Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 1220/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 6465/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die fehlende Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII auf die Absätze 3b bis 3f des § 28 e SGB IV beruht auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Deshalb kann sich der als selbstschuldnerischer Bürge haftende Unternehmer des Baugewerbes u.a. auch auf die dort normierten Regelungen über die Haftungsbefreiung bzw. Haftungsbegrenzung berufen.
Die Berufsgenossenschaft ist berechtigt, die Forderungen gegenüber dem selbstschuldnerischen Bürgen durch Haftungsbescheid geltend zu machen.
Die Berufsgenossenschaft ist berechtigt, die Forderungen gegenüber dem selbstschuldnerischen Bürgen durch Haftungsbescheid geltend zu machen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 und der Bescheid vom 17. September 2005 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27. Oktober 2005 und 1. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin, an die Beklagte 2.121,99 EUR, hilfsweise 1.529,73 EUR aus ihrer Haftung als selbstschuldnerische Bürgin für die rückständigen Beiträge der N.-Bau GmbH zu bezahlen.
Die Klägerin ist ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie beauftragte die N.-Bau GmbH jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 als Nachunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen. Gegenüber der N.-Bau GmbH setzte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 19. April 2004 einen Gesamtbeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 4.545,89 EUR auf Grundlage einer geschätzten Lohnsumme von 130.800,- EUR fest, die in Raten von je 1.265,- EUR (bis 17. Mai bzw. 15. Juli 2004) und einer Rate zu 1.264,- EUR, fällig am 15. Oktober 2004, zu zahlen waren. Auf die insoweit fälligen Vorschusszahlungen wurde ein Saldovortrag in Höhe von 2.264,- EUR angerechnet.
Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2005 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2004 mit 2.689,11 EUR fest auf Grundlage der ebenfalls geschätzten Lohnsumme von 76.400,- EUR (7/12 der Lohnsumme aus 2003).
Die N.-Bau GmbH stellte der Klägerin für die von ihr geleisteten Arbeiten folgende Rechnungen:
Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.187,76 EUR (netto 1.886,- EUR) Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.092,64 EUR (netto 1.804,- EUR) Rechnung vom 26. Mai 2003 - 6.500,- EUR (netto 5.603,45 EUR) Rechnung vom 2. Juli 2003 - 6.000,- EUR (netto 5.172,42 EUR) Rechnung vom 1. Oktober 2003 - 19.000,- EUR (netto 16.380,- EUR) Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 6.264,- EUR (netto 5.400,- EUR) Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 10.683,60 EUR (netto 9.210,- EUR) Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 14.697,20 EUR (netto 12.670,- EUR) Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 2.784,- EUR (netto 2.400,- EUR) Rechnung vom 10. Februar 2004 - 6.217,60 EUR (netto 5.360,- EUR) Rechnung vom 10. Februar 2004 - 5.266,40 EUR (netto 4.540,- EUR)
Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 4. Mai 2005 wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der N.-Bau GmbH mangels Masse abgewiesen.
Mit Anhörungsschreiben vom 3. August 2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sie nach § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 28 e Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Unfallversicherungsbeiträge ihres Auftragnehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge hafte. Die Haftungshöhe orientiere sich an der Auftragshöhe und der Dauer der Tätigkeit. Die Klägerin wurde aufgefordert, Rechnungsunterlagen aus dem Auftragsverhältnis zur Verfügung zu stellen.
Mit Haftungsbescheid vom 14. September 2005 machte die Beklagte eine Haftungssumme von 2.668,42 EUR geltend, errechnet aus einer beitragspflichtigen Lohnsumme von 35.212,94 EUR. Diese Haftungssumme der Klägerin errechnete die Beklagte, indem sie die von der N.-Bau GmbH an die Klägerin im Jahr 2003 erstellten Nettorechnungsbeträge zu 50% der Beitragsberechnung zugrunde legte.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, in den Rechnungen seien auch Kosten für Maschinen und Fahrzeuge enthalten. Diese müssten in jedem Fall unberücksichtigt bleiben. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die von der N.-Bau GmbH bezahlten Beiträge nicht auf die Haftungssumme der Klägerin angerechnet würden. Darüber hinaus sei der Haftungsrückstand der N.-Bau GmbH nicht in vollem Umfang auf sie zu überwälzen.
Die Beklagte nahm dazu unter dem 27. Oktober 2005 Stellung und übersandte der Klägerin die Beitragsbescheide vom 19. April 2004 und vom 21. April 2005. Sie führte aus, nach gutachterlichen Äußerungen von Innungen und Verbänden könne aus 50% der Rechnungssummen, wenn Material- und Lohnkosten nicht aufgeschlüsselt werden könnten (sog. Taglohnarbeiten), das beitragspflichtige Entgelt errechnet werden. Daher sei eine Reduzierung des Lohnanteils wegen der Kosten für Maschinen und Fahrzeuge nicht möglich. Im Haftungsverfahren selbst seien drei Haftungsschuldner ermittelt worden. Aufgrund der überlassenen Rechnungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen sei. Für das Jahr 2003 habe eine Beitragsrestschuld der N.-Bau GmbH in Höhe von 2.281,89 EUR bestanden (Gesamtbeitrag 4.545,89 EUR abzüglich Zahlungen in Höhe von 2.264,- EUR). Insofern sei der für das Jahr 2003 zunächst in Ansatz gebrachte Haftungsbetrag von 2.286,89 EUR um 5,- EUR zu hoch gewesen, so dass sich der Gesamthaftungsbetrag auf 2.663,42 EUR (richtig: 2.263,42 EUR) reduziere. Der Gesamtbeitrag für 2004 belaufe sich auf 2.689,11 EUR. Nach den vorliegenden Rechnungsunterlagen sei die Klägerin nur anteilig in Höhe von 382,05 EUR in Anspruch genommen worden. Der restliche Beitrag werde gegenüber den beiden anderen Auftraggebern geltend gemacht. Beigefügt waren die Beitragsbescheide an die N.-Bau GmbH für 2003 und 2004.
Die Klägerin führte daraufhin aus, wenn sie tatsächlich in 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen wäre und sich eine Haftungssumme von 2.263,42 EUR errechne, dann müsste dieser Beitrag mit den von der N.-Bau GmbH für 2003 geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.264,- EUR abgedeckt sein. Falls in 2003 noch weitere Auftraggeber existierten, sei nicht einzusehen, warum sie alleine für die rückständigen Beiträge hafte.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Haftungssumme reduziere sich auf 2.121,99 EUR, da sich die beitragspflichtige Lohnsumme - berücksichtige man nur die Rechnungen ab Oktober 2003 - auf 27.980,- EUR reduziert habe.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte habe noch immer nicht bewiesen, dass sie die einzige Auftraggeberin im Jahr 2003 gewesen sei. Es fehle auch jede Aussage dazu, wie der von der N.-Bau GmbH für 2003 bezahlte Beitrag verrechnet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. September 2005, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 2. Dezember 2005 abgeholfen worden war, zurück. Die Beklagte führte zur Begründung u.a. aus, die N.-Bau GmbH habe für das 2. Halbjahr 2003 die geforderten Vorschüsse nicht bezahlt. Daher sei die Haftung der Klägerin auf diese Zeit begrenzt und entsprechend die Haftungssumme errechnet worden.
Dagegen hat die Klägerin am 16. März 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ausgeführt, dass die von der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 lediglich geschätzten Lohnsummen der N.-Bau GmbH bestritten würden, jedenfalls in Widerspruch dazu stünden, dass die Klägerin angeblich im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen sei. Darüber hinaus sei es nicht zulässig, geschätzte Beitragssummen zur Beitragsberechnung heranzuziehen, wenn sich im Nachhinein ergebe, dass der tatsächliche Beitrag - nämlich der aus den Rechnungen an die Klägerin errechnete - niedriger ist. Darüber hinaus seien die Vorschusszahlungen auch nicht für bestimmte Zeitabschnitte, sondern für das ganze Jahr 2003 gezahlt worden, unabhängig von eventuellen Fälligkeitsterminen.
