Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 227/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 289/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 11 AS 19/06 mit Abschluss des Vergleichs vom 10.10.2006 beendet worden ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Rechtsstreit L 11 AS 19/06 durch Vergleich vom 10.10.2006 beendet worden ist.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der für die Zeit ab 01.01.2005 begehrten Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II-) mangels Mitwirkung (Bescheid vom 10.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005). Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat die Leistungsklage hiergegen abgewiesen (Urteil vom 16.11.2005). Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt (Az: L 11 AS 19/06). In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2006 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass Gegenstand des Rechtsstreites die Ablehnung der Bewilligung von Alg II mangels Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei. Der Bescheid vom 10.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 sei aus rechtlichen Gründen aufzuheben und die Beklagte habe über den Anspruch auf Alg II für die Zeit ab 01.01.2005 erneut zu entscheiden. Daraufhin haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
I. Die Beklagte erklärt sich bereit, umgehend über den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2005 bis 09.10.2006) unter Aufhebung ihrer bisherigen Bescheide vom 10.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 erneut zu entscheiden.
II. Der Kläger nimmt das Angebot unter I. an.
III. Der Kläger stellt Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Alg II) ab dem 10.10.2006, den die Beklagte entgegen nimmt.
IV. Die Beklagte übernimmt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
V. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt, insbesondere auch den PKH-Antrag.
Mit Schriftsatz vom 24.10.2006 hat der Kläger den Vergleich nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass eine Widerrufsmöglichkeit im Vergleich nicht vorbehalten worden sei, angefochten. Die Zeugin G. (i.F.: G) möge gehört werden.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 hat er eine Absetzung des Termins und die Anordnung des Ruhens bzw die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Er habe ständigen Durchfall und könne sich auch eine Anreise nicht leisten.
Der Kläger beantragt, den für den 15.03.2007 anberaumten Termin abzusetzen und diesen Rechtsstreit vorerst ruhen zu lassen bzw auszuset zen.
Die Beklagte beantragt, den Antrag vom 24.10.2006 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Bayer. Landessozialgerichts zum Verfahren L 11 AS 19/06 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht L 11 AS 19/06 ist durch den Vergleich vom 10.10.2006 beendet worden.
Eine Absetzung des Termins und Anberaumung eines neuen Termins war zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, Art 103 Grundgesetz - GG -) nicht erforderlich. Der Kläger hat nämlich lediglich die Absetzung des Termins und die Anordnung des Ruhens bzw die Aussetzung des Verfahrens begehrt. Er hat jedoch nicht erklärt, dass er zu einer erneut anzusetzenden mündlichen Verhandlung erscheinen wolle, um dann gehört zu werden (vgl hierzu: BSG Urteil vom 07.02.2001, B 9 VM 1/00 B -9). Vielmehr führt er allein aus, bereits im vorangegangenen Verfahren sei sein rechtliches Gehör verletzt worden. Anlass für die Anordnung des Ruhens oder eine Aussetzung dieses Verfahrens sieht der Senat nicht.
Unabhängig davon hatte eine Vertagung und Anberaumung eines neuen Termins nicht zu erfolgen, denn der Kläger gibt für sein Nichterscheinen zum einen die fehlenden finanziellen Mittel und zum anderen eine - dies war ebenso bei vorangegangenen Terminen der Fall - plötzliche Erkrankung an. Allein eine solche Erkrankung könnte zwar ggfs Anlass für eine Vertagung sein (§ 202 SGG iVm § 227 Zivilprozessordnung), jedoch ist diese Erkrankung in keiner Weise durch ein ärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen, vielmehr vom Kläger lediglich behauptet worden. Ein solcher Nachweis dürfte dem Kläger auch nicht möglich sein, nachdem er angibt, aus finanziellen Gründen keinen Arzt aufsuchen zu können.
