S 10 AS 51/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 51/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.04.2006 gegen den Bescheid vom 12.10.2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.12.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 wird angeordnet. Die Aufhebung der Vollziehung der Bescheides vom 12.10.2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.12.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin.

Gründe:

I.

Im Streit ist die Frage, ob die der Antragstellerin gewährte Regelleistung für die Dauer eines stationären Krankenhausaufenthaltes wegen der damit verbundenen Verpflegung der Antragstellerin um 35 vom 100 zu kürzen ist.

Die am 14.09.1980 geborene Antragstellerin lebt seit November 2004 in Essen und bezieht seit Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.06.2005 wurden der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 345,- Euro und die Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 310,- Euro, dass heißt ein monatlicher Gesamtbetrag von 655,- Euro bewilligt.

Die Antragstellerin befand sich in der Zeit vom 09.11.2005 bis zum 25.01.2006 in stationärer psychiatrischer Behandlung im Marienhospital in D ... In einem Telefonat informierte die Antragstellerin die Antragsgegnerin über ihren stationären Krankenhausaufenthalt. Darauf hin wurde sie von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.11.2005 darauf hingewiesen, dass ihre Regelsatzleistung für die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes um 35 vom 100 gekürzt werde. Gleichzeitig wurde die Antragstellerin gebeten, eine Bescheinigung des Krankenhauses über die voraussichtliche Dauer des stationären Aufenthaltes vorzulegen. Das Schreiben enthält am Ende den Hinweis, dass gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne.

Mit Schreiben vom 23.11.2005 legte die Antragstellerin gegen die mit Schreiben vom 17.11.2005 angekündigte Kürzung des Arbeitslosengeldes II Widerspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, dass sie sich zwar seit dem 09.11.2005 in stationärer Behandlung befinde, dass zur therapeutischen Behandlung jedoch auch Tages- und Wochenenderprobungen mit Aufenthalt in der eigenen Wohnung beziehungsweise in der Wohnungsumgebung gehörten, so dass ihr insoweit zusätzliche Kosten für Hin- und Rückfahrt sowie Verpflegung an diesen Tagen entstünden. Gleichzeitig legte die Antragstellerin eine entsprechende Bescheinigung des Marienhospitales D. vor.

Auf den Fortzahlungsantrag der Antragstellerin hin wurden ihr mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.12.2005 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 534,25 Euro bewilligt. Dabei wurde von dem Gesamtbedarf in Höhe von 655,- Euro ein Einkommen in Höhe von 120,75 Euro in Abzug gebracht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die stationäre Unterbringung bedingt die Regelleistung um 35 vom 100 (120,75, Euro) zu kürzen gewesen sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.12.2005 und 11.01.2006 Widerspruch und wies nochmals auf die mit den Wochenend- und Tageserprobungen verbundenen Aufwendungen hin. Auf Anforderung der Antragsgegnerin legte sie eine Bescheinigung des Marienhospitales vor, aus der sich ergab, dass der stationäre Aufenthalt bis zum 25.01.2006 befristet war und im Januar 2006 insgesamt drei Wochenenderprobungen eine Tageserprobung konkret durchgeführt worden waren.

Am 01.02.2006 erging bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 ein Änderungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem für die Zeit ab dem 01.02.2006 die Regelleistung in Höhe von 345,- Euro und die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 310,- Euro monatlich ungekürzt, dass heißt in einer Gesamthöhe von 655,- Euro bewilligt wurde. Für den Monat Januar 2006 wurde ein Einkommen in Höhe von 104,65 Euro angerechnet, so dass sich ein Zahlbetrag in Höhe von 550,35 Euro ergab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kürzung aufgrund der stationären Behandlung der Antragstellerin ab dem 27.01.2006 aus der Berechnung genommen worden sei, da die stationäre Behandlung nur bis zum 26.01.2006 angedauert habe.

Am 09.06.2006 erging ein Abhilfebescheid der Antragsgegnerin bezüglich des Widerspruches der Antragstellerin vom 23.11.2005, mit dem eine teilweise Aufhebung der Kürzung der Regelleistung erfolgte und eine Nachzahlung in Höhe von 32,19 Euro angekündigt wurde. Die Neuberechnung wurde mit Änderungsbescheid vom 12.06.2006 vorgenommen, in dem für den Monat Januar 2006 nur noch ein Einkommen in Höhe von 72,46 Euro in Abzug gebracht wurde, so dass sich ein Zahlbetrag in Höhe von 582,54 Euro (vorher: 550,35 Euro) ergab. Als Grund für die Änderung wurde angegeben, dass eine Kürzung der Regelleistung nur noch für die Zeit vom 06.01.2006 bis zum 22.01.2006 vorgenommen worden sei.

Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 04.07.2006 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 09.11.2006 bis zum 31.12.2006 angehört. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass sich der Leistungsanspruch wegen der stationären Unterbringung der Antragstellerin um 209,30 Euro verringert habe und dass die Antragstellerin die Überzahlung verursacht habe, weil sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Darauf hin übersandte die Antragstellerin den gesamten während ihrer Klinikzeit geführten Schriftwechsel an die Antragsgegnerin und machte darauf aufmerksam, dass sie ihren Mitteilungspflichten während des Krankenhausaufenthaltes nachgekommen sei.

Am 12.10.2006 erging ein Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem der Bewilligungsbescheid vom 30.06.2005 in Höhe von 209,30 Euro zurückgenommen und der überzahlte Betrag von der Antragstellerin zurück gefordert wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen mitgeteilt worden seien und für die Zeit vom 09.11.2005 bis zum 31.12.2005 keine Nachweise oder Hinweise vorlägen, die es rechtfertigen würden, von einer Rückforderung der zu Unrecht gewährten Leistungen abzusehen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der bestehende Erstattungsanspruch in Höhe von 217,35 Euro ab März 2007 in fünf Monatsraten in Höhe von jeweils 43,47 Euro von der Regelleistung einbehalten würden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 25.10.2006 Widerspruch und bat um Angabe der Rechtsgrundlagen für die Entscheidung der Antragsgegnerin. Darauf hin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.12.2006 mit, dass ihre Entscheidungen nach dem SGB II und den Richtlinien der Agentur für Arbeit getroffen würden. Ferner wurde mitgeteilt, dass der im Bescheid angegebene Rückzahlungsbetrag in Höhe von 217,35 Euro und die sich daraus ergebende Monatsrate in Höhe von 43,47 Euro fehlerhaft seien, da von der Antragstellerin nur ein Betrag von 209,30 Euro zu erstatten sei. Dieser Betrag werde ab März 2007 in monatlichen Raten von 41,86 Euro von der Regelleistung einbehalten.

Die Antragsgegnerin zahlte im Monat März 2007 und in den folgenden Monaten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 613,14 Euro an die Antragstellerin aus, nachdem mit Bescheid vom 20.10.2006 für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 Leistungen in Höhe von 655,- Euro bewilligt worden waren.

Mit Schriftsatz vom 02.03.2007 wies die Antragstellerin darauf hin, dass ihr Widerspruch gegen den Aufrechnungsbescheid aufschiebende Wirkung habe. Jedenfalls sei ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren als ein Antrag auf Anordnung der Aussetzung der Vollziehung auszulegen, falls die Antragsgegnerin nicht von einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruches ausgehen würde. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin die Aufrechnung fortsetzen würde, wurde die gerichtliche Geltendmachung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens angekündigt.

Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.03.2007 mitgeteilt hatte, dass ihrer Auffassung nach der Widerspruch der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung habe und die Aufrechnung fortgesetzt würde, hat die Antragstellerin mit einem am 14.03.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gestellt.

Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat die Antragsgegnerin den Widerspruch mit Bescheid vom 04.04.2007 mit der Begründung zurückgewiesen, die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides für den Zeitraum vom 09.11.2005 bis zum 31.12.2005 sei zu Recht erfolgt, weil die Verpflegung der Antragstellerin während des stationären Krankenhausaufenthaltes als bedarfsmindernde Leistung mit einem Wert von 35 vom 100 der Regelleistung zu berücksichtigen sei. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung lägen vor, weil die Antragstellerin ihrer Pflicht zur Mitteilung von nachteiligen Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Aufrechnung sei nach § 43 SGB II zulässig, da Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bis zu einem Betrag von 30 vom 100 der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Erstattungsansprüchen aufgerechnet werden könnten, die der Hilfebedürftige durch vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst habe.

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 18.04.2007 Klage erhoben, die bei dem Sozialgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 73/07 anhängig ist.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die aufschiebende Wirkung der Klage sei anzuordnen, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufhebungsbescheides bestünden und die Antragstellerin bei Durchführung der Aufrechnung nicht in der Lage sei, die laufenden Kosten des Lebensunterhaltes und der Unterkunft zu bestreiten. Für die von der Antragsgegnerin vorgenommene Kürzung der Regelleistung wegen der mit dem stationären Krankenhausaufenthalt verbundenen Verpflegung fehle es an einer Rechtsgrundlage, da in § 19 SGB II die Höhe des Regelsatzes abschließend im Sinne einer Pauschalisierung festgelegt worden sei und es dem Wesen der Pauschalisierung widerspreche, bei einem tatsächlich geringeren Bedarf eine Kürzung der Regelleistung vorzunehmen.

