L 5 R 5209/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 5191/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5209/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.6.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neuberechnung ihrer Altersrente unter Berücksichtigung (weiterer) Beitragszeiten vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 sowie vom 1.1.1969 bis 17.5.1971.

Die 1944 geborene Klägerin stellte am 10.10.2003 einen Antrag auf Kontenklärung bei der Beklagten. Auf dem Antragsformular gab sie an, sie sei vom 31.3.1964 bis 1.8.1968 durchgehend bei der Zentraleuropäischen Versicherungs-AG (ZVA, jetzt Sparkassenversicherung, Verwaltungsakte S. 24) sowie vom 1.9.1968 bis 1.6.1971 bei der Fa. W. (zuvor Fa. O.) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. In einer Aufstellung der Klägerin (Verwaltungsakte S. 16) heißt es demgegenüber, die Beschäftigung bei der ZVA habe in der Zeit vom 16.8.1959 bis 31.8.1968 stattgefunden.

Die Klägerin legte Unterlagen vor. Aus einer Bescheinigung der Fa. O. vom 31.12.1968 (Verwaltungsakte S. 9) geht hervor, dass die Klägerin dort vom 2.9. bis 31.12.1968 beschäftigt war und für diese Zeit Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. In einem Schreiben der Fa. O. vom 14.1.1969 (Verwaltungsakte S, 11) heißt es, der Klägerin werde (u.a.) die Versicherungskarte Nr. 1 übergeben, da sie zum 31.12.1968 ausgeschieden sei. Nach einem Zeugnis der Fa. H. H., Werksvertretung der Fa. W., vom 18.5.1971 (Verwaltungsakte S. 14) war die Klägerin vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 bei diesem Unternehmen angestellt. In einem Schreiben der DAK vom 19.2.1971 (Verwaltungsakte S. 13) heißt es, man habe erfahren, dass die Klägerin als Mitglied der DAK im 1. und 2. Quartal 1970 wegen Unfallfolgen ärztlich behandelt worden sei. Schließlich ist in einem Schreiben der ZVA vom 31.10.1968 (Verwaltungsakte S. 12) ausgeführt, der Klägerin werde in der Anlage die vorläufige Angestelltenversicherungskarte Nr. 1 mit dem Eintrag für das Jahr 1968 übersandt.

Die Klägerin teilte im weiteren Verfahren (Schreiben vom 29.10.2003, Verwaltungsakte S. 27) mit, von April bis September 1964 habe sie als Au-pair-Mädchen in einem Privathaushalt in der Schweiz gearbeitet; hierüber gebe es keine Unterlagen mehr. Ab September/Oktober 1964 sei sie sodann wieder bei der ZVA beschäftigt gewesen.

Die Beklagte führte Ermittlungen zu den streitigen Beschäftigungszeiten durch, die erfolglos blieben. Die Fa. W. teilte unter dem 28.10.2003 mit, Unterlagen über die Beschäftigung der Klägerin lägen nicht mehr vor. Den damaligen Beschäftigungsbetrieb – Fa. H. H. – gebe es nicht mehr, die Firmeninhaber seien verstorben (Verwaltungsakte S. 28). Auch die DAK verfügte (nach Ablauf der 30-jährigen Aufbewahrungsfrist) über keine Unterlagen mehr (Verwaltungsakte S. 31).

Mit Bescheid vom 26.1.2003 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin fest. Die streitigen Zeiten vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 und vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 wurden nicht in den Versicherungsverlauf aufgenommen; insoweit sei eine Beitragszeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Mit Schreiben vom 9.12.2003 (Verwaltungsakte S. 43) bat die Klägerin um Überprüfung, ob sie unter ihrem Geburtsnamen (H.) oder mit dem Vornamen B. geführt worden sei. Nach der Eheschließung am 14.6.1967 habe sie den Namen B. angenommen. Die daraufhin angestellten Überprüfungen der Beklagten verliefen ebenfalls ergebnislos.

