L 14 B 463/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 5531/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 463/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. März 2007 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom 17. November 2006) wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller vorläufig 690 (sechshundertneunzig) Euro zu zahlen.

Gründe:

Auf die zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Beschwerde ist der Beschluss des Sozialgerichts vom 15. März 2007 aufzuheben.

Das Sozialgericht hat den Antragsteller bzw. sein Begehren – wenn auch möglicherweise unbewusst – gründlich missverstanden. Seinem Vorbringen ist noch durchaus hinreichend deutlich zu entnehmen, dass er sich mit seinem an das Sozialgericht herangetragenen Gesuch gegen die Aufhebung der Bewilligung der ihm mit Bescheid vom 29. Juni 2006 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006 zuerkannten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1. November 2006 (Bescheid vom 17. November 2006) wendet.

Da sein dagegen mit Brief vom 9. Dezember 2006 eingelegter Widerspruch (der bislang noch nicht beschieden worden ist) gemäß § 39 Nr. 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) keine aufschiebende Wirkung hat, ist einstweiliger Rechtsschutz, um den der Antragsteller nachsucht, gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu gewähren.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist hier anzuordnen, da an der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung der für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 zuerkannten Leistungen erhebliche Zweifel bestehen. Es deutet nichts darauf hin, dass sich die bei der Bewilligung der Leistungen im Juni 2006 bestehenden Verhältnisse seitdem wesentlich geändert hätten: Insbesondere wohnt der Antragsteller bereits seit mindestens Anfang 2005 mit seiner Freundin in einer Wohnung. Auch ist nicht erkennbar, dass und ggfl. welche anderen Veränderungen zu einem "Wegfall der Hilfebedürftigkeit" (Bescheid vom 17. November 2006) geführt haben könnten. Danach käme (bei unterstellter Rechtswidrigkeit der Bewilligung) keine Aufhebung nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X), sondern ausschließlich deren Rücknahme nach § 45 SGB X – wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit – in Betracht. Dies wäre für die Vergangenheit – d.h. für die Zeit vom 1. November 2006 bis zum Tag der Bekanntgabe des Bescheids vom 17. November 2006 – nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zulässig. Dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt sein könnte, ist – jedenfalls bislang – nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Antragsteller nicht etwa durch die Anhörung vom 27. September 2006 "bösgläubig" i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X geworden; die nach dieser Vorschrift zur Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit berechtigende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit muss bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes bestanden haben.

Soweit die Antragsgegnerin die Bewilligung mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat, fehlt es jedenfalls an der – auch nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) – erforderlichen Ermessensausübung.

Leistungen für die Zeit nach Ablauf des im Bescheid vom 29. Juni 2006 geregelten Bewilligungsabschnitts (ab Januar 2007) sind – sofern sie der Antragsteller beantragt haben sollte – jedenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Da die Antragsgegnerin die Aufhebung der Bewilligung bereits – durch Nichtgewährung der Leistungen – vollzogen hat, ordnet der Senat zur Klarstellung die Rückgängigmachung dieser Vollziehung (durch vorläufige Zahlung der nicht erbrachten Leistungen) an (§ 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved