L 2 U 366/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 729/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 366/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. September 2005 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 16. Oktober 2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2004 verurteilt, dem Kläger hieraus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob es sich bei dem Ereignis vom 16. Oktober 2003 um einen Arbeitsunfall handelt und dem Kläger hieraus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der 1971 geborene Kläger war als Informatiker bei der S. AG beschäftigt. Er hatte am 16. Oktober 2003 gegen 17.00 Uhr seine Arbeit unterbrochen und die Arbeitsstätte verlassen, um eine Bekannte zu besuchen. Um 19.30 Uhr erlitt er mit seinem Fahrrad in der Nähe seiner Arbeitsstätte in M. (Kreuzung O.-Ring/C.-Straße) einen Verkehrsunfall. Dabei zog er sich u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma Grad III mit Hirnkontusion zu.

Das Amtsgericht M. ordnete mit Beschluss vom 4. Dezember 2003 Betreuung an.

Die Arbeitgeberin teilte mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 mit, dass der Kläger am Unfalltag zwischen 8.45 Uhr und 9.15 Uhr mit der Arbeit begonnen habe und die Firma zwischen 17.00 Uhr und 17.30 Uhr verlassen habe. Es hätten keine geregelten Arbeitszeiten, sondern Vertrauensgleitzeit bestanden.

Der Arbeitskollege Dr. J. N. gab an, es sei nicht bekannt, aus welchem Grund der Kläger am Unfalltag seine Arbeit um ca. 17.00 Uhr unterbrochen habe. Der Arbeitskollege S. K. habe aber erklärt, dass der Kläger seinen Rucksack mit persönlichen Dingen im Büro zurückgelassen habe. Dies deute darauf hin, dass er nochmals an den Arbeitsplatz zurückkehren wollte.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen ab. Es habe nicht geklärt werden können, was der Kläger zwischen 17.00 Uhr und 19.30 Uhr tat und ob er möglicherweise nochmals seinen Arbeitsplatz aufsuchen wollte. Betriebsbezogene Gründe für die über zweistündige Dauer zwischen Verlassen der Arbeitsstätte und dem Unfall hätte nicht dargelegt werden können. Lediglich die Aussage eines Arbeitskollegen, dass er seinen Rucksack mit persönlichen Dingen im Büro zurückgelassen habe, deute darauf hin, dass er nochmals an den Arbeitsplatz zurückkehren wollte. Dies reiche jedoch für den Nachweis des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht aus. Hinzu komme, dass der Kläger am Unfalltag bereits ca. acht Stunden gearbeitet hatte.

Zur Begründung des Widerspruchs brachte der Kläger insbesondere vor, er sei zu einer befreundeten Familie in M. , L.straße gefahren, um Einzelheiten einer Taufe zu besprechen. Er habe zur Arbeitsstätte zurückfahren wollen, da bei dem bearbeiteten Projekt ein erheblicher Termindruck bestanden habe.

Die Bekannte des Klägers, Frau Dr. K. L. , versicherte am 12. Mai 2004 eidesstattlich, dass der Kläger, ein Freund ihres Mannes, am 16. Oktober 2003 kurz nach 17.00 Uhr zu ihr nach Hause gekommen sei. Er sollte der Taufpate ihres Babys sein. Er habe mitgeteilt, dass er gern einen kleinen Spaziergang unternehmen würde und nachher weiterarbeiten werde, da es ansonsten schon zu spät sei und der Kleine schon schlafen würde. Er habe auch von dem Zeitdruck des Projekts in der Arbeit gesprochen. Gegen 19.15 Uhr habe er sich mit den Worten verabschiedet: "Ich muss jetzt noch los und noch was arbeiten." Im August 2004 gab sie gegenüber der Beklagten an, der Kläger sei gegen 17.10 Uhr bei ihr angekommen und habe sie um 19.20 Uhr wieder verlassen. Der Besuch sei geplant gewesen. Der Kläger habe ihr gesagt, dass er noch ein Programm starten wolle.

