L 6 R 638/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 4401/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 638/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 2. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten festgestellte Rentenversicherungspflicht ihrer Tätigkeit als selbständige Dozentin bei der Beigeladenen zu 1) von Januar 1996 bis August 1999; sie macht demgegenüber geltend, es habe ein - insgesamt sozialversicherungspflichtiges - Beschäftigungsverhältnis vorgelegen.

Die Klägerin ist 1950 geboren.

Im streitigen Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1) - wie auch zuvor, seit 1991, schon bei der Volkshochschule L. - unterrichtete sie das Fach Deutsch als Fremdsprache in entsprechenden Vollzeitkursen für junge, aber nicht mehr schulpflichtige Spätaussiedler. Es handelte sich im Fall der Klägerin um Jahreskurse, die mit der Ablegung des qualifizierten Hauptschulabschlusses endeten und die mit öffentlichen Geldern gefördert wurden ("Garantiefonds").

Hierbei wurde das Bildungsangebot eines Kurses zur Vorbereitung auf den Qualifizierten Hauptschulabschluss entsprechend dem Charakter der Beigeladenen zu 1) als einer Einrichtung der Jugendsozialarbeit ergänzt durch Freizeitbeschäftigung im Rahmen von Internatsunterbringung, sozialpädagogische Betreuung, Beratung bei der Berufsfindung etc. Vor dem streitigen Zeitraum waren diese Kurse von der Beigeladenen zu 1) in Kooperation mit der Volkshochschule (VHS) - letztere verantwortlich für den Bildungspart - durchgeführt wurden, wobei die Klägerin ihre Unterrichtstätigkeit im Auftrag der VHS ausübte. Seit dem streitigen Zeitraum verantwortet die Beigeladene das Kurskonzept insgesamt, wobei für den Bildungspart verschiedene Experten hinzugezogen wurden. Dieses Konzept war ebenso wie der bayerische Hauptschullehrplan des Kultusministeriums für die Klägerin verbindlich.

Im Jahr 2001 führte die Beigeladene zu 2) bei der Beigeladenen zu 1) eine Betriebsprüfung durch und stellte dabei fest, dass die Klägerin selbständig sei; zur Überprüfung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) schaltete sie die Beklagte ein, der sie den von der Klägerin im Juli 2001 ausgefüllten Fragebogen übersandte. Die darin enthaltenen Fragen, ob sie - ihre Arbeitszeit frei gestalten könne und - bei Erkrankung und Urlaub eine Ersatzkraft stelle, wurden von dieser bejaht. Sie sei nicht zur persönlichen Ausführung der Arbeit verpflichtet, nicht weisungsabhängig oder in den betrieblichen Arbeitsablauf eingegliedert. Ihr Unternehmerrisiko sei "relativ groß, abhängig von einzelnen Projekten"

Am 07.01.2002 leitete die Beklagte ein Überprüfungsverfahren gemäß § 2 SGB VI ein. Im Juli 2002 ließ die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten mitteilen, sie habe neben der Beigeladenen zu 1) bis zum Kalenderjahr 1996 noch einen zweiten Auftraggeber, nämlich die Volkshochschule gehabt, der weggefallen sei und nicht habe ersetzt werden können. Daher habe sie bei der Beigeladenen zu 1) ab September 1999 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen.

Im Juli 2002 machte die Klägerin die von der Beklagten formblattmäßig geforderten Angaben zu ihrer Tätigkeit. Dabei bejahte sie nunmehr im Unterschied zur Angabe vom Juli 2001 ihre Weisungsabhängigkeit.

Laut Einkommenssteuerbescheid 1996 bis 1999 hatte die Klägerin in den Jahren 1997 und 1998 "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" in einer Größenordnung von etwa 30.000,00 DM.

Am 22.05.2003 erteilte die Beklagte der Klägerin drei Bescheide: 1. Sie stellte zunächst die Versicherungspflicht der Klägerin ab Januar 1996 gemäß § 2 Satz 1 Nrn.1 bis 3 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) fest und berechnete hieraus eine Beitragsnachforderung in Höhe von 15.598,59 DM, entsprechend 7.975,48 EUR, zuzüglich Säumniszuschläge. 2. Laut weiterem Bescheid sei die Beitragsforderung für die Zeit Januar bis November 1996 verjährt; für die Zeit ab Dezember 1996 seien die Beiträge jedoch zu zahlen. 3. Die Pflichtversicherung finde ihr Ende zum 31.08.1999 mit der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit.

