Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 969/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 312/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 4/07 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Strittig ist die Gewährung von Krankengeld über den 22.08.2003 hinaus.
Als Bezieher von Leistungen der Arbeitsverwaltung, die am 13.05.2003 erschöpft waren, war der 1943 geborene Kläger bei der Beklagten ab 2001 versichert. Wegen Cervikalneuralgie und Schmerzen im Brustwirbelsäulenbereich wurde er von Dr.W. bis 26.05.2003 für arbeitsunfähig befunden und erhielt von der Beklagten ab 13.05.2003 Krankengeld. Für die Zeit vom 26.05. bis 08.06.2003 attestierte der Orthopäde Dr.M. Arbeitsunfähigkeit wegen eines Halswirbelsäulensyndroms, für die Zeit vom 10.06. bis 20.06.2003 wegen Halswirbelsäulensyndroms dessen Urlaubsvertretung, die Gemeinschaftspraxis B ...
Auf Anfrage teilte Dr.M. der Beklagten am 04.07.2003 mit, der Kläger sei ab 01.08.2003 arbeitsfähig. Hierüber unterrichtete die Beklagte den Kläger am 15.07.2003, woraufhin dieser eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden Dr.H. vom 30.07.2003 bis 22.08.2003 wegen Gonarthrose und sonstiger cervikaler Bandscheibenschäden vorlegte. Auf die Frage, ob der Kläger ein Leistungsbild von drei Stunden täglich aufweise, schrieb der MDK am 20.08.2003, die von Dr.H. attestierte Arbeitsunfähigkeit erscheine wenig plausibel. Darauf bezugnehmend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2003 die Krankengeldzahlung zum 01.08.2003 ein und verwies auf seine Einsatzmöglichkeiten für leichte Tätigkeiten hauptsächlich im Sitzen, möglichst im Wechselrhythmus ohne lange Wegstrecken und ohne häufiges Treppensteigen.
Im Widerspruchsverfahen legte der Kläger u.a. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden Dr.P. betreffend die Zeit vom 23.08. bis 05.09.2003 wegen sonstiger Rückenbeschwerden vor. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und erklärte sich zur Zahlung von Krankengeld bis einschließlich 22.08.2003 bereit. Im Übrigen wies sie den Widerspruch am 13.10.2003 unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, laut Aussage Dr.M. übe die Beklagte Druck auf seine Ärzte aus. Dr.H. hat dem Kläger am 08.09.2003 Arbeitsunfähigkeit bis 20.09.2003 bescheinigt. In einem Arztbrief des Nuklearmediziners Dr.V. vom 15.09.2003 an Dr.H. heißt es, der Kläger leide unter einem Einriss des Innenmeniskushinterhorns basal bei initialer Gonarthrose.
Das Sozialgericht hat Dr.B. , Fachärztin für Orthopädie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat nach ambulanter Untersuchung am 27.01.2004 in Anwesenheit von zwei vom Kläger mitgebrachten Zeugen im Gutachten vom 08.02.2004 festgestellt, ab 30.07.2003 seien als krankhafte Befunde zu erheben: rezidivierende Kniegelenksschmerzen links bei degenerativer Innenmeniskusläsion und Hals-Kopfschmerzen links bei muskulärer Dysbalance. Deswegen bestehe über den 29.07.2003 hinaus keine Arbeitsunfähigkeit, da dem Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten durchaus zumutbar gewesen seien. Dazu hat der Kläger ausgeführt, das Gutachten enthalte grobe Mängel, insbesondere verkenne die Sachverständige die Schwere des Befundes am linken Knie. Dazu hat Dr.B. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22.04.2004 ausgeführt, ein akuter Innenmeniskusriss sei bis dato von keinem Arzt diagnostiziert worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.07.2005 auf der Grundlage des von Dr.B. erstellten Gutachtens abgewiesen. Als entscheidend hat es gewertet, dass eine wesentliche Schonung des linken Beins bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen nicht vorgelegen habe und die Bewegungsmöglichkeiten der Halswirbelsäule aktiv altersentsprechend gewesen seien. Die ärztlichen Atteste seien gegenüber dem Gutachten der unabhängigen Sachverständigen von untergeordneter Bedeutung.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, Prof.Dr.V. gemäß § 109 SGG zu hören. Er hat seine Ansicht wiederholt, die Beklagte habe Druck auf seine Ärzte ausgeübt. Der MDK habe ihn nie persönlich untersucht und der Meniskusinnenriss sei vom MDK völlig übergangen worden. Dr.B. habe nicht einmal ein Lesegerät für das Computertomogramm gehabt.
Von Dr.M. ist am 28.03.2006 ein Befundbericht erstellt worden, die Anforderung eines Befundberichts von Dr.H. ist wegen der Beendigung seiner Praxistätigkeit gescheitert, die Akte des Klägers war beim Praxisnachfolger unauffindbar. Nach Anforderung eines Kostenvorschusses hat der Kläger mitgeteilt, kein laufendes Einkommen zu beziehen. Seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 24.01.2007 abgelehnt, nachdem der MDK in seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 mitgeteilt hatte, bei dem Kernspintomographiebefund vom 22.08.2003 handele es sich für einen 60-Jährigen um einen Normalbefund. Dieser bedinge ohne ständigen Kniegelenkserguss oder eine Bewegungseinschränkung keine Operationsindikation. Allem Anschein nach hätten derartige Auffälligkeiten nicht vorgelegen.
Dazu hat der Kläger ausgeführt, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sei nicht neutral. Feststehe, dass er von vier Ärzten krank geschrieben worden sei und zwei Ärzte, nämlich Dr.H. und Dr.V. , eine zwingende Operationsnotwendigkeit gesehen hätten. Eine Behandlung sei nicht mehr erfolgt, da ihn die Beklagte kurzerhand ausgesteuert habe und er finanziell nicht in der Lage sei, eine Krankenbehandlung zu bezahlen. Die Symptome hätten sich bis heute verschlechtert.
In der mündlichen Verhandlung hat er ein Attest Prof.Dr.G. vom 19.02.2007 vorgelegt, worin eine Innenmeniskusläsion links diagnostiziert, eine Operation für notwendig erachtet und Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2003 zu verurteilen, ihm über den 22.08.2003 hinaus Krankengeld zu zahlen, hilfsweise die Einvernahme der Ärzte (Prof.Dr.V. , Prof.Dr.G. , Dr.H. , Dr.M. , Dr.P. und Dr.W.) zur Aussage über das rechtswidrige und erpresserische Verhalten der Beklagten bzw. deren Anhörung gemäß § 109 SGG.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts München, der Akte des Arbeitsamts M. sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2003/Widerspruchsbescheid vom 13.10.2003 abgelehnt, dem Kläger über den 22.08.2003 hinaus Krankengeld weiter zu zahlen. Ob er in diesem Zeitraum arbeitsunfähig war, ist nicht nachgewiesen.
Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Versicherter arbeitsunfähig, wenn er durch Krankheit daran gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (vgl. zuletzt Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.12.2004 in BSGE 94, 19, 21). Da der Kläger vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 11.04.2003 nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand, sondern aufgrund des Leistungsbezugs von Seiten der Bundesagentur für Arbeit bei der Beklagten pflichtversichert war (§ 5 Abs.1 Nr.2a SGB V), ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht an einer Erwerbstätigkeit zu messen, sondern daran, für welche Arbeiten er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Die Arbeitsunfähigkeit richtet sich dann nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, wenn der Versicherte seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert war (BSG, Urteil vom 07.12.2004 in NZS 2005, S.650 ff.). Aufgrund der bereits ab 2001 bestehenden Arbeitslosigkeit war es dem Kläger angesichts der Regelungen des SGB III zumutbar, sich im strittigen Zeitraum für sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügbar zu halten, ohne sich insoweit auf einen besonderen Berufsschutz berufen zu können. Dass er diese Tätigkeiten über den 22.08.2003 hinaus nicht mehr ausüben konnte, ist nicht nachgewiesen.
