L 4 KR 2531/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1884/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2531/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte der Klägerin EUR 38,85 zu erstatten hat.

Die am 1993 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflichtversichert (in Form einer Familienversicherung über den Vater).

Kieferorthopäde H., der seine vertragszahnärztliche Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehegattin Dr. B. und der Diplommedizinerin S. in S. ausübte, erstellte am 10. Juli 2001 einen kieferorthopädischen Behandlungsplan. Er diagnostizierte transversal schmale Zahnbögen mit Distalokklusion in den Molarenbereichen, eine kompensatorische enge Protrusion in beiden Fronten mit Torsionen, einen knappen frontalen Überbiss bei tiefer basaler Konfiguration. Als Therapie war vorgesehen die harmonische Ausformung der Zahnbögen unter Distalisation in allen Quadranten zur Stützzonenerweiterung und engstandsfreien Einstellung der Eckzähne sowie die Herstellung einer gesicherten Okklusion mit abnehmbaren allo- und autodynamischen Geräten. Die Behandlungsdauer schätzte er bei gutem Verlauf und guter Mitarbeit auf ca. drei bis vier Jahre. Die geschätzten Gesamtkosten bezifferte er mit DM 4.367,61. Mit Schreiben vom 16. Juli 2001 teilte die Beklagte dem Vater der Klägerin mit, dass die Kosten der kieferorthopädischen Korrektur in Höhe von 90 Prozent übernommen würden. Die restlichen 10 Prozent werde der Kieferorthopäde pro Quartal direkt mit ihm abrechnen. Wenn die Behandlung planmäßig abgeschlossen sei, werde auch der Eigenanteil erstattet.

Nachdem ein Verfahren zur Entziehung der Zulassung eingeleitet worden war, verzichtete Kieferorthopäde H. mit Schreiben vom 22. Juli 2004 an den Zulassungsausschuss für Zahnärzte im Zulassungsbezirk Stuttgart mit Wirkung zum 30. September 2004 auf seine seit dem 01. Juli 1995 bestehende vertragszahnärztliche Zulassung. Der Zulassungsausschuss für Zahnärzte stellte in seiner Sitzung vom 24. September 2004 die Beendigung der Zulassung des Kieferorthopäden H. als Vertragszahnarzt gemäß § 28 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) fest. Die fachübergreifende vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis mit Dr. B. und Diplommedizinerin S., die ihre Vertragszulassung behielten, endete. Über den Verzicht auf seine Zulassung unterrichtete Kieferorthopäde H. seine Patienten bzw. deren Eltern und führte aus, ob er die laufende Behandlungen weiterführen könne, hänge allein vom gutem Willen der Krankenkasse ab. In einem weiteren an seine Patienten gerichteten Schreiben vom 04. Oktober 2004 führte er aus, dass diese selbstverständlich weiter in seiner Praxis kommen könnten und er die notwendigen Behandlungen vornehmen werde, auch wenn er nicht wisse, ob er das Geld von den Kassen jemals erhalten werde.

Mit Schreiben vom 28. September 2004 informierte die Beklagte den Vater der Klägerin - wie auch andere Versicherte - über den Verzicht des Kieferorthopäden H. auf seine Zulassung und wies darauf hin, dass eine Behandlung über die Versichertenkarte bei Dr. B. und Diplommedizinerin S. möglich sei. Entgegen einem Schreiben des Kieferorthopäden H. an seine Patienten, in dem er mitgeteilt habe, dass er die Patienten bis zum Abschluss des laufenden Behandlungsfalles auf privater Basis zu Kassensätzen weiterbehandeln wolle und dass die Bezahlung dieser Behandlung durch Kostenerstattung vom "guten Willen" der Krankenkasse abhängig sei, bestehe eine solche Möglichkeit nicht. Herr H. sei darauf hingewiesen worden, dass er ab 01. Oktober 2004 ausschließlich zur Behandlung von Privatpatienten berechtigt sei. Eine Kostenerstattung sei nicht möglich. Für die Fortführung der Behandlung zu ihren (der Beklagten) Lasten sei leider ein Behandlerwechsel erforderlich. Im Kreis Böblingen seien viele Kieferorthopäden zugelassen. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung habe nach § 75 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) die Pflicht, die kieferorthopädische Behandlung durch Vertragszahnärzte sicherzustellen. Dabei unterstütze sie (die Beklagte) die Patienten. Eine Liste der im Kreis Böblingen tätigen Kieferorthopäden mit Vertragszulassung wurde beigefügt.