Gegen die Bescheide ließ die Klägerin Widerspruch einlegen. Nach zutreffender rechtlicher Würdigung sei sie Arbeitnehmerin der Beigeladenen zu 1) gewesen, mit der sie zu völlig gleichen Bedingungen im Übrigen ab September 1999 ein unstreitig versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe. Am Betriebsprüfungsverfahren sei sie im Übrigen nicht beteiligt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 28.11.2003 Klage zum Sozialgericht Landshut: sie sei in den Betrieb des Beigeladenen zu 1) integriert gewesen und habe kein Unternehmerrisiko getragen. Auf gerichtliche Anforderung legte die Beigeladene zu 1) die vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin vor, weiterhin die allgemeine "Aufgabenbeschreibung" für ihre Honorarmitarbeiter sowie das "Stellenprofil" für Mitarbeiter. Nur letztere haben - bei sonst weitgehender Übereinstimmung der Beschreibungen - die Befugnis der "Fachaufsicht ( ...) über die weiteren im Kurs unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer."

In der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2005 wurde der Dienststellenleiter L. der Beigeladenen zu 1), J. O. , als Zeuge vernommen.

Mit Urteil vom 02.06.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stützte sich im Wesentlichen auf die Aussagen des Zeugen O. , wonach von einer Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) bis August 1999 nicht ausgegangen werden könne. Auch die Auskünfte der Klägerin selbst im Verwaltungsverfahren sprächen gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung im streitigen Zeitraum.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin am 01.09.2005 Berufung ein. Versicherungspflicht nach § 2 Abs.1 Nr.1 habe nicht bestanden. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sei die Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Benutzung der dortigen Räumlichkeiten und der Arbeitsmittel. Auch das vorgelegte Stellenprofil spreche für Weisungsgebundenheit. Die Statusänderung im Jahr 1999 sei nicht aufgrund einer geänderten Tätigkeit zu begründen.

Nach den Ermittlungen der Beklagten, des SG und des Senats stellt sich die Tätigkeit der Klägerin wie folgt dar:

Für den fraglichen Zeitraum der Lehrertätigkeit liegen fünf Verträge der Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin vor über ganze bzw. auch über halbe Schuljahre. Im ersten Vertrag von Januar bis Juli 1996 war der "zeitliche Einsatz" mit 10,5 Stunden angesetzt, die beiden Folgeverträge liefen jeweils über das ganze Schuljahr mit 20 Wochenstunden (1996/1997) bzw. "nach Bedarf" (1997/1998). Für das Schuljahr 1998/1999 erhielt die Klägerin zwei Halbjahresverträge über "20 Stunden" bzw. "nach Bedarf". Dabei entsprechen nach Aussage der Klägerin 20 Wochenstunden dem Anteil des Deutschunterrichtes einer Klasse, während sich die übrigen 15 Wochenstunden der Klasse auf in der Regel sechs Fächer mit sechs verschiedenen Lehrern verteilen. In allen diesen mit "Honorarvertrag" bezeichneten Vereinbarungen wird von "freier Mitarbeit" gesprochen, die "nicht sozialversicherungspflichtig" sei. Die Verträge wurden jeweils für eine "Einrichtung" abgeschlossen, nämlich der erste Vertrag bis Juli 1996 für "Intensivkurs L.", die übrigen Folgeverträge jedoch sämtlich für "IK B.". Die Tätigkeit wird jeweils als Lehrtätigkeit bezeichnet, ergänzt im Einzelfall durch "Betreuung" bzw. "Organisation Schulung B.". Unterrichtsstunden wurden mit einem Satz von 45,00 DM bzw. 40,00 DM, sonstige Stunden (Betreuung, Organisation u.a.) mit einem um 5,00 DM niedrigeren Satz vergütet; daneben wurden die Fahrtkosten nach km-Satz erstattet.