Zwar hat Dr.P. am 25.08.2003 Arbeitsunfähigkeit vom 25.08.2003 bis 05.09.2003 wegen sonstiger Rückenschmerzen bescheinigt. Der Beweiswert dieser ärztlichen Aussage wird dadurch relativiert, dass Dr.H. davor und danach Arbeitsunfähigkeit wegen Gonarthrose bescheinigt hat, Dr.M. trotz Wirbelsäulenbeschwerden Arbeitsfähigkeit ab 01.08.2003 ausdrücklich bejaht hatte und Dr.P. der fünfte Arzt war, der innerhalb von drei Monaten vom Kläger in Anspruch genommen worden war. Die Zweifel des MDK am Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den 22.08.2003 hinaus konnten durch die gerichtlichen Ermittlungen nicht beseitigt werden.
Die im Auftrag des Sozialgerichts zeitnah durchgeführte Untersuchung durch die Fachärztin für Orthopädie Dr.B. hat keine Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete und seinen behandelnden Ärzten bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ergeben. Der Senat folgt damit der Einschätzung des Sozialgerichts, das das Gutachten der Sachverständigen für schlüssig und nachvollziehbar erachtet hat. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG Abstand genommen.
Die Einwände des Klägers gegen die Qualität des von Dr.B. erstellten Gutachtens sind von dieser überzeugend zurückgewiesen worden. Dieser Stellungnahme vom 22.04.2004 ist uneingeschränkt zu folgen. Insbesondere war sie bei der Auswertung des Kernspintomographiebefunds vom 12.09.2003 nicht auf das Vorhandensein eines Lesegeräts angewiesen, weil sie der vom Radiologen Dr.V. dargestellten Befundung gefolgt ist; der dargestellte Einriss des Innenmeniskushinterhorns habe bei medial betonter initialer Gonarthrose am ehesten eine degenerative Ursache. Auch hat sie sämtliche Vorbefunde und Atteste der behandelnden Ärzte gewürdigt und sich intensiv mit den Beschwerden des Klägers auseinandergesetzt. Ihrer Beurteilung des Stellenwerts von radiologischem und klinischem Befund ist der MDK mit seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 gefolgt. Es entspricht der allgemein anerkannten sozialmedizinischen Begutachtungspraxis, dem klinischen Befund den Vorrang einzuräumen. Danach ist Arbeitsunfähigkeit im strittigen Zeitraum nicht nachgewiesen.
Wenn sich demgegenüber der Kläger auf die von seinen behandelnden Ärzen dringend befürwortete Operation am linken Knie beruft, so ist er hierfür einen Beweis schuldig geblieben. Aus keiner der vorgelegten Bescheinigungen ergibt sich eine Operationsindikation. Der Arztbrief des Nuklearmediziners Dr.V. vom 15.09.2003 an den Orthopäden Dr.H. beschränkt sich auf eine Darstellung des Befundes und die Beurteilung eines Einrisses des Innenmeniskushinterhorns basal, am ehesten aus degenerativer Ursache bei medial betonter initialer Gonarthrose und die Feststellung, dass keine ligamentäre Verletzung vorliegt. Nachdem die Unterlagen des Dr.H. nicht mehr auffindbar sind, ist auch nicht feststellbar, ob Dr.H. eine Operation für notwendig befunden hat und welche Befunde dieser erhoben hat. Der Kernspintomographiebefund allein jedenfalls bietet keine Veranlassung, hier von Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Wie der MDK in seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 dargestellt hat, handelt es sich um einen Normalbefund bei einem zum Untersuchungszeitpunkt 60-jährigen Patienten. Zuzustimmen ist den Ausführungen insbesondere insoweit, als das bildgebende Verfahren allein nicht gebietet, Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Hinzukommen muss ein deutlicher klinischer Befund entweder mit Kniegelenksergüssen oder Bewegungseinschränkungen. Diese sind 2003 von keinem Arzt beschrieben und insbesondere auch von Dr.B. nicht festgestellt worden. Es besteht kein Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, zumal der Kläger eine zwischenzeitliche Verschlechterung seines Zustands geltend gemacht hat. Das jetzt, über drei Jahre nach dem strittigen Zeitpunkt des nahtlosen Weiterbestehens von Arbeitsunfähigkeit ausgestellte Attest Prof.Dr.G. vermittelt keine Erkenntnisse über den Zustand im August 2003.