Die Eltern der Klägerin legten gegen die Ablehnung der Weiterführung der kieferorthopädischen Behandlung beim Kieferorthopäden H. Widerspruch ein (Schreiben vom 18. Oktober 2004). Herr H. habe sie darüber informiert, dass nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungsbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkassen in Anspruch genommen werden dürften. Eine Zustimmung könne erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigten und eine gleichwertige Versorgung gewährleistet sei. Der Abbruch einer langjährigen Vertragsbeziehung und der damit verbundene Behandlerwechsel würden eine Zumutung darstellen, die den sozialen Grund zur Zustimmung der Behandlungsweiterführung ergäben. Der VdAK Landesverband in Bayern stimme im Übrigen einer Weiterführung bei Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung zu. Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 übersandte der Vater der Klägerin eine Rechnung des Kieferorthopäden H. vom 22. Dezember 2004 für das IV. Quartal 2004 über EUR 14,98 (zweimal Gebührennummer Ä1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragszahnärztliche Leistungen(BEMA-Z)) und beantragte Erstattung. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 03. Februar 2005 mit, lediglich in Ausnahmefällen komme eine Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer in Betracht. Da genügend zugelassene Leistungserbringer in angemessener Nähe zur Verfügung stünden, liege ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin "gegen die Ablehnung der Kostenerstattung der von dem Kieferorthopäden Herrn Hermann erstellten Privatrechnung ... über EUR 14,98" zurück. Zur Begründung legte er dar, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme für die Inanspruchnahme eines Nichtvertragszahnarztes nicht gegeben seien.

Die Klägerin hat am 04. April 2005 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Anspruch auf Kostenerstattung ergebe sich aus § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der bis 31. März 2007 geltenden Fassung). Mit dieser Vorschrift werde für gesetzlich Versicherte die Möglichkeit vorgesehen, sich bei nicht zugelassenen Leistungserbringern auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Kostenerstattung behandeln zu lassen. Zwar setze dies eine vorherige Zustimmung voraus. Die Erteilung der Zustimmung stehe im Ermessen der Krankenkassen. Ein Anspruch auf Zustimmung bestehe jedoch, wenn sich das Ermessen der Krankenkassen auf Null reduziere. Sowohl medizinische als auch soziale Gründe würden für die Inanspruchnahme des Kieferorthopäden H. sprechen. Dies ergebe sich bereits allein aus der Tatsache, dass sie sich in laufender kieferorthopädischer Behandlung befunden habe. Die Planung umfasse entsprechend dem kieferorthopädischen Behandlungsplan mehrere Jahre. Die Behandlung erfolge der Grundlage dieses Plans. Erforderlich seien regelmäßige Kontrollen. Durch einen Wechsel des Behandlers komme es zu langwierigen Verzögerungen und Doppeluntersuchungen. Gemäß Ziff. 5 der Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung (KFO-Richtlinien) sei bei einem Behandlerwechsel stets ein neuer Behandlungsplan auf der Grundlage einer eigenverantwortlichen Befunderhebung, Diagnostik und Planung zu erstellen. Deshalb sei der neue Behandler zwingend zu einer eigenständigen Befunderhebung verpflichtet. Diese führe zu Verzögerungen und gehe meist mit der Anfertigung von Röntgenaufnahmen einher, was zu einer unzumutbaren Strahlenbelastung der Kinder und Jugendlichen führe. Dazu komme, dass der neue Behandler nicht unbedingt nach dem gleichen System wie der alte Behandler arbeite. So sei es in anderen Bundesländern Gang und Gebe, dass laufende Behandlungen bei Zulassungsverzicht im Wege der Kostenerstattung übernommen würden. Dies gelte insbesondere für Bayern und Niedersachsen. Auch im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen Krankenkassen und Kieferorthopäden bei kollektivem Verzicht nach § 95b SGB V werde so verfahren. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb man anders verfahren solle, wenn es sich nicht um einen kollektiven, sondern um einen einzelnen Verzicht eines Kieferorthopäden handle. Außerdem hätten Schwierigkeiten mit der Weiterbehandlung durch Vertragszahnärzte bestanden. Dies ergebe sich aus einem Schreiben der Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2004 an die Kassenzahnärztliche Vereinigung für den Regierungsbezirk Stuttgart, in dem darauf hingewiesen werde, dass Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Patienten - bedingt durch die Rückgabe der Kassenzulassung von Herrn H. - bestünden. Ihre (der Klägerin) Weiterbehandlung sei auch aus sozialen Gründen geboten. Sie sei zwölf Jahre alt, an die Räumlichkeiten und die Person des Behandlers gewohnt. Es habe sich ein Vertrauen gebildet, das bei einem Behandlerwechsel erschüttert werde. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) sei die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer neu eingeführt worden. Auf die frühere Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 18. Januar 1996, 1 RK 22/95) könne deshalb nicht mehr zurückgegriffen werden. Aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Gesetzeszweck folge, dass § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V einen weiten Anwendungsbereich habe. Bei den Voraussetzungen unterscheide er sich von der Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V. In der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber zwar das Systemversagen als Anwendungsbeispiel des § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V hervorgehoben, dies allerdings nur beispielhaft. Es sei deutlich, dass auch andere Fälle als lediglich Fälle des Systemversagens einen Kostenerstattungsanspruch begründen könnten. Die von der Beklagten und dem Sozialministerium Baden-Württemberg vorgenommene restriktive Auslegung sei daher mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar. Eine vorherige Wahlrechtserklärung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V sei nicht erforderlich. § 13 Abs. 2 SGB V umfasse zwei Tatbestände. Die Wahlrechtserklärung sei nur für den ersten Tatbestand nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V erforderlich. Diese beziehe sich auf die Wahl der Kostenerstattung bei Behandlung durch zugelassene Leistungserbringer. Dies werde auch durch ein (von der Klägerin vorgelegtes) Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit und Soziales durch den Staatssekretär Dr. Sc. an den Bundesvorsitzenden des freien Verbandes deutscher Zahnärzte e.V. bestätigt. Da nach Auffassung der Beklagten eine Kostenerstattung nicht erfolgen könne und dürfe, stelle sich ihre Entscheidung als ermessensfehlerhaft dar. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass genügend qualifizierte Behandler in angemessener Nähe erreichbar gewesen seien. Diese Konstellation betreffe nur einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Beklagte ihr Ermessen überhaupt ausgeübt habe. Die Möglichkeit der Kostenerstattung bei nicht zugelassenen Leistungserbringern sei nach dem Willen des Gesetzgebers flexibel zu handhaben. Auch der Gesichtspunkt, dass das Behandlungsspektrum des Kieferorthopäden das Können anderer zugelassener Kieferorthopäden nicht übersteige, sei ermessensfehlerhaft. Hierauf komme es gerade nicht an. Entscheidend sei, dass das Behandlungsspektrum des Kieferorthopäden H. nicht geringwertiger als das anderer Vertragskieferorthopäden sei. Im Übrigen habe die Beklagte lediglich schematisch geprüft und die Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt. Dies zeige sich auch darin, dass die Beklagte in einem anderen Fall der Weiterbehandlung durch den Kieferorthopäden H. zugestimmt habe. Der Kieferorthopäde H. verzichte im Übrigen nicht auf ein Honorar, sondern habe ihr lediglich ein weiteres Zahlungsziel gesetzt. Die Klägerin hat die weitere Rechnung des Kieferorthopäden H. vom 24. März 2005 für die Behandlung im I. Quartal 2005 über EUR 23,87 (einmal Gebührennummer 01 BEMA-Z, zweimal Gebührennummer 126d BEMA-Z) vorgelegt und weiter vorgetragen, die Rechnungen des Kieferorthopäden H. seien zwischenzeitlich bezahlt.

Die Beklagte hat unter Vorlage des von ihr genehmigten KFO-Verlängerungsantrags der Dr. B. vom 14. Juli 2005 ab dem III. Quartal 2005 erwidert, die Klägerin sei wieder vertragszahnärztlich versorgt und des Weiteren der Klage entgegengehalten, dass allein im Kreis Böblingen dreizehn zugelassene Zahnärzte für Kieferorthopädie praktizierten. Zusätzlich gebe es noch Zahnärzte mit Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie. Auch in angrenzenden Landkreisen seien zahlreiche Kieferorthopäden zugelassen. Dadurch sei die Behandlung auch sichergestellt gewesen. Es habe keine allgemeine Blockade der Zahnärzte für Kieferorthopädie im Kreis Böblingen gegeben. In einem Patientenrundbrief vom 04. Oktober 2004 habe der Kieferorthopäde H. seinen Patienten u.a. mitgeteilt, dass diese selbstverständlich weiterhin in seine Praxis kommen könnten. Er werde vorerst die notwendigen Behandlungen vornehmen, auch wenn er nicht wisse, ob er das Geld von den Kassen jemals erhalten werde. Ob die Privatrechnung tatsächlich bezahlt worden sei, entziehe sich ihrer Kenntnis. Bei der Kostenerstattung nach § 13 SGB V handele es sich um eine Ausnahmebestimmung. Diese könne nach Auffassung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung und nach ihrer (der Beklagten) Auffassung nur geltend gemacht werden, wenn zuvor eine Kostenerstattung gewählt und bei ihr beantragt worden sei. Der Vater der Klägerin sei Ende September 2004 sofort nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Ausschluss einer Kostenerstattung ab 01. Oktober 2004 informiert worden. Einer Weiterbehandlung durch den Kieferorthopäden H. habe sie nie zugestimmt. Die angebotene Hilfe bei der Suche nach einem neuen Kieferorthopäden sei nicht angenommen worden. Fraglich sei, warum die Behandlung nicht von den beiden Praxispartnerinnen übernommen worden sei. Insbesondere Dr. B. habe damals Behandlungsübernahmen abgelehnt, wobei sie zwischenzeitlich Ausnahmen mache. Mit dem von der Klägerin zitierten Brief sei die Kassenzahnärztliche Vereinigung lediglich aufgefordert worden, die Verpflichtungen von Dr. B. als Vertragszahnärztin einzufordern. Das Behandlungsspektrum des Kieferorthopäden H. habe nicht dasjenige anderer zugelassener Kieferorthopäden überstiegen. Eine Versorgungslücke bestehe nicht. Ein Behandlerwechsel sei bei einer langjährigen kieferorthopädischen Behandlung keine Ungewöhnlichkeit, komme z.B. bei einem Wohnortwechsel dauernd vor. Eine Notfallsituation habe nicht vorgelegen. Die in Bayern bestehende Sachlage treffe laut Mitteilung des Sozialministeriums Baden-Württemberg für Baden-Württemberg nicht zu. Ein Ermessensfehlgebrauch sei ihr nicht vorzuwerfen. Insbesondere seien alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Gesichtspunkte ermittelt und in die Abwägung einbezogen worden.

