L 6 R 128/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 49 R 2497/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 128/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 21/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechtigung des Klägers zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge für das Jahr 2004.

Der 1957 geborene Kläger war von 1972 bis November 1999 in seinem erlernten Beruf als Fernmeldehandwerker bei der D. versicherungspflichtig beschäftigt. Von November 1999 bis März 2001 wurden Pflichtbeiträge bei Sozialleistungsbezug gezahlt.

Seit April 2001 bezieht der Kläger VAP-Rente. Seither blieben zwei Anträge auf Erwerbsminderungsrente erfolglos: Der Erstantrag vom Juni 2000 erledigte sich im Juli 2002 durch Klagerücknahme. Ein zweiter Antrag vom Januar 2004 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 bestandskräftig abgelehnt, da der Kläger zwar nicht mehr als Fernmeldemechaniker, jedoch noch im zumutbaren Verweisungsberuf "als Fachberater für Telekommunikation" tätig sein könne. Nunmehr ist ein drittes Rentenverfahren, aufgrund des Antrags vom 26.04.2005 anhängig.

Das Versicherungskonto des Klägers enthält freiwillige Beiträge von April 2001 bis Dezember 2003. Diese Beitragszahlung beruht auf mehreren Anträgen des Klägers, denen die Beklagte stattgegeben hat. Die Beklagte wies den Kläger dabei mehrfach auf die gesetzliche Frist für die Nachzahlung freiwilliger Beiträge hin. Gleichzeitig räumte die Beklagte im Einzelfall jeweils großzügigere Zahlungsfristen aus verschiedenen Gründen ein: - Für die Beiträge des Jahres 2001 ergab sich die nachträgliche Zulassung zur Beitragszahlung als Folge der Unterbrechungswirkung des ersten Rentenverfahrens. Der Kläger hielt jedoch auch diese verlängerte Frist nicht ein. - Mit Antrag vom 18.08.2003 räumte der Kläger seine Fristversäumnis bezüglich der Beitragszahlung für die Jahre 2001 und 2002 ein und begründete diese mit "Scheidung, Unterhalts- und Sorgerechtsstreitigen sowie Lohnpfändungsverfahren". Seinem Antrag, "auf Grund dieser besonderen Umstände eine Nachzahlung für den genannten Zeitraum ausnahmsweise" zuzulassen, entsprach die Beklagte "ausnahmsweise" bzw. "nach den Gesamtumständen". Zugleich wies die Beklagte darauf hin, dass bezüglich der Beiträge für 2003 die allgemeine Frist gemäß Merkblatt gelte. - Am 15.03.2004 beantragte der Kläger die freiwillige Beitragszahlung für 2003 "zur Erhaltung meines Rentenanspruches nach Ablauf des derzeit laufenden Widerspruchsverfahrens ( ...). Nur so kann ich als Versorgungsempfänger der D. weiter meine Bezüge erhalten." Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ließ die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 17.06.2004 zur Zahlung freiwilliger Beiträge ab 01.01.2003 zu. Sie berechnete, ausgehend von den Mindestbeiträgen, eine Beitragsschuld bis Juni 2004 in Höhe von 1.404,00 EUR. Für die Beiträge des Jahres 2003 setzte sie eine Frist bis 20.10.2004. Im Übrigen verwies sie auf die gesetzliche Frist. Der Kläger zahlte die Beiträge fristgerecht ein.

Am 18.05.2005 erteilte der Kläger eine Ermächtigung zum Einzug von Beiträgen, verbunden mit dem Hinweis, "dass er bereits eine Einzugsermächtigung" bezüglich des Jahres 2004 abgegeben habe. Die Beklagte stellte fest, dass eine solche nicht vorliege und auch die Voraussetzungen für eine besondere Härte gemäß § 197 Abs.3 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) nicht vorgetragen seien. Sie lehnte mit Bescheid vom 06.06.2005 die Entgegennahme freiwilliger Beiträge für das Jahr 2004 ab, da die Frist im März 2005 geendet habe. Die Frist sei dem Kläger auch auf Grund des Bescheides vom 17.06.2004 bekannt gewesen.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger nach wie vor geltend, bereits im November 2004 die Einzugsermächtigung postwendend zurückgesandt zu haben. Im Übrigen habe er den Bescheid vom 17.06.2004 nicht erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) München. Er wiederholte die Argumente des Widerspruchs und meinte zudem, die Beklagte hätte ihn jedenfalls noch vor dem 31.03.2005 auf die zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nötige Beitragsentrichtung hinweisen müssen.