Die Beweislosigkeit geht zu Lasten des Klägers. Lässt sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen, dass der Versicherte außerstande war, die zumutbare Arbeit zu verrichten, kann dieser regelmäßig kein Krankengeld beanspruchen (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr.12 S.54 ff. m.w.N.). Wie das Bundessozialgericht unlängst festgestellt hat, greift dieser Grundsatz gerade typischerweise in den Fällen, in denen die Beurteilungen der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt auf der einen Seite und durch den MDK auf der anderen Seite voneinander abweichen (BSG, Urteil vom 08.11.2005, Az.: B 1 KR 18/04 R). Jedenfalls ist der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Orthopäden Dr.H. kein gesteigerter Beweiswert beizumessen.
Den Hilfsanträgen des Klägers war nicht zu entsprechen. Die Anhörung der Profs. V. und G. gemäß § 109 SGG scheitert daran, dass der mit Schreiben vom 28.08.2006 angeforderte Kostenvorschuss nicht fristgemäß bis 25.09.2006 eingezahlt worden ist. Der wiederholte Antrag war daher gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG abzuweisen. Auch die Einvernahme der Dres.W. , H. , M. und P. war nicht notwendig. Ob sich Dr.M. und Dr.W. Druck von Seiten der Beklagten ausgesetzt gefühlt haben, ist für die Beantwortung der Beweisfrage unerheblich, weil Arbeitsunfähigkeit lediglich ab 22.08.2003 im Streit steht. Ab diesem Zeitpunkt sind die Dres.M. und Dr.W. vom Kläger nicht mehr aufgesucht worden. Die Dres. H. und P. schließlich haben tatsächlich Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Der Beweiswert dieser Bescheinigungen reicht jedoch nicht aus, die Beklagte zur Leistung zu verpflichten. Wie bereits oben dargestellt, kommt der Beurteilung der Ärzte des MDK, die laut Gesetz bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (§ 275 Abs.5 SGB V), mindestens derselbe Beweiswert wie der der behandelnden Ärzte zu. Eine etwaige mündliche Bekräftigung der Arbeitsunfähigkeit durch die ehemals behandelnden Ärzte ändert an dieser Beweislage nichts.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Strittig ist die Gewährung von Krankengeld über den 22.08.2003 hinaus.
Als Bezieher von Leistungen der Arbeitsverwaltung, die am 13.05.2003 erschöpft waren, war der 1943 geborene Kläger bei der Beklagten ab 2001 versichert. Wegen Cervikalneuralgie und Schmerzen im Brustwirbelsäulenbereich wurde er von Dr.W. bis 26.05.2003 für arbeitsunfähig befunden und erhielt von der Beklagten ab 13.05.2003 Krankengeld. Für die Zeit vom 26.05. bis 08.06.2003 attestierte der Orthopäde Dr.M. Arbeitsunfähigkeit wegen eines Halswirbelsäulensyndroms, für die Zeit vom 10.06. bis 20.06.2003 wegen Halswirbelsäulensyndroms dessen Urlaubsvertretung, die Gemeinschaftspraxis B ...
Auf Anfrage teilte Dr.M. der Beklagten am 04.07.2003 mit, der Kläger sei ab 01.08.2003 arbeitsfähig. Hierüber unterrichtete die Beklagte den Kläger am 15.07.2003, woraufhin dieser eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden Dr.H. vom 30.07.2003 bis 22.08.2003 wegen Gonarthrose und sonstiger cervikaler Bandscheibenschäden vorlegte. Auf die Frage, ob der Kläger ein Leistungsbild von drei Stunden täglich aufweise, schrieb der MDK am 20.08.2003, die von Dr.H. attestierte Arbeitsunfähigkeit erscheine wenig plausibel. Darauf bezugnehmend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2003 die Krankengeldzahlung zum 01.08.2003 ein und verwies auf seine Einsatzmöglichkeiten für leichte Tätigkeiten hauptsächlich im Sitzen, möglichst im Wechselrhythmus ohne lange Wegstrecken und ohne häufiges Treppensteigen.