Dr. N. erklärte am 26. Mai 2004, eine Überprüfung des Arbeitsplatzrechners des Klägers habe ergeben, dass dieser geplant habe, über Nacht auf seinem Rechner automatisch ablaufende Softwaretests auszuführen. Die Tests seien am 16. Oktober 2003 nicht mehr gestartet worden. Es erscheine als sehr wahrscheinlich, dass der Kläger unterwegs ins Büro gewesen sei, um diese Tests im Büro noch zu starten, damit diese über Nacht durchlaufen und die Testergebnisse am folgenden Morgen vorliegen. Unter dem 16. Oktober findet sich folgender Eintrag auf dem Rechner (übersetzt): "Europe poly test funktioniert - 2 Stunden ( ...). Starte über Nacht weitere Tests. Heute will ich das Speicherabgleich-Problem lösen und Informationen über den -03 Absturz bekommen. ( ...)"

Ferner teilte die Arbeitgeberin mit, dass hinsichtlich des Projekts Termindruck bestanden habe und ein Systemzugang des Klägers außerhalb des Büros nicht möglich gewesen sei. Der letzte Zeitstempel auf dem PC sei 16.56 Uhr gewesen. Auch sei kein automatischer Teststart vorgesehen gewesen. Der Arbeitsplatz sei nicht aufgeräumt gewesen.

Der Zeuge K. erklärte, der Kläger habe zwischen 17.00 Uhr und 17.15 Uhr das Büro verlassen und habe seine Bürotasche (Laptoptasche/Rucksack) nicht mitgenommen. Gewöhnlich nehme er am Ende des Arbeitstags seine Tasche mit.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2004 zurück. Der Kläger habe sich auf dem direkten Weg zwischen der Wohnung von Frau Dr. L. und dem Betrieb befunden. Hierbei habe es sich um einen privaten Besuch gehandelt, der bereits geplant gewesen sei und in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gestanden habe. Es liege damit kein versicherter Arbeitsweg vor, auch wenn der Kläger beabsichtigt haben sollte, die Arbeit anschließend fortzusetzen.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht München. Er habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte befunden, um dort weiter zu arbeiten. Dem Unfallversicherungsschutz stehe nicht entgegen, dass er sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befunden habe. Es habe sich um einen dritten Ort im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehandelt. Der Weg von diesem dritten Ort zu der Arbeitsstätte sei nicht einmal so lang gewesen wie der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 1. September 2005 ab. Es habe kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) vorgelegen. Das BSG habe in der Entscheidung vom 2. Mai 2001 in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass der Weg zur Arbeitsstätte unter ganz bestimmten Voraussetzungen statt von der Wohnung auch von einem anderen Ort aus angetreten werden kann. Vorliegend werde aber ein zusätzlicher Weg, der Hin- und Rückweg zu einer privaten Tätigkeit, eingeschoben. Es sei nicht Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, für Wege von und zu privaten Verrichtungen vom Arbeitsplatz aus einzustehen, obwohl kein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen bestanden habe.

Zur Begründung der Berufung machte der Kläger geltend, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung sei nicht auf täglich nur einen einzigen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit beschränkt. Vielmehr stehe auch ein erneuter Weg zum Arbeitsplatz unter Versicherungsschutz - dies nach einem längeren, d.h. mindestens zweistündigen Aufenthalt in der Wohnung selbst. Der Sachverhalt sei nicht anders zu beurteilen, als wenn er die private Besprechung während eines längeren Aufenthaltes in seiner eigenen Wohnung durchgeführt hätte und dann auf dem erneuten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz verunfallt wäre. Da die Unterbrechung mindestens zwei Stunden dauerte, erlange der Weg von dort zur Arbeitsstätte eine selbstständige Bedeutung. Der Versicherungsschutz sei deshalb zu bejahen, da die Zurücklegung des Weges dem erneuten Antritt der Arbeit und damit betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sei.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, es habe sich um einen Rückweg von einer privaten Tätigkeit gehandelt, die in die versicherte Tätigkeit eingeschoben worden sei. Deshalb bestehe kein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen mehr. Jeder der mehrfachen Wege an einem Tag müsse mit der versicherten Tätigkeit ursächlich zusammenhängen. Daran fehle es, wenn Wege aus privaten Gründen zu privaten Verrichtungen vom Arbeitsplatz aus das Einschieben dieses Weges erforderlich machten, obwohl kein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. September 2005 und den Bescheid vom 12. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2004 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 16. Oktober 2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat und ihm hieraus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. September 2005 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Der Unfall des Klägers ereignete sich auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Vorliegen eines Arbeitsunfalls gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig (BSG v. 15. Februar 2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit, § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 SGB VII u.a. auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Versichert ist dabei der Weg von der Wohnung zur versicherten Tätigkeit und nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Dieser Weg beginnt mit Verlassen des häuslichen Wirkungskreises und endet mit dem Erreichen des Betriebsgeländes, in der Regel also mit dem Durchschreiten z.B. eines Eingangstores. Grundsätzlich nicht versichert sind nicht geringfügige Wegeunterbrechungen, Umwege oder Abwege.