Nach dem streitigen Zeitraum ab September 1999 bestand ein zunächst auf ein Jahr befristeter Dienstvertrag als pädagogische Mitarbeiterin "in der Einrichtung Intensivkurs L." mit 25 Wochenstunden nach den Richtlinien für Arbeitsverträge des Deutschen Caritasverbandes (AVR); der Dienstvertrag wurde zunächst für ein weiteres Jahr mit dem Einsatz zu 40 % in B. und zu 60 % in T. bei nunmehr ingesamt 35 Wochenstunden verlängert und dann ab 01.09.2001 unbefristet abgeschlossen. In dieser Zeit erteilte die Klägerin wöchentlich z.B. 30 und mehr Wochenstunden Unterricht (laut Abrechnungen aus dem Jahr 2005).

Die Kursorte, an denen die Klägerin tätig wurde, insbesondere also B. , wurden alle vom Standort L. aus verwaltet. Die Leitung dort hatte der Zeuge O. mit seiner Stellvertreterin.

Der Kurs in B. wurde von der Beigeladenen zu 1) für eine Klasse mit Internatsunterbringung in einem speziell dafür angemieteten Klostergebäude angeboten. Aus den für die Zeit September 1997 bis September 1999 vollständig vorliegenden Monatsabrechnungen ergibt sich, dass die Klägerin meistens jeweils 14 wöchentliche Unterrichtsstunden abgerechnet hat, die sich dann jeweils auf drei Tage à drei Stunden und einen Tag à fünf Stunden verteilten. Im Einzelfall, z.B. bei Vertretung, wurden jedoch von ihr auch bis zu acht Stunden pro Tag erteilt (Oktober 1997). Hinzu kamen weitere Stunden mit sehr unterschiedlicher Bezeichnung, wie etwa "Betreuung", "Team", Prüfungsvorbereitung", "Quali-Begleitung", "Projekttage", "Konferenz", "Stundenplan, Einteilung der Lehrer" usw. Im Schuljahr 1997/1998 rechnete die Klägerin insgesamt 139 derartiger Stunden ab neben 667 Unterrichtsstunden, im Jahr 1998/1999 wären es 273 sonstige Stunden neben 638 Unterrichtsstunden. Ausgehend von der vorgegebenen Gesamtstundenzahl der Klasse wurde der Stundenplan durch Vereinbarung der betroffenen Lehrer selbst erarbeitet. An Arbeitsmitteln stellte die Beigeladene zu 1) insbesondere einen Projektor zur Verfügung. Die benötigten Unterrichtsbücher im Fach Deutsch kaufte sie auf Vorschlag der Fachlehrerin, hier also der Klägerin. Soweit - mangels geeigneter Bücher - mit Arbeitsblättern gearbeitet wurde, arbeitete die Klägerin diese selbst aus. Zur Klärung fachlicher Fragen wandte sich die Klägerin in der Regel an das Goethe-Institut M ... Weiterbildungen hat die Klägerin auf eigene Initiative besucht oder solche, ebenfalls auf eigene Initiative, für ihre Kolleginnen angeboten. Gegenüber der Beigeladenen zu 1) war die Klägerin zu regelmäßigen Berichten nicht verpflichtet, mit Ausnahme des abschließenden Jahresberichts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 02.06.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22.05.2003, 27.06.2003 und 28.07.2003, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2003, aufzuheben.

Die Beklagte sowie die Beigeladenen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des SG und der Beigeladenen hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klägerin war im streitigen Zeitraum selbständig tätige Lehrerin ohne eigenen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und als solche gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB VI rentenversicherungspflichtig. Dies hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden ebenso wie das SG im angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt. Soweit die Klägerin demgegenüber meint, sie sei nicht im Sinne von § 2 SGB VI selbständig tätig gewesen, und ihre Berufung maßgeblich hierauf stützt, konnte sie damit nicht durchdringen.

Allerdings würde es an der Selbständigkeit dann fehlen, wenn die Klägerin, entsprechend ihren Vortrag, als abhängig beschäftigt im Sinne von § 7 Abs.1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) und daher sozialversicherungspflichtig anzusehen wäre.

