L 11 KR 2001/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 6021/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2001/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung in R. streitig.

Die 1934 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im August 2005 reiste sie als Trachtenträgerin mit ihrer Heimatortsgemeinschaft nach W. in R ... Bereits am ersten Abend erkrankte sie an einer Blinddarmentzündung und wurde in der Zeit vom 25.08. bis 02.09.2005 im Krankenhaus M. operiert und stationär behandelt. Die für die Krankenbehandlung entstandenen Kosten in Höhe von umgerechnet 954,- EUR stellte ihr das Krankenhaus M. in Rechnung.

Am 07.09.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Rechnung von der Beklagten die Erstattung der Kosten.

Mit Bescheid vom 15.09.2005, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte die Beklagte die Erstattung ab, da zwischen R. und D. kein spezielles Abkommen für den Krankheitsfall bestehe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 03.04.2006 Widerspruch, den sie damit begründete, dass sie sich zu der Reise nach R. kurzfristig entschieden habe, da noch Plätze im Bus frei gewesen seien. Zeitlich sei es ihr deshalb nicht möglich gewesen, eine vorherige Zusage der Krankenkasse einzuholen. Bei der Erkrankung habe es sich um einen Notfall gehandelt, der in D. genauso hätte passieren können. In diesem Falle hätte die Beklagte die angefallenen Kosten ebenfalls bezahlen müssen. In R. sei ihr gesagt worden, sie bekäme das Geld von ihrer Krankenkasse erstattet.

Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 03.04.2006 noch einmal mit, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und R. kein Sozialversicherungsabkommen existiere. Würden Leistungen für den Krankheitsfall in R. in Anspruch genommen, könnten diese von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen werden. Dies sei unabhängig davon, ob diese Leistungen auch in Deutschland angefallen wären. Ergänzend führte die Beklagte mit Schreiben vom 03.05.2006 aus, dass das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), das für die Durchführung der Krankenversicherung maßgebend sei, den Rechtsanspruch auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränke. Um den Leistungsanspruch den aktuellen Gegebenheiten anzupassen, seien schon vor vielen Jahren mit den Staaten, die über ein staatliches Gesundheitssystem verfügen würden, sogenannte Sozialversicherungsabkommen getroffen worden. Damit könne der Leistungsanspruch in dem Rahmen erfüllt werden, den auch die Versicherten dieser Länder hätten. Mit Ru. bestehe jedoch kein Sozialversicherungsabkommen. Bei Erkrankungen von deutschen Versicherten in Ländern ohne Sozialversicherungsabkommen bestehe kein Leistungsanspruch gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Kosten für die Krankenhausbehandlung in R. könnten nicht übernommen werden. Der Anspruch auf Leistungen ruhe nach § 16 SGB V, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten würden und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthaltes erkranken würden. Davon abweichend sehe § 18 Abs. 1 SGB V einen Leistungsanspruch vor, wenn die Behandlung nur außerhalb des Geltungsbereichs des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) möglich sei. Die vorliegende Erkrankung könne jedoch in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Krankenhaus erfolgen. In § 18 Abs. 3 SGB V sei darüber hinaus festgelegt, dass auch dann ein Leistungsanspruch außerhalb des EWR bestehe, wenn nachweislich keine private Versicherung wegen Vorerkrankungen oder Lebensalter abgeschlossen werden könne und dies vor Beginn des Aufenthalts von der Krankenkasse festgestellt worden sei. Vor Antritt des Auslandsaufenthaltes sei bei der Klägerin jedoch die Unmöglichkeit einer privaten Versicherung von der Krankenkasse nicht festgestellt worden. Der Abschluss einer privaten Versicherung wäre möglich gewesen. Eine Kostenübernahme sei schließlich noch im Rahmen des über- und zwischenstaatlichen Rechtes in den Staaten möglich, mit denen Sozialversicherungsabkommen für die Krankenversicherung abgeschlossen seien. Nach § 13 Abs. 4 SGB V seien Versicherte außerdem berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den EWR bzw. in Abkommensstaaten im Rahmen der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. R. gehöre jedoch nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum und für den Bereich der Krankenversicherung sei kein Abkommen abgeschlossen.

Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung wies sie noch einmal darauf hin, dass es sich um durch einen Notfall entstandene Krankenhauskosten handele.

Die Beklagte verwies auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Urteil vom 21.03.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr die verauslagten Kosten erstatte. Die Kostenerstattung richte sich nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Danach sei eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien. Die Krankenhausbehandlung rechne nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V zwar grundsätzlich zu den von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen. Dieser Anspruch werde hier jedoch durch den Auslandsbezug - stationäre Behandlung in R. - überlagert. Insoweit bestimme § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass der Anspruch auf Leistungen ruhe, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten würden, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthaltes erkranken würden, soweit in diesem Gesetzbuch (SGB V) nichts Abweichendes bestimmt sei. Als abweichende Regelung komme insbesondere § 18 SGB V in Betracht. Dessen Abs. 3 bestimme, dass die Krankenkasse die Kosten einer Behandlung, die auch im Inland möglich gewesen wäre, die während eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Geltungsbereiches des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens für den EWR unverzüglich erforderlich geworden sei, insoweit zu übernehmen habe, als Versicherte sich hierfür wegen einer Vorerkrankung oder ihres Lebensalters nicht hätten versichern können und die Krankenkasse dies vor Beginn des Auslandsaufenthaltes festgestellt habe. Die Feststellung der Krankenkasse sei zwingend. Eine solche Feststellung sei hier nicht erfolgt. Auch die Regelung des § 18 Abs. 1 SGB V vermöge eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten nicht zu begründen. Nach dieser Regelung bestehe ein Leistungsanspruch, wenn die Behandlung nur außerhalb des Geltungsbereiches des EWR möglich sei. Dies sei im Fall der bei der Klägerin bestehenden Blinddarmentzündung nicht der Fall gewesen. Als weitere Ausnahme vom Ruhen seien zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen heranzuziehen. Ein solches Abkommen habe zwischen der Bundesrepublik Deutschland und R. zum Zeitpunkt der stationären Behandlung als dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht bestanden.