Mangels Nachweises - ein solcher war in den Streitfällen, über die das BSG zu entscheiden hatte (Urteil vom 21.07.2005 - B 11a/11 AL 261/04 B -, vom 25.03.2003 - B 7 AL 76/02 R - und vom 28.04.1999 - B 6 KA 40/98 R - alle veröffentlicht in Juris), jeweils geführt worden - und mangels Antrages auf Anberaumung eines neuen Termins - dies ist Bestandteil eines Vertagungs- bzw Verlegungsantrages zur Gewährung rechtlichen Gehörs - konnte der Senat über den Rechtsstreit entscheiden.
Ein Vergleich ist wirksam zustande gekommen. Der Vergleich verstößt nicht gegen § 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelte sich auch um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens. Das gegenseitige Nachgeben ist darin zu sehen, dass der Kläger auf den von ihm erhobenen Anspruch auf Leistung bzw. Bewilligung einer sogenannten "Ich-AG" verzichtet hat, denn die Leistungsklage ist nicht die gegen einen auf § 66 SGB I gestützten Verwaltungsakt zulässige Klageart und die Bewilligung einer "Ich-AG" ist nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheides gewesen. Mit der allein zulässigen Anfechtungsklage hat der Kläger jedoch vollen Erfolg gehabt, die Beklagte hat die entsprechenden Bescheide aufgehoben und eine neue Entscheidung zugesagt, wobei der gesamte Zeitraum vom 01.01.2005 bis 09.10.2006, nicht jedoch lediglich der Zeitraum von 6 Monaten (vgl § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) Gegenstand der Prüfung sein sollte.
Der Prozessvergleich hat dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 101 RdNr 3 mwN zur Rspr).
Der Vergleich vom 10.10.2006 als Prozessvergleich ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Beteiligten des Rechtsstreites vor dem Senat zur Niederschrift abgeschlossen worden (§ 101 Abs 1 SGG). Aus der Niederschrift ergibt sich, dass der Vergleichswortlaut den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden ist. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§§ 122 SGG, 159, 160 Zivilprozessordnung -ZPO-). Die Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich. Der Kläger hat dem Vergleich nach Vorlesen ausdrücklich zugestimmt, wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen. Nachdem der Senat dem Kläger erklärt hat, es werde eine Entscheidung über den Rechtsstreit ergehen, sollte dem unbedingten Vergleich nicht zugestimmt werden, hat der Kläger - wie dem Protokoll zu entnehmen ist - einem unbedingten Vergleichsabschluss zugestimmt. Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Prozessvergleiches sind somit nicht ersichtlich.
Der Prozessvergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam. Wegen seiner Doppelnatur entfaltet der Prozessvergleich keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben oder er als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig oder wirksam angefochten ist; das Gleiche gilt, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs 1 BGB; vgl BSG Urteil vom 24.01.1991 - 2 RU 51/90 - Register-Nr 19676).
Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches, etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff BGB oder seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs 1 BGB liegen nicht vor. Aber auch eine auf § 123 Abs 1 BGB gestützte Anfechtung des Prozessvergleiches wegen widerrechtlicher Drohung ist nicht begründet. Anhaltspunkte für eine solche widerrechtliche Drohung fehlen. Allein im Hinweis des Gerichts, dass bei Nichtabschluss des Vergleiches am Tag der mündlichen Verhandlung ein Urteil ergehen wird, stellt kein widerrechtliches Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels dar (vgl hierzu Palandt, BGB, 64.Aufl, § 123 RdNr 15 ff), denn der Senat erfüllt mit dem Erlass eines Urteils nur die ihm obliegenden Aufgaben, insbesondere nachdem der Kläger auch an einer baldigen Entscheidung interessiert war. Dem Kläger ist die Rechtslage vom Senat dargestellt worden. Er wurde auch darauf hingewiesen, dass seine wiederholten Zwiesprachen mit und Rückversicherungen bei G während deren Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten bei der noch vorzunehmenden Prüfung für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft Bedeutung erlangen könnte. Der Kläger wurde auch darüber aufgeklärt, dass er sich gegen die angegriffenen Bescheide allein mit der Anfechtungsklage wehren könne, also allein eine Aufhebung der wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 66 SGB I die Leistung versagenden Bescheide erreichen könne. Eine Leistungsklage sei unzulässig. Bei einem Erfolg der Anfechtungsklage müsse die Beklagte erneut über den Antrag auf Alg II entscheiden. Dies wurde auch so in den Vergleichstext mit aufgenommen. Eine "Erpressung" ist auch nicht in der Bitte des Gerichts zu sehen, G, die vom Senat nicht zum Termin geladen worden war, möge, soweit der Kläger eine Zeugeneinvernahme für notwendig erachte, den Sitzungssaal verlassen, damit ihre Aussage - so diese erforderlich sei - als "unbefangene" Aussage, die nicht bereits durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beeinflusst sei, gewertet werden könne. G wurde dann, nachdem auch dem Kläger klar wurde, dass eine Vernehmung nicht notwendig sei, die Möglichkeit geboten, als Öffentlichkeit an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Wegen ihrer Versuche, sich in ihrer Funktion als bloße Zuhörerin in das Verfahren einzuschalten, wurde sie vom Vorsitzenden zur Ordnung gerufen und auch darauf hingewiesen, dass das Verfahren mit Abschluss des Vergleiches beendet sei.