Dies würde nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wie auch des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine für Arbeitnehmer typische persönlich Abhängigkeit im Sinne einer Beschäftigung voraussetzen. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (s. BSG vom 12.02.2004, B 12 KR 26/02 R). Bei der Auslegung der genannten Kriterien im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung hat der Senat außer der zitierten Entscheidung des BSG, die ebenfalls einen Dozenten im Fach Deutsch für Ausländer betraf, insbesondere die Urteile des BSG vom 18.12.2001 (B 12 KR 8/01), des BAG vom 17.01.2006 (Az: 9 AZR 61/05) und vom 09.03.2005 (5 AZR 493/04) sowie des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.11.2005 (L 5 KR 46/05) und des LSG Niedersachsen vom 16.11.2005 (L 4 KR 7/64) berücksichtigt.

In Anwendung dieser Grundsätze - insbesondere in Bewertung des Unternehmerrisikos (1), der Eingliederung (2), der Weisungsabhängigkeit (3), aber auch der Betrachtung des bisherigen Verhaltens der Vertragspartner (4.1), der Behandlung durch die Finanzverwaltung (4.2) und die Betriebsprüfung (4.3) - ist der Senat überzeugt, dass es sich vorliegend in der Tat um eine selbständige Tätigkeit handelt.

1. Unternehmerrisiko

Das Risiko des Unternehmers bezieht sich regelmäßig auf den Einsatz eigenen Kapitals und eigener Arbeitskraft. Eigenes Kapital hat die Klägerin nie nennenswert einsetzen müssen. Insbesondere die Beschaffung der Räumlichkeiten oblag nicht ihr, sondern der Beigeladenen zu 1).

Andererseits war jedoch der Einsatz ihrer Arbeitskraft mit nicht unerheblichem Risiko behaftet. Wie in dem vom BSG im Jahr 2001 entschiedenen Fall einer Sportübungsleiterin bestand zwar auch bei der Klägerin nicht die Gefahr, dass sie für tatsächlich geleistete Arbeiten nicht bezahlt wurde. Anders als dort war die Nachfrage nach ihrer Arbeitsleistung jedoch immer nur sehr befristet festzustellen. Daher wurden ihre Verträge auf ein halbes bzw. maximal ein Jahr festgelegt. Die Stundenzahl - und dementsprechend die Vergütung - variierte stark, betrug teilweise nur zehn Stunden oder wurde flexibel angesetzt. Anders war dies etwa bei der vom LSG Rheinland-Pfalz als abhängig beschäftigt beurteilten Lehrerin, die pauschale monatliche Vergütungen auch in den Ferienmonaten erhielt.

Ob ein Kurs zu Stande kam, entschied sich für die Klägerin, wie auch für die Beigeladene zu 1), immer nach der Nachfrage; diese war auch von der Beigeladenen zu 1) nicht tatsächlich zu steuern. Maßgeblich für die Nachfrage waren eher Parameter wie der jeweilige Zuzug von Spätaussiedlern und insbesondere die Frage, inwieweit Finanzmittel zur Förderung derartiger Kurse zur Verfügung standen. Schwankende Nachfrage an Deutschkursen hatte nun aber für die Klägerin ein nicht unerhebliches Risiko zur Folge.

Wie in dem vom BSG entschiedenen Fall des Volkshochschuldozenten (Urteil vom 12.02.2004) so hat auch die Klägerin ihr Honorar "pro nachgewiesener Unterrichtsstunde", nicht also pauschal erhalten. Vertretungen waren durch Absprache mit den übrigen Kursleitern selbst zu organisieren, eine Vergütung im Krankheitsfalle existierte nicht. Bei nicht ausreichender Nachfrage fanden die Kurse nicht statt. Somit wurden "Aufträge von Fall zu Fall nach Auftragslage" vergeben. Darin liegt ein typisches nicht unerhebliches unternehmerisches Risiko (s. BSG, a.a.O, Randnummer (RN) 19, 27 sowie LSG Niedersachsen, a.a.O.).