Das SG hat den Kieferorthopäden H. als sachverständigen Zeugen gehört. Auf seine Stellungnahme vom 14. Februar 2006 (Bl. 58 SG-Akte) wird verwiesen.

Durch Urteil vom 20. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V unterscheide sich zwar von einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V. Er sei jedoch an die Bedingungen geknüpft, dass die Krankenkasse der Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers vorab zustimme. Die Erteilung der Zustimmung stehe im Ermessen der Krankenkasse. Die Klägerin habe eine vorherige Zustimmung der Beklagten vor Beginn der Weiterbehandlung nach dem 30. September 2004 nicht beantragt. Eine vor Behandlungsbeginn erteilte Zustimmung könne nicht nachträglich ersetzt werden. Gegenstand des Klageverfahrens sei auch lediglich der Kostenerstattungsanspruch, nicht dagegen die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Zustimmung gewesen. Eine Versorgungslücke habe nicht vorgelegen. Die fehlende vorherige Zustimmung könne auch nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzt werden. Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V seien nicht erfüllt.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Mai 2006 eingelegte - vom SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene - Berufung der Klägerin. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das SG. Das SG habe in seiner Entscheidung völlig überraschend darauf abgestellt, dass der Anspruch an der fehlenden vorherigen Zustimmung, die auch nicht nachträglich ersetzt werden könne, scheitere. Diese Frage sei nicht Gegenstand der bis dahin ausgetauschten rechtlichen Überlegungen gewesen. Das Gericht hätte spätestens in der mündlichen Verhandlung auf diesen Gesichtspunkt hinweisen müssen. Die Frage der Zustimmung sei jedenfalls auch Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dies ergebe sich aus dem Schreiben vom 18. Oktober 2004, das jedenfalls einen solchen Antrag auf Zustimmung darstelle. Entgegen der Ansicht des SG sei ein Antrag auf Zustimmung im Falle einer kieferorthopädischen Dauerbehandlung im Übrigen schon in der Vorlage des kieferorthopädischen Behandlungsplans zu sehen. Darüber hinaus habe jedenfalls ein Notfall im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V vorgelegen. Auch ein Herstellungsanspruch greife aufgrund falscher Beratung und fehlerhafter Ablehnung der Zustimmung zur Kostenerstattung durch. Im Übrigen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen das in § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V normierte Zustimmungserfordernis. Die Einführung des § 13 Abs. 2 SGB V in der seit dem 01. Januar 2004 geltenden Fassung gehe zurück auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (z.B. Urteil des EuGH vom 12. Juli 2001, Vanbraekel, C-368/98, und das Urteil vom 28. April 1998, Kohll, C-158/96) mit denen der EuGH eine Öffnung des Leistungssystems auch für ausländische Leistungsanbieter fordere. Wenn in Reaktion auf diese Rechtsprechung eine Öffnung des Sachleistungssystems im Hinblick auf die Inanspruchnahme ausländischer Leistungserbringer geschaffen worden sei, zwinge dies zu einer entsprechenden Kostenerstattungsregelung auch für die Inanspruchnahme inländischer Leistungserbringer. Inländische Leistungserbringer seien im Vergleich mit ausländischen Leistungserbringern ungleich behandelt, wenn deren Inanspruchnahme von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werde. Der Gesetzgeber behandle somit wesentlich Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. April 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr EUR 38,85 zu erstatten, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. April 2006 und des Bescheids der Beklagten vom 03. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Verfahren. Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, der Gerichtsakten des SG sowie die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht erhobene, vom SG nach § 144 SGG zugelassene Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Der Klägerin steht weder der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 38,85 noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung zu. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die Klägerin kann ihren Kostenerstattungsanspruch nicht auf die mit Bescheid vom 16. Juli 2001 erteilte Genehmigung des Behandlungsplans durch die Beklagten stützen. Die Genehmigung des nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei kieferorthopädischen Maßnahmen, Anlage 6 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte, vor Beginn der Behandlung vom behandelnden Kieferorthopäden zu erstellenden Behandlungsplan ist ein Verwaltungsakt (vgl. BSGE 49, 68; 77, 227). In diesem Bescheid hat die Beklagte zwar mitgeteilt, dass sie die Kosten der kieferorthopädischen Korrektur auf der Grundlage des am 10. Juli 2001 erstellten Behandlungsplans des Kieferorthopäden H. in Höhe von 90 vH übernimmt. Daraus folgt jedoch keine Bindung der Beklagten im Hinblick auf eine Behandlung bei nicht (mehr) zugelassenen Leistungserbringern. Mit der Genehmigung hat die Beklagte aber nur anerkannt, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine kieferorthopädischen Behandlung vorgelegen. Die Bewilligung kann aber nur Ansprüche im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, nicht einen Anspruch auf Kostenerstattung für eine von der Klägerin bei einem Nichtvertragsarzt beschaffte Leistung auslösen. Die Bewilligung gilt nach ihrem Sinn und Zweck nur für Behandlungen im Rahmen der von den gesetzlichen Krankenkassen zu verantwortenden Leistungserbringung. Die Genehmigung bezieht sich auch nur auf den Kieferorthopäden, der den genehmigten Behandlungsplan erstellt hat. Denn nur er hat bei eventuellen Verstößen gegen gesetzliche oder vertraglichen Vorschriften gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und damit mittelbar nach § 75 Abs. 1 SGB V auch gegenüber der Beklagten zu verantworten (BSG SozR 3-2500 § 29 Nr. 3). Kann der Kieferorthopäde, der den genehmigten Behandlungsplan erstellte, die Behandlung nicht mehr fortführen, hat sich dessen Behandlungsplan erledigt. Denn die Behandlung wird nicht (weiter) durchgeführt. Damit hat sich nach § 39 Abs. 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) auch der Verwaltungsakt erledigt. Es ist unerheblich, ob die Beklagte die durch Verwaltungsakt erfolgte Genehmigung des erstellten Behandlungsplanes nach § 45 oder 48 SGB X zurücknehmen durfte.

2. Der grundsätzlich bestehende Sachleistungsanspruch nach § 29 Abs. 1 SGB V hat sich nicht in einen Anspruch auf Kostenerstattung umgewandelt. Als Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) haben nach § 29 Abs. 1 SGB V Versicherte Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift leisten Versicherte zu der kieferorthopädischen Behandlung nach Abs. 1 einen Anteil in Höhe von 20 vH der Kosten an den Vertragsarzt. Befinden sich mindestens zwei versicherte Kinder, die bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mit ihren Erziehungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt leben, in kieferorthopädischer Behandlung, beträgt der Anteil nach Satz 1 für das zweite und jedes weitere Kind 10 vH.

Die Klägerin kann ihren Kostenerstattungsanspruch nicht auf § 13 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V (in der für den vorliegen Fall noch maßgeblichen, bis 31.März 2007 geltenden Fassung des GMG vom 14. November 2003 [BGBl. I, S. 2190]) stützen. § 13 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V (seit 01. April 2007 Satz 6 und 7) begründen keinen eigenständigen Kostenerstattungsanspruch, sondern lediglich eine Modifizierung des in § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V angelegten Kostenerstattungsanspruchs.

2.1. § 13 Abs. 2 SGB V in der bis 31. März 2007 geltenden Fassung sieht vor, dass Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung wählen können (Satz 1). Sie sind von ihrer Krankenkasse vor ihrer Wahl zu beraten (Satz 2). Eine Beschränkung der Wahl auf den Bereich der ambulanten Behandlung ist möglich (Satz 3). Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden (Satz 4). Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist (Satz 5). Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Abs. 3 Satz 1 SGB V im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen (Satz 6). Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte (Satz 7). Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln (Satz 8). Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen (Satz 9). Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Jahr gebunden (Satz 10).

Einen Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V hat die Klägerin nicht, weil sie bzw. ihr Vater nicht Kostenerstattung gewählt haben. Der Auslegung der Klägerin, wonach § 13 Abs. 2 SGB V zwei verschiedene und rechtlich voneinander unabhängige Kostenerstattungsansprüche regeln soll, stehen der Wortlaut, systematische Überlegungen sowie Sinn und Zweck der Regelung entgegen.

2.1.1. Bereits vom Wortlaut her ergibt sich, dass eine Anspruchsgrundlage lediglich in § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannt ist. Nur an dieser Stelle erwähnt der Gesetzestext eine "Kostenerstattung" als Anspruch. Die weiteren Bestimmungen des § 13 Abs. 2 SGB V beziehen sich lediglich auf Modifizierungen des in § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V begründeten Kostenerstattungsanspruchs. Das Gesetz zählt insoweit ergänzend tatbestandliche Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs und Modifikationen des Wahlrechts im Hinblick auf eine Beschränkung auf den Bereich der ambulanten Behandlung sowie Bestimmungen zur Höhe des Kostenerstattungsanspruchs auf. Auch Satz 4 bezieht sich lediglich auf eine inhaltliche Modifikation des zuvor begründeten Kostenerstattungsanspruchs. Dieser beschränkt sich nämlich wie der Anspruch auf Sach- und Dienstleistungen grundsätzlich auf die Inanspruchnahme zur Leistungserbringung zugelassener Behandler. Ausnahmsweise können demnach nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse auch andere Leistungserbringer in Anspruch genommen werden. Eine eigenständige Regelung im Hinblick auf die Begründung eines weiteren Kostenerstattungsanspruchs ergibt sich bereits nach dem Wortlaut des Satzes 4 nicht.

2.1.2. Auch systematische Überlegungen sprechen gegen die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 13 Abs. 2 SGB V. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach Ansicht der Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch, durch eine Wahl des Versicherten, begründet. Wenn die Auffassung der Klägerin zutreffend wäre, dass § 13 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V daneben einen unabhängig davon bestehenden weiteren Kostenerstattungsanspruch begründen würde, wäre die Bestimmung in § 13 Abs. 2 Satz 10 SGB V, wonach die Versicherten an die Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Jahr gebunden sind, kaum nachvollziehbar. Satz 10 kann sich wegen seines Regelungsgehalts nur auf Satz 1 beziehen. Damit wird der gesamte Abs. 2 des § 13 SGB V durch Ausführungen zur "Wahl" des Versicherten verklammert. Hieraus wird deutlich, dass § 13 Abs. 2 SGB V lediglich einen Kostenerstattungsanspruch, der eben von einer Wahl des Versicherten abhängt, regelt. Auch wäre die Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 8 SGB V unsystematisch. Sie hätte dann direkt im Anschluss an Satz 1 der genannten Vorschrift erfolgen müssen. Die Regelungen des §§ 13 Abs. 2 Satz 4 bis 6 SGB V betreffen vielmehr nur die Frage, welche Leistungen erstattungsfähig sind (Höfler in Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 Rdnr. 21). Sie setzen daher voraus, dass überhaupt ein Kostenerstattung gewählt worden ist.

2.1.3. Auch historische Gründe sprechen für die vom Senat vertretene Auslegung. Bis 31. Dezember 1988 war eine Kostenerstattung nicht vorgesehen. Umstritten war, ob Krankenkassen für freiwillig Versicherte etwa in der Satzung einen solchen Anspruch begründen konnten (etwa BSG SozR 2200 § 182 Nr. 74 und BSG SozR 3-2200 § 321 Nr. 1). Ab 01. Januar 1993 wurde durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2266) für freiwillig Versicherte die Möglichkeit einer Kostenerstattung eingeführt. Durch das Erste GKV-Neuordnungsgesetz vom 23. Juni 1997 (BGBl. I, S. 1518) wurde diese Möglichkeit ab dem 01. Juli 1997 auf alle Versicherte erweitert. Diese Erweiterung wurde durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, S. 3853) ab dem 01. Januar 1999 wieder rückgängig gemacht. Durch das GMG vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) wurde die Möglichkeit einer Wahl der Kostenerstattung ab 01. Januar 2004 wieder für alle Mitglieder eingeführt. Damit bestand wieder die bereits in der Zeit vom 01. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 geltende Rechtslage. Als Begründung wurde hierfür angegeben, dass viele Pflichtversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung in der nur den freiwillig Versicherten eingeräumten Möglichkeit der Kostenerstattung ein ungerechtfertigtes Privileg sähen. Außerdem könnten in Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs künftig alle Versicherte bei Leistungserbringung in anderen Staaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums Kostenerstattung in Anspruch nehmen, weshalb die Einschränkung im Inland im Ergebnis nicht überzeuge. Schließlich solle das Kostenbewusstsein und die Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt werden. Es entspräche der Vorstellung vom mündigen Bürger, die Versorgungsform frei zu wählen (dazu Höfler in Kasseler Kommentar SGB V, § 13 Rdnr. 16; Begründung des Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 80). Damit sollte allen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit gegeben werden, anstelle der Gewährung der Leistungen als Sach- und Dienstleistungen die Kostenerstattung zu wählen. Eine über die bereits früher für freiwillige Mitglieder bestehende Wahlmöglichkeit hinausgehende Erweiterung der Kostenerstattungsregelungen war damit nicht beabsichtigt. Eine solche Ausweitung, die es unabhängig von der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V und unabhängig von einer zeitlich befristeten Bindung an eine Wahl eine Kostenerstattung auch im Einzelfall ermöglichen würde, widerspricht prägenden Grundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere dem in § 2 Abs. 2 SGB V niedergelegten Grundsatz der Erbringung von Leistungen, ohne dass eine Abweichung von diesem Prinzip durch eine klare, eindeutige Regelung dargelegt wäre. Damit stellt sich der Regelungsgehalt des § 13 Abs. 2 SGB V so dar, dass Versicherte grundsätzlich in einer gegenüber der Krankenkasse zu erklärenden Entscheidung, gegebenenfalls nach Beratung durch die Krankenkasse, anstelle der Sach- und Dienstleistung auch das Verfahren der Kostenerstattung wählen können. Diese Wahl, die sich gegebenenfalls auch nur auf den ambulanten Behandlungsbereich erstrecken kann, sind die Versicherten mindestens für ein Jahr gebunden. Erst nachdem eine solche Wahl getroffen worden ist, können Versicherte Leistungen auf einer privatärztlichen Behandlung in Anspruch nehmen und die ihnen dadurch entstehenden Kosten nachträglich im Wege der Kostenerstattung bei den gesetzlichen Krankenkassen geltend machen. Ausgeschlossen ist dagegen die Wahl des Versicherten von Behandlungsfall zu Behandlungsfall oder die Beschränkung der Wahl auf bestimmte Leistungen (Noftz in Hauck/Noftz Sozialgesetzbuch SGB V, § 13 Rdnr. 28 ff; Hornig, Handbuch des Fachanwalts für Sozialrecht, 1. Auflage, S. 403).

