Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 947/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3635/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1960 geborene Kläger, 1969 aus Ostpreußen umgesiedelt, ließ sich von September 1978 bis Juli 1980 zum Kraftfahrzeugmechaniker ausbilden. Er übte sodann diesen Beruf nicht aus, sondern war nach Wehrdienst und einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 01. August 1983 als Maschinenführer/Rollenschneider in einem Pharmacenter (Schneiden von Materialien wie Tablettenfolien und Formpackmaterial, ständiges Heben bis 40 kg) beschäftigt. Es handelte sich den Angaben des Arbeitgebers zufolge um eine ungelernte oder nur kurzfristig angelernte Tätigkeit. Im Sommer 1999 erkrankte der Kläger am Magen; vom 13. bis 23. September 1999 befand er sich zur operativen Behandlung einer axialen Hiatusgleithernie im H.-Klinikum in S. (Arztbrief Prof. Dr. R. vom 29. September 1999). Es bestand weiterhin Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf. Vom 26. September bis 24. Oktober 2000 nahm er an einer psychosomatischen Heilbehandlung in der K.-Klinik St. B. teil (Diagnosen: hypochondrische Entwicklung, gastroösophageale Refluxkrankheit mit Zustand nach Operation 1999; Entlassungsbericht vom 06. November 2000). Nachdem es zu einem Rezidiv der Cardiainsuffizienz gekommen war, fand vom 15. bis 23. April 2002 eine weitere stationäre Behandlung mit Operation im Universitätsklinikum T., Klinik für Allgemeine Chirurgie, statt (Arztbrief Prof. Dr. B. vom 30. April 2002). Seit August 2001 war der Kläger arbeitslos und bezog bis 10. September 2003 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Am 11. November 2003 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Ärztin Dr. St. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle S. der Beklagten sah nach Untersuchung vom 10. Februar 2004 von einer gutachterlichen Beurteilung ab, sondern empfahl eine stationäre Begutachtung auf der Klinischen Beobachtungsstation in K ... Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. nannte im Gutachten vom 26. April 2004 wenig reflektierte, wenig introspektionsfähige, gleichzeitig hyperthyme Persönlichkeitszüge sowie eine abnorme Krankheitsverarbeitung (nach Magenoperation) mit teils hypochondrischer, teils dissoziativer Färbung. Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die gedankliche Flexibilität, die kritische Reflexion, das Verantwortungsbewusstsein oder anfordernde soziale Interaktionen könnten weiterhin vollschichtig verrichtet werden. Chirurg Dr. S. nannte im Gutachten vom 03. Mai 2004 einen unauffälligen Zustand nach Magenoperationen, rezidivierende lokale Rückenschmerzen ohne Reizzustand oder Funktionseinschränkung, einen unauffälligen Zustand nach Blinddarm- und Leistenbruchoperation sowie eine geringgradige Instabilität des linken Kniegelenks ohne Beschwerden. Einschränkungen ergäben sich nur fürs schwere Arbeiten und längerfristiges tiefes Bücken. Ferner wurde der Kläger durch Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Bo. ambulant begutachtet (Bericht vom 27. April 2004: Tinnitus ohne wesentlichen Leidensdruck, Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits; Vermeidung von Arbeiten im Lärm sei zu empfehlen). Im zusammenfassenden Gutachten vom 07. Juni 2004 nannte Arzt für Innere Medizin Dr. Mü. auf seinem Gebiet zusätzlich einen Verdacht auf Bluthochdruck, der in Zusammenschau auf den von den anderen Ärzten genannten Einschränkungen zu keiner weiteren Begrenzung führe, als dass körperliche leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch als Maschinenarbeiter, noch vollschichtig möglich seien. Durch Bescheid vom 22. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den ohne Begründung gebliebenen Widerspruch wurden neue medizinische Ermittlungen nicht eingeleitet. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005.