Im Widerspruchsverfahen legte der Kläger u.a. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden Dr.P. betreffend die Zeit vom 23.08. bis 05.09.2003 wegen sonstiger Rückenbeschwerden vor. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und erklärte sich zur Zahlung von Krankengeld bis einschließlich 22.08.2003 bereit. Im Übrigen wies sie den Widerspruch am 13.10.2003 unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, laut Aussage Dr.M. übe die Beklagte Druck auf seine Ärzte aus. Dr.H. hat dem Kläger am 08.09.2003 Arbeitsunfähigkeit bis 20.09.2003 bescheinigt. In einem Arztbrief des Nuklearmediziners Dr.V. vom 15.09.2003 an Dr.H. heißt es, der Kläger leide unter einem Einriss des Innenmeniskushinterhorns basal bei initialer Gonarthrose.
Das Sozialgericht hat Dr.B. , Fachärztin für Orthopädie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat nach ambulanter Untersuchung am 27.01.2004 in Anwesenheit von zwei vom Kläger mitgebrachten Zeugen im Gutachten vom 08.02.2004 festgestellt, ab 30.07.2003 seien als krankhafte Befunde zu erheben: rezidivierende Kniegelenksschmerzen links bei degenerativer Innenmeniskusläsion und Hals-Kopfschmerzen links bei muskulärer Dysbalance. Deswegen bestehe über den 29.07.2003 hinaus keine Arbeitsunfähigkeit, da dem Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten durchaus zumutbar gewesen seien. Dazu hat der Kläger ausgeführt, das Gutachten enthalte grobe Mängel, insbesondere verkenne die Sachverständige die Schwere des Befundes am linken Knie. Dazu hat Dr.B. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22.04.2004 ausgeführt, ein akuter Innenmeniskusriss sei bis dato von keinem Arzt diagnostiziert worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.07.2005 auf der Grundlage des von Dr.B. erstellten Gutachtens abgewiesen. Als entscheidend hat es gewertet, dass eine wesentliche Schonung des linken Beins bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen nicht vorgelegen habe und die Bewegungsmöglichkeiten der Halswirbelsäule aktiv altersentsprechend gewesen seien. Die ärztlichen Atteste seien gegenüber dem Gutachten der unabhängigen Sachverständigen von untergeordneter Bedeutung.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, Prof.Dr.V. gemäß § 109 SGG zu hören. Er hat seine Ansicht wiederholt, die Beklagte habe Druck auf seine Ärzte ausgeübt. Der MDK habe ihn nie persönlich untersucht und der Meniskusinnenriss sei vom MDK völlig übergangen worden. Dr.B. habe nicht einmal ein Lesegerät für das Computertomogramm gehabt.
Von Dr.M. ist am 28.03.2006 ein Befundbericht erstellt worden, die Anforderung eines Befundberichts von Dr.H. ist wegen der Beendigung seiner Praxistätigkeit gescheitert, die Akte des Klägers war beim Praxisnachfolger unauffindbar. Nach Anforderung eines Kostenvorschusses hat der Kläger mitgeteilt, kein laufendes Einkommen zu beziehen. Seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 24.01.2007 abgelehnt, nachdem der MDK in seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 mitgeteilt hatte, bei dem Kernspintomographiebefund vom 22.08.2003 handele es sich für einen 60-Jährigen um einen Normalbefund. Dieser bedinge ohne ständigen Kniegelenkserguss oder eine Bewegungseinschränkung keine Operationsindikation. Allem Anschein nach hätten derartige Auffälligkeiten nicht vorgelegen.
Dazu hat der Kläger ausgeführt, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sei nicht neutral. Feststehe, dass er von vier Ärzten krank geschrieben worden sei und zwei Ärzte, nämlich Dr.H. und Dr.V. , eine zwingende Operationsnotwendigkeit gesehen hätten. Eine Behandlung sei nicht mehr erfolgt, da ihn die Beklagte kurzerhand ausgesteuert habe und er finanziell nicht in der Lage sei, eine Krankenbehandlung zu bezahlen. Die Symptome hätten sich bis heute verschlechtert.