Auch bei Wahl der fakultativen Kostenerstattung kann der Versicherte jedoch weiterhin nur auf die Behandlung bei Vertragsärzten zugreifen. Dies entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 13 Nr. 7) zum früher geltenden Recht und findet ihren Niederschlag eben in der Bestimmung des § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V. Danach sind die nicht im Vierten Kapitel genannten Leistungserbringer dem Grundsatz nach von der Inanspruchnahme durch die Versicherten ausgeschlossen. Lediglich nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse, die das Vorliegen medizinischer oder sozialer Gründe und eine mindestens gleichwertige Versorgung verlangt, kann ausnahmsweise auch die Behandlung bei einem nicht zur vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Behandler einen Kostenerstattungsanspruch begründen. Hieraus folgt zwangsläufig, dass grundsätzlich eine Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer auch bei der fakultativ gewählten Kostenerstattung nicht in Betracht kommt.

2.1.4. Soweit die Klägerin hilfsweise vorträgt, die Vorschrift des § 13 Abs. 2 SGB V sei jedenfalls dann wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig, weil eine Ungleichbehandlung nicht zugelassener Leistungserbringer im Inland im Vergleich zu Leistungserbringern im europäischen Ausland bestehe, kann der Senat diesen Erwägungen nicht folgen. Nach § 13 Abs. 4 SGB V, ebenfalls eingeführt zum 01. Januar 2004 durch das GMG, sind Versicherte auch berechtigt, Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift dürfen allerdings nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen durch Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufs Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind und die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaats zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Auch der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V ist damit vor allen Dingen aus Gründen der medizinischen Qualität der Versorgung und der Wirtschaftlichkeit nicht unbeschränkt gültig. Auch im europäischen Ausland dürfen nur bestimmte Behandler in Anspruch genommen werden. Eine freie, uneingeschränkte Befugnis, Privatbehandlungen im Ausland durchführen zu können, ohne dass dies vorher von der Krankenkasse genehmigt werden müsste, besteht auch bei Behandlungen im europäischen Ausland nicht. Auch dort bestehen bestimmte Einschränkungen des Kostenerstattungsanspruchs. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten kann der Senat deshalb im Hinblick auf die Einschränkung des Kostenerstattungsanspruchs bei Privatbehandlung im Inland nicht erkennen.

Vor diesem Hintergrund scheitert der mit der Klage geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch bereits daran, dass die Klägerin nicht vor Behandlungsbeginn generell die Kostenerstattung anstelle eines Behandlungsanspruchs, der auf Sach- oder Dienstleistungen gerichtet ist, gewählt hat. Allein der Umstand, dass sie sich auch im IV. Quartal 2004 weiterhin in die kieferorthopädische Behandlung bei dem Kieferorthopäden H. begab, begründet eine derartige Wahl nicht. Die Wahl ist vielmehr allgemein gültig, gegebenenfalls auf die ambulante Behandlung beschränkt, gegenüber der Beklagten zu erklären. Eine solche Erklärung der Klägerin lag weder zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns noch für einen späteren Zeitpunkt vor. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bereits mit dem Schreiben vom 28. September 2004 eine vorherige Zustimmung nach § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V ablehnte sowie ob die Klägerin etwa durch den "Widerspruch" vom 18. Oktober 2004 eine solche Zustimmung beantragte und die Beklagte durch die Ablehnung der Kostenerstattung mit dem angefochtenen Bescheid vom 03. Februar 2005 inzident die Zustimmung ablehnte bzw. falls man die Ablehnung in dem früheren Schreiben vom 28. September 2004 sehen sollte - erneut ablehnte. Da die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch nicht auf § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V stützen kann, ist auch nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind.

