L 5 KR 153/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 273/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 153/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten für privatärztliche Behandlungen.

Die 1936 geborene Klägerin ist seit 1981 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Sie behauptet, bei Beginn des Versicherungsverhältnisses habe die Beklagte mit ihr vereinbart, sie dürfe ärztliche Behandlungen nicht nur als Sachleistungen zugelassener Leistungserbringer beanspruchen, sondern könne auch Kostenerstattung für privatärztliche Behandlungen, insbesondere des Dermatologen Prof. Dr. P. erhalten. Dem entsprechend hatte die Beklagte in der Vergangenheit die Kosten aus Rechnungen approbierter Ärzte erstattet.

Mit Bescheid vom 14.07.2004/Widerspruchsbescheid vom 02.09.2004 lehnte die Beklagte es ab, die Kosten für ambulante Behandlungen des Prof. Dr. P. vom 04.01. bis 05.09.2002 gemäß Rechnung vom 05.06.2004 zu erstatten. Die Klägerin könne nur Sachleistungen von zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen und ermächtigten Ärzten sowie ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen erhalten. Zu diesen zähle Prof. Dr. P. nicht, ein Ausnahmefall wie Notfallbehandlung oder nicht ausreichende vertragsärztliche Versorgung liege nicht vor.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und geltend gemacht, die Beklagte müsse sich an die Vereinbarung aus dem Jahr 1981 halten lassen, welche über Jahrzehnte hinweg praktiziert worden sei. Sie habe auch eine Erklärung über die Wahl der Kostenerstattung mit dem Ausschluss der Erstattung für Rechnungen von Nichtvertragsbehandlern und Nichtvertragseinrichtungen mit dem Vermerk versehen, die Klägerin erhalte seit Jahren ausschließlich Privatbehandlungen. Die Beklagte hat erwidert, die Klägerin sei unter dem 19.12.2003 darauf hingewiesen worden, dass sie ab 08.01.2004 nur noch Leistungen zugelassener Ärzte und Einrichtungen beanspruchen dürfe. Die Beteiligten haben sich nach angenommenem Anerkenntnis der Beklagten vom 07.07.2005 darauf verständigt, dass die Streitsache hinsichtlich der Kostenerstattung für die ambulanten Leistungen des Prof. Dr. P. aus dem Jahre 2002 erledigt ist. Die Klägerin hat daraufhin die Klage erweitert und Feststellung beantragt, die Beklagte sei auch künftig verpflichtet, ohne vorherige Genehmigung Kosten aus Behandlungen von Nichtvertragsärzten zu erstatten.

Mit Urteil vom 09.03.2006 hat das Sozialgericht die Klage im zuletzt noch strittigen Umfange abgewiesen unter Hinweis auf die bestehende Rechtslage, wonach die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse Kosten für die Leistungen nicht zugelassener Ärzte nicht erstatten darf. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Fortführung einer in der Vergangenheit geübten rechtswidrigen Verwaltungspraxis.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Ziel, auch künftig ohne vorherige Genehmigung Kostenerstattung für Behandlungen von Nichtvertragsärzten zu erhalten. Der entsprechende Anspruch folge aus den Vereinbarungen des Jahres 1981 sowie aus der langjährig geübten Verwaltungspraxis der Beklagten. Die Beklagte dürfe sich nicht einseitig von dieser rechtlichen Bindung lösen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.03.2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte auch über den 31.12.2003 hinaus verpflichtet ist, der Klägerin Kostenerstattung für nicht zur Behandlung durch die gesetzliche Krankenkasse zugelassene Leistungserbringer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) aber unbegründet. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Zeit ab 01.01.2004 einen Anspruch auf Kostenerstattung für privatärztliche Leistungen.

Streitgegenstand ist nach zulässiger Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG das Feststellungsbegehren der Klägerin auf Kostenerstattungspflicht der Beklagten ab 01.01.2004 für privatärztliche Leistungen. Über den ursprünglichen Gegenstand, die Ablehnung von Kostenerstattung für Leistungen des Prof. Dr. P. aus dem Jahre 2002 gemäß Bescheid vom 14.07.2004/Widerspruchs-bescheid vom 02.09.2004, ist durch das angenommene Anerkenntnis der Beklagten sowie die beidseitige Erledigungserklärung der Beteiligten nicht mehr zu befinden.