Mit Urteil vom 19. September 2006 hat das SG den Bescheid vom 14. September 2005 in der Gestalt der Bescheide vom 27. Oktober 2005 und 2. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, dahingehend abgeändert, dass die Klägerin für die Beiträge der N.-Bau GmbH zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2003 und 2004 nur insoweit haftet, als die Beitragsschuld 2.264,- EUR übersteigt. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die grundsätzliche Haftungssumme sei von der Beklagten, ausgehend von den vorgelegten Rechnungen der Klägerin, mit 2.121,99 EUR zutreffend ermittelt worden. Die Beklagte habe von einer noch offenen Beitragsschuld der N.-Bau GmbH in Höhe von 2.281,89 EUR ausgehen dürfen, insoweit sei der Klägerin der Einwand versagt, die Beitragsforderung gegenüber der N.-Bau GmbH sei in unzutreffender Höhe ermittelt worden. Es sei darüber hinaus keine Tilgungsbestimmung ersichtlich, aus der sich die von der Klägerin gewünschte Zuordnung der Beitragszahlungen der N.-Bau GmbH entnehmen lasse. Daher hafte die Klägerin in Höhe von 2.121,99 EUR für die Beitragsschuld der N.-Bau GmbH, soweit diese die Vorauszahlungen in Höhe von 2.264,- EUR übersteige.
Gegen das ihr durch Übergabe-Einschreiben vom 5. Dezember 2006 am 6. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2006, die Beklagte gegen das ihr am 7. Dezember 2006 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Die Klägerin und die Beklagte tragen vor, das Urteil sei schon deshalb aufzuheben, weil der konkrete Haftungsbetrag der Klägerin nicht feststehe. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, es könne nicht angehen, dass die Beitragsbescheide an die N.-Bau GmbH auch ihr gegenüber als bestandskräftig behandelt würden, obwohl sie keine Möglichkeit gehabt habe, selbst Widerspruch gegen diese Bescheide einzulegen. Die Beklagte trägt vor, berücksichtige man die Auffassung des SG, die Vorschusszahlungen der N.-Bau GmbH seien anteilig auf das gesamte Jahr 2003 anzurechnen, verringere sich der Haftungsanspruch der Klägerin auf 1.529,73 EUR. Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen, die Lohnsummen seien für die Jahre 2003 und 2004 zu schätzen gewesen, da die N.-Bau GmbH keine Lohnnachweise vorgelegt habe. Für 2004 seien, da die N.-Bau GmbH nur bis 27. Juli 2004 existent gewesen sei, 7/12 der geschätzten Lohnsumme für 2003 der Berechnung zugrunde gelegt worden. Sie habe inzwischen auch von den Krankenkassen, die den Insolvenzantrag gestellt hätten, die Anzahl der Versicherten und die Lohnsummen für 2003 und 2004 erfragt. Zusammenfassend habe sich daraus eine Bruttolohnsumme für 2003 in Höhe von 136.679,- EUR und für 2004 in Höhe von 32.462,- EUR ermitteln lassen. Es sei davon auszugehen, dass auch Aushilfskräfte beschäftigt worden seien, die bei keiner Krankenkasse gemeldet worden seien, so dass die Lohnsummen eher höher liegen würden als die bei den Krankenkassen gemeldeten. Soweit bisher ausgeführt worden sei, die Klägerin sei im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin der N.-Bau GmbH gewesen, beziehe sich diese Aussage nur auf Unternehmen des Baugewerbes und schließe nicht aus, dass die N.-Bau GmbH auch für private Auftraggeber tätig geworden sei. Die Klägerin trägt ergänzend vor, ihre Inanspruchnahme nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28 e Abs. 3 a SGB IV sei verfassungswidrig, jedenfalls müsse ihr eine Exkulpationsmöglichkeit in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 3 b SGB IV eingeräumt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 und den Bescheid vom 17. September 2005 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27. Oktober 2005 und 1. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 aufzuheben, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.529,73 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 3. April 2007 in nichtöffentlicher Verhandlung erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird inhaltlich Bezug genommen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Haftungsakten B. Projekte GmbH, U. P. Bauunternehmung GmbH und die Beitragsakte der N.-Bau GmbH beigezogen.
Beigezogen wurden weiter die Protokolle der Sitzungen des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestags und Bundesrats zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit aus dem Jahr 2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bestehen schon deshalb nicht, weil zwar durch das Urteil des SG die angefochtenen Bescheide zwar im Ergebnis keiner Änderung unterzogen oder aufgehoben worden sind. Allerdings sind im Urteilstenor die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen geändert worden, so dass sich daraus jedenfalls die formelle Beschwer der Beklagten ableiten lässt.
Gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII in der seit 1. August 2002 geltenden Fassung gilt für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- und Werkvertrags im Baugewerbe § 28e Abs. 3a SGB IV in der bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung entsprechend. Danach haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der andere Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III; jetzt: § 175 Abs. 2 SGB III) beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers (Nachunternehmer) oder eines von diesem beauftragten Verleihers bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
Die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes hat die N.-Bau GmbH mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III bzw. § 175 Abs. 2 SGB III beauftragt. Die N.-Bau GmbH war bis 27. Juli 2004 in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen und beitragspflichtig. Mit Beitragsbescheiden vom 19. April 2004 und 21. April 2005, die vorliegend als Verwaltungsakte mit Drittwirkung auch gegenüber der Klägerin bestandskräftig wurden, weil sie nach ihrer Eröffnung mit Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2005 an die Klägerin nicht binnen Jahresfrist (vgl. § 66 Abs. 2 SGG) angefochten worden sind, sind bestandskräftig Beiträge in Höhe von 4.545,89 EUR für 2003 und von 2.689,11 EUR für 2004 festgesetzt worden. Auf den für das Jahr 2003 fälligen Beitrag wurden im Wege des Saldovortrags 2.264,- EUR angerechnet, so dass eine Differenz von 2.281,89 EUR (offener Beitrag 2003) verblieb. Es besteht sonach noch eine offene Beitragsschuld von 4.971,- EUR. Wegen der Insolvenz der N.-Bau GmbH blieben Vollstreckungsmaßnahmen ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Haftung der Klägerin als selbstschuldnerischer Bürge sind danach grundsätzlich gegeben.
Der Berufung der Klägerin war nicht schon deshalb Erfolg beschieden, weil die Beklagte mangels Verwaltungsakts-Befugnis die streitgegenständlichen Haftungsbescheide nicht erlassen durfte (vgl. insoweit Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2007 - L 17 U 46/06, veröffentlicht in Juris). Denn abweichend von dem vom LSG Nordrhein-Westfalen zu entscheidenden Fall zählt die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes zu den Zwangsmitgliedern der Beklagten. Ob schon aufgrund dieser mitgliedschaftlichen Rechtsbeziehung, die vorrangig der Sicherung des Beitragsaufkommens der Beklagten dient, ein Verhältnis der Über- und Unterordnung auch für andere Rechtsbeziehungen bejaht werden kann, kann hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls stellt die - abweichend von § 729 Reichsversicherungsordnung - ausdrücklich geregelte Bürgenhaftung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes aus dem Sinnzusammenhang des materiellen Rechts dar (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
Entgegen der den Beteiligten bekannten und vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2007 vertretenen Auffassung (L 4 U 57/06) vertritt der Senat die Auffassung, dass die Regelungen des § 28 e Abs. 3 b bis 3 f SGB IV im Rahmen des § 150 Abs. 3 SGB VII entsprechend heranzuziehen sind.
