L 6 R 638/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 46/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 638/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist Erwerbsminderungsrente, insbesondere das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der 1944 in Bosnien-Herzegowina geborene Kläger ist kroatischer Staatsbürger und wohnt auch in Kroatien. Er hat in Serbien eine Ausbildung als "halbqualifizierter Ackerbauer - Traktorist" in einem knapp zweimonatigen Lehrgang im Jahr 1963 absolviert. Er hat dann kroatische Pflichtversicherungszeiten zurückgelegt von 1963 bis 1969 sowie während drei Monaten in den Jahren 1994 und 1996, von Mai 1994 bis Mai 1997 hat er in Kroatien freiwillige Beiträge gezahlt. In Deutschland hat er in der Zeit von 1970 bis 1990 insgesamt 219 Monate rentenrechtliche Zeiten, insbesondere aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung, zurückgelegt. Er war dabei als Hilfswerkzeugmacher bzw. Armierer und Arbeiter im Gasbeton-Fertigbau beschäftigt.

In der Folge war er von Dezember 1990 bis Februar 1992 und des Weiteren von Mai 1994 bis August 2004 ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet.

Frühere Rentenverfahren des Klägers wurden im Jahr 1980 sowie von 1990 bis 1994 durchgeführt. Hierzu finden sich in der Beklagtenakte nur mehr wenige Unterlagen, da die Akte "ausgedünnt" worden ist. Beide Anträge wurden von der Beklagten aus medizinischen Gründen abgelehnt: Bescheid vom 15.09.1980, bestandskräftig geworden nach Klagerücknahme vor dem SG Duisburg am 16.02.1982, aufgrund eines Gutachtens Dr. K. vom 02.11.1981, sowie Bescheid vom 16.07.1992 und Widerspruchsbescheid vom 11.08.1994. Die Beklagte ging von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck aus.

Der jetzige Antrag datiert vom 24.11.2003. Die Beklagte hat diesen Antrag - trotz Feststellung einer Leistungsminderung seit 14.01.2004 auf drei bis sechs Stunden täglich - aus versicherungsrechtlichen Gründen mit Bescheid vom 12.08.2004 und Widerspruchsbescheid vom 28.10.2004 abgelehnt.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.01.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut. Die Beklagte stellte daraufhin eine weitere gesundheitliche Verschlechterung auf psychiatrischem Fachgebiet fest. Seit 11.06.2004 könne der Kläger nur mehr unter drei Stunden täglich arbeiten und sei daher voll erwerbsgemindert. Aus den bekannten versicherungsrechtlichen Gründen lehnte die Beklagte jedoch einen Rentenanspruch weiter ab. Für eine ins Auge gefasste Untersuchung in Deutschland erklärte sich der Kläger unter Beilage eines Attestes für nicht reisefähig. Zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vertrat er die Auffassung, diese müssten erfüllt sein, nachdem er doch während der Arbeitslosigkeit von 1994 bis 1997 im erforderlichen Umfang drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt habe.

Das SG holte ein Gutachten nach Aktenlage der Allgemeinmedizinerin Dr. T. ein. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 28.10.2005 die durch Aktenverdünnung unvollständige medizinische Dokumentation fest. Aus den vorhandenen Unterlagen folgert sie jedoch, dass der Kläger bis zum versicherungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt - November 1991 - noch leichte und mittelschwere Arbeiten, ohne Haltungskonstanz, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, acht Stunden täglich habe verrichten können bei folgenden Gesundheitsstörungen: 1. Ängstlich depressives Syndrom, beginnendes psychoorganisches Syndrom. 2. Labiler Bluthochdruck bei Adipositas. 3. Chronische Bronchitis ohne Lungenfunktionseinschränkung. 4. Hals- und lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden.