Im Übrigen ist zu erwähnen, dass über die Bewilligung von PKH vor der mündlichen Verhandlung am 10.10.2006 nicht - positiv - vom Senat entschieden werden konnte, denn der Kläger hat die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen trotz mehrfacher Aufforderung erst am 09.10.2006 eingereicht und einen Bevollmächtigten, der beigeordnet werden sollte, trotz mehrfacher Ankündigung nicht benannt.
Die Erklärung des Klägers, mit der er sich von dem Vergleich lösen will, kann auch nicht als wirksamer Widerruf angesehen werden, denn der von den Beteiligten geschlossene Vergleich enthält keinen Widerrufsvorbehalt. Ohne einen solchen ist ein Widerruf aber rechtlich ausgeschlossen.
Nach alledem ist festzustellen, dass das Verfahren L 11 AS 19/06 durch den Vergleich vom 10.10.2006 beendet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Rechtsstreit L 11 AS 19/06 durch Vergleich vom 10.10.2006 beendet worden ist.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der für die Zeit ab 01.01.2005 begehrten Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II-) mangels Mitwirkung (Bescheid vom 10.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005). Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat die Leistungsklage hiergegen abgewiesen (Urteil vom 16.11.2005). Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt (Az: L 11 AS 19/06). In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2006 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass Gegenstand des Rechtsstreites die Ablehnung der Bewilligung von Alg II mangels Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei. Der Bescheid vom 10.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 sei aus rechtlichen Gründen aufzuheben und die Beklagte habe über den Anspruch auf Alg II für die Zeit ab 01.01.2005 erneut zu entscheiden. Daraufhin haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:
I. Die Beklagte erklärt sich bereit, umgehend über den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2005 bis 09.10.2006) unter Aufhebung ihrer bisherigen Bescheide vom 10.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 erneut zu entscheiden.
II. Der Kläger nimmt das Angebot unter I. an.
III. Der Kläger stellt Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Alg II) ab dem 10.10.2006, den die Beklagte entgegen nimmt.
IV. Die Beklagte übernimmt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
V. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt, insbesondere auch den PKH-Antrag.
Mit Schriftsatz vom 24.10.2006 hat der Kläger den Vergleich nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass eine Widerrufsmöglichkeit im Vergleich nicht vorbehalten worden sei, angefochten. Die Zeugin G. (i.F.: G) möge gehört werden.
Mit Schreiben vom 15.03.2007 hat er eine Absetzung des Termins und die Anordnung des Ruhens bzw die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Er habe ständigen Durchfall und könne sich auch eine Anreise nicht leisten.
Der Kläger beantragt, den für den 15.03.2007 anberaumten Termin abzusetzen und diesen Rechtsstreit vorerst ruhen zu lassen bzw auszuset zen.
