L 1 R 1517/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 1524/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1517/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, für ihn eine weitere Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG - ) und entsprechende Verdienste für diese Zeit festzustellen.

Der 1948 geborene Kläger erwarb am 18. Dezember 1972 das Recht, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu führen (Urkunde der Technischen Universität Dresden vom selben Tage). Er war in der DDR u. a. vom 01. März 1976 bis zum 30. Juni 1978 als Ingenieur für Betriebsgestaltung beim volkseigenen Betrieb (VEB) Rationalisierung und Projektierung Berlin beschäftigt. Vom 05. Juni 1979 bis zum 04. November 1980 befand er sich wegen "Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall" in Untersuchungs- und Strafhaft. Am 12. März 1984 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland.

Im April 2001 wurde der Kläger als politisch Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes mit einer Verfolgungszeit vom 06. Juni 1979 bis zum 12. März 1984 anerkannt. Mit Bescheid vom 16. September 2003 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des AAÜG gemäß § 1 AAÜG erfüllt seien. Als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech wurden die Zeiten vom 01. Dezember 1972 bis 29. Februar 1976 und vom 01. Juli 1978 bis 05. Juni 1979 ausgewiesen. Eine entsprechende Feststellung für die dazwischen liegende Zeit vom 01. März 1976 bis zum 30. Juni 1978 lehnte die Beklagte hingegen ab. Eine Zugehörigkeit zur AVItech habe insoweit nicht vorgelegen, weil die Beschäftigung nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb ausgeübt worden sei.

U. a. deswegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im nicht anerkannten Zeitraum habe er mit der Planung und Realisierung eines Landmaschinenbaubetriebes die gleiche Art der Tätigkeit ausgeübt wie in der davor und der danach gelegenen Zeit. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2004 zurück.

Seine auf Anerkennung auch der Zeit von März 1976 bis Juni 1978 als Zugehörigkeitszeit zur AVItech gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Berlin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts durch Urteil vom 05. August 2005 ab. Nach § 1 der AVItech-Verordnung (AVItechVO) i. V. m. der 2. Durchführungsbestimmung zur AVItechVO (2. DB) sei das Zusatzversorgungssystem der AVItech (nur) für Personen eingerichtet gewesen, die (1.) berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, und (2.) eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hätten, und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb. Diese letzte (3.) Voraussetzung habe der Kläger nicht erfüllt. Beim VEB Rationalisierung und Projektierung Berlin, bei dem er im streitigen Zeitraum beschäftigt gewesen sei, habe es sich um keinen Produktionsbetrieb gehandelt. Der Hauptzweck des VEB habe nicht in der industriellen Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern (serienmäßig wiederkehrende Produktion identischer Sachgüter, "Fließbandproduktion") oder in der Massenproduktion von Bauwerken bestanden. Vielmehr sei der VEB nach den vorliegenden einschlägigen Unterlagen als Generalauftragnehmer für Planung, Projektierung und Realisierung von Industrieanlagen tätig gewesen. Hauptaufgaben seien der Industrieanlagenbau und die Vorbereitung (Projektierung/Planung) und Durchführung (Organisation, Koordinierung, Überwachung, Probebetrieb/Abnahme) von großen Industrievorhaben gewesen. Dabei seien zwar zuweilen vergleichbare Anlagen hergestellt worden. Diese hätten jedoch jeweils individuell angepasst werden müssen, so dass die Qualifikation als industrielle Massenproduktion oder massenhafte Errichtung standardisierter Gebäude ausscheide. Dem stehe ohnehin die Komplexität und Vielfalt der mit der vollständigen Verantwortung für die Investitionsdurchführung als Generalauftragnehmer verbundenen Aufgaben entgegen. Der VEB Rationalisierung und Projektierung Berlin sei schließlich auch kein den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb im Sinne der 2. DB gewesen. Insbesondere habe es sich bei ihm nicht um ein Konstruktionsbüro gehandelt, wie es im Katalog der gleichgestellten Betriebe aufgeführt sei (§ 1 Abs. 2 2. DB). Die Konstruktionstätigkeit habe dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben. Eine Ausweitung der gleichgestellten Betriebe über die abschließende Regelung der Versorgungsordnung hinaus sei verfassungsrechtlich nicht geboten.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er beantragt, sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 16. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszeit vom 01. März 1976 bis zum 30. Juni 1978 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 6 RA 1524/04 - ) und Beklagtenakten () verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der streitbefangenen Beschäftigungszeit als weitere Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und der in dieser Zeit tatsächlich erzielten Entgelte gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 und 2 AAÜG, denn diese Zeit erfüllt nicht die Voraussetzungen einer gleichgestellten Pflichtbeitragszeit nach § 5 AAÜG. Es handelt sich insoweit um keine Zeit der Zugehörigkeit zum - allein in Betracht kommenden - Zusatzversorgungssystem der AVItech. Dies hat das SG mit eingehenden und zutreffenden Darlegungen überzeugend ausgeführt. Der Senat nimmt darauf Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Hervorgehoben sei noch einmal, dass die für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech vorauszusetzende Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb die Beschäftigung in einem Betrieb meint, für den die Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells kennzeichnet und prägend war (BSG - Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - = SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Wesentliches Kennzeichen der industriellen Fertigung fordistischer Prägung ist der Massenausstoß von Produkten, die durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen unter Einsatz von Maschinen, die an die Stelle menschlicher Arbeitskraft treten, hergestellt worden sind. Zutreffend hat das SG diesbezüglich ausgeführt, dass es sich beim Beschäftigungsbetrieb des Klägers, selbst soweit sein Geschäftsgegenstand in einer "Bau"- oder "Aufbau" -tätigkeit bestanden habe, um keine industrielle Fertigung (fordistischer Prägung) gehandelt habe. Zum einen war der VEB Rationalisierung und Projektierung Berlin "nur" Generalauftragnehmer, so dass die eigentliche Bautätigkeit erst durch die nachgeordneten Haupt- und Nachauftragnehmer erfolgte. Zum anderen lässt sich der Aufbau kompletter bzw. der Bau komplexer Industrieanlagen nicht im Wege industrieller Fertigung fordistischer Prägung (Fließbandproduktion) bewerkstelligen.

Zutreffend hat das SG schließlich auch dargelegt, dass der VEB Rationalisierung und Projektierung Berlin kein gleichgestellter Betrieb und insbesondere kein "Konstruktionsbüro" im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB war. Das BSG hat inzwischen klargestellt, dass die im Versorgungsrecht der DDR nicht benannten Projektierungsbetriebe mit den ausdrücklich gleichgestellten Konstruktionsbüros nicht identisch waren. Es hat zugleich in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung zum Neueinbeziehungsverbot entschieden, dass einer Einbeziehung von Projektierungsbetrieben durch eine den Text des Versorgungsrechts erweiternde Auslegung das aus dem Neueinbeziehungsverbot des Einigungsvertrages folgende Analogieverbot entgegensteht (Urteile vom 07. September 2006 - B 4 RA 41/05 R - = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11 und - B 4 RA 39/05 R - ). Dem folgt der Senat.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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