Am 19.1.2004 beantragte die Klägerin Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres, die mit Bescheid vom 10.3.2004 ab 1.3.2004 bewilligt wurde (Verwaltungsakte S. 34, Zahlbetrag 230,27 EUR monatlich). In Anlage 10 des Rentenbescheids (Verwaltungsakte S. 45) ist ausgeführt, man habe die Nichtberücksichtigung der Zeiten vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 und vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 nochmals (gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) überprüft. Neue Beweismittel lägen nicht vor. Außerdem enthalte die Versicherungskarte Nr. 2, die in Mikroverfilmung vorliege, Raum für weitere Eintragungen. Diese seien jedoch vom damaligen Arbeitgeber, der ZVA, nicht vorgenommen worden. Die Ausstellung einer Folgekarte sei nicht dokumentiert. Daher verbleibe es bei der Ablehnungsentscheidung.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Beschäftigung bei der ZVA könne durch Zeugen bewiesen werden. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen bei der AOK Stuttgart durch. Auch diese verliefen ohne Ergebnis, Unterlagen für die streitigen Zeiten konnten nicht ermittelt werden (Verwaltungsakte S. 52).

Mit Widerspruchsbescheid vom 2.7.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die streitigen Zeiten würden bei ihr keine Beitragsunterlagen verwahrt. Die Beitragskonten seien bis auf wenige genau bekannte Ausnahmen – zu denen der Name der Klägerin nicht gehöre – erhalten geblieben. Eine Beitragsentrichtung sei nicht nachgewiesen. Der angebotene Zeugenbeweis führe nicht weiter, da die zu beweisenden Tatsachen über 30 Jahre zurücklägen. Es gebe keine Beweisregel, wonach mit der Glaubhaftmachung eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in jedem Fall auch eine entsprechende Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber überwiegend wahrscheinlich sei. Vielmehr müsse grundsätzlich auch die Beitragsentrichtung selbst glaubhaft gemacht werden. Trotz des glaubhaft gemachten Beschäftigungsverhältnisses sei eine Beitragsentrichtung nicht überwiegend wahrscheinlich. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe dies nicht hervor; sie könnten allenfalls die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses belegen.

Am 4.8.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie trug ergänzend vor, sie habe zunächst bis 31.3.1964 bei der Sparkassenversicherung (bzw. ZVA) gearbeitet und sei sodann ein halbes Jahr lang als Haushaltshilfe in der Schweiz tätig gewesen. Im Herbst 1964 (während der Volksfestzeit) habe sie dann wieder bei der Sparkassenversicherung angefangen, wo sie bis 31.8.1968 beschäftigt gewesen sei. Beschäftigung und Beitragsabführung könnten Zeugen bestätigen. Die ZAV sei ein seriöses Unternehmen gewesen, das die Sozialversicherungsbeiträge für seine Beschäftigten gezahlt habe. Entsprechendes gelte für die Beschäftigung bei der Fa. O. bzw. der Fa. W ... Sie habe zudem ein Krankenversicherungsscheckheft gefunden, in dem Behandlungen des Jahres 1969 dokumentiert seien (SG-Akte S. 5,6).

Die Beklagte legte mikroverfilmte Dokumente (Versicherungskarten, SG-Akte S. 57 ff.) vor und führte ergänzend aus, die behauptete Beitragsentrichtung sei nach wie vor weder bewiesen noch glaubhaft gemacht. Bis 31.3.1964 sei die Klägerin bei der Sparkassenversicherung beschäftigt gewesen. Das gehe aus der Versicherungskarte Nr. 2 hervor, die sich in ihrem Mikrofilmarchiv befinde. Die Stadt S. habe die Versicherungskarte Nr. 2 am 10.3.1965 aufgerechnet und an den Versicherungsträger weitergeleitet. Eine Folgekarte sei nicht ausgestellt worden. Das ergebe sich aus dem Stempel "Folgekarte nicht ausgestellt". Die Behauptung der Klägerin, sie habe im Herbst 1964 die Beschäftigung bei der Sparkassenversicherung wieder aufgenommen, sei mit dem Umtausch der Versicherungskarte Nr. 2 nicht vereinbar; bei Wiederaufnahme der Beschäftigung hätte kein Anlass für den Umtausch im März 1965 bestanden. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Arbeitgeber zur Dokumentation der Beitragsabführung eine gültige Versicherungskarte benötigt. Hätte man die Versicherungskarte (etwa) deshalb umgetauscht weil die Klägerin von einem Bedarf für eine neue Versicherungskarte ausgegangen wäre, wäre die Ausstellung einer Versicherungskarte Nr. 3 von der Stadt S. vermerkt worden. Das sei jedoch durch den Stempel "Folgekarte nicht ausgestellt" ausgeschlossen.