In der mündlichen Verhandlung hat er ein Attest Prof.Dr.G. vom 19.02.2007 vorgelegt, worin eine Innenmeniskusläsion links diagnostiziert, eine Operation für notwendig erachtet und Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2003 zu verurteilen, ihm über den 22.08.2003 hinaus Krankengeld zu zahlen, hilfsweise die Einvernahme der Ärzte (Prof.Dr.V. , Prof.Dr.G. , Dr.H. , Dr.M. , Dr.P. und Dr.W.) zur Aussage über das rechtswidrige und erpresserische Verhalten der Beklagten bzw. deren Anhörung gemäß § 109 SGG.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts München, der Akte des Arbeitsamts M. sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2005 ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2003/Widerspruchsbescheid vom 13.10.2003 abgelehnt, dem Kläger über den 22.08.2003 hinaus Krankengeld weiter zu zahlen. Ob er in diesem Zeitraum arbeitsunfähig war, ist nicht nachgewiesen.
Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Versicherter arbeitsunfähig, wenn er durch Krankheit daran gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (vgl. zuletzt Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.12.2004 in BSGE 94, 19, 21). Da der Kläger vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 11.04.2003 nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand, sondern aufgrund des Leistungsbezugs von Seiten der Bundesagentur für Arbeit bei der Beklagten pflichtversichert war (§ 5 Abs.1 Nr.2a SGB V), ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht an einer Erwerbstätigkeit zu messen, sondern daran, für welche Arbeiten er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Die Arbeitsunfähigkeit richtet sich dann nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, wenn der Versicherte seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert war (BSG, Urteil vom 07.12.2004 in NZS 2005, S.650 ff.). Aufgrund der bereits ab 2001 bestehenden Arbeitslosigkeit war es dem Kläger angesichts der Regelungen des SGB III zumutbar, sich im strittigen Zeitraum für sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügbar zu halten, ohne sich insoweit auf einen besonderen Berufsschutz berufen zu können. Dass er diese Tätigkeiten über den 22.08.2003 hinaus nicht mehr ausüben konnte, ist nicht nachgewiesen.
Zwar hat Dr.P. am 25.08.2003 Arbeitsunfähigkeit vom 25.08.2003 bis 05.09.2003 wegen sonstiger Rückenschmerzen bescheinigt. Der Beweiswert dieser ärztlichen Aussage wird dadurch relativiert, dass Dr.H. davor und danach Arbeitsunfähigkeit wegen Gonarthrose bescheinigt hat, Dr.M. trotz Wirbelsäulenbeschwerden Arbeitsfähigkeit ab 01.08.2003 ausdrücklich bejaht hatte und Dr.P. der fünfte Arzt war, der innerhalb von drei Monaten vom Kläger in Anspruch genommen worden war. Die Zweifel des MDK am Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den 22.08.2003 hinaus konnten durch die gerichtlichen Ermittlungen nicht beseitigt werden.
Die im Auftrag des Sozialgerichts zeitnah durchgeführte Untersuchung durch die Fachärztin für Orthopädie Dr.B. hat keine Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete und seinen behandelnden Ärzten bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ergeben. Der Senat folgt damit der Einschätzung des Sozialgerichts, das das Gutachten der Sachverständigen für schlüssig und nachvollziehbar erachtet hat. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG Abstand genommen.
Die Einwände des Klägers gegen die Qualität des von Dr.B. erstellten Gutachtens sind von dieser überzeugend zurückgewiesen worden. Dieser Stellungnahme vom 22.04.2004 ist uneingeschränkt zu folgen. Insbesondere war sie bei der Auswertung des Kernspintomographiebefunds vom 12.09.2003 nicht auf das Vorhandensein eines Lesegeräts angewiesen, weil sie der vom Radiologen Dr.V. dargestellten Befundung gefolgt ist; der dargestellte Einriss des Innenmeniskushinterhorns habe bei medial betonter initialer Gonarthrose am ehesten eine degenerative Ursache. Auch hat sie sämtliche Vorbefunde und Atteste der behandelnden Ärzte gewürdigt und sich intensiv mit den Beschwerden des Klägers auseinandergesetzt. Ihrer Beurteilung des Stellenwerts von radiologischem und klinischem Befund ist der MDK mit seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 gefolgt. Es entspricht der allgemein anerkannten sozialmedizinischen Begutachtungspraxis, dem klinischen Befund den Vorrang einzuräumen. Danach ist Arbeitsunfähigkeit im strittigen Zeitraum nicht nachgewiesen.