Mit Urteil vom 02.12.2005 wies das SG die Klage ab: Grundsätzlich gelte für freiwillige Beiträge die Frist bis zum 31.03. des Folgejahres gemäß § 197 Abs.2 SGB VI. Unstreitig habe der Kläger diese Frist versäumt. Auch eine Abbuchungsvereinbarung mit der Beklagten seien vor Fristablauf nicht zu Stande gekommen. Das vom Kläger behauptete Absenden der Einzugsermächtigung bereits im November 2004 und deren Zugang bei der Beklagten sei nicht nachweisbar. Die Feststellungslast hierfür treffe den Kläger. Eine fristgemäße Abbuchungsvereinbarung bestehe daher nicht. Zu Recht habe die Beklagte die Zulassung zur Beitragsnachzahlung nach Fristablauf abgelehnt. Der Kläger könne auch keine besondere Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft im Sinne von § 197 Abs.3 SGB VI, geltend machen. Denn im Gegensatz zum gesetzlichen Erfordernis sei der Kläger an der rechtzeitigen Beitragszahlung nicht "ohne Verschulden gehindert" gewesen. Die Fristversäumnis sei zumindest fahrlässig im Sinne von § 276 BGB verursacht. Soweit der Kläger vortrage, den Bescheid vom 17.06.2004 nicht erhalten zu haben, so sei dies nicht glaubhaft. Denn der Bescheid habe die Berechtigung des Klägers zur freiwilligen Beitragszahlung für das Jahr 2003 festgestellt und eine Beitragsrechnung enthalten, entsprechend der auch tatsächlich die Beiträge gezahlt worden seien. Ohne Kenntnis dieses Bescheides hätte der Kläger die Beitragsrückstände nicht in der korrekten Höhe begleichen können und noch nicht einmal Kenntnis von seinem Recht hierzu gehabt. Unabhängig davon hätte der Kläger aber auch durch Erhalt der aktuellen Beitragsrechnung vom 04.11.2004 von seiner Berechtigung zur weiteren Zahlung freiwilliger Beiträge erfahren. Auch ohne den Bescheid vom 17.06.2004 habe er - nach mehrfachen Hinweisen der Beklagten - die generelle Zahlungsfrist für freiwillige Beiträge gekannt. Selbst wenn der Kläger tatsächlich eine Einzugsermächtigung im November 2004 an die Beklagte abgesandt hätte, so hätte es der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprochen, sich angesichts fehlender Abbuchungen vor Ablauf der Frist bei der Beklagten diesbezüglich nochmals zu erkundigen. Es habe dem Kläger oblegen, seine Kontoauszüge regelmäßig zu prüfen, um eine fristgerechte Abbuchung sicherzustellen. Das entsprechende Unterlassen sei zumindest fahrlässig. Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne sich der Kläger nicht beziehen. Insbesondere müsse sich die Beklagte kein Fehlverhalten vorhalten lassen. Eines nochmaligen Hinweises bis März 2005 habe es nicht bedurft. Dies insbesondere im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls: Denn der Kläger habe noch mit Antrag vom 15.03.2004 deutlich gemacht, dass ihm die Rechtslage bekannt sei.

Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger nochmals seine Argumente aus den vorhergehenden Rechtsbehelfen.

Er beantragt:

1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.12.2005 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2005 verurteilt, die freiwillige Beitragszahlung für das Jahr 2004 beim Kläger zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie die Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung der Beitragsnachzahlung für das Jahr 2004 nach Ablauf der gesetzlichen Frist. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil mit zutreffenden Gründen ausgeführt. Der Senat schließt sich dieser Begründung uneingeschränkt an und sieht von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 153 Abs.2 SGG).

An der Fristversäumnis ändert auch das mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 abgeschlossene Verfahren nichts. § 198 Satz 1 SGB VI bestimmt insoweit zwar eine Fristunterbrechung und damit einen Neubeginn des Fristenlaufs, dessen Modalitäten generell nicht abschließend geklärt sind. Fraglich ist, ob die Beiträge für sämtliche Monate des Jahres 2004 demselben Fristenregime unterliegen (siehe Peters in Kasskomm, § 198 Anm.9). Diese Frage ist nach Meinung des Senats zu bejahen. Es gilt damit "einheitlich die Dreimonatsfrist (Januar bis März) des Folgejahres" (siehe Peters a.a.O.). Damit hätten die Beiträge für Januar bis Mai 2004 innerhalb von drei Monaten nach bestandkräftig abgeschlossenem Verfahren, spätestens also im September 2004, gezahlt werden müssen. Aber auch nach der von Peters (a.a.O.) bevorzugten Lösung einer einheitlichen Sechsmonatsfrist ab Verfahrensabschluss wäre hier noch im Jahr 2004 zu zahlen gewesen. In beiden Varianten würde sich hier also zugunsten des Klägers nichts ändern. Der Kläger hat das begehrte Nachzahlungsrecht nicht mehr. Aber auch wenn man, anders als der Senat, von einer unterschiedlichen, monatsbezogen "gestaffelten Frist" (Peters, a.a.O.) ausginge, so ergäbe sich damit zwar jeweils für den Januarbeitrag eine knapp fünfzehnmonatige, für den Dezemberbeitrag dagegen nur eine knapp viermonatige Frist. Auch daraus könnte der Kläger für sich kein Nachzahlungsrecht für das gesamte Jahr 2004 herleiten, umso weniger, als es für die Beitragsmonate des zweiten Halbjahres am Unterbrechungstatbestand des § 198 SGB VI vollständig fehlt.

Der Kläger hat mithin die Zahlungsfrist des § 197 Abs.2 SGB VI in der Tat versäumt. Daran muss er sich auch festhalten lassen. Er kann insbesondere aus der im Jahr 2003 von der Beklagten - äußerst großzügig - eingeräumten weiteren Frist nach Fristversäumnis für das hiesige Verfahren nichts herleiten. Ein schutzwürdiges Vertrauen, die Beklagte werde auch künftig gesetzliche Fristbestimmungen nicht zu seinen Lasten anwenden, konnte der Kläger hierauf nicht aufbauen. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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