Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 109/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 149/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation.
Der 73-jährige Kläger, bei der Beklagten KVdR-versichert und aufgrund seiner geringen Rente noch eingeschränkt als Landmaschinenmechaniker erwerbstätig, leidet an schmerzhaften Wirbelsäulenbeschwerden, Coxarthrose und einem Schulter-Arm-Syndrom. Deswegen unterzog er sich zu Lasten der Beklagten im Frühjahr 2000 einer stationären Rehabilitation in Bad F. und wurde von dort als gebessert entlassen mit dem Hinweis auf Erneuerung der stationären Therapie in angemessenem Abstand. Im Anschluss daran versorgte sich der Kläger ambulant in Bad F. mit den entsprechenden Maßnahmen teilweise auf eigene Kosten. Anfang 2004 beantragte er bei der Beklagten wiederum eine stationäre Maßnahme zur Behandlung seiner Beschwerden, was vom Hausarzt W. H. befürwortet wurde, der die wohnortnahen, ambulanten Möglichkeiten als ausgeschöpft betrachtete. Die Stellungnahme des MDK vom 03.02.2004 dazu lautete, dass die fortgeschrittenen Kniegelenksänderungen rechts und auch deren konsekutive Folgeschäden im Bereich des gesamten muskuluskeletalen Systems durch stationäre Reha-Maßnahmen nicht gebessert und nicht gelindert werden können. Zur Sekundärprävention würden ambulante Maßnahmen ausreichen. Diese Stellungnahme führte zur Ablehnung der begehrten Maßnahme durch die Beklagte (Bescheid vom 25.02.2004). Unter Bezug auf die neuerliche hausärztliche Stellungnahme zur MDK-Beurteilung erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2004 zurückwies, weil ambulante physikalische Maßnahmen am Wohnort ausreichend seien.
Auf die dagegen am 25.05.2004 erhobene Klage holte das Sozialgericht Landshut nach Beiziehung medizinischer Unterlagen ein Gutachten durch die zur Sachverständigen bestellte Medizinaldirektorin Frau Dr.H. ein. Diese kommt in ihrem Gutachten vom 27.01.2006 nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, bei den vorliegenden Gesundheitsstörungen sei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur medizinisch wirksamen Behandlung des Klägers notwendig, eine ambulante Krankenbehandlung keineswegs ausreichend und verweist dazu auch auf den oben zitierten Abschlussbericht. Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichem Tage die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Hiergegen hat am 23.05.2006 die Beklagte, die bislang das Urteil nicht ausgeführt hat, Berufung eingelegt und bemängelt, dass die Sachverständige die nunmehr von der Beklagten angebotene Kompaktkur nicht in ihre Überlegungen ausdrücklich einbezogen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.01.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze bzw. den der beigezogenen wie auch der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Beschwerdewert die 500 EUR-Grenze des § 145 SGG übersteigt, ist zulässig (§§ 144, 151 SGG).
In der Sache selbst ist die Berufung unbegründet, denn der bei der Beklagten in der KVdR versicherte Kläger hat auch in seinem Alter den vollen Leistungsanspruch auf die von der Beklagten gemäß §§ 11, 27 SGB V bereitzustellenden Sachleistungen und demgemäß auch den auf die Behandlung mittels eines stationären Heilverfahrens, eine nunmehr mit dem Begriff der stationären medizinischen Rehabilitation bezeichnete Maßnahme.
Dazu ist vom Sozialgericht zutreffend festgestellt worden, dass auf den Kläger die Rechtsfolgen des § 40 Abs.2 SGB V zutreffen. Sein Gesundheitszustand erfordert unstreitig Behandlungsmaßnahmen. Im Verwaltungsverfahren hat die Beklagte ambulante Maßnahmen am Wohnort für ausreichend erachtet. Der behandelnde Arzt H. hat dies als unzulänglich eingeschätzt, wie dies auch von der vom Sozialgericht hinzugezogenen Sachverständigen beurteilt worden ist. Mit der Berufung kritisiert die Beklagte diese Einschätzung, erkennt allerdings inzwischen an, dass die bisher angebotenen Maßnahmen tatsächlich unzureichend sind und hält nunmehr eine sogenannte Kompaktkur im Sinne von § 40 Abs.1 Satz 1 SGB V für zweckmäßig. Mit deren Voraussetzungen habe sich die Sachverständige nicht ausreichend auseinander gesetzt, so dass diese als ausreichend anzusehen seien.
