Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 222/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 78/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. November 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten für eine Krankenhausbehandlung in Kroatien zu erstatten.
Die 1952 geborene Klägerin war über ihren inzwischen verstorbenen Ehemann, der Mitglied der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner war, bei der Beklagten versichert. Beide sind bosnische Staatsangehörige. Die Klägerin lebt in Bosnien-Herzegowina, ihr Mann in Deutschland. Mit Schreiben vom 26.10.2001 beantragte ihr Bevollmächtigter, Kosten für eine im allgemeinen Krankenhaus "S." in Z. (Kroatien) vom 23.03.2001 bis 04.04.2001 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung (Cholezystektomie = Entfernung der Gallenblase) zu erstatten. Er legte eine Rechnung des Krankenhauses über den Gesamtbetrag von 10.681,80 Kuna vor, und errechnete einen DM-Wert von ca. 2.800. Laut Bescheinigung vom 11.10.2001 hatte die Bezirksanstalt der Gesundheitsversicherung M. (Bosnien-Herzegowina) eine Erstattung der bereits bezahlten Kosten mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe sich in der Republik Kroatien ohne Genehmigung der ärztlichen Kommission aufgehalten.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 12.12.2001 mit der Begründung ab, die Behandlung der Klägerin sei in Kroatien durchgeführt worden, ein Anspruch auf Aushilfeleistungen zu Lasten einer deutschen Krankenkasse in einem Drittstaat bestehe nicht. Ebenso bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für in Kroatien selbst bezahlte Sachleistungen. Über eine Kostenübernahme habe allein der bosnische Versicherungsträger zu entscheiden. Den hiergegen mit Schreiben vom 17.12.2001 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2002 zurückgewiesen. Auf das Rechtsverhältnis finde das Deutsch-Jugoslawische Sozialversicherungsabkommen Anwendung. Sachleistungen seien nach Art.15a Abs.1 des Abkommens von der für den Aufenthalt zuständigen kommunalen Sozialversicherungsanstalt zu erbringen. Die Klägerin sei mit Anspruch auf Sachleistungen in Bosnien-Herzegowina versichert. Der gebietliche Geltungsbereich bilateraler Abkommen erstrecke sich auf die jeweiligen Hoheitsgebiete der beteiligten Vertragsstaaten, so dass eine Inanspruchnahme von Leistungen in einem Drittstaat zu Lasten der deutschen zuständigen Krankenkasse nicht möglich sei. Die Klägerin habe sich in Kroatien aufgehalten, Leistungen könnten deshalb nicht begehrt werden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 21.03.2002 beim Sozialgericht München eingegangene Klage, die der Bevollmächtigte der Klägerin damit begründete, unstreitig sei, dass die Klägerin bei der Beklagten krankenversichert sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie ihre Pflichten erfüllt habe, indem sie einen Betreuungsauftrag für Bosnien-Herzegowina erteilte. Soweit das von ihr eingeschaltete ausländische Unternehmen nicht gewillt oder in der Lage sei, Kosten für eine Notfallbehandlung im Drittstaat zu übernehmen, entlaste dies nicht die Beklagte. Sie habe dafür Sorge zu tragen, dass das betraute Unternehmen Leistungen auch im Drittstaat im erforderlichen Umfang übernehme. Die Beklagte wies darauf hin, es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, bevor sie sich nach Kroatien begeben habe, abzuklären, ob ein Krankenversicherungsschutz in einem sog. Drittstaat bestehe. Derartiges werde den Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland generell zugemutet. Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, die Klägerin sei akut erkrankt und notfallmäßig behandelt worden. Die Beteiligten haben nach Feststellung des Wechselkurses die streitgegenständliche Forderung mit 1.410,88 EUR errechnet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.11.2003 verpflichtet, an die Klägerin 1.410,88 EUR zu bezahlen. Es ging davon aus, dass die Klägerin ausweislich der Aufnahmediagnose K80 an einem Gallensteinleiden mit Entzündung der Gallenblase erkrankt war und dies, wie vom Krankenhaus auf der Rechnung bescheinigt, eine Notfallbehandlung darstelle. Die Beklagte sei von einer falschen Rechtslage ausgegangen. Es liege kein Aufenthalt in einem vertragslosen Ausland vor. Die Bundesrepublik habe mit Kroatien am 24.11.1997 ein Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen, das das Abkommen mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ersetze. Artikel 16 dieses Abkommens komme zur Anwendung. Danach gelten die Bestimmungen über die Gleichstellung der Hoheitsgebiete für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Die Klägerin habe sich auf der Durchreise durch das Hoheitsgebiet von Kroatien befunden. Kroatien sei ein anderer Vertragsstaat im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland. Es komme nicht darauf an, wie der aushelfende Sozialleistungsträger in Bosnien-Herzegowina den Sachverhalt beurteile. Das Stammrecht der Versicherten führe zur Beklagten. Die Klägerin sei akut erkrankt und notfallmäßig aufgenommen worden. Somit lägen die Voraussetzungen des Art.16 Abs.1 Buchstabe b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kroatien über die soziale Sicherheit vor. Die Beklagte sei deshalb dem Grunde nach kostentragungspflichtig. Da es sich um einen Notfall gehandelt habe, sei völlig unbeachtlich, ob es sich bei der angegangenen Krankenhauseinrichtung um ein Vertragskrankenhaus nach kroatischem Sozialversicherungsrecht gehandelt habe oder nicht. Die Klägerin habe in Notfällen das Recht der freien Arztwahl und Krankenhauswahl. Bei Notfällen habe die Beklagte gemäß § 13 Abs.3 SGB V die entstandenen Kosten bei Selbstbeschaffung zu erstatten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die damit begründet wird, weder aus dem für die Klägerin anwendbaren Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien noch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien könne sich ein Anspruch für die Klägerin auf Erstattung der Kosten der Behandlung in Kroatien ergeben. Der gebietliche Geltungsbereich der bilateralen Abkommen erstrecke sich allein auf die jeweiligen Hoheitsgebiete der beiden beteiligten Vertragsstaaten. Eine Inanspruchnahme von Leistungen in einem Drittstaat zu Lasten der deutschen zuständigen Krankenkasse sei somit nicht möglich. Eine Verknüpfung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Republik Jugoslawien (für die Republik Bosnien-Herzegowina) mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien sei auf Grund der jeweils in Art.2 Abs.2 der Abkommen geregelten Ausschlusstatbestände nicht möglich.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klägerin gemäß Art.3 Ziffer 3 vom persönlichen Geltungsbereich des Deutsch-Kroatischen Abkommens erfasst. Der Hinweis auf Art.2 Abs.2 des Deutsch-Kroatischen Abkommens gehe an der Tatsache vorbei, dass der Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien nicht eröffnet sei. Letztlich bleibe die Berufungsführerin eine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb die Staatsangehörigkeit der Klägerin für die Auswahl des maßgeblichen anzuwendenden Abkommens ausschlaggebend sein solle, schuldig. Die Argumentation hätte zur Folge, dass ein Schutz lediglich im Heimatland und im Gastland gewährleistet werde, was jedoch ausdrücklich dem Wortlaut des Art.3 Ziffer 3 des Deutsch-Kroatischen Abkommens widerspreche, welches ausdrücklich Drittstaatsangehörige in seinen Schutz einbeziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Krankenhausbehandlung in Kroatien entstanden sind.
Als einzige Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung kommt § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die in Bosnien lebende Klägerin war über ihren Ehemann Versicherte der Beklagten. Da sie sich im Ausland regelmäßig aufhält und auch während eines Auslandsaufenthalts (allerdings nicht im Wohnland Bosnien, sondern in Kroatien) erkrankt ist, ruht ihr Leistungsanspruch gemäß § 16 Abs.1 Ziffer 1 SGB V. Dieser Ruhensfall tritt nur dann nicht ein, wenn über- oder zwischenstaatliches Recht eine andere Regelung enthält.
Anzuwenden ist das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 24.11.1997. Die Klägerin fällt gemäß Art.3 Nr.3 in dessen persönlichen Geltungsbereich. Die Klägerin erfüllt die erste Voraussetzung, wonach das Abkommen für Personen gilt, für die die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates gelten oder galten. Die Klägerin war über ihren Ehemann, der als Rentner Mitglied der Beklagten war, bei der Beklagten versichert gemäß § 10 Abs.1 Nr.1 SGB V. Für die Klägerin als Versicherte der Beklagten gelten deutsche Rechtsvorschriften. Sie ist damit zwar nicht gemäß Art.3 Ziffer 1 unmittelbar erfasste Person, weil sie weder Staatsangehörige eines Vertragsstaates noch Flüchtling noch Staatenlose ist. Sie ist auch nicht mittelbar erfasst, weil ihr Ehemann, von dem sie ihre Rechte ableitet, ebenfalls nicht Deutscher, Kroate, Flüchtling oder Staatenloser ist. Sie ist jedoch gemäß Art.3 Ziffer 3 Drittstaatsangehörige, weil sie nicht zu den mittelbar erfassten Personen gehört. Als Drittstaatsangehörige gilt für sie die Gleichstellung der Hoheitsgebiete des Art.5 des Abkommens. Die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen, das Erbringen von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates abhängt (wie § 13 Abs.3 SGB V), gelten damit gemäß Art.5 Satz 2 für die Klägerin als Drittstaatsangehörige. Laut Rundschreiben Nr.68/98 der Deutschen Verbindungsstelle KV ergibt sich aus Art.3, dass das Abkommen hinsichtlich der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen gilt. Dieser sich aus Art.5 des Abkommens ergebende umfassende Leistungsanspruch bei Aufenthalt im anderen Staat wird durch Art.16 des Abkommens modifiziert. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach Art.16 Abs.1 Buchstabe a gilt die Bestimmung über die Gleichstellung der Hoheitsgebiete für eine Person, die, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren gewöhnlichen oder vorübergehenden Aufenthalt in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verlegt hat, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthalts vorher zugestimmt hat. Eine solche Zustimmung fehlt. Die Klägerin ist nicht nur in der streitgegenständlichen Zeit vom 22.03.2001 bis 04.04.2001 in Kroatien behandelt worden, sie befand sich vielmehr erneut am 16.10.2001 in Kroatien im Krankenhaus, diesmal in S ... Es ist deshalb durchaus berechtigt anzunehmen, die Klägerin habe sich zur Behandlung nach Kroatien begeben, also ihren vorübergehenden Aufenthalt nach Eintritt des Versicherungsfalles Krankheit nach Kroatien verlegt. Wenn der Versicherungsfall Krankheit, wie behauptet, tatsächlich während der Durchreise eingetreten ist, hätte die Klägerin gemäß Art.16 Abs.1 Buchstabe b während des vorübergehenden Aufenthalts im Hoheitsgebiet Kroatiens Anspruch auf Leistungen nur, wenn sie sie wegen ihres Zustands sofort benötigt hätte.
Der Senat hat hierzu die Beteiligten bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2006 darauf aufmerksam gemacht, dass die Durchreise der Klägerin durch Kroatien in keiner Weise nachgewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht worden sei. Bis zum zweiten Termin am 08.02.2007 wurden weder hierzu noch zum Vorliegen eines Notfalles weitere Ausführungen gemacht, so dass es an Anknüpfungsmöglichkeiten für eine weitergehende Aufklärung fehlt. Die in der Rechnung des Krankenhauses aufgeführte Diagnose Gallensteinleiden und die Operation Gallenblasenentfernung sind nicht geeignet, die ebenfalls genannte notfallmäßige bzw. dringliche für "witni prijem" Aufnahme schlüssig zu begründen. Das tatsächliche Vorliegen eines Notfalls steht damit nicht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin, die die Beweislast trägt, hat damit keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten für eine Krankenhausbehandlung in Kroatien zu erstatten.
Die 1952 geborene Klägerin war über ihren inzwischen verstorbenen Ehemann, der Mitglied der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner war, bei der Beklagten versichert. Beide sind bosnische Staatsangehörige. Die Klägerin lebt in Bosnien-Herzegowina, ihr Mann in Deutschland. Mit Schreiben vom 26.10.2001 beantragte ihr Bevollmächtigter, Kosten für eine im allgemeinen Krankenhaus "S." in Z. (Kroatien) vom 23.03.2001 bis 04.04.2001 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung (Cholezystektomie = Entfernung der Gallenblase) zu erstatten. Er legte eine Rechnung des Krankenhauses über den Gesamtbetrag von 10.681,80 Kuna vor, und errechnete einen DM-Wert von ca. 2.800. Laut Bescheinigung vom 11.10.2001 hatte die Bezirksanstalt der Gesundheitsversicherung M. (Bosnien-Herzegowina) eine Erstattung der bereits bezahlten Kosten mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe sich in der Republik Kroatien ohne Genehmigung der ärztlichen Kommission aufgehalten.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 12.12.2001 mit der Begründung ab, die Behandlung der Klägerin sei in Kroatien durchgeführt worden, ein Anspruch auf Aushilfeleistungen zu Lasten einer deutschen Krankenkasse in einem Drittstaat bestehe nicht. Ebenso bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für in Kroatien selbst bezahlte Sachleistungen. Über eine Kostenübernahme habe allein der bosnische Versicherungsträger zu entscheiden. Den hiergegen mit Schreiben vom 17.12.2001 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2002 zurückgewiesen. Auf das Rechtsverhältnis finde das Deutsch-Jugoslawische Sozialversicherungsabkommen Anwendung. Sachleistungen seien nach Art.15a Abs.1 des Abkommens von der für den Aufenthalt zuständigen kommunalen Sozialversicherungsanstalt zu erbringen. Die Klägerin sei mit Anspruch auf Sachleistungen in Bosnien-Herzegowina versichert. Der gebietliche Geltungsbereich bilateraler Abkommen erstrecke sich auf die jeweiligen Hoheitsgebiete der beteiligten Vertragsstaaten, so dass eine Inanspruchnahme von Leistungen in einem Drittstaat zu Lasten der deutschen zuständigen Krankenkasse nicht möglich sei. Die Klägerin habe sich in Kroatien aufgehalten, Leistungen könnten deshalb nicht begehrt werden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 21.03.2002 beim Sozialgericht München eingegangene Klage, die der Bevollmächtigte der Klägerin damit begründete, unstreitig sei, dass die Klägerin bei der Beklagten krankenversichert sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie ihre Pflichten erfüllt habe, indem sie einen Betreuungsauftrag für Bosnien-Herzegowina erteilte. Soweit das von ihr eingeschaltete ausländische Unternehmen nicht gewillt oder in der Lage sei, Kosten für eine Notfallbehandlung im Drittstaat zu übernehmen, entlaste dies nicht die Beklagte. Sie habe dafür Sorge zu tragen, dass das betraute Unternehmen Leistungen auch im Drittstaat im erforderlichen Umfang übernehme. Die Beklagte wies darauf hin, es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, bevor sie sich nach Kroatien begeben habe, abzuklären, ob ein Krankenversicherungsschutz in einem sog. Drittstaat bestehe. Derartiges werde den Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland generell zugemutet. Der Klägerbevollmächtigte teilte mit, die Klägerin sei akut erkrankt und notfallmäßig behandelt worden. Die Beteiligten haben nach Feststellung des Wechselkurses die streitgegenständliche Forderung mit 1.410,88 EUR errechnet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.11.2003 verpflichtet, an die Klägerin 1.410,88 EUR zu bezahlen. Es ging davon aus, dass die Klägerin ausweislich der Aufnahmediagnose K80 an einem Gallensteinleiden mit Entzündung der Gallenblase erkrankt war und dies, wie vom Krankenhaus auf der Rechnung bescheinigt, eine Notfallbehandlung darstelle. Die Beklagte sei von einer falschen Rechtslage ausgegangen. Es liege kein Aufenthalt in einem vertragslosen Ausland vor. Die Bundesrepublik habe mit Kroatien am 24.11.1997 ein Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen, das das Abkommen mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ersetze. Artikel 16 dieses Abkommens komme zur Anwendung. Danach gelten die Bestimmungen über die Gleichstellung der Hoheitsgebiete für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Die Klägerin habe sich auf der Durchreise durch das Hoheitsgebiet von Kroatien befunden. Kroatien sei ein anderer Vertragsstaat im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland. Es komme nicht darauf an, wie der aushelfende Sozialleistungsträger in Bosnien-Herzegowina den Sachverhalt beurteile. Das Stammrecht der Versicherten führe zur Beklagten. Die Klägerin sei akut erkrankt und notfallmäßig aufgenommen worden. Somit lägen die Voraussetzungen des Art.16 Abs.1 Buchstabe b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kroatien über die soziale Sicherheit vor. Die Beklagte sei deshalb dem Grunde nach kostentragungspflichtig. Da es sich um einen Notfall gehandelt habe, sei völlig unbeachtlich, ob es sich bei der angegangenen Krankenhauseinrichtung um ein Vertragskrankenhaus nach kroatischem Sozialversicherungsrecht gehandelt habe oder nicht. Die Klägerin habe in Notfällen das Recht der freien Arztwahl und Krankenhauswahl. Bei Notfällen habe die Beklagte gemäß § 13 Abs.3 SGB V die entstandenen Kosten bei Selbstbeschaffung zu erstatten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die damit begründet wird, weder aus dem für die Klägerin anwendbaren Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien noch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien könne sich ein Anspruch für die Klägerin auf Erstattung der Kosten der Behandlung in Kroatien ergeben. Der gebietliche Geltungsbereich der bilateralen Abkommen erstrecke sich allein auf die jeweiligen Hoheitsgebiete der beiden beteiligten Vertragsstaaten. Eine Inanspruchnahme von Leistungen in einem Drittstaat zu Lasten der deutschen zuständigen Krankenkasse sei somit nicht möglich. Eine Verknüpfung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Republik Jugoslawien (für die Republik Bosnien-Herzegowina) mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien sei auf Grund der jeweils in Art.2 Abs.2 der Abkommen geregelten Ausschlusstatbestände nicht möglich.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klägerin gemäß Art.3 Ziffer 3 vom persönlichen Geltungsbereich des Deutsch-Kroatischen Abkommens erfasst. Der Hinweis auf Art.2 Abs.2 des Deutsch-Kroatischen Abkommens gehe an der Tatsache vorbei, dass der Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien nicht eröffnet sei. Letztlich bleibe die Berufungsführerin eine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb die Staatsangehörigkeit der Klägerin für die Auswahl des maßgeblichen anzuwendenden Abkommens ausschlaggebend sein solle, schuldig. Die Argumentation hätte zur Folge, dass ein Schutz lediglich im Heimatland und im Gastland gewährleistet werde, was jedoch ausdrücklich dem Wortlaut des Art.3 Ziffer 3 des Deutsch-Kroatischen Abkommens widerspreche, welches ausdrücklich Drittstaatsangehörige in seinen Schutz einbeziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Krankenhausbehandlung in Kroatien entstanden sind.
Als einzige Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung kommt § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die in Bosnien lebende Klägerin war über ihren Ehemann Versicherte der Beklagten. Da sie sich im Ausland regelmäßig aufhält und auch während eines Auslandsaufenthalts (allerdings nicht im Wohnland Bosnien, sondern in Kroatien) erkrankt ist, ruht ihr Leistungsanspruch gemäß § 16 Abs.1 Ziffer 1 SGB V. Dieser Ruhensfall tritt nur dann nicht ein, wenn über- oder zwischenstaatliches Recht eine andere Regelung enthält.
Anzuwenden ist das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 24.11.1997. Die Klägerin fällt gemäß Art.3 Nr.3 in dessen persönlichen Geltungsbereich. Die Klägerin erfüllt die erste Voraussetzung, wonach das Abkommen für Personen gilt, für die die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates gelten oder galten. Die Klägerin war über ihren Ehemann, der als Rentner Mitglied der Beklagten war, bei der Beklagten versichert gemäß § 10 Abs.1 Nr.1 SGB V. Für die Klägerin als Versicherte der Beklagten gelten deutsche Rechtsvorschriften. Sie ist damit zwar nicht gemäß Art.3 Ziffer 1 unmittelbar erfasste Person, weil sie weder Staatsangehörige eines Vertragsstaates noch Flüchtling noch Staatenlose ist. Sie ist auch nicht mittelbar erfasst, weil ihr Ehemann, von dem sie ihre Rechte ableitet, ebenfalls nicht Deutscher, Kroate, Flüchtling oder Staatenloser ist. Sie ist jedoch gemäß Art.3 Ziffer 3 Drittstaatsangehörige, weil sie nicht zu den mittelbar erfassten Personen gehört. Als Drittstaatsangehörige gilt für sie die Gleichstellung der Hoheitsgebiete des Art.5 des Abkommens. Die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen, das Erbringen von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates abhängt (wie § 13 Abs.3 SGB V), gelten damit gemäß Art.5 Satz 2 für die Klägerin als Drittstaatsangehörige. Laut Rundschreiben Nr.68/98 der Deutschen Verbindungsstelle KV ergibt sich aus Art.3, dass das Abkommen hinsichtlich der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen gilt. Dieser sich aus Art.5 des Abkommens ergebende umfassende Leistungsanspruch bei Aufenthalt im anderen Staat wird durch Art.16 des Abkommens modifiziert. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach Art.16 Abs.1 Buchstabe a gilt die Bestimmung über die Gleichstellung der Hoheitsgebiete für eine Person, die, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren gewöhnlichen oder vorübergehenden Aufenthalt in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verlegt hat, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthalts vorher zugestimmt hat. Eine solche Zustimmung fehlt. Die Klägerin ist nicht nur in der streitgegenständlichen Zeit vom 22.03.2001 bis 04.04.2001 in Kroatien behandelt worden, sie befand sich vielmehr erneut am 16.10.2001 in Kroatien im Krankenhaus, diesmal in S ... Es ist deshalb durchaus berechtigt anzunehmen, die Klägerin habe sich zur Behandlung nach Kroatien begeben, also ihren vorübergehenden Aufenthalt nach Eintritt des Versicherungsfalles Krankheit nach Kroatien verlegt. Wenn der Versicherungsfall Krankheit, wie behauptet, tatsächlich während der Durchreise eingetreten ist, hätte die Klägerin gemäß Art.16 Abs.1 Buchstabe b während des vorübergehenden Aufenthalts im Hoheitsgebiet Kroatiens Anspruch auf Leistungen nur, wenn sie sie wegen ihres Zustands sofort benötigt hätte.
Der Senat hat hierzu die Beteiligten bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.09.2006 darauf aufmerksam gemacht, dass die Durchreise der Klägerin durch Kroatien in keiner Weise nachgewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht worden sei. Bis zum zweiten Termin am 08.02.2007 wurden weder hierzu noch zum Vorliegen eines Notfalles weitere Ausführungen gemacht, so dass es an Anknüpfungsmöglichkeiten für eine weitergehende Aufklärung fehlt. Die in der Rechnung des Krankenhauses aufgeführte Diagnose Gallensteinleiden und die Operation Gallenblasenentfernung sind nicht geeignet, die ebenfalls genannte notfallmäßige bzw. dringliche für "witni prijem" Aufnahme schlüssig zu begründen. Das tatsächliche Vorliegen eines Notfalls steht damit nicht zur Überzeugung des Senats fest. Die Klägerin, die die Beweislast trägt, hat damit keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
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