Mit der am 18. April 2005 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, insbesondere mit den vom psychiatrischen Gutachter Dr. Br. genannten Einschränkungen sei eine Integration in betriebliche Arbeitsabläufe kaum mehr möglich. Er könne nicht mehr ohne Aufsicht beschäftigt werden, was nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entspreche. Erhebliche Zeiträume von Krankschreibung seien vorherzusehen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. nannte in seiner Aussage vom 22. August 2005 eine Behandlung seit 08. April 2004, sah keine Widersprüche in den Gutachten der Dres. Mü. und Br. zu seinen Beobachtungen und formulierte, die überwertige Beachtung von körperlichen Missempfindungen werde einer erfolgreichen Wiederaufnahme einer leichten Tätigkeit sehr wahrscheinlich im Wege stehen. Arzt für Innere Medizin Sc. schloss sich in der Aussage vom 19. August 2005 ebenfalls im Wesentlichen den Gutachtern an; inzwischen habe eine neue Magenspiegelung stattgefunden (Bericht Dr. G. vom 19. August 2004). Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. V. berichtete in der Aussage vom 06. Oktober 2005 über eine Behandlung vom 01.März bis 06. Juli 2001 und stimmte den Gutachten der Dres. Mü. und Br. im Wesentlichen zu. Schließlich verwies Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. in der Auskunft vom 23. Februar 2006 auf das vorrangig maßgebende psychiatrische Fachgebiet.
Durch Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2006 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Von den Gutachtern sei weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Behinderung genannt worden. Demgemäß brauche eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht bezeichnet zu werden. An der Vollständigkeit der bei den Begutachtungen auf der Klinischen Beobachtungsstation erhobenen Befunde und der Richtigkeit der Leistungsbeurteilung sei nicht zu zweifeln. Sämtliche behandelnden Ärzte hätten den Gutachtenergebnissen zugestimmt. Demgemäß brauche ein gerichtliches Gutachten nicht eingeholt zu werden.
Gegen den am 20. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Juli 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat unter Verweis auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. N. vom 22. Mai 2007, die dieser in dem beim SG anhängigen Rechtsstreit S 6 SB 986/07 abgegeben hat, geltend gemacht, dieser habe den begründeten Verdacht auf eine paranoide Persönlichkeitsstörung geäußert, sodass nicht mehr von einem vollschichtigen Restleistungsvermögen ausgegangen werden könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Letztere Grenze liegt für die Rente wegen voller Erwerbsminderung bei mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Nach der weiterhin anerkannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur "konkreten Betrachtungsweise" (Beschlüsse des Großen Senats BSGE 30, 167; 43, 75) schlägt die teilweise Erwerbsminderung in die volle durch, wenn ein Arbeitsplatz tatsächlich nicht innegehabt wird und der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeit verschlossen ist. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (vgl. § 240 Abs. 1 SGB VI)) steht zu, wenn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (vgl. Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).
"Bisheriger Beruf" des Klägers - vom höherwertigen Lehrberuf des Kraftfahrzeugmechanikers hat er sich vor Erfüllung der Wartezeit (ständige Rechtsprechung seit BSGE 53, 269 = SozR 2600 § 46 Nr. 6) gelöst - ist die langjährig ausgeübte Beschäftigung als Maschinen¬führer/Rollenschneider. Hierbei handelt es sich im Sinne des in der Rechtsprechung entwickelten Stufenschemas (vgl. etwa BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2 und 41) allenfalls um eine angelernte Tätigkeit, für die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45) nicht erforderlich war. Mithin kann der Kläger im Sinne des Stufenschemas auf die nächstniedrigere Gruppe ungelernter Arbeiter verwiesen werden. Solche Tätigkeiten kann er aus den im Folgenden darzulegenden Gründen noch arbeitstäglich sechs Stunden ausüben, sodass weder ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung noch ein Anspruch auf volle Erwerbsminderung besteht.
Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sind durch die gutachtlichen Untersuchungen auf der Klinischen Beobachtungsstation der Beklagten geklärt worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben sich hiervon abweichende Gesichtspunkte nicht ergeben. Ausgangspunkt für die Beschäftigungsaufgabe waren die Magenoperationen im Rahmen stationärer Aufenthalte vom 13. bis 23. September 1999 im H.-Klinikum S. und vom 15. bis 23. April 2002 im Universitätsklinikum T ... Hierbei ist, wie Chirurg Dr. S. im Gutachten vom 03. Mai 2004 schlüssig dargelegt hat, ein unauffälliger Zustand zurückgeblieben. Eine wesentliche Beeinträchtigung besteht nicht (vgl. Zeugenaussage des Arztes für Innere Medizin Sc. vom 19. August 2005 mit Hinweis auf eine neue Magenspiegelung, Bericht des Dr. G. vom 19. August 2004). Der im zusammenfassenden Gutachten des Dr. Mü. vom 07. Juni 2004 genannte Bluthochdruck hat ersichtlich (vgl. zuletzt Aussage der Ärztin Dr. E. vom 23. Februar 2006) kein Ausmaß angenommen, das die Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten in Frage stellen würde. Einschränkungen betreffen allenfalls das psychiatrische Fachgebiet. Hierauf hat Dr. Br. im Gutachten vom 26. April 2004 eine wenig reflektierte, wenig introspektionsfähige, gleichzeitig hyperthyme Persönlichkeit diagnostiziert. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. N. hat dem im Wesentlichen in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. August 2005 zugestimmt. Die von ihm angenommene somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen Gastrointestinaltrakts sah er in einem erlebnisreaktiven (neurotischen) Zusammenhang mit den vorausgegangenen zweimaligen Hiatushernienoperationen und mit spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Eine Persönlichkeitsstörung gibt Dr. N. auch in der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. Mai 2007 an, sodass sich aus ihr nichts Anderes ergibt. Auch in ihr nennt Dr. N. eine somatoforme Störung des oberen Gastrointestinaltrakts und weist auch auf die Auffassung des Klägers hin, falsch behandelt worden zu sein.
Diese Persönlichkeitszüge lassen nur Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die gedankliche Flexibilität, die kritische Reflexion, das Verantwortungsbewusstsein oder fordernde soziale Interaktion zu. Hierzu hat Dr. N. in der Zeugenaussage vom 22. August 2005 formuliert, die überwertige Beachtung von körperlichen Missempfindungen würde einer leichten Tätigkeit "sehr wahrscheinlich im Wege stehen". Dies ist freilich ersichtlich kein Befund, der eine rentenberechtigende Leistungsminderung nahelegt oder deren nochmalige gutachterliche Überprüfung fordern würde. Soweit eine Innenohrschwerhörigkeit und ein Tinnitus bekannt sind (Bericht des Dr. Bo. vom 27. April 2004), werden hierdurch allenfalls Arbeiten im Lärm ausgeschlossen. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist von keinem der gehörten Ärzte nahegelegt worden.
Weitere medizinische Ermittlungen waren nach alledem nicht geboten. Der Sachverhalt ist als geklärt anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1960 geborene Kläger, 1969 aus Ostpreußen umgesiedelt, ließ sich von September 1978 bis Juli 1980 zum Kraftfahrzeugmechaniker ausbilden. Er übte sodann diesen Beruf nicht aus, sondern war nach Wehrdienst und einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 01. August 1983 als Maschinenführer/Rollenschneider in einem Pharmacenter (Schneiden von Materialien wie Tablettenfolien und Formpackmaterial, ständiges Heben bis 40 kg) beschäftigt. Es handelte sich den Angaben des Arbeitgebers zufolge um eine ungelernte oder nur kurzfristig angelernte Tätigkeit. Im Sommer 1999 erkrankte der Kläger am Magen; vom 13. bis 23. September 1999 befand er sich zur operativen Behandlung einer axialen Hiatusgleithernie im H.-Klinikum in S. (Arztbrief Prof. Dr. R. vom 29. September 1999). Es bestand weiterhin Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf. Vom 26. September bis 24. Oktober 2000 nahm er an einer psychosomatischen Heilbehandlung in der K.-Klinik St. B. teil (Diagnosen: hypochondrische Entwicklung, gastroösophageale Refluxkrankheit mit Zustand nach Operation 1999; Entlassungsbericht vom 06. November 2000). Nachdem es zu einem Rezidiv der Cardiainsuffizienz gekommen war, fand vom 15. bis 23. April 2002 eine weitere stationäre Behandlung mit Operation im Universitätsklinikum T., Klinik für Allgemeine Chirurgie, statt (Arztbrief Prof. Dr. B. vom 30. April 2002). Seit August 2001 war der Kläger arbeitslos und bezog bis 10. September 2003 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Am 11. November 2003 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Ärztin Dr. St. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle S. der Beklagten sah nach Untersuchung vom 10. Februar 2004 von einer gutachterlichen Beurteilung ab, sondern empfahl eine stationäre Begutachtung auf der Klinischen Beobachtungsstation in K ... Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. nannte im Gutachten vom 26. April 2004 wenig reflektierte, wenig introspektionsfähige, gleichzeitig hyperthyme Persönlichkeitszüge sowie eine abnorme Krankheitsverarbeitung (nach Magenoperation) mit teils hypochondrischer, teils dissoziativer Färbung. Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die gedankliche Flexibilität, die kritische Reflexion, das Verantwortungsbewusstsein oder anfordernde soziale Interaktionen könnten weiterhin vollschichtig verrichtet werden. Chirurg Dr. S. nannte im Gutachten vom 03. Mai 2004 einen unauffälligen Zustand nach Magenoperationen, rezidivierende lokale Rückenschmerzen ohne Reizzustand oder Funktionseinschränkung, einen unauffälligen Zustand nach Blinddarm- und Leistenbruchoperation sowie eine geringgradige Instabilität des linken Kniegelenks ohne Beschwerden. Einschränkungen ergäben sich nur fürs schwere Arbeiten und längerfristiges tiefes Bücken. Ferner wurde der Kläger durch Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Bo. ambulant begutachtet (Bericht vom 27. April 2004: Tinnitus ohne wesentlichen Leidensdruck, Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits; Vermeidung von Arbeiten im Lärm sei zu empfehlen). Im zusammenfassenden Gutachten vom 07. Juni 2004 nannte Arzt für Innere Medizin Dr. Mü. auf seinem Gebiet zusätzlich einen Verdacht auf Bluthochdruck, der in Zusammenschau auf den von den anderen Ärzten genannten Einschränkungen zu keiner weiteren Begrenzung führe, als dass körperliche leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch als Maschinenarbeiter, noch vollschichtig möglich seien. Durch Bescheid vom 22. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den ohne Begründung gebliebenen Widerspruch wurden neue medizinische Ermittlungen nicht eingeleitet. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005.
Mit der am 18. April 2005 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, insbesondere mit den vom psychiatrischen Gutachter Dr. Br. genannten Einschränkungen sei eine Integration in betriebliche Arbeitsabläufe kaum mehr möglich. Er könne nicht mehr ohne Aufsicht beschäftigt werden, was nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entspreche. Erhebliche Zeiträume von Krankschreibung seien vorherzusehen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. nannte in seiner Aussage vom 22. August 2005 eine Behandlung seit 08. April 2004, sah keine Widersprüche in den Gutachten der Dres. Mü. und Br. zu seinen Beobachtungen und formulierte, die überwertige Beachtung von körperlichen Missempfindungen werde einer erfolgreichen Wiederaufnahme einer leichten Tätigkeit sehr wahrscheinlich im Wege stehen. Arzt für Innere Medizin Sc. schloss sich in der Aussage vom 19. August 2005 ebenfalls im Wesentlichen den Gutachtern an; inzwischen habe eine neue Magenspiegelung stattgefunden (Bericht Dr. G. vom 19. August 2004). Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. V. berichtete in der Aussage vom 06. Oktober 2005 über eine Behandlung vom 01.März bis 06. Juli 2001 und stimmte den Gutachten der Dres. Mü. und Br. im Wesentlichen zu. Schließlich verwies Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. in der Auskunft vom 23. Februar 2006 auf das vorrangig maßgebende psychiatrische Fachgebiet.
Durch Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2006 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Von den Gutachtern sei weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Behinderung genannt worden. Demgemäß brauche eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht bezeichnet zu werden. An der Vollständigkeit der bei den Begutachtungen auf der Klinischen Beobachtungsstation erhobenen Befunde und der Richtigkeit der Leistungsbeurteilung sei nicht zu zweifeln. Sämtliche behandelnden Ärzte hätten den Gutachtenergebnissen zugestimmt. Demgemäß brauche ein gerichtliches Gutachten nicht eingeholt zu werden.
Gegen den am 20. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Juli 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat unter Verweis auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. N. vom 22. Mai 2007, die dieser in dem beim SG anhängigen Rechtsstreit S 6 SB 986/07 abgegeben hat, geltend gemacht, dieser habe den begründeten Verdacht auf eine paranoide Persönlichkeitsstörung geäußert, sodass nicht mehr von einem vollschichtigen Restleistungsvermögen ausgegangen werden könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Letztere Grenze liegt für die Rente wegen voller Erwerbsminderung bei mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Nach der weiterhin anerkannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur "konkreten Betrachtungsweise" (Beschlüsse des Großen Senats BSGE 30, 167; 43, 75) schlägt die teilweise Erwerbsminderung in die volle durch, wenn ein Arbeitsplatz tatsächlich nicht innegehabt wird und der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeit verschlossen ist. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (vgl. § 240 Abs. 1 SGB VI)) steht zu, wenn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (vgl. Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).
"Bisheriger Beruf" des Klägers - vom höherwertigen Lehrberuf des Kraftfahrzeugmechanikers hat er sich vor Erfüllung der Wartezeit (ständige Rechtsprechung seit BSGE 53, 269 = SozR 2600 § 46 Nr. 6) gelöst - ist die langjährig ausgeübte Beschäftigung als Maschinen¬führer/Rollenschneider. Hierbei handelt es sich im Sinne des in der Rechtsprechung entwickelten Stufenschemas (vgl. etwa BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2 und 41) allenfalls um eine angelernte Tätigkeit, für die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45) nicht erforderlich war. Mithin kann der Kläger im Sinne des Stufenschemas auf die nächstniedrigere Gruppe ungelernter Arbeiter verwiesen werden. Solche Tätigkeiten kann er aus den im Folgenden darzulegenden Gründen noch arbeitstäglich sechs Stunden ausüben, sodass weder ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung noch ein Anspruch auf volle Erwerbsminderung besteht.
Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sind durch die gutachtlichen Untersuchungen auf der Klinischen Beobachtungsstation der Beklagten geklärt worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben sich hiervon abweichende Gesichtspunkte nicht ergeben. Ausgangspunkt für die Beschäftigungsaufgabe waren die Magenoperationen im Rahmen stationärer Aufenthalte vom 13. bis 23. September 1999 im H.-Klinikum S. und vom 15. bis 23. April 2002 im Universitätsklinikum T ... Hierbei ist, wie Chirurg Dr. S. im Gutachten vom 03. Mai 2004 schlüssig dargelegt hat, ein unauffälliger Zustand zurückgeblieben. Eine wesentliche Beeinträchtigung besteht nicht (vgl. Zeugenaussage des Arztes für Innere Medizin Sc. vom 19. August 2005 mit Hinweis auf eine neue Magenspiegelung, Bericht des Dr. G. vom 19. August 2004). Der im zusammenfassenden Gutachten des Dr. Mü. vom 07. Juni 2004 genannte Bluthochdruck hat ersichtlich (vgl. zuletzt Aussage der Ärztin Dr. E. vom 23. Februar 2006) kein Ausmaß angenommen, das die Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten in Frage stellen würde. Einschränkungen betreffen allenfalls das psychiatrische Fachgebiet. Hierauf hat Dr. Br. im Gutachten vom 26. April 2004 eine wenig reflektierte, wenig introspektionsfähige, gleichzeitig hyperthyme Persönlichkeit diagnostiziert. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. N. hat dem im Wesentlichen in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. August 2005 zugestimmt. Die von ihm angenommene somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen Gastrointestinaltrakts sah er in einem erlebnisreaktiven (neurotischen) Zusammenhang mit den vorausgegangenen zweimaligen Hiatushernienoperationen und mit spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Eine Persönlichkeitsstörung gibt Dr. N. auch in der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren sachverständigen Zeugenauskunft vom 22. Mai 2007 an, sodass sich aus ihr nichts Anderes ergibt. Auch in ihr nennt Dr. N. eine somatoforme Störung des oberen Gastrointestinaltrakts und weist auch auf die Auffassung des Klägers hin, falsch behandelt worden zu sein.
Diese Persönlichkeitszüge lassen nur Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die gedankliche Flexibilität, die kritische Reflexion, das Verantwortungsbewusstsein oder fordernde soziale Interaktion zu. Hierzu hat Dr. N. in der Zeugenaussage vom 22. August 2005 formuliert, die überwertige Beachtung von körperlichen Missempfindungen würde einer leichten Tätigkeit "sehr wahrscheinlich im Wege stehen". Dies ist freilich ersichtlich kein Befund, der eine rentenberechtigende Leistungsminderung nahelegt oder deren nochmalige gutachterliche Überprüfung fordern würde. Soweit eine Innenohrschwerhörigkeit und ein Tinnitus bekannt sind (Bericht des Dr. Bo. vom 27. April 2004), werden hierdurch allenfalls Arbeiten im Lärm ausgeschlossen. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist von keinem der gehörten Ärzte nahegelegt worden.
Weitere medizinische Ermittlungen waren nach alledem nicht geboten. Der Sachverhalt ist als geklärt anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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