfähig sind, Leistungen nach dem SGB XII aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Da auch in stationären Einrichtungen Untergebrachte erwerbsfähig sein können, weil es nach der Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lediglich darauf ankommt, ob der Hilfesuchende aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.), kämen für sie die Leistungen der Sozialhilfe nach § 35 SGB XII wegen § 5 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II aF als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit auszulegen (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II München 2005, § 7 Rdnr. 33). Wer somit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht sein wird, ist von vornherein nicht nur nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern auch nicht erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II. Für ihn greift der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs gemäß § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII damit nicht durch (Spellbrink a.a.O.).

Als Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 Hs. 1 SGB II kann jede vollstationäre Einrichtung aufgefasst werden, in der der Einrichtungsträger von der Aufnahme bis zur Entlassung des Hilfebedürftigen die Gesamtverantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind (Spellbrink a.a.O. Rdnr. 34). Diese Voraussetzungen sind bei einer Justizvollzugsanstalt, in der der Hilfebedürftige sich in Untersuchungshaft befindet oder eine Strafhaft verbüßt, erfüllt. Der Senats sieht sich in seiner Ansicht durch den ab 01.08.2006 in Kraft getretenen Gesetzestext des § 7 Abs. 4 SGB II (vgl. Art 1 Nr. 7c Satz 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.06.2006 - BGBl I Nr. 36 Seite 1706 ff.) bestätigt. Da der Vollzug der Untersuchungshaft nach § 121 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) nur unter bestimmten Voraussetzungen über 6 Monate hinaus aufrechterhalten werden darf und das Vorliegen dieser Voraussetzungen weder vom Beklagten noch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit festgestellt werden kann, steht bei einem Untersuchungshäftling nie von vornherein fest, dass er länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sein wird. Daher sind für ihn - vorausgesetzt er hat den Antrag zu Beginn der Untersuchungshaft gestellt - während der ersten 6 Monate der Untersuchungshaft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nie nach § 7 Abs. 4 SGB II aF ausgeschlossen. Eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ergibt sich erst für die Zeit nach Ablauf von 6 Monaten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat sieht es als sachgerecht an, dass der Beklagte die gesamten außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.

Die Revision wird trotz der Neuregelung der Abs. 4 und 4a des § 7 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl I S. 1706) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil die Frage, ob eine Justizvollzugsanstalt ein stationäre Einrichtung iSd § 7 Abs. 4 SGB aF bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens ist und zudem die Klärung, inwieweit ein Anspruch auf eine Teil-Regelleistung (10 v.H.) gegeben sein kann, auch für das derzeit geltende Recht bedeutsam ist.
Rechtskraft
Aus
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