2.2. Auf § 13 Abs. 3 SGB V kann die Klägerin ihren Kostenerstattungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Eine Kostenerstattung kommt nach dieser Vorschrift in Betracht, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.

Eine unaufschiebbare Leistung in diesem Sinne lag nicht vor. Unaufschiebbarkeit kann nur angenommen werden, wenn ein ärztliches Handeln keinen Aufschub duldet, weil andernfalls eine drohende Verschlechterung des Gesundheitszustands von erheblichem Ausmaß eingetreten wäre. Der Kieferorthopäde H. hat die Klägerin am 05. Oktober 2004 und am 14. Dezember 2004 beraten (Rechnung vom 22. Dezember 2004) und am 10. März 2005 nach eingehender Untersuchung ein Bracket entfernt. Bei diesen Leistungen ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen diese unaufschiebbar gewesen sein sollten. Eine drohende Verschlechterung des Gesundheitszustands durch einen gegebenenfalls einige Wochen dauernden Aufschub der Behandlung ist jedenfalls nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Zwar hat die Klägerin mit ihrem "Widerspruch" vom 18. Oktober 2004 beantragt, dass der Kieferorthopäde H. die weitere Behandlung durchführen kann, so dass zumindest die Beratung am 14. Dezember 2004 und die Untersuchung am 10. März 2005 vorab beantragt gewesen wäre, jedoch war die Beklagte nicht verpflichtet, Leistungen durch den Kieferorthopäden H. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Aufgrund seines Verzichts auf die Zulassung war er kein zugelassener Leistungserbringer mehr. Ein Systemversagen im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V lag nicht vor. Im Landkreis Böblingen und in den an den Landkreis Böblingen angrenzenden Landkreisen standen weitere Kieferorthopäden zur Behandlung zur Verfügung. Im Übrigen hat auch die früher mit dem Kieferorthopäden H. in der Gemeinschaftspraxis tätige Ehefrau, Dr. B., ab dem III. Quartal 2005 die weitere Behandlung übernommen. Der von der Beklagten für notwendig erachtete Behandlerwechsel infolge des Verzichts auf die Zulassung durch den Kieferorthopäden H. belastet die Klägerin im Übrigen auch nicht unzumutbar. In der Tat führt ein Behandlerwechsel zu erneuten Untersuchungen und gegebenenfalls einer neuen Planung des neuen Behandlers, zur Unzumutbarkeit führt dies im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin allerdings nicht. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein Behandlerwechsel keine Seltenheit ist. Solche Wechsel kommen insbesondere bei Umzügen vor. Psychische Besonderheiten im Falle der Klägerin, die eine derart enge Bindung an den bisherigen Behandler begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar muss der Behandler, der die kieferorthopädische Behandlung weiterführt, einen neuen Behandlungsplan erstellen. Da er aber auf die Befunde des Erstbehandlung zurückgreifen kann, muss nicht unbedingt in jedem Fall die von der Klägerin herausgestellte vollständige neue Befunderhebung, unter Umständen mit Röntgenaufnahmen, erfolgen. Gewisse Unannehmlichkeiten sind im Hinblick auf die grundlegende Systematik des SGB V jedem Versicherten zumutbar, jedenfalls solange diese Unannehmlichkeiten nicht zu einer drohenden medizinischen Fehlversorgung oder Unterversorgung führen.

3. Auch ein Herstellungsanspruch greift nicht durch. Auf diesen kann eine Kostenerstattung nicht gestützt werden (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 8). Im Übrigen ist ein Fehlverhalten der Beklagten, das einen Herstellungsanspruch begründen könnte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Klägerin vielmehr frühzeitig, nämlich bereits mit Schreiben vom 28. September 2004 auf die Konsequenzen des Zulassungsverzichts des Kieferorthopäden H. hingewiesen. Gleichzeitig wurde der Klägerin Hilfe bei der Suche nach einem neuen Kieferorthopäden angeboten. Dieses Angebot nahm die Klägerin nicht an.

4. Auch der Hilfsantrag der Klägerin greift in der Sache nicht durch. Es besteht keine Verpflichtung der Klägerin, die Klägerin erneut zu bescheiden. Die Beklagte hatte keine Ermessensentscheidung zu treffen, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nicht vorlagen und deshalb kein Raum für eine Ermessensentscheidung der Beklagten war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Anders als das SG sieht der Senat keine grundsätzliche Bedeutung in der Frage des Verhältnisses der Kostenerstattungsansprüche des § 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V und des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Das Verhältnis lässt sich ohne weiteres anhand des Wortlauts und einer Auslegung ermitteln.
Rechtskraft
Aus
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