Nach seinem Wortlaut verweist § 150 Abs. 3 2. Alternative SGB VII nur auf die entsprechende Anwendung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV, nimmt die Absätze 3 b bis 3 f nicht in die Verweisung auf. Zur Überzeugung des Senats liegt insoweit jedoch ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor, so dass von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist. Die Absätze 3b bis 3f des § 28 e SGB IV sind in teleologischer Extension von der Verweisungsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII als erfasst anzusehen.
Durch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002 Nr. 52) wurde Absatz 3 des § 150 SGB VII um den Verweis auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV ergänzt. Ab 1. August 2002 gilt daher (auch) für den Bereich des Baugewerbes die sogenannte Generalunternehmerhaftung in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. zur Generalunternehmerhaftung auch Rixen in SGb 2002, 536 ff).
Allerdings ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Gesetzes von dem eingebrachten Gesetzentwurf bis zur beschlossenen Fassung insbesondere unter Berücksichtigung der stenographischen Protokolle des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestags und Bundesrats zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit aus dem Jahr 2002 zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Generalunternehmerhaftung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung im Gleichlauf mit der Haftung der Generalunternehmer für die Sozialversicherungsbeiträge, wie sie in § 28 e SGB IV unmittelbar geregelt sind, ausgestaltet werden sollte.
Im Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 21. Dezember 2001 (Regierungsentwurf, BR Drucks 108 6/01) war vorgesehen, nach § 28 e Abs. 3 SGB IV einen einzigen Absatz, nämlich § 28 e Abs. 3 a SGB IV einzufügen, der lautete:
"Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers, eines von diesem eingesetzten Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge; es sei denn, er weist nach, dass er aufgrund sorgfältiger Prüfung ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass dieser Unternehmer, ein von diesem eingesetzter Nachunternehmer oder ein von dem Unternehmer oder Nachunternehmer beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Dies gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend."
§ 150 Abs. 3 SGB VII sollte zugleich um die Wörter "und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- und Werkvertrags im Baugewerbe gilt § 28 e Abs. 3 a des Vierten Buches" ergänzt werden. Zur Begründung hierfür wurde ausgeführt, dass diese Regelung der neuen Fassung des § 28 e SGB IV entspreche. Gewerbliche Auftraggeber im Baugewerbe sollten auch für Zahlungsverpflichtungen des Nachunternehmers für den Sozialversicherungsbeitrag im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung haften (BR Drucks 1086/01 S. 35, 36).
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss, der Ausschuss für innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss, der Wirtschaftsausschuss sowie der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung haben daraufhin jedoch u.a. empfohlen, § 28 e Abs. 3 a SGB IV komplett zu streichen (Drucksache 1086/1/01). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Haftungsregelung für Unternehmer des Baugewerbes, die andere Unternehmer des Baugewerbes mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragen, zu enormen bürokratischen und finanziellen Zusatzbelastungen für das Baugewerbe führen würde. Dadurch würde die Wettbewerbsfähigkeit aller rechtstreuen Unternehmen der Bauwirtschaft, die aufgrund der schlechten Baukonjunktur und durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ohnehin schon gravierende Nachteile hätten, zusätzlich geschwächt. Es sei im Übrigen Kernaufgabe staaatlicher Stellen, die Einhaltung bestehender Rechtsvorschriften durchzusetzen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe die Unternehmen durch die vorgesehene haftungsrechtliche Inanspruchnahme heranzuziehen, erscheine daher auch ordnungspolitisch verfehlt. Eine Änderung bzw. Anpassung des § 150 SGB VII wurde nicht empfohlen.
Der Deutsche Bundestag hat sodann in seiner Sitzung am 22. März 2002 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf in der ursprünglichen Fassung angenommen (vgl. BR Drucks 253/02 S. 3 und 5).
In seiner Empfehlung vom 16. April 2002 hat der Wirtschaftsausschuss dem Bundesrat empfohlen zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss u.a. zur Frage der Streichung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV angerufen werde (Druck 253702 vom 26. April 2002).
Der Vermittlungsausschuss hat daraufhin dem Bundestag empfohlen (Drucks 14/9630 vom 27. Juni 2002), das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit nach Maßgabe der in Anlage beigefügten Beschlüsse in geänderter Fassung zu beschließen. Der vom Vermittlungsvorschlag unterbreitete Beschlussvorschlag wurde letztlich vom Bundestag beschlossen und bildet sich in den Absätzen 3 a bis 3 f des § 28 e SGB IV unverändert ab. Insbesondere wurde die bis dahin in Absatz 3a vorgesehene Exkulpationsregelung zu Absatz 3 b und Absatz 3 d begrenzte den Anwendungsbereich des Absatz 3 a auf einen geschätzten Auftragswert aller für ein Bauwerk in Anspruch gegebener Bauleistungen auf mehr als 500.000,- EUR.
Ob der Vermittlungsausschuss bei der Beratung der geänderten Fassung des § 28 e SGB IV bewusst die Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII unverändert gelassen hat, also abweichend von den Regelungen für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge eine unbegrenzte Generalunternehmerhaftung für die Beiträge im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehen hat, oder ob sich der Vermittlungsausschuss der Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV nicht bewusst war oder andere Beweggründe vorgelegen haben, die Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII unverändert zu lassen, war bislang ungeklärt, da die Protokolle der Sitzung des Vermittlungsausschusses nicht herangezogen worden sind. Rixen (aaO S. 524) vertrat die Auffassung, es handle sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Durchgriffshaftung für Unfallversicherungsbeiträge strenger auszugestalten als für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge und sah allenfalls über eine verfassungskonforme Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28 e Abs. 3 SGB IV Lösungswege, um unbillige Ergebnisse im Einzelfall zu vermeiden. Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII § 150 Rz. 20 a vertritt die Auffassung, es liege vermutlich ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor. Werner in jurisPK-SGB IV geht ohne weitere Auseinandersetzung mit der Problematik von einer verschuldensunabhängigen Haftung des Generalunternehmers im Bereich der Unfallversicherung aus. Das LSG Nordrhein-Westfalen stützt sich in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2007 (aaO) im Wesentlichen auf die von Rixen im genannten Aufsatz aufgeführten Argumente, auf die nachfolgend noch Näher eingegangen werden soll.
Den vom Senat beigezogenen stenographischen Berichten der Sitzungen des Vermittlungsausschusses kann zum Einen entnommen werden, dass die Mitglieder des Vermittlungsausschusses den Entwurf zu § 150 Abs. 3 SGB VII in dem zur Beratung stehenden Gesetz und dessen Verweisung auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV nicht erörtert haben. Zum Anderen sind den protokollierten Wortmeldungen aber auch keine Argumente zu entnehmen, die den Schluss zulassen könnten, die Generalunternehmerhaftung für Beiträge aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung sollte anders behandelt werden als die für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge. Somit kann den Protokollen ersehen werden, dass eine entsprechende Unterscheidung zwischen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und Unternehmerumlage für Beitragserhebung, Beitragsabführung und Beitragshaftung jedenfalls nicht getroffen worden und daher auch nicht Gegenstand der Beratung war.
Daher ist schon unter Berücksichtigung des Inhalts der stenographischen Berichte davon auszugehen, dass die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses nur versehentlich nicht auch für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen wurden. Dafür spricht darüber hinaus inhaltlich, dass, wie ausgeführt, die zunächst in § 28 e Abs. 3 a SGB IV enthaltene Exkulpationsregelung aus Gründen, die aus den Materialien nicht nachvollziehbar aber wohl in der Übersichtlichkeit der Norm begründet sind, in einen gesonderten Absatz 3 b übernommen worden, ohne dass auf diese inhaltliche Änderung für die Verweisungsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII eingegangen worden wäre. Des Weiteren wurde die in Absatz 3 a vom Vermittlungsausschuss weiter vorgenommene Änderung, nämlich die Generalunternehmerhaftung auf die Erfüllung der Zahlungspflicht des unmittelbaren Nachunternehmers zu begrenzen, durch den uneingeschränkten Verweis in § 150 Abs. 3 SGB VII auch für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Auf die sich insoweit anschließende Regelung des § 28 e Abs. 3 e SGB IV zur Vermeidung von Haftungsumgehungen wird aber wiederum in § 150 Abs. 3 SGB VII nicht Bezug genommen. Auch im Hinblick auf diese Folgen finden sich keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Bewusstsein des Gesetzgebers. Nicht zuletzt ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb den Unfallversicherungsträgern der in § 28 e Abs. 3 c SGB IV vorgesehene Auskunftsanspruch gegen den Nachunternehmer nicht eingeräumt werden sollte.