Wenn sich demgegenüber der Kläger auf die von seinen behandelnden Ärzen dringend befürwortete Operation am linken Knie beruft, so ist er hierfür einen Beweis schuldig geblieben. Aus keiner der vorgelegten Bescheinigungen ergibt sich eine Operationsindikation. Der Arztbrief des Nuklearmediziners Dr.V. vom 15.09.2003 an den Orthopäden Dr.H. beschränkt sich auf eine Darstellung des Befundes und die Beurteilung eines Einrisses des Innenmeniskushinterhorns basal, am ehesten aus degenerativer Ursache bei medial betonter initialer Gonarthrose und die Feststellung, dass keine ligamentäre Verletzung vorliegt. Nachdem die Unterlagen des Dr.H. nicht mehr auffindbar sind, ist auch nicht feststellbar, ob Dr.H. eine Operation für notwendig befunden hat und welche Befunde dieser erhoben hat. Der Kernspintomographiebefund allein jedenfalls bietet keine Veranlassung, hier von Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Wie der MDK in seiner Stellungnahme vom 29.12.2006 dargestellt hat, handelt es sich um einen Normalbefund bei einem zum Untersuchungszeitpunkt 60-jährigen Patienten. Zuzustimmen ist den Ausführungen insbesondere insoweit, als das bildgebende Verfahren allein nicht gebietet, Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Hinzukommen muss ein deutlicher klinischer Befund entweder mit Kniegelenksergüssen oder Bewegungseinschränkungen. Diese sind 2003 von keinem Arzt beschrieben und insbesondere auch von Dr.B. nicht festgestellt worden. Es besteht kein Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, zumal der Kläger eine zwischenzeitliche Verschlechterung seines Zustands geltend gemacht hat. Das jetzt, über drei Jahre nach dem strittigen Zeitpunkt des nahtlosen Weiterbestehens von Arbeitsunfähigkeit ausgestellte Attest Prof.Dr.G. vermittelt keine Erkenntnisse über den Zustand im August 2003.
Die Beweislosigkeit geht zu Lasten des Klägers. Lässt sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen, dass der Versicherte außerstande war, die zumutbare Arbeit zu verrichten, kann dieser regelmäßig kein Krankengeld beanspruchen (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr.12 S.54 ff. m.w.N.). Wie das Bundessozialgericht unlängst festgestellt hat, greift dieser Grundsatz gerade typischerweise in den Fällen, in denen die Beurteilungen der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt auf der einen Seite und durch den MDK auf der anderen Seite voneinander abweichen (BSG, Urteil vom 08.11.2005, Az.: B 1 KR 18/04 R). Jedenfalls ist der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Orthopäden Dr.H. kein gesteigerter Beweiswert beizumessen.
Den Hilfsanträgen des Klägers war nicht zu entsprechen. Die Anhörung der Profs. V. und G. gemäß § 109 SGG scheitert daran, dass der mit Schreiben vom 28.08.2006 angeforderte Kostenvorschuss nicht fristgemäß bis 25.09.2006 eingezahlt worden ist. Der wiederholte Antrag war daher gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG abzuweisen. Auch die Einvernahme der Dres.W. , H. , M. und P. war nicht notwendig. Ob sich Dr.M. und Dr.W. Druck von Seiten der Beklagten ausgesetzt gefühlt haben, ist für die Beantwortung der Beweisfrage unerheblich, weil Arbeitsunfähigkeit lediglich ab 22.08.2003 im Streit steht. Ab diesem Zeitpunkt sind die Dres.M. und Dr.W. vom Kläger nicht mehr aufgesucht worden. Die Dres. H. und P. schließlich haben tatsächlich Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Der Beweiswert dieser Bescheinigungen reicht jedoch nicht aus, die Beklagte zur Leistung zu verpflichten. Wie bereits oben dargestellt, kommt der Beurteilung der Ärzte des MDK, die laut Gesetz bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (§ 275 Abs.5 SGB V), mindestens derselbe Beweiswert wie der der behandelnden Ärzte zu. Eine etwaige mündliche Bekräftigung der Arbeitsunfähigkeit durch die ehemals behandelnden Ärzte ändert an dieser Beweislage nichts.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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