Dem kann nicht gefolgt werden, denn aus der Gesamtwürdigung folgt, dass auch eine solche Maßnahme unzureichend ist. Dabei erachtet der Senat die Auffassung, dass eine stationäre Reha vorrangig nur noch für nicht mehr ausreichend mobile Versicherte in Betracht komme, als eine unzulässige Einschränkung des gesetzlich vorgesehenen Behandlungskataloges. Eine derartige Reduktion auf eine solche Gruppe von Versicherten ergibt sich aus dem zum 01.01.2000 neu gefassten Text des § 40 SGB V nicht. Aus den Materialien (Drucksache 14/1245 - Fraktionsentwurf zum GKV Reformgesetz 2000 - erläuternder Teil zu Nr.21 S.36b) ist lediglich zu schließen, dass die "Kompaktkur" auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, ohne dass zugleich stationäre Maßnahmen über die zuvor schon in § 11 Abs.1 SGB V gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden sollen. Somit findet sich kein stichhaltiger Grund, der Einschätzung der vom Sozialgericht zur Hilfe hinzugezogenen Sachverständigen (vgl. BSG vom 25.03.2003 - B 1 KR 33/01 R - abgedruckt in SozR 4-1500 § 54 S.4) über die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation nicht zu folgen, zumal diese als Sozialmedizinerin in einem Versorgungsamt langjährige, einschlägige Erfahrung auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation aufzuweisen hat. Reduziert man die Aussagen des Hausarztes H. auf den medizinischen Inhalt, spricht dessen Begründung, auch nach ausdrücklicher Nachfrage, dafür, dass bei seinem über 70-jährigen Patienten es geradezu geboten ist, diesen in den klar strukturierten Behandlungsbetrieb einer Rehaklinik einzugliedern mit einer umfassenden Betreuung und Anleitung, wie sie bei einer Trennung von Unterbringung und Behandlung nicht so gewährleistet ist. Die beim Kläger noch vorhandene Mobilität jedenfalls lässt die Notwendigkeit der durch die stationäre Versorgung gewährleistete Intensität der Rehabilitation nicht entfallen.
Daher sieht der Senat in der von der Beklagten vermissten Diskussion der Sachverständigen mit der Möglichkeit einer Kompaktkur keinen Aufklärungsmangel, weil andere Maßnahmen als die stationäre Kur auszuschließen sind. Damit bleibt der Beklagten auch kein Ermessensspielraum, von dieser notwendigen Maßnahme abzusehen.
Angesichts des Verfahrensausgangs ist es gerechtfertigt, wenn die Beklagte dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten erstattet (§ 193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation.
Der 73-jährige Kläger, bei der Beklagten KVdR-versichert und aufgrund seiner geringen Rente noch eingeschränkt als Landmaschinenmechaniker erwerbstätig, leidet an schmerzhaften Wirbelsäulenbeschwerden, Coxarthrose und einem Schulter-Arm-Syndrom. Deswegen unterzog er sich zu Lasten der Beklagten im Frühjahr 2000 einer stationären Rehabilitation in Bad F. und wurde von dort als gebessert entlassen mit dem Hinweis auf Erneuerung der stationären Therapie in angemessenem Abstand. Im Anschluss daran versorgte sich der Kläger ambulant in Bad F. mit den entsprechenden Maßnahmen teilweise auf eigene Kosten. Anfang 2004 beantragte er bei der Beklagten wiederum eine stationäre Maßnahme zur Behandlung seiner Beschwerden, was vom Hausarzt W. H. befürwortet wurde, der die wohnortnahen, ambulanten Möglichkeiten als ausgeschöpft betrachtete. Die Stellungnahme des MDK vom 03.02.2004 dazu lautete, dass die fortgeschrittenen Kniegelenksänderungen rechts und auch deren konsekutive Folgeschäden im Bereich des gesamten muskuluskeletalen Systems durch stationäre Reha-Maßnahmen nicht gebessert und nicht gelindert werden können. Zur Sekundärprävention würden ambulante Maßnahmen ausreichen. Diese Stellungnahme führte zur Ablehnung der begehrten Maßnahme durch die Beklagte (Bescheid vom 25.02.2004). Unter Bezug auf die neuerliche hausärztliche Stellungnahme zur MDK-Beurteilung erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2004 zurückwies, weil ambulante physikalische Maßnahmen am Wohnort ausreichend seien.
Auf die dagegen am 25.05.2004 erhobene Klage holte das Sozialgericht Landshut nach Beiziehung medizinischer Unterlagen ein Gutachten durch die zur Sachverständigen bestellte Medizinaldirektorin Frau Dr.H. ein. Diese kommt in ihrem Gutachten vom 27.01.2006 nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, bei den vorliegenden Gesundheitsstörungen sei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur medizinisch wirksamen Behandlung des Klägers notwendig, eine ambulante Krankenbehandlung keineswegs ausreichend und verweist dazu auch auf den oben zitierten Abschlussbericht. Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichem Tage die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Hiergegen hat am 23.05.2006 die Beklagte, die bislang das Urteil nicht ausgeführt hat, Berufung eingelegt und bemängelt, dass die Sachverständige die nunmehr von der Beklagten angebotene Kompaktkur nicht in ihre Überlegungen ausdrücklich einbezogen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.01.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze bzw. den der beigezogenen wie auch der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Beschwerdewert die 500 EUR-Grenze des § 145 SGG übersteigt, ist zulässig (§§ 144, 151 SGG).