Gegen die Ausstellung einer Versicherungskarte spreche auch, dass die ZVA der Klägerin am 31.10.1968 eine vorläufige Angestelltenversicherungskarte Nr. 1 mit dem Eintrag für 1968 ausgestellt habe. Daraus müsse gefolgert werden, dass für 1964 bis 1967 keinerlei Eintragungen in Versicherungskarten vorgenommen worden seien. Im Hinblick auf die Einstufung der Arbeitgeberin als seriöses und besonders beitragstreues Unternehmen sei dem Schreiben vom 31.10.1968 (Ausstellung einer vorläufigen Angestelltenversicherungskarte Nr. 1) zu entnehmen, dass wenigstens für 1964 bis 1967 Beiträge nicht entrichtet worden seien, daher also auch ein Beschäftigungsverhältnis fraglich sei.

Auch für den Zeitraum vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 habe das Lohnabzugsverfahren mit Eintragung der Entgelte durch den Arbeitgeber in die Versicherungskarte gegolten. Für die im von der Klägerin vorgelegten Zeugnis der Fa. O. (vom 18.5.1971) genannte Zeit hätte daher eine Versicherungskarte existieren müssen. Das solle nach dem Schreiben der Fa. O. vom 14.1.1969 zwar der Fall gewesen sein. Die dort angesprochene Versicherungskarte Nr. 1 sei jedoch nicht zu ihrem, der Beklagten, Bestand gelangt. Man habe eine erfolglose Komplettsuche im Kartenarchiv sowohl unter dem Namen H. wie unter dem Namen B. durchgeführt.

Aufgrund der genannten Unterlagen sei die Zeit vom 2.9. bis 31.12.1968 schließlich anerkannt worden. Nicht nachgewiesen sei, dass darüber hinaus in der Zeit ab 1.1.1969 für ein dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tatsächlich Rentenversicherungsbeiträge gezahlt worden seien. Die vorgelegten Bescheinigungen bestätigten nur die Mitgliedschaft in der DAK. Demgegenüber stehe nicht fest, ob die Klägerin seinerzeit Pflichtmitglied gewesen sei oder Versicherungsschutz im Rahmen einer freiwilligen Versicherung oder der Familienversicherung bestanden habe.

Insgesamt hätte der Klägerin drei Mal eine Versicherungskarte Nr. 1 ausgestellt worden sein müssen, um im Rahmen des chronologischen Ablaufs die Entrichtung von Pflichtbeiträgen glaubhaft zu machen.

Die Klägerin trug abschließend vor, sie sei seinerzeit nicht familienversichert, sondern auf Grund ihrer Beschäftigung Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen; ihr Ehemann könne das bestätigen.

Das Sozialgericht holte schriftliche Aussagen der Zeugen St., B. M und K. M. ein (SG-Akte S. 33, 36, 37). Die DAK teilte mit Schreiben vom 5.1.2005 mit, aus der Zeit vor 1974 lägen keine Unterlagen mehr vor.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 27.6.2006 wurden die Zeugen B. M. und der Zeuge J. B. (Ehemann der Klägerin) vernommen; außerdem wurde die Klägerin gehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Mit Urteil vom 27.6.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, für die streitigen Zeiten seien Beitragszahlungen i. S. d. §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 197 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht nachgewiesen. Vor der Einführung des Beitragsmeldeverfahrens am 1.1.1973 habe die Versicherungskarte zum Nachweis der entrichteten Beiträge gedient (§ 1411 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung, RVO, § 133 Angestelltenversicherungsgesetz, AVG). Die Versicherungskarte habe bei der Ausgabestelle (§ 1414 RVO bzw. § 126 AVG) in eine neue Versicherungskarte umgetauscht werden müssen, wenn die für die Entgeltbescheinigung oder die Beitragsmarken vorgesehenen Felder gefüllt gewesen seien. Spätestens binnen drei Jahren nach dem Tag der Ausstellung sei der Umtausch notwendig gewesen (§ 1412 Abs. 1 RVO, § 134 Abs. 1 AVG). Für die streitigen Zeiten lägen weder Versicherungskarten noch Aufrechnungsbescheinigungen vor. Der Klägerin sei es auch nicht gelungen, diese Zeiten als Pflichtbeitragszeiten glaubhaft zu machen.