Die Beklagte beantragt, den Antrag vom 24.10.2006 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Bayer. Landessozialgerichts zum Verfahren L 11 AS 19/06 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht L 11 AS 19/06 ist durch den Vergleich vom 10.10.2006 beendet worden.
Eine Absetzung des Termins und Anberaumung eines neuen Termins war zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, Art 103 Grundgesetz - GG -) nicht erforderlich. Der Kläger hat nämlich lediglich die Absetzung des Termins und die Anordnung des Ruhens bzw die Aussetzung des Verfahrens begehrt. Er hat jedoch nicht erklärt, dass er zu einer erneut anzusetzenden mündlichen Verhandlung erscheinen wolle, um dann gehört zu werden (vgl hierzu: BSG Urteil vom 07.02.2001, B 9 VM 1/00 B -9). Vielmehr führt er allein aus, bereits im vorangegangenen Verfahren sei sein rechtliches Gehör verletzt worden. Anlass für die Anordnung des Ruhens oder eine Aussetzung dieses Verfahrens sieht der Senat nicht.
Unabhängig davon hatte eine Vertagung und Anberaumung eines neuen Termins nicht zu erfolgen, denn der Kläger gibt für sein Nichterscheinen zum einen die fehlenden finanziellen Mittel und zum anderen eine - dies war ebenso bei vorangegangenen Terminen der Fall - plötzliche Erkrankung an. Allein eine solche Erkrankung könnte zwar ggfs Anlass für eine Vertagung sein (§ 202 SGG iVm § 227 Zivilprozessordnung), jedoch ist diese Erkrankung in keiner Weise durch ein ärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen, vielmehr vom Kläger lediglich behauptet worden. Ein solcher Nachweis dürfte dem Kläger auch nicht möglich sein, nachdem er angibt, aus finanziellen Gründen keinen Arzt aufsuchen zu können.
Mangels Nachweises - ein solcher war in den Streitfällen, über die das BSG zu entscheiden hatte (Urteil vom 21.07.2005 - B 11a/11 AL 261/04 B -, vom 25.03.2003 - B 7 AL 76/02 R - und vom 28.04.1999 - B 6 KA 40/98 R - alle veröffentlicht in Juris), jeweils geführt worden - und mangels Antrages auf Anberaumung eines neuen Termins - dies ist Bestandteil eines Vertagungs- bzw Verlegungsantrages zur Gewährung rechtlichen Gehörs - konnte der Senat über den Rechtsstreit entscheiden.
Ein Vergleich ist wirksam zustande gekommen. Der Vergleich verstößt nicht gegen § 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelte sich auch um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens. Das gegenseitige Nachgeben ist darin zu sehen, dass der Kläger auf den von ihm erhobenen Anspruch auf Leistung bzw. Bewilligung einer sogenannten "Ich-AG" verzichtet hat, denn die Leistungsklage ist nicht die gegen einen auf § 66 SGB I gestützten Verwaltungsakt zulässige Klageart und die Bewilligung einer "Ich-AG" ist nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheides gewesen. Mit der allein zulässigen Anfechtungsklage hat der Kläger jedoch vollen Erfolg gehabt, die Beklagte hat die entsprechenden Bescheide aufgehoben und eine neue Entscheidung zugesagt, wobei der gesamte Zeitraum vom 01.01.2005 bis 09.10.2006, nicht jedoch lediglich der Zeitraum von 6 Monaten (vgl § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) Gegenstand der Prüfung sein sollte.
Der Prozessvergleich hat dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 101 RdNr 3 mwN zur Rspr).
Der Vergleich vom 10.10.2006 als Prozessvergleich ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Beteiligten des Rechtsstreites vor dem Senat zur Niederschrift abgeschlossen worden (§ 101 Abs 1 SGG). Aus der Niederschrift ergibt sich, dass der Vergleichswortlaut den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden ist. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§§ 122 SGG, 159, 160 Zivilprozessordnung -ZPO-). Die Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich. Der Kläger hat dem Vergleich nach Vorlesen ausdrücklich zugestimmt, wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen. Nachdem der Senat dem Kläger erklärt hat, es werde eine Entscheidung über den Rechtsstreit ergehen, sollte dem unbedingten Vergleich nicht zugestimmt werden, hat der Kläger - wie dem Protokoll zu entnehmen ist - einem unbedingten Vergleichsabschluss zugestimmt. Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Prozessvergleiches sind somit nicht ersichtlich.
