L 5 AS 1192/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 2026/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 1192/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung ihrer Witwenrente als Einkommen.

Mit Bescheid vom 10. November 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Höhe der ihr für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zustehenden Leistungen wurde mit 349,28 EUR berechnet. Als Bedarf berücksichtigte die Beklagte dabei die Regelleistung in Höhe von 345,- EUR sowie hälftige Mietkosten in Höhe von 213,06 EUR abzüglich 9,- EUR Warmwasserpauschale; seinerzeit lebte der 1984 geborene volljährige Sohn der Klägerin noch mit im Haushalt, weshalb die Mietkosten nur zur Hälfte angesetzt wurden. Von dem sich ergebenden Bedarf in Höhe von 549,06 EUR zog der Beklagte 199,78 EUR als Einkommen ab; nach einem Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 1. Mai 2004 stand der Klägerin eine Witwenrente in Höhe von monatlich 229,78 EUR zu, wobei der Beklagte eine Versicherungspauschale von 30,- EUR berücksichtigte.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei ihrer Witwenrente handele es sich um eine Grundrente für Hinterbliebene nach dem Bundesversorgungsgesetz, die nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

Mit Bescheid vom 7. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach § 19 Satz 2 SGB II sei das zu berücksichtigende Einkommen auf den Gesamtbedarf in Höhe von 549,06 EUR anzurechnen. Die Klägerin erhalte eine monatliche Witwenrente in Höhe von 229,78 EUR, die kein gesetzlich privilegiertes Einkommen darstelle. Nach § 3 der Arbeitslosengeld II – Verordnung sei als Pauschbetrag von dem Einkommen ein Betrag in Höhe von 30,- EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen. Das anzurechnende Einkommen der Klägerin mindere ihren Bedarf daher um 199,78 EUR, so dass sich ein Gesamtanspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 349,28 EUR errechne.

Aufgrund des zwischenzeitlichen Auszuges des volljährigen Sohnes der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung änderte der Beklagte die der Klägerin für Mai und Juni 2005 zustehenden Leistungen durch Bescheid vom 22. April 2005. Die Höhe der monatlich zustehenden Leistungen wurde nunmehr mit 562,34 EUR errechnet, wobei 345,- EUR als Regelleistung und 417,12 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung angesetzt und wiederum 199,78 EUR als Einkommen abgezogen wurden. Die Klägerin legte hiergegen (sowie gegen den Folgebescheid vom 2. Juni 2005 für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2005) ebenfalls Widerspruch ein.

Mit der bereits am 12. April 2005 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung ihrer Witwenrente als Einkommen zu erhalten. Sie meint, bei ihrer Witwenrente handele es sich um eine Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, die nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. Auch seien ihr andere Fälle bekannt, in denen die Hinterbliebenenrente nicht als Einkommen angerechnet worden sei.

Mit Urteil vom 26. August 2005 hat das Sozialgericht Berlin die auf höhere Leistungen für das gesamte Jahr 2005 gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen; dabei hat das Sozialgericht auch den Folgebescheid vom 2. Juni 2005 in die Beurteilung einbezogen. Ergänzend hat es ausgeführt, nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Die Witwenrente stelle keine der dort genannten Ausnahmen dar. Sie sei auch keine Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II diene.

Gegen das ihr am 16. September 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ihre Hinterbliebenenrente dürfe nicht wie Einkommen behandelt werden, sondern sei eine Entschädigung für die in wirtschaftlichen Nachteil geratenen Angehörigen des Verstorbenen. Dabei werde bereits das sonstige Einkommen der Hinterbliebenen berücksichtigt, die Berechnung der Hinterbliebenenrente basiere also nicht nur auf dem erarbeiteten Sozialversicherungsanteilen des Verstorbenen, sondern beziehe auch die Einkünfte der Hinterbliebenen ein und werde gegebenenfalls dementsprechend gemindert. Deshalb sei die Anrechnung ihrer Witwenrente beim Arbeitslosengeld II einer doppelten Einkommensanrechnung gleichzusetzen. Ihre Witwenrente sei nach § 11 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2005 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 und des Änderungsbescheides vom 22. April 2005 sowie den Bescheid vom 2. Juni 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung ihrer Witwenrente als Einkommen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

II.

Der Senat konnte nach erfolgter vorheriger Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG ).

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bewilligungszeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2005, mithin der Bescheid vom 10. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 und des Änderungsbescheides vom 22. April 2005. Der Folgebescheid vom 2. Juni 2005 für die Zeit ab 1. Juli 2005 ist nicht in analoger Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, so dass das Sozialgericht insoweit auch keine Entscheidung hätte treffen dürfen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R). Insoweit ist die Klage unzulässig.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in seinem angegriffenen Urteil zutreffend. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu Recht die ihr gewährte Witwenrente angerechnet.

Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist eine Witwenrente bei der Prüfung der Bedürftigkeit als Einkommen anzurechnen, denn als Einkommen zu berücksichtigen sind "Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch (dem SGB II), der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz". Die Klägerin bezieht eine Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann gemäß § 46 SGB VI und keine der in § 11 Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Leistungen, insbesondere keine – wie irrig behauptet – Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz ("Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges"). In Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit der Berufsunfähigkeitsrente als Einkommen hat der Senat bereits hervorgehoben, dass kein Verstoß gegen das Grundgesetz erkennbar ist, vor allem im Hinblick auf die besondere Zweckrichtung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Leistungen, die nicht als Einkommen angesehen werden sollen; hieran hält der Senat auch im vorliegenden Zusammenhang fest (vgl. Beschluss vom 18. September 2006, L 5 AS 1011/05). Mit den von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommenen Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Bundesentschädigungsgesetz werden andere Zwecke verfolgt als mit einer Rente nach dem SGB VI. Die Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz ist zum Ausgleich von Schäden bestimmt, für die die Allgemeinheit eine besondere Verantwortung trägt. Sie dient vor allem der Deckung eines schädigungsbedingten Mehrbedarfs, der durch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht abgedeckt ist, und der Abgeltung immateriellen Schadens. Renten und Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz schließlich werden für Schäden an Leben sowie Körper oder Gesundheit an Opfer nationalsozialistischer Verfolgung erbracht. Hiermit ist die Witwenrente nicht vergleichbar.

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Berechnung der von der Klägerin zu beanspruchenden Leistungen. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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