Die Vorschriften der §§ 199, 203 SGB VI, wonach bei ordnungsgemäß gemeldeten Beschäftigungszeiten ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und die Beitragszahlung vermutet würden bzw. die Glaubhaftmachung einer Beschäftigungszeit und der Beitragszahlung genüge, seien auf Zeiten vor Einführung des maschinellen Meldeverfahrens am 1.1.1973 nicht anwendbar. Die Berücksichtigung der hier streitigen Zeiten richte sich deshalb nach § 286 SGB VI. Gem. § 286 Abs. 5 SGB VI sei eine Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen, soweit der Versicherte für Zeiten vor dem 1.1.1973 glaubhaft mache, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt habe, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liege oder nicht auf der Karte bescheinigt sei, und dass für diese Beschäftigung Beiträge gezahlt worden seien. Vorausgesetzt werde, dass die Beschäftigung in einer Versicherungskarte hätte eingetragen werden müssen. Unerheblich sei, ob eine Versicherungskarte ausgestellt worden oder die Eintragung tatsächlich erfolgt sei. Für die Glaubhaftmachung gelte § 23 Abs. 1 SGB X. Sie müsse sich auf das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und die tatsächliche Beitragszahlung erstrecken. Da die Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung in § 286 Abs. 5 SGB VI nicht vorgesehen sei, komme es darauf an, ob Beschäftigung bzw. Beitragszahlung nach dem Ergebnis der sämtliche erreichbaren Beweismittel einbeziehenden Ermittlungen als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden könne. Es genüge die gute Möglichkeit, dass sich der Lebenssachverhalt so, wie er behauptet werde, zugetragen habe, und dass letztendlich mehr für als gegen die behauptete Tatsache spreche.

Hinsichtlich der Zeit vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 sei weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung noch die Beitragsentrichtung überwiegend wahrscheinlich. Zwar habe die Klägerin angegeben, während dieser Zeit bei der ZVA gearbeitet zu haben. Allerdings habe sie auf ihrem Antrag auf Kontenklärung zunächst eingetragen, bereits ab August 1959 bzw. 31.3.1964 durchgehend beschäftigt gewesen zu sein, während sie im weiteren Verfahren vorgetragen habe, sich von März bis September 1964 im Ausland aufgehalten zu haben. Weder über den Beginn noch das Ende oder die Dauer des Auslandsaufenthaltes sei Näheres feststellbar. Die Zeugin B. M. habe zu einer etwaigen Unterbrechung bzw. Fortsetzung der Tätigkeit der Klägerin bei der ZVA keine Angaben machen können. Auch der Ehemann der Klägerin (der Zeuge J. B.) habe nur sehr vage dargelegt, die Klägerin habe bis in das Jahr 1967, 1968 oder 1969 hinaus für die ZVA gearbeitet. Dem stehe aber entgegen, dass für die Beschäftigungszeit der Klägerin im Zeitraum bis 31.3.1964 eine Versicherungskarte Nr. 2 (mikroverfilmt) vorliege, die im März 1965 durch die Stadt S. aufgerechnet und mit dem Stempel "Folgekarte nicht ausgestellt" versehen worden sei. Damit sei eine Beschäftigung bei der ZVA im streitigen Zeitraum insgesamt nicht überwiegend wahrscheinlich. Gleiches gelte für die Abführung von Beiträgen. Hierzu habe der Ehemann der Klägerin, der sich nach eigenem Bekunden um das Einkommen der Klägerin nie gekümmert habe, keinerlei Angaben machen können. Auch die Zeugin B. M. habe nichts Präzises auszusagen vermocht, vielmehr nur die üblichen Abläufe bei der Gehaltsbuchhaltung einschließlich der Abführung von Beiträgen geschildert. An die Abführung von Beiträgen für die Klägerin habe sie sich demgegenüber nicht mehr erinnern können. Sie habe auch nicht mehr gewusst, ob die Beitragsabführung für Arbeitnehmer der ZVA üblicherweise direkt an die Beklagte oder über eine Krankenversicherung erfolgt sei.