Nach Vorlage bzw. Einholung weiterer medizinischer Unterlagen - u.a. nervenärztlicher Befundbericht Dr. B. über eine Behandlung von Juli 1987 bis Juni 1988 - gab die gerichtliche Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme ab und hielt darin an ihrer Beurteilung fest.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2006 wies das SG nach Anhörung der Beteiligten die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente gemäß §§ 43, 240, 241 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der ab 2001 geltenden Fassung. Der Kläger habe insbesondere in fünf Jahren vor der Rentenantragstellung nicht mindestens drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Die von Mai 1994 bis Mai 1997 in Kroatien gezahlten Beiträge seien, da freiwillige Beiträge, insoweit unbeachtlich. Insofern könne auch das Vorliegen eines kroatischen Rentenbezugs nicht helfen, da dieser ggf. nur als Aufschubtatbestand zu werten sei. Gleiches gelte für die Arbeitslosmeldung von Mai 1994 bis August 2004. Der Kläger habe in dieser Zeit keine Leistungen bezogen. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit vom 24.11.1997 (BGBl. 1998 II, S.2034; in Kraft getreten am 01.12.1998) sehe jedoch eine Berücksichtigung nur dann vor, wenn auch Leistungen wegen der Arbeitslosigkeit gezahlt worden seien (Art.26 Abs.2 des Abkommens). Daran fehle es hier. Schließlich sei auch kein Umstand ersichtlich, der vom Erfordernis der Belegung des 5-Jahreszeitraums mit mindestens drei Jahren Pflichtbeiträgen eine Ausnahme darstellen könne. Die Regelung des § 241 SGB VI ergebe nichts anderes, da es an einer durchgehenden Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten seit 1984 fehle und auch eine nachträgliche lückenlose Belegung nicht mehr möglich sei. Die Arbeitslosigkeitszeit stelle in diesem Sinne keine Anwartschaftserhaltungszeit dar. In dieser versicherungsrechtlichen Situation sah das SG keine Notwendigkeit zu einer Untersuchung in Deutschland, mit der der Kläger ohnehin nicht einverstanden gewesen sei. Denn unstreitig sei der Kläger seit 2004 voll erwerbsgemindert. Ebenso klar sei jedoch, dass er dies im Jahr 1991 noch nicht gewesen sei. Er habe damals noch acht Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Haltungskonstanz und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit verrichten können, wie die gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt habe. In Bezug auf das Herz-Kreislaufsystem sei die entscheidende Verschlechterung erst im Jahr 2003 diagnostiziert worden. Zwar habe der Kläger bereits 1991 über Hinterkopfschmerzen und Schwindel geklagt; diese Beschwerden könnten jedoch nicht eindeutig als Hirnstammsymptome gewertet werden. Die diesbezügliche Diagnose einer cerebrovasculären Insuffizienz im Jahr 1988 sei vieldeutig. Eine dopplersonographische Untersuchung 1992 habe keine Bestätigung erbracht. Auch 1990 sei ein Verschluss der hirnversorgenden Gefäße nicht festzustellen gewesen. Die neurologischen Befunde seien damals unauffällig gewesen. Psy- chiatrischerseits sei eine einzige stationäre Behandlung in der Zeit von April bis Juni 1992 dokumentiert mit der Diagnose eines beginnenden psychoorganischen Syndroms sowie einer symptomatischen Depression, welch letztere sich unter Therapie jedoch gebessert habe. Die auf Dauer bestehenden mnestischen Störungen hätten sich nach Befundlage bis 2004 nicht verschlechtert; dies wiederum spreche gegen eine beachtliche Leistungsminderung hierdurch bis November 1991. Bei chronischer Bronchitis sei noch im Jahr 1990 die Lungenfunktion normal gewesen. Damals weiterhin geklagte Wirbelsäulenbeschwerden hätten auf degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden beruht, bei jedoch im Wesentlichen regelrecht neurologischem Befund, abgesehen von einer Sensibilitätsstörung L5/S1 und einem positiven Lasègue. Es habe sich hier um wiederkehrende, nicht aber dauerhafte Beschwerden gehandelt, die lediglich qualitative Leistungseinschränkungen nach sich zögen.

Auch berufsunfähig sei der Kläger nicht. Er sei in Deutschland als Einschaler beschäftigt gewesen. Selbst wenn er diese Tätigkeit im Jahr 1991 nicht mehr habe ausüben können, so könne er daraus allenfalls den Berufsschutz eines Angelernten im oberen Bereich herleiten. Als solcher könne er aber noch auf Tätigkeiten als Pförtner, Verpacker, Sortierer oder Montierer zumutbar verwiesen werden und sei daher nicht berufsunfähig.

Hiergegen legte der Kläger am 17.08.2006 Berufung ein. Er bezweifelte die Fachkompetenz der gerichtlichen Sachverständigen, die ja nur Allgemeinmedizinerin sei.

Der Senat wies den Kläger auf die in seinem Versicherungsverlauf bestehenden Lücken hin.

Der Kläger trug vor, im Hinblick auf seinen Rentenanspruch freiwillige Beiträge geleistet zu haben. Er übersandte u.a. ältere (für die Zeit vor 2003) medizinische Unterlagen, von denen neu nur ein audiometrischer Befund vom 11.03.1992 ist, wonach allerdings die "Arbeitsfähigkeit bezüglich der Hörorgane nicht gemindert" ist.

Der Senat wies den Kläger darauf hin, dass kein Anlass für weitere medizinische Ermittlungen bestehe und beabsichtigt sei, entsprechend dem am 25.01.2007 erteilten klägerischen Einverständnis ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Auch die Beklagte erteilte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Der Kläger beantragt sinngemäß, 1. den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 16.05.2006 so wie den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 28.10.2004 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Er werbsminderung ab 01.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie die Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat aus versicherungsrechtlichen Gründen keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch wenn er die medizinischen Voraussetzungen hierfür erfüllt. Dies hat das SG in der angefochtenen Entscheidung zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht von einer nochmaligen Darstellung der Gründe daher ab (§ 153 Abs.2 SGG).

In der Tat hat zum versicherungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt bis November 1991 weder das damals bestehende psychoorganische Syndrom noch der Bluthochdruck noch schließlich die Erkrankung der Wirbelsäule eine schwerere Ausprägung erreicht. Von Seiten der Psyche ergibt sich dies aus den vorliegenden Befundberichten, insbesondere auch aus dem Befundbericht Dr. B. , der 1987/1988 (nur) von einer psychovegetativen Fehlsteuerung berichtet. Kardiologisch bestand noch 1998 lediglich ein Fundus hypertonicus I als Folge des Bluthochdrucks. Noch im Jahr 1992 wurde hier nur im Bedarfsfall medikamentös eingegriffen. Somit kann eine Rückwirkung auf das Herz im Jahr 1991 keinesfalls angenommen werden. Die Wirbelsäulenbeschwerden waren im Jahr 1991 lediglich rezidivierend, schränkten mithin das dauerhafte Leistungsvermögen nicht ein.

Im Berufungsverfahren hat sich kein neuer Sachstand ergeben. Der einzige neue - audiometrische - Befundbericht weist gerade keine funktionell bedeutsame Einschränkung aus und war daher auch nicht Anlass für weitere Ermittlungen. Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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