2. Eingliederung

Die Frage der Eingliederung ist gerade beim Beruf des Lehrers, der sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in selbständiger Tätigkeit ausgeübt werden kann, von Bedeutung. Es ist entscheidend darauf abzustellen, wie intensiv eine Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, die Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten kann (s. BSG, a.a.O. RN 17 sowie BAG vom 09.03.2005, RN 13). Nach der Konkretisierung dieser Grundsätze durch das BAG ist insbesondere an allgemeinbildenden Schulen von einer Eingliederung als Arbeitnehmer auszugehen, selbst bei nebenberuflicher Tätigkeit. Dagegen können Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, als freie Mitarbeiter beschäftigt sein, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt. Nach Auffassung des Senats war die Klägerin nicht in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert. Wie in dem vom BSG entschiedenen Fall des Volkshochschuldozenten, so hatte auch die Klägerin die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft anderweitig zu verwerten. Auf diese Möglichkeit und die Versuche der Klägerin, hiervon Gebrauch zu machen, hat der damalige Bevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich hingewiesen. Dass die Versuche letztlich ohne Erfolg blieben, ändert an der Möglichkeit als solcher nichts. Darin ist ein Indiz für Selbständigkeit zu sehen. In der streitigen Zeit war die Klägerin mit flexibler Stundenzahl, maximal aber halbtags für die Beigeladene zu 1) tätig und damit in einem doch eher geringen Umfang Gering im Vergleich zu der Volkshochschuldozentin im Falle des BSG (dort bis zu 29 Unterrichtsstunden), gering aber insbesondere im Vergleich zur späteren Arbeitnehmertätigkeit der Klägerin selbst. Verteilt man die von der Klägerin in den Schuljahren 1997/1998 und 1998/1999 geleisteten Stunden auf 46 Wochen im Jahr, so ergeben sich für 1997/1998 eine Unterrichtsstundenzahl von 14,5 zuzüglich drei sonstigen Stunden, insgesamt also 17,5 abgerechnete Stunden pro Woche. Für das Schuljahr 1998/1999 sind die Werte nicht sehr abweichend: 13,9 + 5,9 =19,8 Arbeitsstunden pro Woche. Die Klägerin leistete in dieser Zeit regelmäßig gemäß Stundenplaneinteilung 14 Wochenstunden Unterricht, wohingegen sie im Zeitpunkt ihrer späteren Beschäftigung zum Teil mehr als die doppelte Unterrichtsstundenzahl abzuleisten hatte.