Gem. § 286 Abs. 6 SGB VI gelte die Regelung in § 203 Abs. 2 SGB VI für Zeiten vor dem 1.1.1973 mit der Maßgabe, dass es einer Eintragung in die Versicherungskarte nicht bedürfe. Nach § 203 Abs. 2 SGB VI gelte ein Beitrag als gezahlt, wenn der Versicherte glaubhaft mache, dass der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden sei. § 203 SGB VI beziehe sich nur auf Pflichtbeiträge, die aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gezahlt würden. Daher müsse im Rahmen der §§ 286 Abs. 6, 203 Abs. 2 SGB VI der Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses geführt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.2001, - L 8 RA 28/99 -). Weitere Voraussetzung sei die Glaubhaftmachung des Abzugs (der Einbehaltung) des Arbeitnehmeranteils vom Arbeitsentgelt. Hier sei aber schon das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in der Zeit vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 weder glaubhaft gemacht noch (gar) nachgewiesen. Daher lägen auch die Voraussetzungen des § 286 Abs. 6 SGB VI nicht vor.

Hinsichtlich der Zeit vom 1.9.1969 bis 17.5.1971 sei der Tatbestand des § 286 Abs. 5 bzw. § 286 Abs. 6 SGB VI ebenfalls nicht erfüllt. Nachgewiesen sei (mit dem Arbeitszeugnis vom 18.5.1971) zwar, dass die Klägerin während dieser Zeit bei der Fa. Weishaupt beschäftigt gewesen sei. Es fehle indessen an der zusätzlich notwendigen Glaubhaftmachung der tatsächlichen Beitragsabführung bzw. des Einbehalts des Arbeitnehmeranteils am Rentenversicherungsbeitrag. Die Zeugen hätten hierzu keinerlei Angaben machen können. Andere Beweismittel gebe es nicht. Aus den Angaben der Klägerin allein ergebe sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Beitragsabführung aber nicht.

Auf das ihr am 31.8.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.9.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei es überwiegend wahrscheinlich bzw. sogar bewiesen, dass sie während der streitigen Zeiten eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe und Beiträge abgeführt worden seien. Ihr Ehemann, der Zeuge J. B., habe glaubhaft ausgesagt, dass sie bei der ZVA bis in das Jahr 1967, 1968 oder 1969 gearbeitet habe. Während seiner Bundeswehrzeit (1967/1968) habe er sie zur Arbeit gefahren und wieder abgeholt. Außerdem habe er angegeben, dass sie die Tätigkeit bei der Fa. W. erst mit dem Mutterschutz etwa im Mai 1971 aufgegeben habe. Das Bestehen einer Familienversicherung habe er verneint. Die Zeugin B. M. habe bestätigt, dass sie die Gehaltsabrechnung für die Klägerin angefertigt habe und Beiträge abgeführt worden seien. Die Beschäftigung von Mitarbeitern ohne Sozialversicherungsbeiträge habe sie ausgeschlossen. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen stützten diese Aussagen. Die Zeugin St. habe in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 3.1.2005 schließlich bestätigt, dass sie von Januar 1969 bis zur Geburt ihres Sohnes bei der Fa. H. gearbeitet habe und ein Steuerberatungsbüro die Beitragsmeldungen angefertigt habe. Möglicherweise existiere auch eine zweite Versicherungsnummer mit dem in einer Bescheinigung der Fa. O. fehlerhaft angegebenen Geburtsjahr 1933 (statt 1944).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.6.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 10.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.7.2004 zu verurteilen, ihre Rente unter Anerkennung zusätzlicher Beitragszeiten vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 und vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gem. § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Zeiten vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 und vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 als Beitragszeiten (Pflichtbeitragszeiten) bei der Rentenberechnung zu berücksichtigten.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil rechtsfehlerfrei dargelegt, welche Rechtsvorschriften für die Berücksichtigung von Beitragszeiten vorliegend maßgeblich sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 197 Abs. 1, 286 Abs. 5 und 6 SGB VI) und weshalb die streitigen Zeiten danach nicht berücksichtigt werden können. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts und nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG9). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Die Regelungen in §§ 199 und 203 SGB VI über die Vermutung bzw. Glaubhaftmachung der Beitragszahlung sind für Zeiten vor Einführung des maschinellen Meldeverfahrens zum 1.1.1973 (unbeschadet der Bestimmung des § 286 Abs. 6 SGB VI) nicht anwendbar (KassKomm-Peters, SGB VI § 199 Rdnr. 3 bzw. § 203 Rdnr. 3).

Gemäß der danach einschlägigen Vorschrift in § 286 Abs. 5 SGB VI ist eine Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen, wenn der Versicherte für Zeiten vor dem 1.1.1973 glaubhaft macht, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt hat, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder nicht auf der Karte bescheinigt ist, und dass für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Die Glaubhaftmachung richtet sich nach § 23 Abs. 1 SGB X und muss sich auf das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt sowie die tatsächliche Beitragszahlung erstrecken. Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung sieht § 286 Abs. 5 SGB VI nicht vor, weshalb es darauf ankommt, ob das Vorliegen der jeweiligen Tatsache nach dem Ergebnis der sich auf alle erreichbaren Beweismittel ersteckenden Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist. Es genügt die gute Möglichkeit, dass sich der Lebenssachverhalt, so zugetragen hat, wie er behauptet wird, und letztendlich mehr für als gegen die behauptete Tatsache spricht (vgl. LSG Saarland, Urt. v. 11.11.2004, - L 1 RA 4/03 -).

Schließlich bestimmt § 286 Abs. 6 SGB VI, dass die Regelung des § 203 Abs. 2 SGB VI für Zeiten vor dem 1.1.1973 mit der Maßgabe gilt, dass es einer Eintragung in die Versicherungskarte nicht bedarf; gem. § 203 Abs. 2 SGB VI gilt der Beitrag als gezahlt, wenn der Versicherte glaubhaft macht, dass der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden ist. § 203 SGB VI bezieht sich nur auf Pflichtbeiträge, die auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gezahlt werden. Daher muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nachgewiesen sein (KassKomm-Gürtner, SGB VI § 286 Rdnr. 21, LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.11.2001, - L 8 RA 28/99 -). Weiter muss die Einbehaltung des Arbeitnehmeranteils vom Arbeitsentgelt glaubhaft gemacht sein.

Das Sozialgericht hat die genannten Bestimmungen fehlerfrei angewendet. Auch nach Auffassung des Senats ist für die Zeit vom 1.1.1964 bis 31.8.1968 die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. für die Zeit vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 die Zahlung von Beiträgen i. S. d. § 286 Abs. 5 SGB VI nicht glaubhaft gemacht.

Den Angaben der Zeugin B. M. ist entgegen der Auffassung der Klägerin Ausschlaggebendes nicht zu entnehmen. Sie konnte sich lediglich daran erinnern, dass die Klägerin in die (damalige) ZVA eintrat, als sie, die Zeugin, bereits dort gearbeitet hatte; wann dies geschah, wusste die Zeugin, die das Unternehmen zum 30.4.1965 verließ, nicht mehr. Insbesondere konnte sie keine Angaben dazu machen, wann der Auslandsaufenthalt der Klägerin (in der Schweiz) und damit die Unterbrechung ihrer Beschäftigung bei der ZVA begonnen bzw. geendet hatte. Damit kann der Aussage letztendlich nur entnommen werden, dass die Klägerin vor dem 30.4.1965 in die ZVA eingetreten, nicht jedoch, dass sie dort auch während der streitigen Zeit vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 beschäftigt war. Die Klägerin selbst hatte zum Beginn ihrer Tätigkeit Widersprüchliches vorgetragen und diesen einmal auf den 31.3.1964, zum anderen auf den 16.8.1959 datiert. Auch die Angaben ihres Ehemannes, des Zeugen J. B., können die Ausübung einer Beschäftigung während der streitigen Zeit nicht stichhaltig untermauern; dazu sind sie, wie das Sozialgericht mit Recht angenommen hat, zu vage, nachdem von Beschäftigungen ungefähr 1967, 1968 oder 1969 die Rede ist. Daran ändert es auch nichts, dass der Zeuge die Klägerin während seiner Bundeswehrzeit (1967/1968) zur Arbeit gefahren haben will.