Deshalb ist von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers auszugehen, der die im Vermittlungsausschuss erarbeiteten und vom Bundestag letztlich beschlossenen Änderungen des § 28 e Absatz 3 a SGB IV ohne Anpassungen des § 150 SGB VII vorgenommen hat.
Diese planwidrige Regelungslücke ist in entsprechender Anwendung des § 28 e Abs. 3 b bis 3 f SGB IV zu schließen, denn dies entspricht dem vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf beider Systeme.
Die Notwendigkeit, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung eine zusätzliche Regelung zur Generalunternehmerhaftung zu schaffen, resultierte allein aus dem Umstand, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht Bestandteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sind, für den § 28 e SGB IV unmittelbar gilt, sondern im Umlageverfahren von den allein beitragspflichtigen Arbeitgebern eingezogen werden. Sinn und Zweck der Inbezugnahme des § 150 SGB VII auf § 28 e SGB VII liegt deshalb in einem Gleichlauf der Unternehmerhaftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag einerseits und die Beiträge zur Unfallversicherung andererseits. Ein sachlicher Grund für eine einschränkungslose Haftung des Generalunternehmers allein für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht ersichtlich. Auch der ursprüngliche Gesetzentwurf des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit selbst hat einen Gleichlauf beider Beitragssysteme vorgesehen und lediglich eine Anpassung der Unfallversicherung an die Regelungen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag erreichen wollen.
Soweit das LSG NRW sich in seinem Urteil vom 26. Januar 2007 (aaO) u.a. zur Verneinung der AnweN.arkeit der Exkulpationsregelung in § 28 e Abs. 3b SGB IV auch im Rahmen des § 150 Abs. 3 SGB VII darauf verweist, dass die selbstschuldnerische Bürgenhaftung eines Generalunternehmers des Baugewerbes hinsichtlich der Zahlung der Mindestentgelte und der Abgaben zu den gemeinsamen Sozialkassen durch seinen Nachunternehmer nach § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) ebenfalls verschuldensunabhängig gefasst sei, vermag dieser Hinweis den Senat nicht von der im genannten Urteil vertretenen Auffassung zu überzeugen. Zum einen hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 28 e SGB IV ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 14/8221 S. 15 zu Nummer 4 [§ 28 e]) bewusst abweichend von den Regelungen des AEntG für eine verschuldensunabhängige Haftung des Generalunternehmers entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese bewusste Abwendung von der verschuldensunabhängigen Haftung des AEntG für den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht gleichermaßen gelten soll, zumal er im ursprünglichen Gesetzentwurf ohne Einschränkung auch hierfür vorgesehen war.
Darüber hinaus soll die Bürgenhaftung nach § 1 a AEntG sicherstellen, dass die Arbeitnehmer ihren Mindestlohn tatsächlich erhalten; sie will einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegen wirken, dem insbesondere kleine und mittlere Betriebe nicht standhalten können und soll darüber hinaus zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bausektor beitragen. (vgl. dazu Kammerbeschluss des BVErfG vom 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05). In seinem Beschluss hat das BVerfG weiter ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Bürgenhaftung die Erwartung verbinden durfte, dass sich die Bauunternehmen veranlasst sehen würden, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer verstärkt auf deren Zuverlässigkeit zu achten und so dazu beizutragen, dass die nach § 1 AEntG zwingenden Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden.
Sowohl § 1 a AEntG als auch § 28 e Absätze 3a bis 3f SGB IV verfolgen somit das Ziel, den Hauptunternehmer für das Risiko, das er durch die Beauftragung eines Nachunternehmers setzt, nämlich gerade nicht eigene Arbeitnehmer zur Erfüllung der Werkleistung einzusetzen, eintreten zu lassen. Beide Vorschriften haben aber zur Erreichung dieses Zwecks den Haftungsumfang unterschiedlich ausgestaltet, § 28 e Abs. 3b SGB IV mit einer Exkulpationsmöglichkeit und einer Haftungsbegrenzung auf Auftragswerte ab 500.000,- EUR (§ 28 e Abs. 3d SGB IV), § 1a AEntG ohne Exkulpationsmöglichkeit. Dies lässt sich daraus begründen, dass die Inanspruchnahme des Hauptunternehmers für die Zahlung des Mindestlohns unmittelbar den betroffenen Arbeitnehmern zugute kommt und eine Exkulpation gerade den von § 1a AEntG vorgesehenen Schutz vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen unterlaufen würde. Dem gegenüber ist im Bereich der Sozialversicherung ein Arbeitnehmer auch dann geschützt, wenn der Arbeitgeber Beiträge nicht abführt, er aber Arbeitnehmertätigkeiten verrichtet bzw. ihm als sog. "Schwarzarbeiter" ein Arbeitsunfall passiert (sog. faktisches Arbeitsverhältnis). Der Schutzzweck des § 28 e Abs. 3a bis 3f SGB IV ist daher nicht mit dem des AEntG identisch und daher ein Gleichlauf beider Systeme nicht zwingend.
Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, dass es auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, die Exkulpationsregelung des § 28 e Abs. 3 b SGB IV wie auch die Absätze 3 c bis 3 f (dazu unten) nicht in die Bezugsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII aufgenommen zu haben und damit ein sogenanntes "qualifiziertes Redaktionsversehen" vorliegt (vgl. dazu im Einzelnen Riedl, AöR 119, 642 - 657).
Die Korrektur dieses qualifizierten Redaktionsversehens hat im Wegen der Auslegung der Norm zu erfolgen, wobei der historischen Auslegung, vor allem der Entstehungsgeschichte der Norm im Gesetzgebungsverfahren, neben der Ermittlung des Normzwecks eine besondere Bedeutung zukommt (Riedl a.a.O. S. 654 mit zahlreichen Nachweisen).
Soweit im Vermittlungsausschuss, abweichend vom Gesetzentwurf der Bundesregierung, auch die Absätze 3 c bis 3 f in § 28 e SGB IV eingefügt worden sind, ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung des ausführlich dargestellten Willens des Gesetzgebers und der Entstehungsgeschichte der Norm kein Grund ersichtlich, diese Vorschriften nicht ebenfalls im Rahmen der Generalunternehmerhaftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII entsprechend anzuwenden, so dass nach § 28 e Abs. 3 d SGB IV die Vorschrift des § 28 e Abs. 3 a SGB IV (entsprechend) auch erst dann Anwendung findet, wenn der geschätzte Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen 500.000,- EUR erreicht. Insoweit vertritt der Senat, ebenfalls unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm, die eine Benachteiligung kleinerer Handwerksbetriebe verhindern und deren Wettbewerbsfähigkeit gerade nicht schwächen wollte, die Auffassung, dass es für die Frage, ob diese Wertgrenze überschritten ist, auf die Summe der in Auftrag gegebenen Leistungen, nicht auf das Bauvorhaben insgesamt ankommt (so auch KassKomm zu § 28 e Rn. 36). Die Schutzbedürftigkeit des Generalunternehmers entfällt erst dann, wenn er Großaufträge an Nachunternehmer vergibt, ohne sich über deren Zuverlässigkeit zuvor zu informieren.
Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen der N.-Bau GmbH haben jedoch je Auftrag diese Summe nicht erreicht, so dass die Klägerin schon deshalb nicht für die offenen Beiträge der N.-Bau GmbH haftet. Ob sie sich darüber hinaus exkulpieren kann, kann deshalb dahin gestellt bleiben.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen war die Inanspruchnahme der Klägerin durch die Beklagte rechtswidrig erfolgt und die angefochtenen Bescheide daher in vollem Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da ein Fall grundsätzlicher Bedeutung gegeben ist (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin, an die Beklagte 2.121,99 EUR, hilfsweise 1.529,73 EUR aus ihrer Haftung als selbstschuldnerische Bürgin für die rückständigen Beiträge der N.-Bau GmbH zu bezahlen.
Die Klägerin ist ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie beauftragte die N.-Bau GmbH jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 als Nachunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen. Gegenüber der N.-Bau GmbH setzte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 19. April 2004 einen Gesamtbeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 4.545,89 EUR auf Grundlage einer geschätzten Lohnsumme von 130.800,- EUR fest, die in Raten von je 1.265,- EUR (bis 17. Mai bzw. 15. Juli 2004) und einer Rate zu 1.264,- EUR, fällig am 15. Oktober 2004, zu zahlen waren. Auf die insoweit fälligen Vorschusszahlungen wurde ein Saldovortrag in Höhe von 2.264,- EUR angerechnet.
Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2005 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2004 mit 2.689,11 EUR fest auf Grundlage der ebenfalls geschätzten Lohnsumme von 76.400,- EUR (7/12 der Lohnsumme aus 2003).
Die N.-Bau GmbH stellte der Klägerin für die von ihr geleisteten Arbeiten folgende Rechnungen:
Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.187,76 EUR (netto 1.886,- EUR) Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.092,64 EUR (netto 1.804,- EUR) Rechnung vom 26. Mai 2003 - 6.500,- EUR (netto 5.603,45 EUR) Rechnung vom 2. Juli 2003 - 6.000,- EUR (netto 5.172,42 EUR) Rechnung vom 1. Oktober 2003 - 19.000,- EUR (netto 16.380,- EUR) Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 6.264,- EUR (netto 5.400,- EUR) Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 10.683,60 EUR (netto 9.210,- EUR) Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 14.697,20 EUR (netto 12.670,- EUR) Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 2.784,- EUR (netto 2.400,- EUR) Rechnung vom 10. Februar 2004 - 6.217,60 EUR (netto 5.360,- EUR) Rechnung vom 10. Februar 2004 - 5.266,40 EUR (netto 4.540,- EUR)
Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 4. Mai 2005 wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der N.-Bau GmbH mangels Masse abgewiesen.
Mit Anhörungsschreiben vom 3. August 2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sie nach § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 28 e Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Unfallversicherungsbeiträge ihres Auftragnehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge hafte. Die Haftungshöhe orientiere sich an der Auftragshöhe und der Dauer der Tätigkeit. Die Klägerin wurde aufgefordert, Rechnungsunterlagen aus dem Auftragsverhältnis zur Verfügung zu stellen.
Mit Haftungsbescheid vom 14. September 2005 machte die Beklagte eine Haftungssumme von 2.668,42 EUR geltend, errechnet aus einer beitragspflichtigen Lohnsumme von 35.212,94 EUR. Diese Haftungssumme der Klägerin errechnete die Beklagte, indem sie die von der N.-Bau GmbH an die Klägerin im Jahr 2003 erstellten Nettorechnungsbeträge zu 50% der Beitragsberechnung zugrunde legte.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, in den Rechnungen seien auch Kosten für Maschinen und Fahrzeuge enthalten. Diese müssten in jedem Fall unberücksichtigt bleiben. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die von der N.-Bau GmbH bezahlten Beiträge nicht auf die Haftungssumme der Klägerin angerechnet würden. Darüber hinaus sei der Haftungsrückstand der N.-Bau GmbH nicht in vollem Umfang auf sie zu überwälzen.
Die Beklagte nahm dazu unter dem 27. Oktober 2005 Stellung und übersandte der Klägerin die Beitragsbescheide vom 19. April 2004 und vom 21. April 2005. Sie führte aus, nach gutachterlichen Äußerungen von Innungen und Verbänden könne aus 50% der Rechnungssummen, wenn Material- und Lohnkosten nicht aufgeschlüsselt werden könnten (sog. Taglohnarbeiten), das beitragspflichtige Entgelt errechnet werden. Daher sei eine Reduzierung des Lohnanteils wegen der Kosten für Maschinen und Fahrzeuge nicht möglich. Im Haftungsverfahren selbst seien drei Haftungsschuldner ermittelt worden. Aufgrund der überlassenen Rechnungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen sei. Für das Jahr 2003 habe eine Beitragsrestschuld der N.-Bau GmbH in Höhe von 2.281,89 EUR bestanden (Gesamtbeitrag 4.545,89 EUR abzüglich Zahlungen in Höhe von 2.264,- EUR). Insofern sei der für das Jahr 2003 zunächst in Ansatz gebrachte Haftungsbetrag von 2.286,89 EUR um 5,- EUR zu hoch gewesen, so dass sich der Gesamthaftungsbetrag auf 2.663,42 EUR (richtig: 2.263,42 EUR) reduziere. Der Gesamtbeitrag für 2004 belaufe sich auf 2.689,11 EUR. Nach den vorliegenden Rechnungsunterlagen sei die Klägerin nur anteilig in Höhe von 382,05 EUR in Anspruch genommen worden. Der restliche Beitrag werde gegenüber den beiden anderen Auftraggebern geltend gemacht. Beigefügt waren die Beitragsbescheide an die N.-Bau GmbH für 2003 und 2004.
Die Klägerin führte daraufhin aus, wenn sie tatsächlich in 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen wäre und sich eine Haftungssumme von 2.263,42 EUR errechne, dann müsste dieser Beitrag mit den von der N.-Bau GmbH für 2003 geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.264,- EUR abgedeckt sein. Falls in 2003 noch weitere Auftraggeber existierten, sei nicht einzusehen, warum sie alleine für die rückständigen Beiträge hafte.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Haftungssumme reduziere sich auf 2.121,99 EUR, da sich die beitragspflichtige Lohnsumme - berücksichtige man nur die Rechnungen ab Oktober 2003 - auf 27.980,- EUR reduziert habe.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte habe noch immer nicht bewiesen, dass sie die einzige Auftraggeberin im Jahr 2003 gewesen sei. Es fehle auch jede Aussage dazu, wie der von der N.-Bau GmbH für 2003 bezahlte Beitrag verrechnet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. September 2005, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 2. Dezember 2005 abgeholfen worden war, zurück. Die Beklagte führte zur Begründung u.a. aus, die N.-Bau GmbH habe für das 2. Halbjahr 2003 die geforderten Vorschüsse nicht bezahlt. Daher sei die Haftung der Klägerin auf diese Zeit begrenzt und entsprechend die Haftungssumme errechnet worden.
Dagegen hat die Klägerin am 16. März 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ausgeführt, dass die von der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 lediglich geschätzten Lohnsummen der N.-Bau GmbH bestritten würden, jedenfalls in Widerspruch dazu stünden, dass die Klägerin angeblich im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin gewesen sei. Darüber hinaus sei es nicht zulässig, geschätzte Beitragssummen zur Beitragsberechnung heranzuziehen, wenn sich im Nachhinein ergebe, dass der tatsächliche Beitrag - nämlich der aus den Rechnungen an die Klägerin errechnete - niedriger ist. Darüber hinaus seien die Vorschusszahlungen auch nicht für bestimmte Zeitabschnitte, sondern für das ganze Jahr 2003 gezahlt worden, unabhängig von eventuellen Fälligkeitsterminen.
Mit Urteil vom 19. September 2006 hat das SG den Bescheid vom 14. September 2005 in der Gestalt der Bescheide vom 27. Oktober 2005 und 2. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, dahingehend abgeändert, dass die Klägerin für die Beiträge der N.-Bau GmbH zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2003 und 2004 nur insoweit haftet, als die Beitragsschuld 2.264,- EUR übersteigt. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die grundsätzliche Haftungssumme sei von der Beklagten, ausgehend von den vorgelegten Rechnungen der Klägerin, mit 2.121,99 EUR zutreffend ermittelt worden. Die Beklagte habe von einer noch offenen Beitragsschuld der N.-Bau GmbH in Höhe von 2.281,89 EUR ausgehen dürfen, insoweit sei der Klägerin der Einwand versagt, die Beitragsforderung gegenüber der N.-Bau GmbH sei in unzutreffender Höhe ermittelt worden. Es sei darüber hinaus keine Tilgungsbestimmung ersichtlich, aus der sich die von der Klägerin gewünschte Zuordnung der Beitragszahlungen der N.-Bau GmbH entnehmen lasse. Daher hafte die Klägerin in Höhe von 2.121,99 EUR für die Beitragsschuld der N.-Bau GmbH, soweit diese die Vorauszahlungen in Höhe von 2.264,- EUR übersteige.
Gegen das ihr durch Übergabe-Einschreiben vom 5. Dezember 2006 am 6. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2006, die Beklagte gegen das ihr am 7. Dezember 2006 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Die Klägerin und die Beklagte tragen vor, das Urteil sei schon deshalb aufzuheben, weil der konkrete Haftungsbetrag der Klägerin nicht feststehe. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, es könne nicht angehen, dass die Beitragsbescheide an die N.-Bau GmbH auch ihr gegenüber als bestandskräftig behandelt würden, obwohl sie keine Möglichkeit gehabt habe, selbst Widerspruch gegen diese Bescheide einzulegen. Die Beklagte trägt vor, berücksichtige man die Auffassung des SG, die Vorschusszahlungen der N.-Bau GmbH seien anteilig auf das gesamte Jahr 2003 anzurechnen, verringere sich der Haftungsanspruch der Klägerin auf 1.529,73 EUR. Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen, die Lohnsummen seien für die Jahre 2003 und 2004 zu schätzen gewesen, da die N.-Bau GmbH keine Lohnnachweise vorgelegt habe. Für 2004 seien, da die N.-Bau GmbH nur bis 27. Juli 2004 existent gewesen sei, 7/12 der geschätzten Lohnsumme für 2003 der Berechnung zugrunde gelegt worden. Sie habe inzwischen auch von den Krankenkassen, die den Insolvenzantrag gestellt hätten, die Anzahl der Versicherten und die Lohnsummen für 2003 und 2004 erfragt. Zusammenfassend habe sich daraus eine Bruttolohnsumme für 2003 in Höhe von 136.679,- EUR und für 2004 in Höhe von 32.462,- EUR ermitteln lassen. Es sei davon auszugehen, dass auch Aushilfskräfte beschäftigt worden seien, die bei keiner Krankenkasse gemeldet worden seien, so dass die Lohnsummen eher höher liegen würden als die bei den Krankenkassen gemeldeten. Soweit bisher ausgeführt worden sei, die Klägerin sei im Jahr 2003 die einzige Auftraggeberin der N.-Bau GmbH gewesen, beziehe sich diese Aussage nur auf Unternehmen des Baugewerbes und schließe nicht aus, dass die N.-Bau GmbH auch für private Auftraggeber tätig geworden sei. Die Klägerin trägt ergänzend vor, ihre Inanspruchnahme nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28 e Abs. 3 a SGB IV sei verfassungswidrig, jedenfalls müsse ihr eine Exkulpationsmöglichkeit in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 3 b SGB IV eingeräumt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 und den Bescheid vom 17. September 2005 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27. Oktober 2005 und 1. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 aufzuheben, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.529,73 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 3. April 2007 in nichtöffentlicher Verhandlung erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird inhaltlich Bezug genommen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Haftungsakten B. Projekte GmbH, U. P. Bauunternehmung GmbH und die Beitragsakte der N.-Bau GmbH beigezogen.
Beigezogen wurden weiter die Protokolle der Sitzungen des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestags und Bundesrats zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit aus dem Jahr 2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bestehen schon deshalb nicht, weil zwar durch das Urteil des SG die angefochtenen Bescheide zwar im Ergebnis keiner Änderung unterzogen oder aufgehoben worden sind. Allerdings sind im Urteilstenor die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen geändert worden, so dass sich daraus jedenfalls die formelle Beschwer der Beklagten ableiten lässt.
Gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII in der seit 1. August 2002 geltenden Fassung gilt für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- und Werkvertrags im Baugewerbe § 28e Abs. 3a SGB IV in der bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung entsprechend. Danach haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der andere Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III; jetzt: § 175 Abs. 2 SGB III) beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers (Nachunternehmer) oder eines von diesem beauftragten Verleihers bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
Die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes hat die N.-Bau GmbH mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III bzw. § 175 Abs. 2 SGB III beauftragt. Die N.-Bau GmbH war bis 27. Juli 2004 in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen und beitragspflichtig. Mit Beitragsbescheiden vom 19. April 2004 und 21. April 2005, die vorliegend als Verwaltungsakte mit Drittwirkung auch gegenüber der Klägerin bestandskräftig wurden, weil sie nach ihrer Eröffnung mit Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2005 an die Klägerin nicht binnen Jahresfrist (vgl. § 66 Abs. 2 SGG) angefochten worden sind, sind bestandskräftig Beiträge in Höhe von 4.545,89 EUR für 2003 und von 2.689,11 EUR für 2004 festgesetzt worden. Auf den für das Jahr 2003 fälligen Beitrag wurden im Wege des Saldovortrags 2.264,- EUR angerechnet, so dass eine Differenz von 2.281,89 EUR (offener Beitrag 2003) verblieb. Es besteht sonach noch eine offene Beitragsschuld von 4.971,- EUR. Wegen der Insolvenz der N.-Bau GmbH blieben Vollstreckungsmaßnahmen ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Haftung der Klägerin als selbstschuldnerischer Bürge sind danach grundsätzlich gegeben.
Der Berufung der Klägerin war nicht schon deshalb Erfolg beschieden, weil die Beklagte mangels Verwaltungsakts-Befugnis die streitgegenständlichen Haftungsbescheide nicht erlassen durfte (vgl. insoweit Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2007 - L 17 U 46/06, veröffentlicht in Juris). Denn abweichend von dem vom LSG Nordrhein-Westfalen zu entscheidenden Fall zählt die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes zu den Zwangsmitgliedern der Beklagten. Ob schon aufgrund dieser mitgliedschaftlichen Rechtsbeziehung, die vorrangig der Sicherung des Beitragsaufkommens der Beklagten dient, ein Verhältnis der Über- und Unterordnung auch für andere Rechtsbeziehungen bejaht werden kann, kann hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls stellt die - abweichend von § 729 Reichsversicherungsordnung - ausdrücklich geregelte Bürgenhaftung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes aus dem Sinnzusammenhang des materiellen Rechts dar (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
Entgegen der den Beteiligten bekannten und vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2007 vertretenen Auffassung (L 4 U 57/06) vertritt der Senat die Auffassung, dass die Regelungen des § 28 e Abs. 3 b bis 3 f SGB IV im Rahmen des § 150 Abs. 3 SGB VII entsprechend heranzuziehen sind.
Nach seinem Wortlaut verweist § 150 Abs. 3 2. Alternative SGB VII nur auf die entsprechende Anwendung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV, nimmt die Absätze 3 b bis 3 f nicht in die Verweisung auf. Zur Überzeugung des Senats liegt insoweit jedoch ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor, so dass von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist. Die Absätze 3b bis 3f des § 28 e SGB IV sind in teleologischer Extension von der Verweisungsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII als erfasst anzusehen.
