L 5 KR 4330/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3599/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4330/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.7.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die (Hilfsmittel-)Versorgung mit einem therapeutischen Erwachsenendreirad.

Die 1939 geborene, an chronischer Polyneuropathie leidende Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.5.2005 die Versorgung mit einem Erwachsenendreirad. Zur Begründung legte sie ein Attest des Allgemeinarztes M. vom 9.5.2005 vor und führte aus, ihre Erkrankung verursache erhebliche Gangunsicherheit; in der Regel könne sie 30 Minuten am Stück gehen. Dann lasse die Konzentration nach und es komme zur Ermüdung der Füße. Dem weiteren Fortschreiten der Krankheitsfolgen wolle sie durch Training der Beinmuskulatur begegnen. Das sei mit einem Dreirad auf ideale Weise möglich. Damit könnte sie auch wesentlich weitere Wegstrecken zurücklegen. Der Arzt M. teilte im vorgelegten Attest die Diagnosen Steh- und Gangunsicherheit bei sensomotorischer Polyneuropathie, gestörte Tiefensensibilität, Osteochondrose, Präarthrose beider Hüftgelenke mit und führte aus, die Klägerin leide unter früher Ermüdbarkeit (Gehzeit zu Fuß maximal 30 Minuten). Ein Dreirad wäre aus medizinischen Gründen empfehlenswert. Ein normales Dreirad sei wegen Sturzgefahr nicht anzuraten. Außerdem käme der Trainingseffekt den Hüft- und LWS-Beschwerden entgegen.

Mit Bescheid vom 24.5.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin, die eine Hilfsmittelverordnung des Arztes M. vom 27.6.2005 nachgereicht hatte, ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 11.6.2005 vor. Danach könne die Klägerin wegen Gangunsicherheit keine längeren Strecken zurücklegen; bereits nach 30 Minuten Gehzeit stolpere sie vermehrt. Zur Wahrnehmung der Ergotherapie- und Krankengymnastiktermine und zur Vergrößerung des Bewegungsradius sei die Verordnung eines Dreirads sinnvoll. Dadurch könne auch die Beinmuskulatur gekräftigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.8.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien. Dreiräder seien sowohl Hilfsmittel wie Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, da sie in überwiegendem Maße Merkmale eines handelsüblichen Fahrrades aufwiesen. Wie Fahrräder würden sie als Fortbewegungsmittel vornehmlich für größere Wegstrecken, die üblicherweise nicht mehr zu Fuß bewältigt würden, und zum schnelleren Fortkommen benutzt. Zu den Grundbedürfnissen im Bereich der Mobilität gehörten jedoch lediglich die Bewegungsmöglichkeiten in der eigenen Wohnung und im unmittelbaren Nahbereich außerhalb der Wohnung, der üblicherweise von gesunden Menschen zur Erledigung von Besorgungen zu Fuß zurückgelegt werde. Diesem Grundbedürfnis auf Fortbewegung sei Genüge getan, wenn ein Selbstfahrerrollstuhl im Nahbereich bewegt werden könne. Die Bewilligung eines Dreirads gehe daher über das Maß der Grundversorgung hinaus. Die Klägerin sei im Januar 2005 mit einer Gehilfe (Rollator) versorgt worden; eine Rollstuhlversorgung könne geprüft werden.

Am 30.8.2005 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg. Sie trug (ergänzend) vor, wegen ihrer Gangunsicherheit müsse sie sehr kontrolliert gehen und auf die Fußumsetzung sowie Wegeunebenheiten achten, um nicht zu stolpern oder zu stürzen. Nach 30 Minuten lasse die Konzentration nach und es komme zur Ermüdung der Beine; das weitere Gehen werde sehr mühsam. Auch bei Benutzung des Rollators komme sie in die gleiche Situation; allerdings gebe er mehr Sicherheit auf der Wegstrecke. Der Weg zum Hausarzt oder zur Ergotherapie (30 Minuten) bringe sie an die Grenze ihrer Möglichkeiten. Vor zwei Jahren habe sie noch bis zu zwei Stunden gehen können. Ohne die Möglichkeit, ihre Beinmuskulatur zu trainieren, sei ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung zu befürchten. Ein Dreirad böte ideale Trainingsmöglichkeiten. Für sie sei entscheidend, diese Trainingsmöglichkeit zu erhalten. Das Training durch halbstündiges Gehen, einmal wöchentliches Schwimmen und Gymnastik genüge nicht (SG-Akte S. 26). Außerdem könnte sie mit dem Dreirad wesentlich weitere Wegstrecken zurücklegen. Das Dreirad sei auch aus Sicherheitsgründen notwendig. Um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele es sich nicht.

Das Sozialgericht befragte Dr. S. und den Arzt M ... Dr. S. teilte unter dem 20.11.2005 (SG-Akte S. 20) mit, er habe die Klägerin nur einmal am 10.6.2005 untersucht. Auf Grund des neurologischen Befundes müsste die Klägerin eine Wegstrecke von 500 bis 1000 Meter zu Fuß bewältigen können; in seinem Krankenblatt seien Gehhilfsmittel nicht aufgeführt. Der Arzt Meyer gab im Bericht vom 5.12.2005 (SG-Akte S. 22) an, die Klägerin werde sei Juli 2003 hausärztlich behandelt (regelmäßig ein- bis zweimal im Monat). Je nach Tagesform könne sie etwa 500 bis 1000 Meter zu Fuß zurücklegen. Ergänzend wurde im Bericht vom 12.5.2006 (SG-Akte S. 38) ausgeführt, die Benutzung eines Fahrrads, im Fall der Klägerin eines Dreirads, sei bei Hüft- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden sinnvoll aber nicht medizinisch erforderlich. Bei der Klägerin sei das Dreirad einem Zweirad vorzuziehen wegen erhöhter Sturzgefährdung bei ausgeprägter Polyneuropathie und Gleichgewichtsstörungen.

Mit Urteil vom 25.7.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, offen bleiben könne, ob es sich bei dem Dreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (i. S. d. § 33 Abs. 1 SGB V) handele (dazu: LSG Brandenburg, Urt. v. 12.3.2004, - L 4 KR 39/03 -). Das Dreirad diene nämlich weder der Sicherstellung des Erfolgs einer Krankenbehandlung noch dem Behinderungsausgleich. Nach Einschätzung des Arztes M. sei die Nutzung eines Dreirads sinnvoll, medizinisch aber nicht notwendig. Im Hinblick auf den Behinderungsausgleich müsse die Krankenkasse nicht sämtliche direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung kompensieren. Ein Hilfsmittel müsse sie nur gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Zu den Grundbedürfnissen gehörten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens, wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, selbständiges Wohnen und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Information, die Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens umfasse. Das Grundbedürfnis der Erschließung eines körperlichen Freiraums betreffe nur einen Basisausgleich; erfasst seien nur Wegstrecken, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegen könne. Der durch das Hilfsmittel zu gewährende Behinderungsausgleich sei grundsätzlich auf die grundlegenden Organfunktionen, nämlich das Gehen und Stehen, beschränkt. Durch das Hilfsmittel seien bei Gehbehinderten im Rahmen des technisch Machbaren und wirtschaftlich Vertretbaren diese grundlegenden Funktionen ganz oder teilweise herzustellen oder zu ersetzen, nicht jedoch die Fähigkeit zu gewährleisten, mittels der Beine ein schnelleres und bequemeres Fortbewegungsmittel zu betreiben (BSG, Urt. v. 16.9.1999, - B 3 KR 9/98 R -). Deshalb bestehe auch grundsätzlich kein Anspruch auf ein Hilfsmittel, das einem Versicherten das Fahrradfahren ermögliche (LSG Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2005, - L 11 KR 4607/04 -).

Auf das ihr am 14.8.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.8.2006 Berufung eingelegt. Sie hat eine persönliche Stellungnahme vom 20.2.2007 vorgelegt (Senatsakte S. 31) und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, das Dreirad diene dazu, kleinere Wegstrecken zurückzulegen und solle das Grundbedürfnis nach Mobilität befriedigen. Sie könne es ausweislich der ärztlichen Atteste nur im unmittelbaren Nahbereich verwenden. Ein Selbstfahrerrollstuhl wäre teurer als ein Dreirad. Entscheidend sei für sie, mehr Trainingsmöglichkeiten zum Erhalt und zur Kräftigung der Fuß- und Beinmuskulatur zu erhalten. Um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens gehe es nicht, vielmehr stehe eine Spezialanfertigung in Rede, vergleichbar einem Therapietandem, Rollstuhlbike oder Reha-Kinderwagen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.7.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.8.2005 zu verurteilen, ihr im Wege der Hilfsmittelversorgung ein therapeutisches Erwachsenendreirad zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der erwachsenen Klägerin stehe das behindertengerechte Fahrzeug nicht zu , weil es vorrangig der Erweiterung des Aktionsradius dienen solle. Auch aus wirtschaftlichen Gründen könne ein Therapiedreirad nicht mit einem preisgünstigeren Selbstfahrerrollstuhl konkurrieren.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin mit einem therapeutischen Erwachsenendreirad zu versorgen. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Hilfsmitteln ist in § 33 SGB V geregelt. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben sie Anspruch auf Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der Gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V).

Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Klägerin zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alternative SGB V) mit einem therapeutischen Erwachsenendreirad zu versorgen. Die 1. Alternative des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V betrifft nur solche Gegenstände, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Unter dem Begriff "Hilfsmittel, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern" sind alle sächlichen Mittel zu verstehen, die der Krankenbehandlung dienen. Es muss mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt werden; er muss allerdings nicht bereits vorliegen und nur noch zu sichern sein (vgl. BSG, Urt. v. 19.4.2007, - B 3 KR 9/06 R -). Eine Fallgestaltung dieser Art liegt hier nicht vor. Die Benutzung des Erwachsenendreirads ist, wie der behandelnde Arzt M. in seiner vom Sozialgericht eingeholten sachverständigen Zeugenaussage vom 12.5.2006 klar gestellt hat, zwar sinnvoll, medizinisch aber nicht erforderlich. Das Gesetz stellt nach seinem klaren Wortlaut aber auf die Erforderlichkeit (zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung) ab (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.07.2006, - L 24 KR 52/04 -). Die Klägerin stellt das nicht in Abrede; sie stützt ihr Begehren ersichtlich auch (allein) auf die 3. Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (Behinderungsausgleich). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch ebenfalls nicht erfüllt.

Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen. Der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs umfasst jedoch auch solche Hilfsmittel, die die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen. Ein Hilfsmittel ist von der Gesetzlichen Krankenversicherung immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Hierzu gehört auch das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Denn die notwendige medizinische Versorgung ist schon grundlegende Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können (BSG, Urt. v. 19.4.2007, a. a. O. m.w.N., ständige Rechtsprechung).

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 S 27) als Nahbereich die Entfernung bezeichnet, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später hat es dies auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; vgl. auch BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3 RdNr 11). Hierzu zählt z.B. das Einkaufen, die Erledigung von Post- und Bankgeschäften sowie der Besuch von Apotheken, Ärzten und Therapeuten. Dieser Nahbereich wird bei gehbehinderten Menschen regelmäßig durch einen handbetriebenen oder Elektro-Rollstuhl erschlossen (so ebenfalls BSG, Urt. v. 19.4.2007, a. a. O. auch zum - hier nicht vorliegenden - Sonderfall einer Wachkomapatientin).

Die Klägerin ist zur Erschließung des Nahbereichs im vorstehend beschriebenen Sinne nicht auf die Versorgung mit einem Erwachsenendreirad angewiesen. Denn sie ist in der Lage - ggf. unter Einsatz eines ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollators - eine halbe Stunde am Stück zu gehen und Wegstrecken bis zu 1000 Meter zu Fuß zu bewältigen. Das geht aus den vorliegenden Arztberichten des Dr. S. und des Arztes M. (übereinstimmend) hervor. Außerdem könnte die Klägerin einen Rollstuhl einsetzen; zur Versorgung mit diesem Hilfsmittel ist die Beklagte auch grundsätzlich bereit. Damit ist sie in der Lage, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um einzukaufen bzw. Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (vgl. dazu auch LSG Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2005, - L 11 KR 4607/04 -). Die konkreten Wohnverhältnisse, etwa die konkrete Entfernung von der Wohnung der Klägerin zu einem Postamt oder einer Arztpraxis, sind nicht maßgeblich (BSG, Urt. v. 19.4.2007, a. a. O.). Die Klägerin hat im Übrigen selbst vorgetragen, ihren Hausarzt und den Ergotherapeuten aufsuchen zu können, mag sie das auch (so die Klägerin) an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen.

Im Kern möchte die Klägerin zum einen ihren Bewegungsradius erweitern und - wie sie zur Begründung ihres Antrags vom 11.5.2005 und ihrer beim Sozialgericht erhobenen Klage vorgetragen hat - wesentlich weitere Wegstrecken zurücklegen; außerdem geht es ihr um ein Training der Beinmuskulatur. Diese Zwecksetzungen sind, wie dargelegt, vom Behinderungsausgleich i. S. d. 3 Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V) nicht mehr erfasst. Da das begehrte Dreirad vorliegend nicht zur Erschließung des Nahbereichs der Wohnung erforderlich ist, kommt es auch auf ein etwaiges Wahlrecht des Versicherten unter verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln (vgl. § 33 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, SGB I, sowie etwa BSG, Urt. v. 24.5.2006, - B 3 KR 16/05 R -) nicht an.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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