L 9 AL 29/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 1649/05
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 29/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a Al 3/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Vorläufigkeit und die Höhe der Leistung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1965 geborene Kläger ist von Beruf Sicherheitsfachkraft im Revierdienst. Er war zuletzt vom 16.04.2004 bis 30.04.2004 bei der G. GmbH, M. , P.straße, sodann seit 01.05.2004 bei der S. GmbH, M. , G. Straße, beschäftigt.

Am 12.08.2005 meldete er sich arbeitslos beim Arbeitsamt M. und beantragte Arbeitslosengeld. Ihm sei gekündigt worden, derzeit laufe ein arbeitsgerichtliches Verfahren.

Das Beibringen der Unterlagen, insbesondere das Beiziehen der Arbeitsbescheinigungen von den letzten Arbeitgebern gestaltete sich als schwierig. Daraufhin schickte das Arbeitsamt dem Kläger den Antrag am 22.09.2005 mit der Aufforderung zur Vervollständigung der Unterlagen vorläufig zurück. Demgegenüber legte der Kläger im nachfolgenden Schriftwechsel die Dringlichkeit der Bewilligung des Alg und die der Beibringung der Arbeitsbescheinigungen seinerseits entgegenstehenden Hindernisse dar.

Schließlich räumte das Arbeitsamt dem Kläger mit Schreiben vom 07.11.2005 die Möglichkeit ein, vorerst sonstige Unterlagen beizubringen, die Nachweis über seine letzten Beschäftigungsverhältnisse, die Höhe seines Verdienstes und die Kündigung durch die S. GmbH erbrächten. Dem entsprach der Kläger, indem er nebst einer ihm zugesandten und ausgefüllten Zweitschrift des Alg-Antrags vom 12.08.2005 Lohnabrechnungen über den Zeitraum vom August 2004 bis Juli 2005, Kündigungsschreiben der S. GmbH vom 02.08.2005 und 10.08.2005 sowie die Niederschrift eines nicht streitbeendenden arbeitsgerichtlichen Gütetermins vom 29.09.2005 einreichte.

Am 14.11.2005 erließ das Arbeitsamt einen "vorläufigen Bewilligungsbescheid", dem es den Gesetzestext des § 328 Abs.1 Satz 1 Nr.3 Sozialgesetzbuch (SGB) III beilegte. Der im Datenverarbeitungsverfahren erstellte Bescheid über die konkrete Leistung werde ihm in der Folge zugehen.

Mit Schreiben gleichfalls vom 14.11.2005 machte das Arbeitsamt die S. GmbH auf einen möglichen Anspruchsübergang eventueller Ansprüche des Leistungsempfängers gegen die Firma bei Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses nach den §§ 143 SGB III und 115 SGB X aufmerksam, wovon der Kläger einen Abdruck erhielt.

Mit - vorläufigem - konkreten Leistungsbesheid vom 15.11.2005 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger vorläufig Alg in Höhe von monatlich 742,80 EUR ab 12.08.2005.

Am 29.11.2005 folgte die Überweisung des Betrages von 742,80 EUR an den Kläger.

Daraus ergaben sich die folgenden, dem hier anhängig gewordenen Berufungsverfahren zugrunde liegenden Verwaltungs- und Klageverfahren:

Den Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben des Arbeitsamts vom 07.11.2005, mit dem die Behörde eine vorläufige Verbescheidung seines Alg-Antrags bei Einreichen von ersatzweisen Unterlagen in Aussicht gestellt hatte, wies das Arbeitsamt mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 zurück, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) München, die unter dem Az.: S 34 AL 1649/05 geführt wurde.

Gegen den noch keinen konkreten Betrag ausweisenden vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 14.11.2005 erhob der Kläger gleichfalls Widerspruch wegen der bloßen Vorläufigkeit, die er als unbillig empfinde. Gegen das darauf antwortende Schreiben der Behörde vom 28.11.2005, worin er um Geduld bei der Bearbeitung ersucht wurde, erhob er mit Schriftsatz vom 30.11.2005 Klage, die unter dem Az.: S 34 AL 1658/05 geführt wurde.

Gleichfalls Widerspruch erhob der Kläger gegen den ihm mit Schreiben vom 14.11.2005 mitgeteilten möglichen Übergang von Ansprüchen aus einem enventuell weiterbestehenden Arbeitsverhältnis gegen die S. GmbH auf die Beklagte, worauf das Arbeitsamt mit weiterem Schreiben vom 28.11.2005 wiederum um Geduld bei der Bearbeitung ersuchte. Hiergegen erhob der Kläger gleichfalls mit Schriftsatz vom 30.11.2005 Klage, die unter dem Az.: S 34 AL 1659/05 geführt wurde.