Für den Versicherungsschutz ist eine sachliche Verbindung des zum Unfall führenden Verhaltens mit der Betriebstätigkeit erforderlich, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21). Der innere Zusammenhang der zum Unfall führenden Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.

Versicherte Tätigkeiten auf versicherten Wegen sind diejenigen, die rechtlich wesentlich durch die Zurücklegung des Weges bedingt sind. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 39; SozR 3-2200 § 550 Nrn. 4 und 17). Dient der Weg rein eigenwirtschaftlichen oder persönlichen Zwecken, so fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit; ein Versicherungsschutz scheidet dann aus. Die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens einer versicherter Tätigkeit bedürfen des vollen Beweises, d.h., das Vorhandensein einer versicherter Tätigkeit muss sicher feststehen (vgl. BSGE 58, 76, 77; BSGE 61, 127, 128), während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. BSGE 58, 80, 82). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt somit nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney, VSSR 1993, 81, 114).

Der Kläger unterbrach nach Überzeugung des Senats seine Arbeit, als er zwischen 17.00 Uhr und 17.15 Uhr die Arbeitsstätte verließ. Der genaue Zeitpunkt ist zwar nicht bekannt, doch lässt sich dieser aufgrund des letzten Vermerks auf dem PC um 16.56 Uhr, den Angaben des Arbeitskollegen K. , nach denen der Kläger zwischen 17.00 Uhr und 17.15 Uhr das Büro verlassen hatte, und der Bekannten Dr. L. näher eingrenzen. Diese gab in ihrer eidesstattlichen Erklärung an, der Kläger sei kurz nach 17.00 Uhr bei ihr eingetroffen und sei gegen 19.15 Uhr wieder gefahren. Später gab sie an, er sei gegen 17.10 Uhr bei ihr angekommen und habe sie um 19.20 Uhr wieder verlassen. Letzteres deckt sich mit der Fahrtstrecke und dem Unfallzeitpunkt um 19.30 Uhr. Die Fahrtstrecke von der Wohnung der Bekannten Dr. L. zur Arbeitsstätte betrug 2,6 km; hierfür ist eine Fahrtdauer mit dem Fahrrad von 10 Minuten angemessen. Nach Überzeugung des Senats war der Kläger somit zwischen 17.10 und 17.15 Uhr bei der Bekannten Dr. L. eingetroffen und verließ diese wieder gegen 19.20 Uhr, so dass die Unterbrechung über zwei Stunden dauerte.

Der Kläger begab sich unstreitig aus eigenwirtschaftlichen Gründen zu der Bekannten Dr. L ... Aufgrund deren Angaben, der Angaben der Arbeitskollegen und den Gesamtumständen, insbesondere dem Zurücklassen der Tasche im Büro, dem unaufgeräumten Arbeitsplatz und der Fahrtstrecke des Klägers, geht der Senat jedoch davon aus, dass sich der Kläger erneut zu seinem Arbeitsplatz begeben wollte, um zumindest das Testprogramm zu starten. Einen wesentlichen Hinweis hierfür bietet auch der Vermerk auf dem Rechner, wonach der Kläger kurz vor Verlassen seines Büros angab, über Nacht noch weitere Tests starten zu wollen. Das Gesamtbild ergibt, dass der Kläger seine Arbeit lediglich unterbrach, nochmals zur Arbeitsstätte zurückkehren wollte, zumindest um die Testprogramme für die Nacht zu starten, und auf dem Weg zur Arbeitsstätte verunglückte. Insoweit ist wieder ein betrieblicher Zusammenhang eingetreten.