Zweifellos ist die örtliche Bindung der Lehrtätigkeit eher ein Indiz für eine Eingliederung bei der Beigeladenen. Eine entsprechende Eingliederung ist aber geradezu typisch für jede Lehrtätigkeit, ob an einer Schule oder an einem Erwachsenenbildungsinstitut und wird daher vom BAG als "für die Statusbeurteilung ( ...) nicht bedeutsam" angesehen (BAG vom 09.03.2005, RN 25). Naturgemäß war die Klägerin an die Standortwahl der Beigeladenen zu 1) gebunden. Auch eine gewisse zeitliche Eingliederung lag zweifellos vor, nachdem die Klägerin im fraglichen Zeitraum zum Teil 20, in der Regel allerdings nur 14 Unterrichtsstunden in derselben Klasse zu geben hatte. Damit hatte sie allerdings durchaus größere Flexibilität als an Volkshochschulen oder gar allgemeinbildenden Schulen üblich. In Beziehung zu setzen ist die von der Klägerin geleistete Stundenzahl zu der Gesamtstundenzahl der Klasse von insgesamt 35. Die Unterrichtsräume standen allerdings für die Klasse exklusiv zur Verfügung, so dass auch eine gewisse Flexibilität beim Ausweichen in den Nachmittag bestand. Nachdem der tägliche Unterricht der Klägerin sich in der Vielzahl der Fälle auf drei Unterrichtsstunden beschränkte, so gab es hier doch im Rahmen der Stundenplangestaltung eine nicht unerhebliche Flexibilität innerhalb des zur Verfügung stehenden unterrichtsüblichen Zeitfensters. Dieses konnte von der Klägerin selbst in eigener Verantwortung in Absprache mit ihren Kollegen gestaltet werden, ohne dass die Beigeladene zu 1) hier Einfluss nahm. Dies übrigens im Unterschied zu der dem BAG (a.a.O.) vorliegenden Fallgestaltung; dort wurde der Stundenplan von der Schule selbst festgelegt. Ähnlich war dies im Falle der Sportübungsleiterin des BSG (Urteil vom 18.12.2001): Dort war der Unterricht gebunden in Bezug auf "durch den Hallenbelegungsplan ( ...) vorgegebene Zeiten" (BSG, a.a.O., RN 19). Auch die vom BSG in seiner Entscheidung vom 12.02.2004 (a.a.O., RN 30) für maßgeblich erachtete Frage, ob die Schule einmal vereinbarte Unterrichtszeiten einer Lehrerin einseitig ändern könne, stellt sich vorliegend daher gar nicht. Gerade die vorrangige Tätigkeit in Außenstellen der Beigeladenen zu 1) hat die zeitliche Flexibilität der Unterrichtstätigkeit der Klägerin entscheidend erhöht. Darin liegt ein weiterer entscheidender Unterschied zum letztgenannten Fall der Volkshochschuldozentin des BSG, der von der Vorinstanz dahingehend zusammengefasst worden war, "dass der Lehrbetrieb einer Volkshochschule nur dann reibungslos durchführbar sei, wenn die vielfältigen Veranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden", s. BSG vom 12.02.2004 RN 20. Auch diese - dort offenbar weitergehende - Abstimmungsnotwendigkeit hat das LSG - unbeanstandet vom BSG - nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung geführt. Ebenso wenig die Tatsache, dass "der im Umfang von 35 Wochenstunden zu erteilende Unterricht des stark verschulten Sprachlehrgangs für Aussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge ( ...) hinsichtlich Methodik und Unterrichtsmaterialien aufeinander abgestimmt werden müsse und entsprechend verbindlicher Vorgaben und regelmäßiger Konferenzen der Kursleiter" - im Rahmen einer zusätzlich vergüteten Nebenpflicht - bedürfe (s. BSG, a.a.O.). Die entsprechende Abstimmung, auch in fachlicher Hinsicht, war im Falle der Klägerin nicht sehr intensiv, zumindest was ein eventuelles Direktionsrecht der Beigeladenen zu 1) anbelangt.

Nach alledem ist der Grad der Eingliederung hier als gering, also nicht arbeitnehmertypisch zu bewerten.

3. Weisungsabhängigkeit

Nachdem die Klägerin Dienste höherer Art verrichtet hat, ist zwar das Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich der Art und Weise der Unterrichtsgestaltung naturgemäß eingeschränkt (s. BSG vom 18.12.2001, Anm.20). Im Fall der Klägerin war es besonders schwach ausgeprägt.

Zunächst war die Klägerin noch nicht einmal zu höchstpersönliche Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet; dies zeigt sich insbesondere auch in der Vertretungsregelung. An dieser rechtlichen Ausgestaltung muss sich die Klägerin heute auch festhalten lassen, selbst wenn die Frage im zu beurteilenden Zeitraum wohl niemals praktisch geworden ist. Hinsichtlich des verwendeten Unterichtsmaterials unterlag die Klägerin ebenfalls nicht den Weisungen der Beigeladenen zu 1). Auch wenn es Letztere war, die die jeweils benötigten Unterrichtsbücher gekauft hat, so geschah dies doch unter starker Einflussnahme durch die Klägerin. Auch Maßnahmen der Weiterbildung hingen maßgeblich von der Initiative der Klägerin ab; die Beigeladene zu 1) hat diesbezüglich nichts veranlasst. Ebensowenig hat sie eine nennenswerte Berichtspflicht der Klägerin geschaffen. Auch die Unterrichtspläne selbst hat die Beigeladene zu 1) nicht erstellt. Maßgeblich waren insoweit in erster Linie die Vorgaben des Kultusministeriums, welche die Beigeladene zu 1) nicht weniger band als die Klägerin. Das Angebot von Sprachkursen für Ausländer gehört ursprünglich nicht zum "Kerngeschäft" der Beigeladenen zu 1) als eine Einrichtung der Jugendsozialarbeit. Dementsprechend hat sie in den Jahren der Kooperation mit der örtlichen VHS sich hier auch eines Dritten bedient und bezogen auf den Unterricht als solchen nur ergänzende Leistungen angeboten. Auch wenn die Beigeladene zu 1) in der nun streitigen Zeit auch den Bildungspart federführend übernommen hat und insofern ihre "geistige Urheberschaft" auf das Kurskonzept als solches, einschließlich des Bildungsparts bezieht, so steht für den Senat doch fest, dass die Beigeladene zu 1) damit nicht quasi "unversehens" zur Schule geworden ist. Sie mag die Anforderungen des Lehrplans im Rahmen des Kurskonzeptes bearbeitet haben, hat hierfür jedoch externe Experten hinzugezogen, da sie selbst zu dem damaligen Zeitpunkt die entsprechenden Kenntnisse nicht hatte. Sie konnte sich dabei u.a. auch auf die Fachkompetenz ihrer Dozenten, wie der Klägerin, stützen. Dies tat sie auch bei der Unterrichtserteilung selbst. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin so gut wie weisungsfrei war, was die Art und Weise, die Lernziele zu erreichen, anbelangt. Hierfür spricht insbesondere das selbständige Anfertigen von Unterrichtsmaterialien, wie aber auch die Verantwortlichkeit bei der Auswahl von Schulbüchern.