Durch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002 Nr. 52) wurde Absatz 3 des § 150 SGB VII um den Verweis auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV ergänzt. Ab 1. August 2002 gilt daher (auch) für den Bereich des Baugewerbes die sogenannte Generalunternehmerhaftung in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. zur Generalunternehmerhaftung auch Rixen in SGb 2002, 536 ff).
Allerdings ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Gesetzes von dem eingebrachten Gesetzentwurf bis zur beschlossenen Fassung insbesondere unter Berücksichtigung der stenographischen Protokolle des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestags und Bundesrats zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit aus dem Jahr 2002 zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Generalunternehmerhaftung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung im Gleichlauf mit der Haftung der Generalunternehmer für die Sozialversicherungsbeiträge, wie sie in § 28 e SGB IV unmittelbar geregelt sind, ausgestaltet werden sollte.
Im Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 21. Dezember 2001 (Regierungsentwurf, BR Drucks 108 6/01) war vorgesehen, nach § 28 e Abs. 3 SGB IV einen einzigen Absatz, nämlich § 28 e Abs. 3 a SGB IV einzufügen, der lautete:
"Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 des Dritten Buches beauftragt, haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers, eines von diesem eingesetzten Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge; es sei denn, er weist nach, dass er aufgrund sorgfältiger Prüfung ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass dieser Unternehmer, ein von diesem eingesetzter Nachunternehmer oder ein von dem Unternehmer oder Nachunternehmer beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Dies gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend."
§ 150 Abs. 3 SGB VII sollte zugleich um die Wörter "und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- und Werkvertrags im Baugewerbe gilt § 28 e Abs. 3 a des Vierten Buches" ergänzt werden. Zur Begründung hierfür wurde ausgeführt, dass diese Regelung der neuen Fassung des § 28 e SGB IV entspreche. Gewerbliche Auftraggeber im Baugewerbe sollten auch für Zahlungsverpflichtungen des Nachunternehmers für den Sozialversicherungsbeitrag im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung haften (BR Drucks 1086/01 S. 35, 36).
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss, der Ausschuss für innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss, der Wirtschaftsausschuss sowie der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung haben daraufhin jedoch u.a. empfohlen, § 28 e Abs. 3 a SGB IV komplett zu streichen (Drucksache 1086/1/01). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Haftungsregelung für Unternehmer des Baugewerbes, die andere Unternehmer des Baugewerbes mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragen, zu enormen bürokratischen und finanziellen Zusatzbelastungen für das Baugewerbe führen würde. Dadurch würde die Wettbewerbsfähigkeit aller rechtstreuen Unternehmen der Bauwirtschaft, die aufgrund der schlechten Baukonjunktur und durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ohnehin schon gravierende Nachteile hätten, zusätzlich geschwächt. Es sei im Übrigen Kernaufgabe staaatlicher Stellen, die Einhaltung bestehender Rechtsvorschriften durchzusetzen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe die Unternehmen durch die vorgesehene haftungsrechtliche Inanspruchnahme heranzuziehen, erscheine daher auch ordnungspolitisch verfehlt. Eine Änderung bzw. Anpassung des § 150 SGB VII wurde nicht empfohlen.
Der Deutsche Bundestag hat sodann in seiner Sitzung am 22. März 2002 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf in der ursprünglichen Fassung angenommen (vgl. BR Drucks 253/02 S. 3 und 5).
In seiner Empfehlung vom 16. April 2002 hat der Wirtschaftsausschuss dem Bundesrat empfohlen zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss u.a. zur Frage der Streichung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV angerufen werde (Druck 253702 vom 26. April 2002).
Der Vermittlungsausschuss hat daraufhin dem Bundestag empfohlen (Drucks 14/9630 vom 27. Juni 2002), das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit nach Maßgabe der in Anlage beigefügten Beschlüsse in geänderter Fassung zu beschließen. Der vom Vermittlungsvorschlag unterbreitete Beschlussvorschlag wurde letztlich vom Bundestag beschlossen und bildet sich in den Absätzen 3 a bis 3 f des § 28 e SGB IV unverändert ab. Insbesondere wurde die bis dahin in Absatz 3a vorgesehene Exkulpationsregelung zu Absatz 3 b und Absatz 3 d begrenzte den Anwendungsbereich des Absatz 3 a auf einen geschätzten Auftragswert aller für ein Bauwerk in Anspruch gegebener Bauleistungen auf mehr als 500.000,- EUR.
Ob der Vermittlungsausschuss bei der Beratung der geänderten Fassung des § 28 e SGB IV bewusst die Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII unverändert gelassen hat, also abweichend von den Regelungen für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge eine unbegrenzte Generalunternehmerhaftung für die Beiträge im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehen hat, oder ob sich der Vermittlungsausschuss der Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV nicht bewusst war oder andere Beweggründe vorgelegen haben, die Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII unverändert zu lassen, war bislang ungeklärt, da die Protokolle der Sitzung des Vermittlungsausschusses nicht herangezogen worden sind. Rixen (aaO S. 524) vertrat die Auffassung, es handle sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Durchgriffshaftung für Unfallversicherungsbeiträge strenger auszugestalten als für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge und sah allenfalls über eine verfassungskonforme Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28 e Abs. 3 SGB IV Lösungswege, um unbillige Ergebnisse im Einzelfall zu vermeiden. Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII § 150 Rz. 20 a vertritt die Auffassung, es liege vermutlich ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor. Werner in jurisPK-SGB IV geht ohne weitere Auseinandersetzung mit der Problematik von einer verschuldensunabhängigen Haftung des Generalunternehmers im Bereich der Unfallversicherung aus. Das LSG Nordrhein-Westfalen stützt sich in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2007 (aaO) im Wesentlichen auf die von Rixen im genannten Aufsatz aufgeführten Argumente, auf die nachfolgend noch Näher eingegangen werden soll.
Den vom Senat beigezogenen stenographischen Berichten der Sitzungen des Vermittlungsausschusses kann zum Einen entnommen werden, dass die Mitglieder des Vermittlungsausschusses den Entwurf zu § 150 Abs. 3 SGB VII in dem zur Beratung stehenden Gesetz und dessen Verweisung auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV nicht erörtert haben. Zum Anderen sind den protokollierten Wortmeldungen aber auch keine Argumente zu entnehmen, die den Schluss zulassen könnten, die Generalunternehmerhaftung für Beiträge aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung sollte anders behandelt werden als die für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge. Somit kann den Protokollen ersehen werden, dass eine entsprechende Unterscheidung zwischen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und Unternehmerumlage für Beitragserhebung, Beitragsabführung und Beitragshaftung jedenfalls nicht getroffen worden und daher auch nicht Gegenstand der Beratung war.
Daher ist schon unter Berücksichtigung des Inhalts der stenographischen Berichte davon auszugehen, dass die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses nur versehentlich nicht auch für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen wurden. Dafür spricht darüber hinaus inhaltlich, dass, wie ausgeführt, die zunächst in § 28 e Abs. 3 a SGB IV enthaltene Exkulpationsregelung aus Gründen, die aus den Materialien nicht nachvollziehbar aber wohl in der Übersichtlichkeit der Norm begründet sind, in einen gesonderten Absatz 3 b übernommen worden, ohne dass auf diese inhaltliche Änderung für die Verweisungsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII eingegangen worden wäre. Des Weiteren wurde die in Absatz 3 a vom Vermittlungsausschuss weiter vorgenommene Änderung, nämlich die Generalunternehmerhaftung auf die Erfüllung der Zahlungspflicht des unmittelbaren Nachunternehmers zu begrenzen, durch den uneingeschränkten Verweis in § 150 Abs. 3 SGB VII auch für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Auf die sich insoweit anschließende Regelung des § 28 e Abs. 3 e SGB IV zur Vermeidung von Haftungsumgehungen wird aber wiederum in § 150 Abs. 3 SGB VII nicht Bezug genommen. Auch im Hinblick auf diese Folgen finden sich keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Bewusstsein des Gesetzgebers. Nicht zuletzt ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb den Unfallversicherungsträgern der in § 28 e Abs. 3 c SGB IV vorgesehene Auskunftsanspruch gegen den Nachunternehmer nicht eingeräumt werden sollte.