Die gemäß § 9 SGB V bei der Beklagten freiwillig krankenversicherte Klägerin hat nur gemäß § 13 SGB V einen Anspruch auf Kostenerstattung. Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein ursprünglicher Leistungsanspruch. Dieser Anspruch auf Krankenbehandlung ist wie auch die übrigen Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Sachleistungsprinzip geprägt. Es stellt sicher, dass alle Versicherten unabhängig von ihrem sozialen Status, ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit oder ihrem Gesundheitszustand die gleiche medizinische Behandlung erhalten, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und den medizinischen Fortschritt berücksichtigt (§ 2 Abs. 1 SGB V). Dem entsprechend wird die ärztliche Versorgung gemäß § 72 Abs. 1, 2 SGB V durch Vertragsärzte sichergestellt, § 73 SGB V. Insoweit können die Versicherten aber nur unter den Ärzten bzw. medizinischen Zentren frei wählen, die zur vertragsärztlichen Versorgung auch zugelassen, ermächtigt oder verpflichtet sind, § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Andere Ärzte dürfen nur im Notfall, welcher im streitgegenständlichen Falle nicht gegeben ist, in Anspruch genommen werden, § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

Diese Regelung schließt es gleichzeitig aus, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen von approbierten Ärzten, die zur gesetzlichen Krankenversorgung nicht zugelassen sind, in Anspruch nehmen können oder für eine solche privatärztliche Leistung Kostenerstattung erhalten. Nach diesen unzweifelhaften und auch mit höherrangigem Recht im Einklang stehenden Regelungen hat die Klägerin somit keinen Anspruch auf Kostenerstattung jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum.

Die Klägerin kann auch nicht einen Besitzstand daraus herleiten, dass die Beklagte für die Zeit bis einschließlich 2003 ihr Kosten für privatärztliche Leistungen erstattet oder diese Kostenerstattung eingeräumt hat. Der Senat kann insoweit das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellen, ihr sei bei Eintritt in die Versicherung der Beklagten vor rund 26 Jahren das Recht eingeräumt worden, privatärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Zugunsten der Klägerin kann insoweit auch unterstellt werden, dass es der Beklagten als Ersatzkasse nach früherem Recht nicht verwehrt war, freiwillig versicherten Mitgliedern in der Satzung die Möglichkeit der Kostenerstattung mit freier Wahl unter approbierten Ärzten einzuräumen, wie dies wohl auch geübte Praxis war. Zwar war diese Vorgehensweise umstritten, sie ist jedoch vom Bundessozialgericht nie ausdrücklich für unzulässig erklärt worden (vgl. BSG Urteil vom 11.07. 2000 - B 1 KR 14/99 R). Denn jedenfalls mit In-Kraft-treten der Neuregelungen durch das Gesundheits-Strukturgesetz zum 01.01. 1993 sowie im Zuge der Novellierung des § 13 Abs. 2 SGB V durch das Zweite GKV-Neuordnungsgesetz vom 23.06.1997 (BGBl I S. 1520) hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass der gesetzlichen Krankenversicherung Kostenerstattung für nicht zugelassene Leistungserbringer verwehrt ist (vgl. BSG a.a.O.). Durch diese eingetretenen Rechtsänderungen ist die Zulässigkeit der privatärztlichen Behandlung bei Ersatzkassenmitgliedern gänzlich beseitigt worden. Damit wäre auch der Regelungsgegenstand einer zugunsten der Klägerin unterstellten bescheidmäßigen Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vollständig weggefallen, so dass im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X sich eine solche Entscheidung erledigt hätte.

Allein die bis Ende 2003 geübte rechtswidrige Praxis der Klägerin kann für diese keinen Kostenerstattungsanspruch für alle Zukunft unabhängig von geltendem Recht einräumen. Jedenfalls durch das Aufklärungsschreiben vom 19.12.2003 war der Klägerin unmissverständlich bekannt gegeben worden, dass sie für die hier streitige Zeit keine privatärztlichen Leistungen zu Lasten der Beklagten mehr in Anspruch nehmen darf. Anhaltspunkte für ein schützenswertes Vertrauen sind damit ab 01.01.2004 nicht ersichtlich.

Das Begehren der Klägerin, für alle Zukunft unabhängig von gesetzlichen Regelungen anders als alle anderen Krankenversicherten Kostenerstattung für privatärztliche Leistungen zu erhalten kann deshalb auf keine rechtliche Grundlage gestützt werden. Die Berufung war in vollem Umfange zurückzweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen sind insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 11.07.2000 - B 1 KR 14/99 R - nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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