Die Antragstellerin beantragt schriftlichsätzlich,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2006 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 04.04.2007 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag zurückweisen.

Sie ist der Ansicht, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei nicht offensichtlich fehlerhaft, auch wenn es zu der rechtlichen Problematik unterschiedliche Rechtssprechung gebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die mit Bescheid vom 12.10.2006 und Änderungsbescheid vom 07.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 vorgenommene teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 09.11.2005 bis zum 31.12.205, die Rückforderung des sich daraus ergebenden überzahlten Betrages in Höhe von 209,30 Euro und die in den Bescheiden vorgenommene Regelung, dass beginnend mit dem Monat März 2007 eine Aufrechnung des Rückforderungsbetrages in monatlicher Höhe von 41,86 Euro gegen den Anspruch der Antragstellerin auf laufende Leistungen zum Sicherung des Lebensunterhaltes vorgenommen wird.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2006 in Gestalt des Abänderungsbescheides vom 07.12.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 ist zulässig und begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist - wie hier - bei Erlass eines Widerspruchsbescheides bzw. bei Erhebung der dagegen gerichteten Klage über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches noch nicht entschieden, ist eine Änderung des Antrages dahingehend zulässig, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.04.2006 Aktenzeichen L 3 B 1138/05 U ER, Meyer-Ladewig § 86 Rn 96).

Der Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG ist zulässig, da der Widerspruch und die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12.10.2006 in Gestalt des Abänderungsbescheides vom 07.12.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 keine aufschiebende Wirkung hat. Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in Fällen, in denen das durch Bundesgesetz geregelt worden ist. Aus § 39 Nr. 1 SGB II ergibt sich, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung haben. Dabei erfasst § 39 Nr. 1 SGB II auch Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen über bereits bewilligte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, da es sich auch insoweit um Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende handelt (vgl. mit überzeugender Begründung und Darstellung des Meinungsstandes: LSG NRW Beschluss vom 26.07.2006 Aktenzeichen L 20 B 144/06 AS ER und LSG NRW Beschluss vom 03.11.2006 Aktenzeichen L 20 B 264/06 AS ER; ferner LSG NRW vom 19.07.2006 Aktenzeichen L 12 B 55/06 AS ER; LSG NRW Beschluss vom 31.03.2006 Aktenzeichen L 19 B 15/06 AS ER).

Soweit in den angefochtenen Bescheiden geregelt worden ist, dass ab März 2007 eine Aufrechnung des Rückzahlungsanspruches der Antragsgegnerin gegen die monatlichen Leistungsansprüche der Antragstellerin in Höhe von 41,86 Euro vorgenommen werde, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ebenfalls zulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Aufrechnung in Form eines Verwaltungsaktes oder durch öffentliche- rechtliche Willenserklärung statt zufinden hat, beziehungsweise ob zumindest ein Verwaltungsakt ergehen darf (vgl. zum Meinungsstand: Eicher-Spellbrink § 43 SGB II Rn 6,7). Da die Antragsgegnerin die Aufrechnung in Gestalt eines Verwaltungsaktes geregelt hat, kann der Leistungsempfänger Rechtsschutz nur durch einen Widerspruch beziehungsweise eine Klage gegen den Bescheid erlangen. Auch insoweit ist die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig, da die Aufrechnung mit Erstattungansprüchen gegen Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 43 Satz SGB II eine Entscheidung über die Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende enthält (LSG NRW Beschluss vom 19.07.2006 Aktenzeichen L 12 B 55/06 AS ER; LSG NRW Beschluss vom 07.03.2006 Aktenzeichen Ls 20 B 31/06 AS ER).

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind - neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. nicht Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes - vor allem die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung. Ist ein Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist der Widerspruch bzw. die Klage dagegen aussichtslos, wird eine aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens aber mit berücksichtigt werden können. Je größer die Erfolgsaussichten in dem Hauptsacheverfahren zu beurteilen sind, desto geringere Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers sind zu stellen (vgl. Meyer-Ladewig § 86 b Rn 12 c mwN).

Soweit die Antragsgegnerin in den angefochtenen Bescheiden für die Zeit ab März 2007 eine Aufrechnung eines Rückforderungsanspruches in Höhe von 209,30 Euro gegen den Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 41,86 Euro monatlich geregelt hat, ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig, so dass der Antrag auf Aussetzung der aufschiebenden Wirkung insoweit begründet ist.

Nach § 43 Satz 1 SGB II können Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom 100 der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach dem SGB II aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadensersatz handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin einen Erstattungsanspruch nach §§ 48, 50 SGB X hat. Jedenfalls hat die Antragstellerin einen Erstattungsanspruch nicht durch vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst. Die Antragsgegnerin stützt die rückwirkende Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides und die Rückforderung von 209,30 Euro auf den Umstand, dass sich die Antragstellerin in der Zeit vom 09.11.2005 bis zum 31.12.2005 in stationärer Krankenhausbehandlung befunden hat. Diesen Umstand hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin jedoch bereits zum Beginn des Krankenhausaufenthaltes telefonisch mitgeteilt, was sich ausdrücklich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 17.11.2005 ergibt. Darin wird auf ein mit der Antragstellerin geführtes Telefonat Bezug genommen und ausgeführt, dass sich die Antragstellerin laut eigenen Angaben zur Zeit im Krankenhaus befinde. Zudem hat die Antragstellerin nochmals schriftlich mit Schreiben vom 23.11.2005 darauf hingewiesen, dass sie sich seit dem 9.11.2005 in stationärer Behandlung im Marienhospital D. befinde, und eine entsprechende Bescheinigung des Marienhospitales vom 23.11.2005 vorgelegt. Somit ist die Antragstellerin ihrer Mitteilungspflicht von Anfang an nachgekommen, so dass - entgegen der Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007 schon die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht erfüllt sind, weil insoweit eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitwirkungspflicht erforderlich ist. Erst recht hat die Antragstellerin nicht vorsätzlich oder grob fahrlässsig unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 43 SGB II gemacht und dadurch einen Erstattungsanspruch veranlasst.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches und der Klage war auch insoweit anzuordnen, als mit dem angefochtenen Bescheiden eine teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 30.06.2005 für die Zeit vom 09.11.2005 bis zum 31.12.2005 vorgenommen worden ist.

Der Aufhebungsbescheid vom 12.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2007 ist bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bejaht hat. Selbst unter Zugrundelegung des Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, wonach es sich bei dem stationären Krankenhausaufhalt um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse handelt, ist die Antragstellerin ihrer entsprechenden Mitteilungspflicht nachgekommen, indem sie die Antragsgegnerin bereits zu Beginn des Krankenhausaufenthaltes telefonisch und schriftlich über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt hat. Woraus die Antragsgegnerin eine vorsätzliche bzw. grob fahrlässige Verletzung dieser Mitteilungspflicht herleiten will, ist dem Widerspruchsbescheid nicht ansatzweise zu entnehmen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Kammer erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides auch insoweit bestehen, als die Antragsgegnerin überhaupt eine wesentliche Änderung der für die Bewilligung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes maßgeblichen und tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X angenommen hat.

Soweit die Antragsgegnerin in dem Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007 die Auffassung vertreten hat, die Verpflegung während des stationären Krankenhausaufenthaltes sei bedarfsmindernd in der Weise zu berücksichtigen, dass die Regelleistung um 35 vom 100 zu kürzen sei, ergibt sich dafür nach Auffassung der Kammer keine Rechtsgrundlage. Das SGB II enthält keine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Vorschrift, wonach ein Bedarf unter anderem abweichend festgelegt wird, wenn er im Einzelfall ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Die fehlende Regelung einer abweichenden Festlegung der Regelleistung im SGB II und der dadurch bedingte Unterscheid zum SGB XII beruhen nicht etwa auf einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem SGB II eine Pauschalisierung der Regelleistung zugrunde liegt. Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen (Mehrbedarf nach § 21 SGB II bzw. Sonderleistungen nach § 23 SGB II) kann eine sich an den Verhältnissen des Einzelfalles orientierende zusätzliche Leistung erbracht werden. Die Pauschalisierung der Leistungen für die bei der Festlegung der Regelleistung berücksichtigten Bedarfe gehört zu den zentralen Grundentscheidungen der Systematik des Leistungsrechtes des SGB II (vgl. BT-Drucksache 15/1516 Seite 46 ). Anders als die Leistungen nach dem SGB XII sind die Leistungen nach dem SGB II nicht konkret bedarfsdeckend, sondern lediglich bedarfsorientiert ausgestaltet (vgl. BT-Drucksache 15/1516 Seite 56). Damit korrespondiert der weitgehende Verzicht auf einmalige Leistungen. Danach können Hilfebedürftige - abgesehen von den genannten Ausnahmefällen - auch dann keine höhere Leistungen erhalten, wenn im konkreten Einzelfall ein zusätzlicher, in der Regelleistung nicht enthaltener Bedarf anfällt oder wenn ausnahmesweise ein in der Regelleistung enthaltener Bedarf in größerer Höhe entsteht. Daraus folgt aber auch, dass ein Leistungsträger nicht berechtigt ist, die Leistung abzusenken, wenn ausnahmsweise einmal im Bereich der Regelleistung ein Teilbedarf entweder gar nicht oder nur in reduzierter Höhe anfällt. Das Wesen der Pauschaliserung besteht gerade darin, solche Besonderheiten des Einzelfalles nicht zu berücksichtigen (vgl. für die Verpflegung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes: SG Mannheim Urteil vom 28.02.2007 Aktenzeichen S 9 AS 3882/06; SG Freiburg Urteil vom 24.10.2006 Aktenzeichen S 9 AS 1557/06; SG Berlin Urteil vom 24.04.2007 Aktenzeichen S 93 AS 9826/06; SG Aachen Urteil vom 25.08.2006 Aktenzeichen S 8 AS 53/06; SG Detmold Urteil vom 28.11.2006 Aktenzeichen S 12 AS 8/06).

Schließlich kann die im Rahmen des stationären Krankenhausaufhaltes zur Verfügung gestellte Verpflegung auch nicht als zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II angesehen werden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen, so dass grundsätzlich auch Sachleistungen wie eine Verpflegung Einkommen darstellen können. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Verpflegung eines Patienten während eines stationären Krankenhausaufenthaltes nicht um eine isolierte Sachleistung handelt, sondern dass das im Krankenhaus zur Verfügung gestellte Essen Teil der dort gewährten kurativen Versorgung des Patienten ist. Der untrennbare Zusammenhang wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Verpflegung jeweils in besonderer Weise auf den Gesundheitszustand und die Erkrankung des Patienten abgestimmt werden muss. Insoweit bestehen schon erhebliche Zweifel, ob es sich bei der Verpflegung um eine Leistung handelt, die überhaupt marktfähig ist, dass heißt der ein bestimmter Geldwert zugeordnet werden kann (dies verneinend: SG Freiburg Urteil vom 24.10.2006 Aktenzeichen S 9 AS 1557/06; SG Mannheim Urteil vom 28.02.2007 Aktenzeichen S 9 AS 3882/06; SG Aachen Urteil vom 25.08.2006 Aktenzeichen S 8 AS 53/06; SG Detmold Urteil vom 28.11.2006 Aktenzeichen S 12 AS 8/06).

Jedenfalls ist die während eines stationären Krankenhausaufenthaltes gewährte Verpflegung nach Auffassung der Kammer als zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II anzusehen und unberücksichtigt zu lassen (ebenso SG Berlin Urteil vom 24.04.2007 Aktenzeichen S 93 AS 9826/06). Nach dieser Vorschrift sind zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist maßgeblich, dass die Gewährung von Verpflegung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes in einer Klinik Teil eines vielschichtigen Leistungsspektrums ist, mit dem ausschließlich der Zweck verfolgt wird, die Genesung des Patienten zu erreichen. Diesem Zweck ist zum einen die Art und Weise der Verpflegung untergeordnet, so dass sie sich streng an den ärztlichen Vorgaben und dem Gesundheitszustand des Patienten orientiert. Zum anderen tritt die damit notwendigerweise verbundene teilweise Sicherung des Lebensunterhaltes völlig in den Hintergrund, weil die ärztliche Behandlung, die pflegerische und die sonstige medizinische Versorgung mit dem Ziel der Genesung des Patienten im Vordergrund des stationären Krankenhausaufenthaltes stehen. Somit ist der im Vordergrund stehende Zweck der Unterbringung im Krankenhaus und der damit notwendigerweise verbundenen Verpflegung keinesfalls die teilweise Sicherung des Lebensunterhaltes. Zudem wird durch die Gewährung der Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass während eines Krankenhausaufenthaltes auch spezifische Kosten entstehen, die sonst nicht anfallen würden (vgl. SG Berlin Urteil vom 24.04.2007 Aktenzeichen S 93 AS 9826/06 und SG Freiburg Urteil vom 24.10.2006 Aktenzeichen S 9 AS 1557/06 jeweils mit zahlreichen Beispielen).

Da die aufschiebende Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides zurückwirkt (vgl. Meyer-Ladwig § 86 b Rn 19) und die Antragsgegnerin unterdessen den Bescheid durch Vornahme der Aufrechnung vollzogen hat (vgl zur Vollziehung durch Aufrechung: LSG NRW vom 16.04.2003 Aktenzeichen L 10 B 21/02 KA ER) war nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen. Die Antragsgegnerin wird die seit März 2007 einbehaltenen monatlichen Raten in Höhe von 41,83 Euro an die Antragstellerin nachzuzahlen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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