L 8 AS 6088/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2521/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 6088/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) hat.

Die 1982 geborene Klägerin stammt aus Bosnien-Herzegowina und hat die Staatsangehörigkeit dieses Landes. Sie hält sich aufgrund einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die jeweils für einen befristeten Zeitraum verlängert wird, im Bundesgebiet auf. Nach einer (erlaubten) versicherungspflichtigen Beschäftigung bezog sie von der Beklagten vom 16.06.2005 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15.06.2006 Arbeitslosengeld (Alg).

Am 04.05.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 16.06.2006. Hierzu legte sie die bis 22.08.2006 befristete Duldung des Landratsamts Rottweil vom 23.05.2006 vor. Mit Bescheid vom 13.06.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB II Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) habe.

Dagegen legte die Klägerin am 21.06.2006 Widerspruch ein und machte geltend, sie beanspruche Alg II. Sie wolle lieber Alg II als Leistungen nach dem AsylbLG beziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Personen, die Anspruchsberechtigte nach § 1 AsylbLG seien, hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Landratsamt Rottweil habe ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG sei, sodass ihr kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zustehe.

Am 11.07.2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie könne nicht akzeptieren, keinen Anspruch auf Alg II zu haben. Sie habe ein Jahr Alg bezogen, ihr sei gesagt worden, sie solle Alg II beantragen und es sei ihr von der Beklagten auch ein entsprechendes Antragsformular zugesandt worden. Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2006 hat das SG die Klage abgeweisen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sei. Damit sei das SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB II grundsätzlich nicht auf sie anzuwenden. Dass die Klägerin von der Beklagten auf die Möglichkeit der Beantragung von Alg II hingewiesen worden und ihr - nach eigenen Angaben - auch ein entsprechendes Antragsformular zugesandt worden sei, ändere hieran nichts. Eine Zusage der Beklagten, ihr Alg II zu gewähren, sei darin nicht zu sehen.

Am 07.12.2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Sie macht geltend, sie habe vor ihrer Arbeitslosigkeit dreieinhalb Jahre in einem Gasthof gearbeitet und während dieser Zeit auch Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichtet. Inzwischen sei sie wieder berufstätig und müsse wiederum entsprechende Beiträge zahlen. Sie könne deshalb nicht verstehen, weshalb sie keinen Anspruch auf Alg II habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. November 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 16. Juni 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 01.04.2006 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl I S. 558) haben Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, gehört die Klägerin zu diesem Personenkreis. Denn sie ist im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG und daher gemäß § 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt.

Der in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG angeordnete Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die vom Gesetz in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und § 1 Abs. 1 AsylbLG vorgenommene Zuordnung Hilfebedürftiger zu verschiedenen Systemen der sozialen Fürsorge orientiert sich an sachlichen Kriterien. Maßstab ist der aufenthaltsrechtliche Status einer Person. Die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen haben noch kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, sodass die gesetzgebenden Organe zu Recht davon ausgehen durften, dass bei diesen Personen der soziale Integrationsbedarf entweder nicht vorhanden ist (vgl BT-Drucks. 12/4451 S. 7) oder aber wesentlich geringer ist, als bei Personen, die bereits eine gesicherte, längerfristige Aufenthaltsperspektive haben. Dieses Kriterium trägt daher eine gruppenbezogene Differenzierung (LSG Baden-Württemberg 08.01.2007 - L 12 AS 5604/06 ER-B m.w.N.).

Soweit die Klägerin vorbringt, ihr stehe Alg II zu, weil sie während ihrer Beschäftigung vor ihrer Arbeitslosigkeit auch Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit entrichtet habe, vermag dies nichts zu ändern. Insbesondere kann sie sich mit dieser Begründung nicht auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen. Zur durch die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II abgelösten Arbeitslosenhilfe hat das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden, dass es sich hierbei um keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern um eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung handelt (vgl. BSGE 85, 123, 130; SozR 3-4300 § 427 Nr. 2 S. 13; SozR 4-4300 § 434c Nr. 3 Rdnr. 16). Dasselbe gilt auch für die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Soweit die Klägerin ferner geltend macht, sie wolle keine Leistungen nach dem AsylblG, sondern begehre Alg II, ist darauf hinzuweisen, dass sie insoweit kein Wahlrecht hat. Ob andere Asylbewerber - zu Recht oder zu Unrecht - Alg II beziehen, ist für den hier vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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