Der Prozessvergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam. Wegen seiner Doppelnatur entfaltet der Prozessvergleich keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben oder er als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig oder wirksam angefochten ist; das Gleiche gilt, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs 1 BGB; vgl BSG Urteil vom 24.01.1991 - 2 RU 51/90 - Register-Nr 19676).
Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches, etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff BGB oder seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs 1 BGB liegen nicht vor. Aber auch eine auf § 123 Abs 1 BGB gestützte Anfechtung des Prozessvergleiches wegen widerrechtlicher Drohung ist nicht begründet. Anhaltspunkte für eine solche widerrechtliche Drohung fehlen. Allein im Hinweis des Gerichts, dass bei Nichtabschluss des Vergleiches am Tag der mündlichen Verhandlung ein Urteil ergehen wird, stellt kein widerrechtliches Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels dar (vgl hierzu Palandt, BGB, 64.Aufl, § 123 RdNr 15 ff), denn der Senat erfüllt mit dem Erlass eines Urteils nur die ihm obliegenden Aufgaben, insbesondere nachdem der Kläger auch an einer baldigen Entscheidung interessiert war. Dem Kläger ist die Rechtslage vom Senat dargestellt worden. Er wurde auch darauf hingewiesen, dass seine wiederholten Zwiesprachen mit und Rückversicherungen bei G während deren Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten bei der noch vorzunehmenden Prüfung für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft Bedeutung erlangen könnte. Der Kläger wurde auch darüber aufgeklärt, dass er sich gegen die angegriffenen Bescheide allein mit der Anfechtungsklage wehren könne, also allein eine Aufhebung der wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 66 SGB I die Leistung versagenden Bescheide erreichen könne. Eine Leistungsklage sei unzulässig. Bei einem Erfolg der Anfechtungsklage müsse die Beklagte erneut über den Antrag auf Alg II entscheiden. Dies wurde auch so in den Vergleichstext mit aufgenommen. Eine "Erpressung" ist auch nicht in der Bitte des Gerichts zu sehen, G, die vom Senat nicht zum Termin geladen worden war, möge, soweit der Kläger eine Zeugeneinvernahme für notwendig erachte, den Sitzungssaal verlassen, damit ihre Aussage - so diese erforderlich sei - als "unbefangene" Aussage, die nicht bereits durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beeinflusst sei, gewertet werden könne. G wurde dann, nachdem auch dem Kläger klar wurde, dass eine Vernehmung nicht notwendig sei, die Möglichkeit geboten, als Öffentlichkeit an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Wegen ihrer Versuche, sich in ihrer Funktion als bloße Zuhörerin in das Verfahren einzuschalten, wurde sie vom Vorsitzenden zur Ordnung gerufen und auch darauf hingewiesen, dass das Verfahren mit Abschluss des Vergleiches beendet sei.
Im Übrigen ist zu erwähnen, dass über die Bewilligung von PKH vor der mündlichen Verhandlung am 10.10.2006 nicht - positiv - vom Senat entschieden werden konnte, denn der Kläger hat die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen trotz mehrfacher Aufforderung erst am 09.10.2006 eingereicht und einen Bevollmächtigten, der beigeordnet werden sollte, trotz mehrfacher Ankündigung nicht benannt.
Die Erklärung des Klägers, mit der er sich von dem Vergleich lösen will, kann auch nicht als wirksamer Widerruf angesehen werden, denn der von den Beteiligten geschlossene Vergleich enthält keinen Widerrufsvorbehalt. Ohne einen solchen ist ein Widerruf aber rechtlich ausgeschlossen.
Nach alledem ist festzustellen, dass das Verfahren L 11 AS 19/06 durch den Vergleich vom 10.10.2006 beendet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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