Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 62/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 212/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein Ereignis vom 3. März 1974 einen Arbeitsunfall darstellt und dem Kläger wegen einer eitrigen Entzündung (Panaritium - Nagelgeschwür) des linken Zeigefingers, die zu einer Amputation der Grundgliedes des Zeigefingers führte, eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1955 geborene Kläger war im Jahre 1974 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) T. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Haft. Er wurde als Motorenwickler eingesetzt. Dabei stach er sich nach seinen Angaben am 3. März 1974 mit einem Kupferdraht in den linken Zeigefinger. Nach dem Befundbericht des Dr. Z. (Haftkrankenhauses L.) vom 5. April 1974 befand er sich im Rahmen einer Notanweisung vom 8. März 1974 wegen eines Panaritium am linken Zeigefinger in ärztlicher Behandlung. In der Anamnese wurde eine seit etwa fünf Tagen bestehende, schmerzhafte Anschwellung des Fingers angegeben. Die Entzündung führte am 22. März 1974 zur Amputation im Grundgelenk des linken Zeigefingers.
Die Beklagte übersandte dem Kläger zu dessen Unfallmeldung vom 22. April 2004 ein Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 26. Februar 1998 sowie ein Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 3. Juni 2003 zum Unfallversicherungsschutz von Gefangenen in der DDR. Mit Bescheid vom 10. Mai 2004 lehnte sie den Entschädigungsantrag ab. Nach dem zum Unfallzeitpunkt geltenden Recht der ehemaligen DDR habe kein Arbeitsunfall vorgelegen, da noch kein Unfallversicherungsschutz für Strafgefangene bestanden habe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 zurück. Zum Unfallzeitpunkt hätten Strafgefangene der DDR nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung der DDR gestanden.
Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. März 2005 an das Sozialgericht Landshut verwies. Das Amtsgericht S. sowie die Staatsanwaltschaft E. gaben gegenüber dem Sozialgericht an, keine Unterlagen mehr zu dem Unfallereignis zu haben. Die JVA T. teilte am 10. September 2004 mit, dass nach Durchsicht der noch vollständig archivierten Akte kein Hinweis auf einen Arbeitsunfall bestehe und keine Unfallmeldung vorliege. Die Leitende Ärztin der JVA L. mit Krankenhaus, Dipl.-Med. F. , übersandte den ärztlichen Abschlussbericht des Haftkrankenhauses L. vom 5. April 1974. Weitere Unterlagen gebe es hierzu nicht. Ferner holte das Gericht eine Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zum Unfallversicherungsschutz während der Haftzeit vor dem 5. Mai 1977 ein.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2006 ab. Ein Unfall im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz lasse sich nicht unter Vollbeweis nachweisen. Auch vor dem 5. Mai 1977 habe allenfalls für Unfälle im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz ein entsprechender Unfallversicherungsschutz bestanden. Es habe trotz Anfrage bei zahlreichen Einrichtungen nicht geklärt werden können, ob sich der Kläger die Entzündung am linken Zeigefinger tatsächlich im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz zugezogen hat. Insbesondere lasse sich aus dem Befund des Haftkrankenhauses L. nicht ersehen, ob das Panaritium eine endogene oder exogene Ursache hatte.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein und brachte zur Begründung vor, die Staatsanwaltschaft S. habe den Unfall aufgenommen. Der Unfall habe sich 1974 im Rahmen der Arbeiten in der JVA ereignet.
Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte der Senat mit Beschluss vom 24. November 2006 ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. Juni 2006 und den Bescheid vom 10. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 3. März 1974 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, und ihm hieraus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20. Juni 2006 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Vorliegen eines Arbeitsunfalls gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig (BSG v. 15. Februar 2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Gemäß § 1150 Abs. 2 S. 1 der Rechtsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 215 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) gelten Unfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO.
Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob für die Zeit des Unfalls im Jahre 1974 nach dem Recht der ehemaligen DDR ein Unfallversicherungsschutz bei der Häftlingsarbeit existierte, da im Ergebnis nicht nachgewiesen werden kann, dass die Entzündung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Alle rechtserheblichen Tatsachen wie das äußere Ereignis bedürfen des vollen Beweises, d.h. zur Überzeugung des Gerichts muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (BSGE 45, 285, 286) eine Primärverletzung durch einen Arbeitsunfall eingetreten sein. Ein derartiger Nachweis kann nicht (mehr) geführt werden. Die objektive Beweislast trägt insoweit der Kläger. Zu Recht wies das Sozialgericht die Klage deshalb ab. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch das klägerische Vorbringen im Berufungsverfahren. Das Sozialgericht hat umfangreiche Ermittlungen vorgenommen, die jedoch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht belegen konnten. Dabei bezogen sich die Ermittlungen auch auf die Staatsanwaltschaft am Amtsgericht S. , die nach Angaben des Klägers den Unfall aufgenommen hatte. Das Amtsgericht teilte jedoch mit, dass keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Auch weitere Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft E. brachten keinen Erfolg. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls vom 3. März 1974 ist somit nicht objektivierbar. Es mag zwar zutreffen, dass ein Panaritium häufig bei Arbeiten mit Kupferdraht auftritt, doch reichen hierfür auch sonstige, auch kleine und oft zunächst nicht bemerkte Verletzungen (siehe bei: Pschyrembel), so dass die Entzündung ohne Weiteres auch bei einer anderen Tätigkeit entstanden sein kann.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein Ereignis vom 3. März 1974 einen Arbeitsunfall darstellt und dem Kläger wegen einer eitrigen Entzündung (Panaritium - Nagelgeschwür) des linken Zeigefingers, die zu einer Amputation der Grundgliedes des Zeigefingers führte, eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1955 geborene Kläger war im Jahre 1974 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) T. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Haft. Er wurde als Motorenwickler eingesetzt. Dabei stach er sich nach seinen Angaben am 3. März 1974 mit einem Kupferdraht in den linken Zeigefinger. Nach dem Befundbericht des Dr. Z. (Haftkrankenhauses L.) vom 5. April 1974 befand er sich im Rahmen einer Notanweisung vom 8. März 1974 wegen eines Panaritium am linken Zeigefinger in ärztlicher Behandlung. In der Anamnese wurde eine seit etwa fünf Tagen bestehende, schmerzhafte Anschwellung des Fingers angegeben. Die Entzündung führte am 22. März 1974 zur Amputation im Grundgelenk des linken Zeigefingers.