Hiergegen richtet sich die am 19.04.2007 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung weist sie ergänzend darauf hin, dass sie bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert sei und hierfür regelmäßig den Beitrag bezahle. Die Krankenkasse habe sie nie darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Risiko nur in der Bundesrepublik Deutschland abgedeckt werde. Sie selbst habe auch nie nachgefragt, da für sie eine Auslandsreise nicht zur Debatte gestanden sei. Die Reise sei ein kurzfristiger Entschluss gewesen. Im Hinblick auf die Blinddarmentzündung gebe es auch keine Vorerkrankung, die sie evtl. hätte warnen können. Im übrigen sei sie noch ziemlich fit. Die Behandlung in R. sei lebensnotwendig gewesen. Von einer privaten Auslandskrankenversicherung habe sie erst anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem SG erfahren.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. März 2007 und den Bescheid vom 15. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die von ihr verauslagten Kosten für die stationäre Behandlung in M. in R. vom 25. August 2005 bis zum 02. September 2005 in Höhe von 954,- EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Urteilsbegründung.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme. Hierzu haben sich die Beteiligten nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen für die Kostenerstattung einer Behandlung im Ausland im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert und ausführlich begründet dargelegt, weshalb die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der in R. entstandenen Krankenhauskosten hat.

Ergänzend weist der Senat noch einmal darauf hin, dass nach § 16 SGB V der Anspruch auf Leistungen ruht, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthaltes erkranken (vgl. hierzu Medieninformation Nr. 13/07 des Bundessozialgerichts vom 24.05.2007). Unberührt hiervon bleiben die Fälle, in denen aufgrund zwischen- bzw. überstaatlichen Rechts Leistungsansprüche im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt verwirklicht werden können. Maßgeblich hierfür sind die Regelungen der bilateralen Sozialversicherungsabkommen bzw. die Verordnungen der Europäischen Union. Mit R. hatte die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des stationären Krankenhausaufenthaltes im August und September 2006 kein solches Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Mitglied der Europäischen Union war R. zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht. Folglich richtet sich der Anspruch allein nach dem SGB V. Insoweit normiert § 18 Abs. 1 SGB V eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und ermöglicht es den Krankenkassen, die Kosten einer erforderlichen Krankenbehandlung im Ausland ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich gewesen ist. Voraussetzung ist, dass die im Ausland angebotene Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügt und im Inland keine diesem Standard entsprechende Behandlung der beim Versicherten bestehenden Erkrankung möglich ist. Die Regelung greift auch ein, wenn die Behandlung im Inland zwar an sich möglich ist, wegen fehlender Kapazitäten oder aus anderen Gründen jedoch nicht rechtzeitig erfolgen kann. Dies ist hier ebenfalls nicht der Fall. Eine Blinddarmentzündung kann in Deutschland mit Erfolg behandelt werden, so dass keine Notwendigkeit einer Auslandsbehandlung besteht. Ein darüber hinaus möglicher Erstattungsanspruch nach § 18 Abs. 3 SGB V scheitert daran, dass es an der insoweit notwendigen Feststellung der Krankenkasse vor dem Auslandsaufenthalt fehlt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil sich die Klägerin kurzfristig zur Auslandsreise entschlossen hat und auch aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht befürchten musste, dass sie während der Reise erkrankt. Diese Gesichtspunkte führen nicht zur Kostenerstattung. Die Voraussetzungen, unter denen eine Kostenerstattung möglich ist, sind im SGB V abschließend geregelt. Ausnahmen sind darüber hinaus im Gesetz nicht vorgesehen, auch keine Härtefallregelung. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, der Klägerin vor der Reise mitzuteilen, dass sie für den Fall eines Aufenthaltes in R. nicht gegen Krankheiten versichert ist. Abgesehen davon, dass gesetzliche Krankenkassen mit Hilfe ihrer Mitgliedsinformationen generell auf die Möglichkeit und teilweise Notwendigkeit einer privaten Auslandskrankenversicherung hinweisen, hätte eine konkrete Hinweispflicht allenfalls dann bestanden, wenn der Krankenkasse Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass ein Auslandsaufenthalt geplant ist. Dies war hier nicht der Fall. Die Beklagte wurde vorab über die Reise nicht informiert. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin nicht wusste, dass die Notwendigkeit einer privaten Auslandskrankenversicherung bestand, um die Kosten erstattet zu bekommen. Zum einen lässt sich aus Unkenntnis kein Anspruch herleiten. Zum anderen bestünde ein Anspruch bei Vorliegen einer privaten Auslandsversicherung gegenüber dem privaten Versicherungsträger, nicht gegenüber der Beklagten. Schließlich vermag auch die Auskunft, die die Klägerin in R. erhalten hat, wonach sie in Deutschland das Geld bekomme, hieran nichts zu ändern. Dies ist keine Zusicherung, die zu einer Bindung der Beklagten führen würde (§ 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch).

Aus den genannten Gründen ist die Berufung der Klägerin deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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