4. Die bisherige Einordnung durch die Beteiligten, die Finanzverwaltung und Betriebsprüfung.

Auch die bisherige Behandlung des Vertrages durch die Beteiligten bzw. durch Finanzverwaltung und Betriebsprüfung spricht für Selbständigkeit der Klägerin.

4.1. Vertragsparteien

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) als zuständige Vertragsparteien haben im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsmacht das zu beurteilende Rechtsverhältnis als selbständiges ausgestaltet. Dieser Ausgestaltung kommt eine Indizwirkung zu (s. Gürtner in KassKomm, § 2 SGB VI, Anm.5). Dies zeigt sich insbesondere in den ursprünglichen, bezogen auf den streitigen Zeitraum als "zeitnah" zu bewertenden Angaben der Klägerin. Zwar schließt es insbesondere der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien zu entscheiden (s. BSG, Urteil vom 12.02.2004 Nr.23), vielmehr kommt es auf die tatsächliche Rechtsnatur der Vertragsbeziehung an, wobei jedoch auch die Vertragsbezeichnung als solche zu den tatsächlichen Umständen gehört, die als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung jedenfalls dann Bedeutung hat, wenn sie dem festgestellten tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, a.a.0., BAG vom 09.03.2005, RN 16).

4.2. Wohl noch mehr als die vertragliche Beurteilung ist die steuerliche Einordnung von Belang (s. Gürtner, a.a.O.). Auch diese wurde von der Finanzverwaltung über Jahre hinweg entsprechend der gewählten vertraglichen Ausgestaltung vollzogen: Die streitigen Einkünfte wurden einer selbständigen Tätigkeit zugeordnet.

4.3. Das Ergebnis der Betriebsprüfung durch die Beigeladene zu 2) stellt schließlich ein weiteres Indiz für die Selbständigkeit der Klägerin dar. Entgegen ihrem jetzigen Vortrag war die Klägerin bei der Betriebsprüfung jedenfalls insoweit involviert, als sie persönlich im Juli 2001 den "Fragebogen zur Beurteilung der Versicherungspflicht von freien Mitarbeitern" zur Charakterisierung ihrer Tätigkeit beantwortet hat, der dann Grundlage der angefochtenen Bescheide wurde. Die Klägerin hat somit im Betriebsprüfungsverfahren mitgewirkt, wenngleich an sie kein Bescheid ergangen ist. Im Vermerk über das Prüfergebnis wird speziell für die Klägerin festgestellt: "war nicht in den Betriebsablauf eingegliedert und auch nicht weisungsgebunden."

Nach alledem ist der Senat in seiner Gesamtabwägung zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin selbständig gewesen ist. Somit hat die Beklagte sie zu Recht als rentenversicherungspflichtige selbständige Lehrerin behandelt. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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