Der Weg von der Wohnung der Dr. L. zur Arbeitsstätte war daher von der wesentlichen Absicht geprägt, die Arbeitsstätte zu erreichen. Dabei kann auch ein täglich mehrmaliger Weg zur Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz stehen. Grundsätzlich sind auch mehrfache Wege an einem Tag nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert, wenn dieser mit der versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht (BSG vom 29. Februar 1984, Az.: 2 RU 73/82). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine längere Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten überbrückt werden soll. Der Zusammenhang des Weges mit der versicherten Tätigkeit kann somit nicht deshalb verneint werden, weil der Versicherte an einem Tag zweimal die Arbeit aufnimmt, d.h. nach einer längeren Pause von hier über zwei Stunden noch einmal zur Arbeitsstelle zurückkehrt (so auch Schwerdtfeger/Watermann, in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, § 8 Rdnr. 362 m.w.N.). Eine länger andauernde Unterbrechung der Arbeit war vorliegend möglich, da der Kläger keine festen Arbeitszeiten einzuhalten hatte, sondern Vertrauensgleitzeit vereinbart war. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er an diesem Tag bereits seit spätestens 9.15 Uhr arbeitete, also, worauf auch die Beklagte hinwies, bereits ca. acht Stunden gearbeitet hatte, und eine Pause von der Arbeit deshalb angezeigt gewesen sein kann.

Allerdings befand sich der Kläger nicht auf einem direkten Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte, sondern von der Privatwohnung der Bekannten. Diese stellt einen dritten Ort im Sinne der Rechtsprechung dar. Dritter Ort ist jeder Ort, der nicht Wohnung des Versicherten ist. Die Wahl des Weges aus persönlichen Motiven ist unter dem Gesichtspunkt der Risikoerweiterung unschädlich, wenn die Länge des dadurch bedingten Weges im angemessenen Verhältnis zum Weg von der oder zur Wohnung steht. Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges war damit nicht die ständige Familienwohnung des Klägers, sodass zwar Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ausscheidet. Der Kläger stand jedoch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Für den inneren Zusammenhang ist entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten, sich zur Arbeit zu begeben (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 5, 13 und SozR 3-2700 § 8 Nr. 6, alle m.w.N.) oder davon rechtlich wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am "dritten Ort" abzuschließen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6 m.w.N.). Es ist deshalb grundsätzlich von Bedeutung, ob sich der Versicherte in seiner Handlungstendenz und in seinem Verhalten in dem damit vorgesehenen rechtlichen Rahmen gehalten hat (Schwerdtfeger/Watermann, a.a.O., Rdnr. 363). Dabei ist jedoch zum einen die Dauer der Unterbrechung, zum andern auch zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 5 m.w.N.; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr. 196 m.w.N.; Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 RdNr. 178 m.w.N.). Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6 m.w.N.). Jedenfalls bei einer länger als zwei Stunden andauernden Unterbrechung kann der Versicherungsschutz deshalb - unabhängig vom Vorliegen der entsprechenden Handlungstendenz für die Unterbrechung der Arbeit - neu zu bewerten sein.

Die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2002, Az.: B 2 U 18/02 R) stellt dabei neben einem Vergleich der Entfernung im Interesse einer hinreichend klaren Grenzziehung und zur Vermeidung einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr zu vereinbarenden Ausweitung des Wegeunfallversicherungsschutzes darauf ab, dass von vornherein in einer generalisierenden Betrachtung solche Verrichtungen am "dritten Ort" ausscheiden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, mögen diese auch mittelbar das körperliche bzw. geistige Wohlbefinden heben und so auch die Leistungsfähigkeit verbessern. Das BSG stellte jedoch auch klar: Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, stehen unter Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg steht. Das Vorliegen betriebsdienlicher Motive ist zu prüfen, wenn der Weg zum oder vom dritten Ort unverhältnismäßig, unangemessen länger als von der Wohnung zum oder vom Ort der Tätigkeit ist (BSG vom 2. Mai 2001, Az.: B 2 U 33/00 R). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, so dass unter Zugrundelegung dieser Grundsätze Versicherungsschutz zu bejahen ist. Zwar war der Zweck des Besuchs bei der Familie L. rein eigenwirtschaftlich, doch dauerte die Unterbrechung insgesamt mehr als zwei Stunden. Dabei war der Weg von der Wohnung der Bekannten in der L.straße in M. zur Arbeitsstätte in N. mit 2,6 km insgesamt kürzer als von dem Wohnort des Klägers zur Arbeitsstätte (7,5 km). Die Länge des Weges steht damit in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg. Da der Kläger zur Überzeugung des Senats nochmals auf dem Weg zur Arbeitsstätte war, ist der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit auf dem Rückweg zur Arbeitsstätte gegeben.

Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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