Deshalb ist von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers auszugehen, der die im Vermittlungsausschuss erarbeiteten und vom Bundestag letztlich beschlossenen Änderungen des § 28 e Absatz 3 a SGB IV ohne Anpassungen des § 150 SGB VII vorgenommen hat.
Diese planwidrige Regelungslücke ist in entsprechender Anwendung des § 28 e Abs. 3 b bis 3 f SGB IV zu schließen, denn dies entspricht dem vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf beider Systeme.
Die Notwendigkeit, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung eine zusätzliche Regelung zur Generalunternehmerhaftung zu schaffen, resultierte allein aus dem Umstand, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht Bestandteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sind, für den § 28 e SGB IV unmittelbar gilt, sondern im Umlageverfahren von den allein beitragspflichtigen Arbeitgebern eingezogen werden. Sinn und Zweck der Inbezugnahme des § 150 SGB VII auf § 28 e SGB VII liegt deshalb in einem Gleichlauf der Unternehmerhaftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag einerseits und die Beiträge zur Unfallversicherung andererseits. Ein sachlicher Grund für eine einschränkungslose Haftung des Generalunternehmers allein für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht ersichtlich. Auch der ursprüngliche Gesetzentwurf des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit selbst hat einen Gleichlauf beider Beitragssysteme vorgesehen und lediglich eine Anpassung der Unfallversicherung an die Regelungen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag erreichen wollen.
Soweit das LSG NRW sich in seinem Urteil vom 26. Januar 2007 (aaO) u.a. zur Verneinung der AnweN.arkeit der Exkulpationsregelung in § 28 e Abs. 3b SGB IV auch im Rahmen des § 150 Abs. 3 SGB VII darauf verweist, dass die selbstschuldnerische Bürgenhaftung eines Generalunternehmers des Baugewerbes hinsichtlich der Zahlung der Mindestentgelte und der Abgaben zu den gemeinsamen Sozialkassen durch seinen Nachunternehmer nach § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) ebenfalls verschuldensunabhängig gefasst sei, vermag dieser Hinweis den Senat nicht von der im genannten Urteil vertretenen Auffassung zu überzeugen. Zum einen hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 28 e SGB IV ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 14/8221 S. 15 zu Nummer 4 [§ 28 e]) bewusst abweichend von den Regelungen des AEntG für eine verschuldensunabhängige Haftung des Generalunternehmers entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese bewusste Abwendung von der verschuldensunabhängigen Haftung des AEntG für den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht gleichermaßen gelten soll, zumal er im ursprünglichen Gesetzentwurf ohne Einschränkung auch hierfür vorgesehen war.
Darüber hinaus soll die Bürgenhaftung nach § 1 a AEntG sicherstellen, dass die Arbeitnehmer ihren Mindestlohn tatsächlich erhalten; sie will einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegen wirken, dem insbesondere kleine und mittlere Betriebe nicht standhalten können und soll darüber hinaus zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bausektor beitragen. (vgl. dazu Kammerbeschluss des BVErfG vom 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05). In seinem Beschluss hat das BVerfG weiter ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Bürgenhaftung die Erwartung verbinden durfte, dass sich die Bauunternehmen veranlasst sehen würden, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer verstärkt auf deren Zuverlässigkeit zu achten und so dazu beizutragen, dass die nach § 1 AEntG zwingenden Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden.
Sowohl § 1 a AEntG als auch § 28 e Absätze 3a bis 3f SGB IV verfolgen somit das Ziel, den Hauptunternehmer für das Risiko, das er durch die Beauftragung eines Nachunternehmers setzt, nämlich gerade nicht eigene Arbeitnehmer zur Erfüllung der Werkleistung einzusetzen, eintreten zu lassen. Beide Vorschriften haben aber zur Erreichung dieses Zwecks den Haftungsumfang unterschiedlich ausgestaltet, § 28 e Abs. 3b SGB IV mit einer Exkulpationsmöglichkeit und einer Haftungsbegrenzung auf Auftragswerte ab 500.000,- EUR (§ 28 e Abs. 3d SGB IV), § 1a AEntG ohne Exkulpationsmöglichkeit. Dies lässt sich daraus begründen, dass die Inanspruchnahme des Hauptunternehmers für die Zahlung des Mindestlohns unmittelbar den betroffenen Arbeitnehmern zugute kommt und eine Exkulpation gerade den von § 1a AEntG vorgesehenen Schutz vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen unterlaufen würde. Dem gegenüber ist im Bereich der Sozialversicherung ein Arbeitnehmer auch dann geschützt, wenn der Arbeitgeber Beiträge nicht abführt, er aber Arbeitnehmertätigkeiten verrichtet bzw. ihm als sog. "Schwarzarbeiter" ein Arbeitsunfall passiert (sog. faktisches Arbeitsverhältnis). Der Schutzzweck des § 28 e Abs. 3a bis 3f SGB IV ist daher nicht mit dem des AEntG identisch und daher ein Gleichlauf beider Systeme nicht zwingend.
Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, dass es auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, die Exkulpationsregelung des § 28 e Abs. 3 b SGB IV wie auch die Absätze 3 c bis 3 f (dazu unten) nicht in die Bezugsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII aufgenommen zu haben und damit ein sogenanntes "qualifiziertes Redaktionsversehen" vorliegt (vgl. dazu im Einzelnen Riedl, AöR 119, 642 - 657).
Die Korrektur dieses qualifizierten Redaktionsversehens hat im Wegen der Auslegung der Norm zu erfolgen, wobei der historischen Auslegung, vor allem der Entstehungsgeschichte der Norm im Gesetzgebungsverfahren, neben der Ermittlung des Normzwecks eine besondere Bedeutung zukommt (Riedl a.a.O. S. 654 mit zahlreichen Nachweisen).
Soweit im Vermittlungsausschuss, abweichend vom Gesetzentwurf der Bundesregierung, auch die Absätze 3 c bis 3 f in § 28 e SGB IV eingefügt worden sind, ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung des ausführlich dargestellten Willens des Gesetzgebers und der Entstehungsgeschichte der Norm kein Grund ersichtlich, diese Vorschriften nicht ebenfalls im Rahmen der Generalunternehmerhaftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII entsprechend anzuwenden, so dass nach § 28 e Abs. 3 d SGB IV die Vorschrift des § 28 e Abs. 3 a SGB IV (entsprechend) auch erst dann Anwendung findet, wenn der geschätzte Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen 500.000,- EUR erreicht. Insoweit vertritt der Senat, ebenfalls unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm, die eine Benachteiligung kleinerer Handwerksbetriebe verhindern und deren Wettbewerbsfähigkeit gerade nicht schwächen wollte, die Auffassung, dass es für die Frage, ob diese Wertgrenze überschritten ist, auf die Summe der in Auftrag gegebenen Leistungen, nicht auf das Bauvorhaben insgesamt ankommt (so auch KassKomm zu § 28 e Rn. 36). Die Schutzbedürftigkeit des Generalunternehmers entfällt erst dann, wenn er Großaufträge an Nachunternehmer vergibt, ohne sich über deren Zuverlässigkeit zuvor zu informieren.
Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen der N.-Bau GmbH haben jedoch je Auftrag diese Summe nicht erreicht, so dass die Klägerin schon deshalb nicht für die offenen Beiträge der N.-Bau GmbH haftet. Ob sie sich darüber hinaus exkulpieren kann, kann deshalb dahin gestellt bleiben.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen war die Inanspruchnahme der Klägerin durch die Beklagte rechtswidrig erfolgt und die angefochtenen Bescheide daher in vollem Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da ein Fall grundsätzlicher Bedeutung gegeben ist (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BWB
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