Gegen den konkreten - vorläufigen - Leistungsbescheid vom 15.11.2005 über die Bewilligung von Alg in Höhe von monatlich 742,80 EUR erhob der Kläger Widerspruch, worin er die Erhöhung auf das Hartz-IV-Mindestmaß, Feststellung der Unzulässigkeit der Abzüge von Pauschbeträgen für Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben und das Anheben des Leistungsprozentsatzes auf 63 % statt 60 % beantrage. Das Arbeitsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 als unzulässig zurück, da es mangels einer bisherigen endgültigen Entscheidung noch an einer Beschwer fehle. Dagegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 29.11.2005 Klage wegen der bloß vorläufigen Bewilligung, die unter dem Az.: S 34 AL 1648/05 geführt wurde, mit weiterem Schriftsatz vom 29.11.2005 Klage wegen der Höhe insbesondere der Abzüge, die unter dem Az.: S 34 AL 1650/05 geführt wurde.

Schließlich erhob der Kläger gegen die Überweisung des Betrages von 742,80 EUR am 29.11.2005 nochmals Widerspruch wegen der Höhe der Zahlung und erhob gegen das darauf reagierende Schreiben des Arbeitsamts vom 07.12.2005, worin er wiederum um Geduld bei der Bearbeitung gebeten wurde, mit Schriftsatz vom 10.12.2005 weitere Klage, die unter dem Az.: S 34 AL 1715/05 geführt wurde (s. auch S 34 AL 82/06).

In der Folge hat der Kläger hat sodann in einem Schriftsatz vom 10.12.2005 die Klage S 34 AL 1649/05, sodann in einem weiteren Schriftsatz vom 13.01.2006 zusammenfassend die Klagen S 34 AL 1648/05, S 34 AL 1649/05, S 34 AL 1650/05, S 34 AL 1658/05, S 34 AL 1659/05 und S 34 AL 1715/05 zum Gegenstand der hier anhängig gewordenen Berufung gemacht.

Auf den schriftlichen und in der mündlichen Verhandlung ergehenden Hinweis, dass es dem Senat mangels erstinstanzlicher Entscheidung nicht möglich sei, in der Sache zu entscheiden, ging der Kläger nicht ein. Um Anträge gebeten, beließ er es dabei,

"dass seine Anträge weiter verfolgt werden".

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat hat die hier zugrunde liegenden Klageakten zusammen mit weiteren zehn Klageakten vom SG sowie die Verwaltungsakten von der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers war als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht statthaft, da in keinem der hier anhängig gemachten Verfahren bisher ein Urteil des SG bzw. überhaupt irgendeine Entscheidung des SG ergangen ist (Meyer-Ladewig, Rz.3c vor § 143).

Als Untätigkeitsbeschwerden des Klägers wegen Verfahrensstillstands beim SG lassen sich die Anträge des Klägers weder auslegen noch bestand bei Einlegen der Berufung ein Anlass hierfür (Meyer-Ladewig, Rz.3d vor § 143, Rz.2c zu § 172).

Ein Schaden entsteht dem Kläger nicht, außer dem, dass es aufgrund einer vorzeitigen Berufung zu einer Verzögerung der gerichtlichen bzw. verwaltungsmäßigen Bearbeitung seines Falles in der Sache gekommen ist. Die Zurückweisung einer vorzeitigen Berufung wie auch gegebenenfalls deren Rücknahme lässt die Klage nicht unwirksam werden. Entscheidungen erster Instanz, die noch gar nicht ergangen sind, können nicht rechtskräftig werden, stehen also noch aus, womit auch die Bestandskraft von Verwaltungsakten noch aussteht, die gegebenenfalls vor der Klageerhebung ergangen sind. Rechtsmittel müssen gegen in der Folge ergehende Entscheidungen der ersten Instanz neu eingelegt werden (Meyer-Ladewig, Rz.3c vor § 143).

Es bleibt zunächst dem SG überlassen, darüber zu befinden, inwieweit das vom Kläger zum Klagegegenstand gemachte Verwaltungshandeln der Beklagten einer sachlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich ist (zur Abgrenzung zwischen der vorläufigen Entscheidung nach § 328 SGB III und dem Zuschuss nach § 42 SGB I s. Niesel Rz.3 zu § 328 mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen) und gegebenenfalls in der Sache zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hatte keine grundsätzliche Bedeutung und weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfedes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
Saved