Ins Gewicht fällt demgegenüber, dass für die Beschäftigungszeit bis 13.3.1964 eine (mikroverfilmte) Versicherungskarte Nr. 2 existiert, die am 10.3.1965 durch die Stadt S. aufgerechnet und mit dem Vermerk "Folgekarte nicht ausgestellt" versehen worden war. Das steht einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (mit Beitragszahlung) für die Zeit ab 31.3.1964 entgegen. Der Umtausch der Versicherungskarte Nr. 2 spricht, wie die Beklagte unwidersprochen geltend gemacht hat, gegen die Wiederaufnahme einer Beschäftigung bei der ZVA im Herbst 1964, da dann kein Anlass dafür bestanden hätte, die Versicherungskarte im März 1965 umzutauschen. Sie wäre nämlich vom Arbeitgeber zur Dokumentation der Beitragsabführung (für die behauptete Beschäftigung ab 1.10.1964) benötigt worden. Wäre die Karte etwa nur deshalb umgetauscht worden, weil Bedarf für eine neue Karte bestanden hätte, hätte die Ausstellung einer neuen Versicherungskarte (jetzt) Nr. 3 vermerkt werden müssen, was durch den genannten Vermerk der Stadt S. "Folgekarte nicht ausgestellt" aber gerade ausgeschlossen sei. Schließlich spricht auch die Ausstellung einer vorläufigen Angestelltenversicherungskarte Nr. 1 am 31.10.1968 mit dem Eintrag für 1968 gegen etwaige Eintragungen auf Versicherungskarten für die Jahre 1964 bis 1967, was das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses bei der (Beiträge grundsätzlich abführenden) ZVA ebenfalls in Zweifel zieht.

Bei dieser Sachlage kann das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der streitigen Zeit vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 auch im Hinblick auf die – selbst ohnehin vagen – Bekundungen des Zeugen J. B. nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden; keinesfalls spricht mehr für als gegen die behauptete Beschäftigung.

Für die Zeit vom 1.9.1969 bis 17.5.1971 geht aus dem Arbeitszeugnis vom 18.5.1971 hervor, dass die Klägerin damals bei der Fa. H. H. beschäftigt war. Das Sozialgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dies für die zusätzlich notwendige Glaubhaftmachung der Beitragszahlung bzw. des Einbehalts des Arbeitnehmeranteils am (Rentenversicherungs-)Beitrag nicht genügt. Die schriftliche Zeugenaussage der D. St., wonach ein Steuerberatungsbüro die Lohnbuchhaltung abgewickelt und die Beitragsmeldungen erstellt habe, ändert daran nichts. Allgemeine Bekundungen dieser Art genügen für die Glaubhaftmachung der Beitragszahlung nicht, zumal der genannte Steuerberater seit langem verstorben ist und auch keinerlei Unterlagen zur Untermauerung des Vorbringens mehr vorhanden sind. Eine im Schreiben der Fa. O. vom 14.1.1969 angesprochene Versicherungskarte Nr. 1 fand sich im Bestand der Beklagten, die eine Komplettsuche im Kartenarchiv durchgeführt hatte, nicht. Schließlich ist - für beide im Streit stehenden Zeiträume - zu berücksichtigen, dass (wie im Widerspruchsbescheid vom 2.7.2004 dargelegt wurde) die Beitragskonten bis auf wenige Ausnahmen - zu denen der Name der Klägerin nicht gehört – erhalten geblieben sind und eine Beitragsentrichtung darin nicht vermerkt ist.

Insgesamt ist das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.1964 bis 31.8.1968 bzw. die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.1.1969 bis 17.5.1971 nicht glaubhaft gemacht. Letztendlich spricht eher mehr gegen als für die behaupteten Tatsachen. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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