Die Beklagte übersandte dem Kläger zu dessen Unfallmeldung vom 22. April 2004 ein Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 26. Februar 1998 sowie ein Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 3. Juni 2003 zum Unfallversicherungsschutz von Gefangenen in der DDR. Mit Bescheid vom 10. Mai 2004 lehnte sie den Entschädigungsantrag ab. Nach dem zum Unfallzeitpunkt geltenden Recht der ehemaligen DDR habe kein Arbeitsunfall vorgelegen, da noch kein Unfallversicherungsschutz für Strafgefangene bestanden habe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 zurück. Zum Unfallzeitpunkt hätten Strafgefangene der DDR nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung der DDR gestanden.
Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. März 2005 an das Sozialgericht Landshut verwies. Das Amtsgericht S. sowie die Staatsanwaltschaft E. gaben gegenüber dem Sozialgericht an, keine Unterlagen mehr zu dem Unfallereignis zu haben. Die JVA T. teilte am 10. September 2004 mit, dass nach Durchsicht der noch vollständig archivierten Akte kein Hinweis auf einen Arbeitsunfall bestehe und keine Unfallmeldung vorliege. Die Leitende Ärztin der JVA L. mit Krankenhaus, Dipl.-Med. F. , übersandte den ärztlichen Abschlussbericht des Haftkrankenhauses L. vom 5. April 1974. Weitere Unterlagen gebe es hierzu nicht. Ferner holte das Gericht eine Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zum Unfallversicherungsschutz während der Haftzeit vor dem 5. Mai 1977 ein.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2006 ab. Ein Unfall im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz lasse sich nicht unter Vollbeweis nachweisen. Auch vor dem 5. Mai 1977 habe allenfalls für Unfälle im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz ein entsprechender Unfallversicherungsschutz bestanden. Es habe trotz Anfrage bei zahlreichen Einrichtungen nicht geklärt werden können, ob sich der Kläger die Entzündung am linken Zeigefinger tatsächlich im Zusammenhang mit einem Arbeitseinsatz zugezogen hat. Insbesondere lasse sich aus dem Befund des Haftkrankenhauses L. nicht ersehen, ob das Panaritium eine endogene oder exogene Ursache hatte.
Dagegen legte der Kläger Berufung ein und brachte zur Begründung vor, die Staatsanwaltschaft S. habe den Unfall aufgenommen. Der Unfall habe sich 1974 im Rahmen der Arbeiten in der JVA ereignet.
Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte der Senat mit Beschluss vom 24. November 2006 ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. Juni 2006 und den Bescheid vom 10. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 3. März 1974 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, und ihm hieraus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20. Juni 2006 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Vorliegen eines Arbeitsunfalls gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig (BSG v. 15. Februar 2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Gemäß § 1150 Abs. 2 S. 1 der Rechtsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 215 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) gelten Unfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO.
Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob für die Zeit des Unfalls im Jahre 1974 nach dem Recht der ehemaligen DDR ein Unfallversicherungsschutz bei der Häftlingsarbeit existierte, da im Ergebnis nicht nachgewiesen werden kann, dass die Entzündung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Alle rechtserheblichen Tatsachen wie das äußere Ereignis bedürfen des vollen Beweises, d.h. zur Überzeugung des Gerichts muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (BSGE 45, 285, 286) eine Primärverletzung durch einen Arbeitsunfall eingetreten sein. Ein derartiger Nachweis kann nicht (mehr) geführt werden. Die objektive Beweislast trägt insoweit der Kläger. Zu Recht wies das Sozialgericht die Klage deshalb ab. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch das klägerische Vorbringen im Berufungsverfahren. Das Sozialgericht hat umfangreiche Ermittlungen vorgenommen, die jedoch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht belegen konnten. Dabei bezogen sich die Ermittlungen auch auf die Staatsanwaltschaft am Amtsgericht S. , die nach Angaben des Klägers den Unfall aufgenommen hatte. Das Amtsgericht teilte jedoch mit, dass keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Auch weitere Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft E. brachten keinen Erfolg. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls vom 3. März 1974 ist somit nicht objektivierbar. Es mag zwar zutreffen, dass ein Panaritium häufig bei Arbeiten mit Kupferdraht auftritt, doch reichen hierfür auch sonstige, auch kleine und oft zunächst nicht bemerkte Verletzungen (siehe bei: Pschyrembel), so dass die Entzündung ohne Weiteres auch bei einer anderen Tätigkeit entstanden sein kann.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved