L 5 KR 188/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 568/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 188/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juli 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auf Grund einer Betriebsprüfung.

1.

Die Klägerin ist ein in M. ansässiges Bauunternehmen. Auf Tätigwerden einer Firma A. Bau Gruppe, H. , NL, zunächst vom 26.4.1996, vereinbarte die Klägerin durch "Bauausführungsvertrag" vom 02.05.1996 und 01.04.1997 mit der Firma N. Bau Ltd. B. , U.K., dass diese Maurer zu einem Stundenlohn von 38,00 DM bei Barzahlung zur Verfügung stellte. Dies geschah in Person der Beigeladenen zu 4) bis 12), die Entsendebescheinigungen E 101 vorlegten und als Eisenflechter auf Baustellen der Klägerin eingesetzt wurden. Sie erhielten eine Vergütung nach geleisteten Stunden, wobei den beigeladenen britischen Arbeitnehmern das Entgelt nur zum Teil ausgezahlt wurde. Den anderen Teil überwies die Klägerin u.a. auf Telefax-Anforderung einer Blitz-/telefonischen Überweisung der A. Bau Gruppe, H. sowie auf Anforderung der N. Bau Ltd. jeweils auf ein in Deutschland geführtes Konto der N. Bau Ltd. bei der Volksbank K ...

Auf Grund Betriebsprüfung vom 09.10.1998 und weiterer Ermittlungen stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 30.11.1998/ 01.02.1999 die versicherungspflichtige Beschäftigung der beigeladenen Arbeitnehmer fest und forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge von DM 32.958,32 nach. Die Klägerin habe auf ihren Baustellen die beigeladenen Arbeitnehmer nach Überlassung durch die Firma N. Bau Ltd. wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Es liege somit Arbeitnehmerüberlassung vor, für welche jedoch keine Erlaubnis bestehe. Die Klägerin sei folglich Arbeitgeberin der beigeladenen Arbeitnehmer und schulde für diese die errechneten Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Die Firma N. Bau Ltd. sei lediglich eine Briefkastenfirma, welche nach Auskunft des Bundesamtes für Finanzen unter einer Privatadresse der Eheleute N. und M. W. angesiedelt sei, ohne dass dort Betriebseinrichtungen, insbesondere ein Telefonanschluss vorhanden seien. Die weitere Adresse in B. sei die eines früheren Gesellschafters, welcher aber die Geschäfte nicht führe. Die N. Bau Ltd. könne deshalb mangels wirtschaftlicher Aktivität, Kommunikationsmittel und eigener Mitarbeiter am Betriebssitz nur eine Scheinfirma sein, welche als Arbeitgeber nicht auftreten könne. Denn sie verfüge weder über die betrieblichen noch über die organisatorischen Voraussetzungen, Dienst- oder Werkleistungen zu erbringen, insbesondere den eingesetzten Mitarbeitern Weisungen zu erteilen.

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe einen Werkvertrag mit der N. Bau Ltd. abgeschlossen und könne deshalb nicht Arbeitgeberin der fremden Mitarbeiter des Werkunternehmens sein. Sie habe auf Grund der vorgelegten englischen Entsendebescheinungen E 101 von der ordnungsgemäßen Abführung der Lohnsteuer sowie Sozialversicherung im Heimatstaat durch die N. Bau Ltd. ausgehen dürfen. Diese habe auch im Bundesgebiet einen Sitz und sei bei der Handwerkskammer D. eingetragen. Hierzu ermittelte die Beklagte, dass die N. Bau Ltd. dort ihren Namen am 31.07.1997, 29.02.1996 und 17.08.1997 geändert hatte und am 27.01.1998 von Amts wegen gelöscht worden war; der dortige Betriebsleiter war der 1929 geborene W. G. gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es habe Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen, die Klägerin habe mit der Firma N. Bau Ltd. keinen Werkvertrag abgeschlossen. Geschuldet habe diese die Stellung von Arbeitnehmern auf Zeit, nicht die Errichtung eines konkreten Gewerkes. Die Klägerin habe bei der Betriebsprüfung erklärt, die englischen Arbeitnehmer seien an ihre Weisungen gebunden und in ihren Betrieb eingegliedert gewesen, weil sie unter dem deutschen Vorarbeiter der Klägerin mitgearbeitet hätten. Die Vordrucke E 101 und E 111 seien unbeachtlich, da diese nur deklaratorische nicht rechtsbegründende Funktion hätten. Die Klägerin trete deshalb auf Grund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung in die Position des Arbeitgebers und schulde die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge in der festgestellten Höhe.

2.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben mit dem Antrag, den Bescheid/Widerspruchsbescheid insoweit aufzuheben, als Sozialversicherungsbeiträge für die beigeladenen Arbeitnehmer für die Zeiträume nachgefordert wurden, die laut den E 101-Bescheinigungen dem britischen Sozialversicherungsrecht unterliegen. Die Klägerin habe mit der N. Bau Ltd. einen Werkvertrag zur Erstellung des Gewerkes Eisenflechterei für ein 16-Familien-Haus in D. abgeschlossen. Hierzu habe der Vorarbeiter der englischen Arbeitnehmer als Vorgabe einen Plan erhalten und die beigeladenen Arbeitnehmer entsprechend unterwiesen. Weisungen habe die Klägerin nicht erteilt, schon allein mangels Sprachkenntnissen. Es lägen im fraglichen Zeitraum zur Firma N. Bau Ltd. keinerlei Erkenntnisse vor, dass diese eine Briefkastenfirma gewesen sei, die entsprechenden Ermittlungen seien erst nach dem streitigen Zeitraum vorgenommen worden.

Mit Schreiben vom 02.05.2002 hat die LVA Schleswig-Holstein erklärt, der frühere Gesellschafter und Geschäftsführer T. T. , unter dessen Adresse die Firma N. Bau Ltd. aufgetreten sei, habe nach Feststellungen des Finanzamts A. 120 Briefkastenfirmen gegründet und sei dabei entsprechend dem streitigen Fall aufgetreten. Das Finanzamt A. habe bereits mehrfach festgestellt, dass Entsendebescheinigungen E 101 von der Firma N. Bau Ltd. gefälscht worden seien.

Die britische Inlandrevenue hat auf Anfrage erklärt, dass Akten aus dem Jahre 1996 nicht mehr vorhanden seien, so dass sie die Echtheit der E 101-Bescheinigungen nicht mehr überprüfen könne. Es falle jedoch auf, dass der Behördenname noch den nur bis November 1995 gebrauchten Namen enthalte, nicht jedoch denjenigen, der im Zeitpunkt der Ausstellung des E 101 gegolten habe. Zudem seien Adressen mit "England" angegeben, während offizielle Schreiben stets "UK" angäben. Im Übrigen hätten weder ein Herr M. noch die Firma N. Bau Ltd. inländische Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

In der Zeugeneinvernahme vom 23.10.2003 hat der Geschäftsführer der Klägerin erklärt, im fraglichen Zeitraum habe man Maurer und Eisenbinder benötigt, die britischen Arbeitnehmer hätten einen Plan erhalten und dementsprechend die Arbeiten ausgeführt. Außer den beiden bekannten habe es keine weiteren Bauausführungsverträge gegeben. Die beigeladenen Arbeitnehmer seien nur auf der konkreten Baustelle beschäftigt gewesen. Die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin hat erklärt, zufällig sei sie auf das Fax der Firma N. Bau Ltd. gestoßen, telefonisch habe sie gegenüber einem Herrn B. den Bedarf an Arbeitkräften mitgeteilt. Dieser habe zugesichert, kompetente Arbeitnehmer mit ordnungsgemäßer Sozialanmeldung zur Verfügung stellen zu können. Herr B. habe keine weiteren Unterlagen erhalten, denn die Pläne sollten vor Ort dem deutsch sprechenden Vorarbeiter ausgehändigt werden. Der als Zeuge einvernommene J. W. hat erklärt, er habe das Geschehen auf der Baustelle überwacht. Die britischen Arbeitnehmer hätten die Eisenbinderei übernommen; mit ihnen habe man sich aber nicht verständigen können.

Mit Urteil vom 28.07.2004 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben mit der Begründung, die beigeladenen Arbeitnehmer unterlägen nach den E 101-Entsendebescheinigungen ausschließlich dem britischen Sozialversicherungsrecht. Die E 101-Bescheinigungen seien für die Beklagte verbindlich, so dass die Arbeitnehmerüberlassung mit der Briefkastenfirma N. Bau Ltd. deutschem Sozialversicherungsrecht nicht unterliege.

3.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ausgeführt, die Auslegung des erstinstanzlichen Urteils widerspreche Sinn und Zweck des europäischen Rechts, weil im vorliegenden Fall der soziale Schutz der beigeladenen Arbeitnehmer unterlaufen werde. Falls das sozialgerichtliche Urteil Bestand habe, würden für die Beschäftigung der beigeladenen Arbeitnehmer weder in Deutschland noch in Großbritannien Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Zudem seien die Bescheinigungen gefälscht, was ein erneutes Auskunftsschreiben der englischen Verbindungsstelle vom 20.04.2004 nahe lege.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch begründet. Mit den angegriffenen Bescheiden vom 30.11.1998/01.02.1999, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 hat die Beklagte zu Recht Sozialversicherungsbeiträge aus der Beschäftigung der beigeladenen britischen Bauarbeiter im Zeitraum 01.05.1996 bis 31.07.1997 in Höhe von DM 32.958,32 nachgefordert. Denn auf Grund Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis ist die Klägerin in die Position des Arbeitgebers eingetreten und muss deshalb die nach deutschem Sozialversicherungsrecht zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

1.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 30.11.1998 in der Fassung des abändernden Bescheides vom 01.02.1999, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 insoweit, als dort Sozialversicherungsbeiträge auch für Zeiten nachgefordert wurden, welche von den Bescheinigungen E 101 der Beigeladenen zu 4) bis 12) umfasst waren. Die die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten zunächst in vollem Umfang anfechtende Klage vom 27.08.1999 hat die Klägerin nur noch auf diesen Zeitraum bezogen entsprechend ihrem Antrag vor dem Sozialgericht vom 28.07.2004. Streitig ist somit noch ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag von DM 25.640,44 = EUR 13.109,75. Der Betrag von 7.285,49 DM = 3.725,01 EUR ist nicht mehr Streitgegenstand.

Die Beitragspflicht der Klägerin nach § 28e Abs.2, Abs.4 SGB IV resultiert aus Beschäftigungsverhältnissen zwischen ihr und den gemäß § 75 Abs.2 SGG beigeladenen Arbeitnehmern aus Großbritannien; die Zuständigkeit der Beklagten für einen entsprechenden Beitragsbescheid beruht auf § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV. Die beigeladenen Arbeitnehmer hatten keinen Arbeitsvertrag mit der Klägerin, standen zu dieser aber in einem Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs.1 SGB IV nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Dessen Voraussetzungen sind erfüllt, es hatte tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung bestanden, die aber gemäß § 1 AÜG ohne Erlaubnis gewesen war, sodass gemäß § 10 Abs.1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den beigeladenen Arbeitnehmern und der Klägerin zustande gekommen ist. In der Folge ergibt sich die Beitragspflicht der Klägerin aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs.1 SGB IV i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V, § 20 Abs.1 Nr.1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI und § 25 Abs.1 SGB III (bis 31.12.1997: § 168 Abs.1 AFG). Die Anwendung dieser Normen deutschen Rechts ist nicht durch höherrangiges zwischenstaatliches Recht ausgeschlossen.

2.

In Würdigung des gesamten Akteninhalts ist der Senat überzeugt, dass die Firma N. Bau Ltd. die beigeladenen Beschäftigten der Klägerin als Arbeitnehmer überlassen hat.

Die Klägerin hatte mit der Firma N. Bau Ltd. Arbeitnehmer-Überlassungsverträge, nicht aber Werkverträge abgeschlossen. Die beiden "Bauausführungsverträge" vom 02.05.1996 und vom 31.05.1996 hatten zum Inhalt, dass die N. Bau Ltd. 2 bzw. 8 Maurer zu einem Stundenlohn von DM 38,00 "stellt". Die Gestellung erfolgte für "ca. 3 Monate" bzw. "ca. 4 Wochen", sie wurde auf "unbestimmte Zeit/längstens bis Ende November 2006" verlängert. Vertragsgegenstand war damit die Überlassung von Arbeitnehmern auf unbestimmte Zeit gegen Bezahlung eines konkreten Stundenlohnes. Die N. Bau Ltd. war nicht zur Erstellung eines bestimmten, näher bezeichneten abgeschlossenen Bauwerkes, Bauwerksteiles oder Gewerkes verpflichtet, wie es Wesen eines Werkvertrages nach § 631 BGB wäre. Abgeschlossen und entsprechend ausgeführt wurde ein Dienstvertrag, bei welchem die Klägerin fremde Arbeitnehmer wie eigene in Anspruch genommen hat. Die beigeladenen Arbeitnehmer wurden von der Klägerin auf deren Baustellen und nach deren konkreten Anweisungen eingesetzt und mit Stundenvergütung bezahlt. Die Klägerin hat die beigeladenen britischen Arbeitnehmer wie eigene Arbeitnehmer vor Ort eingesetzt für Tätigkeiten, die sie ihnen konkret zugewiesen hatte unter Gestellung der Baumaterialien sowie eines Bauwagens. Dabei war eine Abnahme eines Abschnittes oder Gewerkes weder vereinbart noch gehandhabt. Dies ergibt sich aus den unzweifelhaften Angaben des vom Sozialgericht vernommenen Zeugen W., den vorliegenden Verträgen und Entgeltabrufungen. Damit lag Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Satz 1 AÜG vor; für diese hatte die Entleihfirma N. Bau Ltd. nicht die erforderliche Erlaubnis nach §§ 1, 2 AÜG.

In der Folge war die verabredete Arbeitnehmerüberlassung unwirksam gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 AÜG, so dass ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den beigeladenen Arbeitnehmern als zustandegekommen gilt, § 10 Abs.1 AÜG. Die Klägerin hat damit als Arbeitgeberin gemäß § 28e Abs.1 SGB IV die Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen, die die Beklagte entsprechend den vereinbarten und geschuldeten Stundenlöhnen dem Grunde und der Höhe nach zutreffend berechnet hat.

3.

Dieser Anwendung nationalen Rechts steht zwischenstaatliches Recht nicht entgegen. Die Klägerin hat zwar Fotokopien von Entsende-Bescheinigungen E 101 nach Art.81 der EWG-Verordnung 1408/71 i.V.m. VO 574/72 für die beigeladenen Arbeitnehmer in Bezug auf den strittigen Zeitraum vorgelegt. In einer Gesamtschau ist der Senat jedoch aufgrund einer Vielzahl von Fakten und Hinweisen überzeugt, dass diese Bescheinigungen nicht von der allein zuständigen britischen Behörde ausgestellt sein können. Das ergibt sich aus folgendem:

- Mit Schreiben vom 12.05.2003 und 20.04.2004 hat der zuständige englische Träger erklärt, dass die Bescheinigungen E 101 einen Behördenamen tragen, der im Zeitpunkt der Ausstellung bereits nicht mehr verwendet wurde. Die Bescheinigungen bezeichnen als Ausstellungsbehörde die "Overseas Contributions", während diese im November 1995 ihren Namen in "International Services" geändert hatte.

- Die Bescheinigungen E 101 bezeichnen in Sektion 2 die Adresse mit "England", was der britischen Behördenpraxis widerspricht, als Landesbezeichnung "United Kingdom" bzw. "UK" zu verwenden.

- Die Gestellung der Arbeitnehmer hatte die Klägerin mit Telefax vom 25.4.1996 mit der A. Bau Gruppe, H. - Herr B. - verabredet, dieser hatte das Entsprechende mit Telefax vom 26.4.1996 unter gleicher Firma zugesagt. Die Entsendebescheinigungen waren aber auf die N. Bau Ltd. ausgestellt und datierten vom 2.5.1996.

- Es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge nach englischem Recht für die beigeladenen englischen Arbeitnehmer entrichtet.

- Das nach Stundenlohn berechnete Entgelt hat die Klägerin den beigeladenen britischen Arbeitnehmern nur zum Teil ausbezahlt, ein Entgeltanteil wurde z.T. auf Anforderung der Firma A. Gruppe in H. , z.T. auf Anweisung der N. Bau Ltd. an diese ausgezahlt.

- Die Zahlungen an die Firma N. Bau Ltd. mit Sitz in B. U.K. gingen stets auf ein Konto bei der Volksbank K. , welche der Niederlande benachbart ist.

- Die Firma N. Bau Ltd. hat den Namen der in Deutschland registrierten Niederlassung binnen zwei Jahren zweimal geändert, bis sie von Amts wegen gelöscht wurde.

- Der vormalige Geschäftsführer der N. Bau Ltd. hat nach der glaubhaften Auskunft der LVA Schleswig-Holstein rund 120 ähnliche Briefkastenfirmen wie die N. Bau Ltd. gegründet und ist mit diesen im Geschäftsverkehr tätig geworden.

- Die Firma N. Bau Ltd. hat unter der angegebenen Adresse in B. U.K. keinen Firmensitz und keine Firmeneinrichtungen, mit denen die Beschäftigung von und die Verbeitragung zugunsten von mehreren Arbeitnehmern zu bewerkstelligen gewesen wäre. Die Firma N. Bau Ltd. ist vielmehr noch nicht einmal als eine Briefkastenfirma anzusehen, denn sie war gemeldet unter der Privatadresse eines Ehepaars, welches mit der Firma nichts zu tun hatte und welche auch keinen Briefkasten oder Telefonanschluss für die N. Bau Ltd. zur Verfügung stellte.

- Nach den glaubhaften Auskünften der LVA Schleswig-Holstein haben die Finanzbehörden bereits in 120 weiteren Fällen festgestellt, dass die Bescheinigungen E 101 der Firma N. Bau Ltd. gefälscht waren.

Es deutet auch das gesamte Vorgehen der Klägerin, ausgehend von einem konkreten Arbeitskräftemangel per Telefon und Telefax über die Niederlande Maurer gegen Stundenlohn anzuwerben und das Entgelt gesplittet an Arbeitnehmer und -überlassungsfirma auszuzahlen (noch dazu auf ein Konto der Firma N. Bau Ltd. in Deutschland auf Faxabruf der A. Gruppe in den Niederlanden), massiv darauf hin, dass sie termingebundene Bauleistungen fristgerecht fertigstellen wollte, ohne dabei die rechtlichen Vorgaben genau zu beachten.

Der Senat ist somit in einer Gesamtschau dieser Indizien überzeugt, dass die nur in Fotokopie vorhandenen Bescheinigungen E 101 durchaus nicht von der zuständigen Behörde stammen, sondern gefälscht sein dürften.

Endgültige Gewissheit kann allerdings insoweit nicht mehr hergestellt werden. Nach Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Beweismittel, vor allem nach den schriftlichen Auskünften der britischen Behörden, dass diese nicht mehr über die Originalakten aus dem fraglichen Zeitraum verfügen, ergibt sich somit eine Situation der Nichterweislichkeit. Auch wenn dem sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103, 128 SGG eine subjektive Beweisführungslast fremd ist, können einem der Beteiligten nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast) gleichwohl nachteilige Folgen daraus treffen, dass das Gericht eine bestimmte Tatsache nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht feststellen kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für diejenigen Tatsachen - in Bezug auf das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale - trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (BSGE 6, 70, 73; BSGE 71, 256, 260 m.w.N. = SozR 3-4100 § 119 Nr.7 m.w.N.; BSG Urteil vom 8.11.2005, B 1 KR 18/04 R; Leitherer in: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 103 Rdnr.19a m.w.N.). Bezogen auf die hier streitige, die Anwendung nationalen Rechts ausschließende Wirkung der Bescheinigungen E 101 bedeutet dies, dass die dargelegten Regelungen des AÜG und des SGB, welche aufgrund des Territorialprinzips gemäß § 3 SGB IV gelten, nicht durch abweichende Relungen gemäß § 6 SGB IV verdrängt sind.

Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH und des BGH zur Bindungswirkung von Entsendebescheinigungen E 101. Der streitige Fall unterscheidet sich deutlich insbesondere von der Rechtssache C 2/05 - Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.01.2006 - sowie vom Urteil des Bundesgerichtshofs 1-StR 44/06 vom 24.10.2006. Dort war nur über die Rechtswirkungen von echten, das heißt von der zuständigen Behörde ausgestellten Bescheinigungen entschieden worden. Im Urteil des Bundesgerichtshofes war zwar die Bescheinigung auf Grund unzutreffender Angaben erstellt, jedoch von der zuständigen Behörde ausgestellt worden, also ohne Zweifel echt. Die Rechtswirkung der Entsendebescheinigungen kommt nach der genannten Rechtsprechung nur echten, nicht aber gefälschten Entsendebescheinigungen zu. Sind aber wie vorliegend die Original-Bescheinigungen nicht auffindbar und bestehen massive Zweifel an der Echtheit und zudem konkrete Hinweise auf eine Fälschung der Kopien, verbleibt es bei der allgemeinen Rechtsfolge der Nichterweislichkeit von Tatsachen. Diese gehen hier zu Lasten der Klägerin, die sich auf eine Ausnahmevorschrift beruht.

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.2004 aufzuheben und die Klage im zuletzt streitigen Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet auf das Verfahren, bei welchem seit 30.08.1999 Rechtshängigkeit besteht, keine Anwendung (Art.17 Satz 2 6.SGG-ÄndG).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved