L 13 B 55/06 V

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 33 V 109/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 B 55/06 V
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über den Entzug der Berechtigung zur Nutzung des besonderen Fahrdienstes für behinderte Menschen nach § 13 Abs. 9 der auf Grund des § 9 Abs. 2 Satz 2 Landesgleichberechtigungsgesetz erlassenen "Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes" vom 31. Juli 2001 (GVBl. S. 322), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juni 2005 (GVBl. S. 342). Die Klägerin wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 15. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2006 von der Nutzung des besonderen Fahrdienstes ausgeschlossen, weil sie die von ihr zu entrichtende Eigenbeteiligung nicht gezahlt hatte. Dagegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Mit Beschluss vom 14. November 2006 hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen sei. Eine anderweitige Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach dieser Vorschrift entschieden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Die Entziehung der Berechtigung zur Nutzung des besonderen Fahrdienstes falle nicht unter diese Aufzählung. Die Zuständigkeit des Sozialgerichts ergebe sich auch nicht aus einer Annexkompetenz: Eine Gesetzesanalogie sei mangels regelwidriger Gesetzeslücke unzulässig. Auch stehe die Entziehung der Berechtigung nicht in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit den unter § 51 Abs. 1 Nr. 7 SGG aufgeführten Feststellungen und Amtshandlungen. Gegen den Beschluss hat der Beklagte Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Regelung über den besonderen Fahrdienst sei in den Sinn- und Systemzusammenhang des SGB IX eingebettet. Denn die Eigenbeteiligung sei notwendige Rechtsfolge der Feststellung des Merkzeichens T als eines "gesundheitlichen Merkmals" (§ 69 Abs. 4 SGB IX).

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit §§ 172 Abs. 1, 202 SGG statthafte Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu Recht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Mangels besonderer Zuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Zur Begründung wird nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 10. Oktober 2006 verwiesen. Für das Vorbringen des Beklagten mögen Gründe der Praktikabilität und der Sachnähe sprechen. Gleichwohl ist es mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Im Gegensatz zu den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 4, 4a, 5, 6 und 6a SGG aufgeführten Tatbeständen, die mit der Formulierung, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in "A n g e l e g e n h e i t e n" der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung usw., eine weite Auslegung des betreffenden Rechtsgebiets erlauben (vgl. beispielsweise Bundessozialgericht, Beschluss vom 13. Oktober 2005, B 9b SF 4/05 R, SozR 4-1500 § 51 Nr. 1, zum Rechtsweg in Angelegenheiten der Grundsicherung), lässt die Enumeration der einzelnen Amtshandlungen in § 51 Abs. 1 Nr. 7 SGG nur den Schluss zu, dass sie abschließend ist. Der Umstand, dass die Berechtigung, den besonderen Fahrdienst zu nutzen, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes u.a. von der Zuerkennung des Merkzeichens T abhängt, ändert nichts daran, dass es sich bei Streitigkeiten über die Entziehung der Nutzungsberechtigung gerade nicht um solche "bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch" handelt. Gegen eine weite Auslegung spricht auch die Regelung des § 145 Abs. 1 Satz 6 SGB IX, wonach für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke § 51 Abs. 1 Nr. 7 SGG (nur) entsprechend gilt. Hierdurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht ohne weiteres für den Streit über die Rechtsfolgen eines gesundheitlichen Merkzeichens zuständig sind. Im Übrigen wird die Anwendbarkeit des § 145 SGB IX durch § 9 Abs. 2 Satz 1 Landesgleichberechtigungsgesetz ausgeschlossen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundessozialgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Saved