In der Sache selbst ist die Berufung unbegründet, denn der bei der Beklagten in der KVdR versicherte Kläger hat auch in seinem Alter den vollen Leistungsanspruch auf die von der Beklagten gemäß §§ 11, 27 SGB V bereitzustellenden Sachleistungen und demgemäß auch den auf die Behandlung mittels eines stationären Heilverfahrens, eine nunmehr mit dem Begriff der stationären medizinischen Rehabilitation bezeichnete Maßnahme.
Dazu ist vom Sozialgericht zutreffend festgestellt worden, dass auf den Kläger die Rechtsfolgen des § 40 Abs.2 SGB V zutreffen. Sein Gesundheitszustand erfordert unstreitig Behandlungsmaßnahmen. Im Verwaltungsverfahren hat die Beklagte ambulante Maßnahmen am Wohnort für ausreichend erachtet. Der behandelnde Arzt H. hat dies als unzulänglich eingeschätzt, wie dies auch von der vom Sozialgericht hinzugezogenen Sachverständigen beurteilt worden ist. Mit der Berufung kritisiert die Beklagte diese Einschätzung, erkennt allerdings inzwischen an, dass die bisher angebotenen Maßnahmen tatsächlich unzureichend sind und hält nunmehr eine sogenannte Kompaktkur im Sinne von § 40 Abs.1 Satz 1 SGB V für zweckmäßig. Mit deren Voraussetzungen habe sich die Sachverständige nicht ausreichend auseinander gesetzt, so dass diese als ausreichend anzusehen seien.
Dem kann nicht gefolgt werden, denn aus der Gesamtwürdigung folgt, dass auch eine solche Maßnahme unzureichend ist. Dabei erachtet der Senat die Auffassung, dass eine stationäre Reha vorrangig nur noch für nicht mehr ausreichend mobile Versicherte in Betracht komme, als eine unzulässige Einschränkung des gesetzlich vorgesehenen Behandlungskataloges. Eine derartige Reduktion auf eine solche Gruppe von Versicherten ergibt sich aus dem zum 01.01.2000 neu gefassten Text des § 40 SGB V nicht. Aus den Materialien (Drucksache 14/1245 - Fraktionsentwurf zum GKV Reformgesetz 2000 - erläuternder Teil zu Nr.21 S.36b) ist lediglich zu schließen, dass die "Kompaktkur" auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, ohne dass zugleich stationäre Maßnahmen über die zuvor schon in § 11 Abs.1 SGB V gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden sollen. Somit findet sich kein stichhaltiger Grund, der Einschätzung der vom Sozialgericht zur Hilfe hinzugezogenen Sachverständigen (vgl. BSG vom 25.03.2003 - B 1 KR 33/01 R - abgedruckt in SozR 4-1500 § 54 S.4) über die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation nicht zu folgen, zumal diese als Sozialmedizinerin in einem Versorgungsamt langjährige, einschlägige Erfahrung auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation aufzuweisen hat. Reduziert man die Aussagen des Hausarztes H. auf den medizinischen Inhalt, spricht dessen Begründung, auch nach ausdrücklicher Nachfrage, dafür, dass bei seinem über 70-jährigen Patienten es geradezu geboten ist, diesen in den klar strukturierten Behandlungsbetrieb einer Rehaklinik einzugliedern mit einer umfassenden Betreuung und Anleitung, wie sie bei einer Trennung von Unterbringung und Behandlung nicht so gewährleistet ist. Die beim Kläger noch vorhandene Mobilität jedenfalls lässt die Notwendigkeit der durch die stationäre Versorgung gewährleistete Intensität der Rehabilitation nicht entfallen.
Daher sieht der Senat in der von der Beklagten vermissten Diskussion der Sachverständigen mit der Möglichkeit einer Kompaktkur keinen Aufklärungsmangel, weil andere Maßnahmen als die stationäre Kur auszuschließen sind. Damit bleibt der Beklagten auch kein Ermessensspielraum, von dieser notwendigen Maßnahme abzusehen.
Angesichts des Verfahrensausgangs ist es gerechtfertigt, wenn die Beklagte dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten erstattet (§ 193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.
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