L 23 SO 66/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 2212/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 66/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ber-lin vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Ja-nuar 2003 bis Dezember 2004. Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 28. April 2004 für Januar 2003 bis De-zember 2004 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz – GSiG –. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 27. Mai 2004 Widerspruch. Am 19. April 2005 erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Berlin zum Akten-zeichen S 18 SO 2212/05. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2005, dem Kläger zugegangen am 25. Juli 2005, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 27. Mai 2004 zurück. Am 25. August 2005 erhob der Kläger beim Sozialgericht Berlin – zum Aktenzeichen S 47 SO 4608/05 - Klage ge-gen den Widerspruchsbescheid mit dem Begehren, den Beklagten zur Auszahlung von Grund-sicherungsleistungen für den Monat Dezember 2003 in Höhe von 172,46 Euro sowie zur Aner-kennung der Beiträge des Klägers zur Krankenversicherung zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 hat der Kläger sich erstmals im Verfahren S 18 SO 2212/05 gegen den Widerspruchsbescheid gewandt. Der Kläger hat beantragt, den Bescheid vom 28. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbe-scheides vom 22. Juli 2005 abzuändern und den Beklagten zu verur-teilen, ihm für Dezember 2003 172,46 Euro nachzuzahlen sowie für Januar 2003 bis Dezember 2004 höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung seiner Beiträge zur privaten Krankenversiche-rung zu gewähren. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2006 als unzulässig abge-wiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass es an einer fristgemäßen Klage-erhebung binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides gefehlt habe. Der Kläger hätte entweder eine neue Klage erheben müssen oder in der genannten Frist die bereits anhängige Klage umstellen müssen. Der Kläger habe sich aber erstmals mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 gegen den Widerspruchsbescheid gewandt. Die Klage sei auch unzulässig, so-weit der Kläger auf eine Berücksichtigung seiner privaten Krankenversicherungsbeiträge drän-ge. Insofern sei der Bescheid vom 28. April 2004 bestandskräftig gewesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 1. März 2006 zugestellte Urteil am 29. März 2006 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er meint seine Klage sei nicht unzulässig gewesen, denn bereits seine Untätigkeitsklage vom 19. April 2005 habe "Ersatz-Anträge" mit demselben Klageziel enthalten. Da der angefochtene Widerspruchsbescheid keinerlei Angaben über die Sitzung der "Rechts-/Widerspruchsstelle 11.20" enthalte und mit keinem Wort auf sein ergänzendes Widerspruchsschreibens vom 1. Dezember 2004 eingehe, habe er seine Er-satzanträge vom 19. April 2005 nicht ändern müssen. Im Übrigen hätte das Sozialgericht ein ergänzendes Widerspruchsschreiben vom 1. Dezember 2004 als Überprüfungsantrag nach SGB X werten müssen und daher im Termin zur mündlichen Verhandlung die erneute Untätigkeit der Beklagten seit über einem Jahr feststellen müssen. Der Senat entnimmt dem Vorbringen des Klägers den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 zu verurteilen, ihm – dem Kläger – für Dezember 2003 172,46 Euro nachzuzahlen sowie für Januar 2003 bis Dezember 2004 höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung seiner Beiträge zur privaten Zusatzkrankenversicherung zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Betei-ligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genom-men, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Gericht hat die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – durch Beschluss zurückweisen können, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört wor-den (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Klage war wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Mit Erhebung der Klage zum Geschäftszeichen S 47 SO 4608/05 am 25. August 2005 ist ein Verfahren über das Begehren des Klägers auf Abänderung des Bescheides vom 28. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 und Gewährung der beantragten weiteren Leistungen nach dem Grundsicherheitsgesetz rechtshängig geworden (§ 94 SGG). Während der Rechtshängigkeit ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig (§ 202 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG). Über das Begehren des Klägers wird das Sozialgericht Berlin in dem Verfahren S 47 SO 4608/05 in der Sache entscheiden. Die Streitsache war nicht etwa – mit der Folge, dass die Klage zum Geschäftszeichen S 47 SO 4608/05 unzulässig gewesen wäre – bereits mit Erhebung der Untätigkeitsklage am 19. April 2005 rechtshängig geworden. Denn Streitgegenstand der so genannten Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist ausschließlich die Untätigkeit der Behörde. Bei der Untätigkeitklage nach § 88 SGG handelt es sich im Gegensatz zu den entsprechenden Klagen anderer Verfahrensordnun-gen (z. B. § 75 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) um eine Bescheidungsklage. Diese ist grundsätzlich auf Verurteilung der Behörde zur Bescheidung gerichtet und nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG 73, 244 ff.; 75, 56 f.). Die Klage kann daher auch nicht mit Hilfsanträgen auf den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes verbunden werden. Mit Erlass des begehrten Verwaltungsaktes oder Widerspruchsbescheides ist die Hauptsache der Untätigkeitsklage erledigt. Ergeht – wie im vorliegenden Fall – ein ungünstiger Widerspruchsbescheid soll der Kläger seine Klage im Wege der Klageänderung als Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage fortsetzen können (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, Kom., 8. Aufl., § 88 Rdnr. 10 b m. w. N.). Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Er hat stattdessen fristgerecht ein weiteres Verfahren anhängig gemacht, nämlich dasjenige zum Geschäftszeichen S 47 SO 4608/05. In diesem wird inhaltlich über sein Begehren zu ent-scheiden sein. Soweit der Kläger in dem Rechtsstreit S 47 SO 4608/05 den Bescheid vom 28. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 nur teilweise – nämlich nur hin-sichtlich des Monats Dezember 2003 – angegriffen haben sollte, führt dies nicht zur Zulässig-keit der vorliegenden Klage. Soweit der angefochtene Bescheid – soweit teilbar – nicht ange-fochten ist, ist er unanfechtbar geworden, eine hiergegen erhobene Klage wäre schon aus die-sem Grunde unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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