L 6 R 3218/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 522/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 3218/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 01.07.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1947 geborene Klägerin stammt aus Süditalien. Sie hat dort fünf Jahre die Grundschule besucht, jedoch keine Berufsausbildung absolviert. 1964 siedelte sie erstmals in die Bundesrepublik Deutschland über, wo sie als Textilarbeiterin tätig war. Anschließend hielt sie sich abwechselnd in Italien, der Schweiz und Deutschland auf und war zeitweise als Arbeiterin beschäftigt. Seit 1980 hält sich die Familie dauerhaft in der Bundesrepublik auf. Bis 1989 war die Klägerin als Maschinenarbeiterin in einer Lederfabrik tätig. Von 1991 bis 1994 war sie als Hilfsarbeiterin auf 630,00 DM-Basis versicherungsfrei beschäftigt. Seit 1994 ist sie als Reinigungskraft in einem Kindergarten tätig. Es handelt sich ebenfalls um eine geringfügige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von zwei Stunden täglich. Die Klägerin hat vier Kinder (geboren 1968, 1970, 1978 sowie am 01.12.1989). Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden zuletzt vom 01.05.1999 bis 31.12.1999 entrichtet. Im Anschluss daran wurde der Beklagten fortlaufend eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung gemeldet.

Am 19.02.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, sie halte sich seit ca. 10 Jahren für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste daraufhin über die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg eine sozialmedizinische Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch Dr. S ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 06.08.2003 im Wesentlichen folgende Diagnosen:

1. Fortgeschrittene Kniegelenksarthrose rechts, leichte Kniegelenksarthrose links. 2. Metabolisches Syndrom: Unzureichend eingestellte insulinpflichtige Blutzuckererkrankung, kombinierte Fettstoffwechselstörung, extremes Übergewicht. 3. Medikamentös knapp ausreichend eingestellter Bluthochdruck, Muskelvermehrung der linken Herzkammer. 4. Verschleißzeichen der unteren Halswirbelsäule. Kleiner Bandscheibenvorfall C5/C6 rechts. 5. Schulter-Arm-Syndrom rechts stärker als links. Erhebliche Verspannung der Schulterkappenmuskeln beidseits. 6. Reaktive Dysphorie.

Dr. S. berichtete, die Klägerin habe über schon seit vielen Jahren bestehende Knieschmerzen beidseits geklagt. Seit ca. einem halben Jahr habe sie auch Schmerzen und Schwellungen in den Händen. Sie habe auch immer wieder Probleme mit der Einstellung der Blutzuckererkrankung. Bei der Untersuchung lag u. a. der Bericht des Kreiskrankenhauses I. über eine diagnostische Arthroskopie des rechten Kniegelenkes am 28.03.2001 vor. Darin wird eine schwere Gonarthrose rechts mit Zerreißung des Außenmeniskus diagnostiziert und der Klägerin nach Ausschöpfung aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten zur Implantation einer Totalendoprothese rechts geraten. Zur Beurteilung führte Dr. S. aus, es bestehe eine Multimorbidität, welche die Leistungsfähigkeit der Klägerin wesentlich einschränke. Es seien nur noch leichte Arbeiten, vorwiegend im Sitzen vollschichtig möglich. Es müsse sich um Tätigkeiten ohne Wechselschicht, ohne Klettern oder Steigen, vorwiegend im Sitzen mit wechselnder Körperhaltung und ohne besonderen Zeitdruck handeln. Bezüglich des rechten Kniegelenkes sei eine kontinuierliche Verschlechterung innerhalb der letzten zehn Jahre röntgenologisch dokumentiert. Der Blutzucker sei trotz Insulinbehandlung unzureichend eingestellt, was auf eine nicht ausreichende Kooperation der Klägerin schließen lasse. Insbesondere das massive Übergewicht müsse die Klägerin abbauen. Dadurch würde auch der Bluthochdruck mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit verschwinden. Die Schulterbeschwerden könnten durch Physiotherapie mittelfristig beseitigt werden.

Mit Bescheid vom 26.08.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Zusätzlich enthält der Bescheid den Hinweis, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung im Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt seien.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, der Versicherungsfall sei schon vor Rentenantragstellung eingetreten. Sie sei bereits seit zwei bis drei Jahren unverändert krank. Sie könne nur mit großen gesundheitlichen Problemen die zwei Stunden täglich im Kindergarten arbeiten. Sie legte ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. S. vor, wonach sie seit 2001 wegen der Kniebefunde beidseits nicht mehr in der Lage sei, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. M. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.02.2004 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG).

Am 19.02.2004 wurde bei der Klägerin eine Knie-Totalendoprothese (TEP) rechts implantiert. Vom 05.03. bis 02.04.2004 befand sie sich zur Anschlussrehabilitation in der Rheumaklinik B. W ... Nach dem vom SG beigezogenen Entlassungsbericht vom 31.03.2004 über diesen Aufenthalt ist ein zügiger Belastungsaufbau an zwei Unterarmgehstützen, zuletzt am Handstock erfolgt. Bei der Entlassung bestanden noch Beschwerden des rechten Kniegelenkes sowie eine leichte Schwellung und Überwärmung. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne sie auf Dauer nur in einem zeitlichen Umfang von 3 bis unter 6 Stunden, eine leichte, überwiegend sitzende Tätigkeit 6 Stunden und länger verrichten.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. führte unter dem 02.07.2004 aus, die Klägerin stehe seit 06.07.2000 in seiner regelmäßigen Behandlung. Wegen der bei ihr vorliegenden Erkrankungen sei sie aus seiner Sicht deutlich in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Eine sechsstündige leichte Tätigkeit halte er nicht mehr für möglich. Der Orthopäde Dr. S. teilte unter dem 08.07.2004 mit, er behandle die Klägerin seit April 1986. Das derzeitige Ergebnis der Implantation der TEP sei unbefriedigend. Derzeit könne die Klägerin noch nicht mindestens 6-stündig leichte Tätigkeiten verrichten.

Das SG holte dann das fachorthopädische Gutachten von Dr. H., Orthopäde und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, vom 04.10.2004 ein. Dieser kam aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 30.08.2004 zu dem Ergebnis, dass das Leistungsvermögen der Klägerin derzeit insoweit eingeschränkt sei, als leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen aktuell nur drei bis unter sechs Stunden täglich durchgeführt werden könnten. Er stellte folgende Diagnosen:

1. Zustand nach Knieendoprothese rechts mit persistierenden lokalen Reizerscheinungen (leichte Schwellung, Überwärmung). 2. Beginnende Arthrose im linken Kniegelenk. 3. Unklare Schwellung und leichte Bewegungsstörung im rechten Handgelenk. 4. Chronische Schulter-/Nackenbeschwerden bei massivem regionalem Muskelhartspann und zahlreichen Blockierungen.

Dr. H. führte aus, in Bezug auf den persistierenden Reizzustand im rechten Knie nach Endoprothese würde er der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder längeres Stehen (mehr als 30 Minuten) noch längeres Gehen (mehr als 500 bis 1000 m) zumuten. Auch längeres Sitzen mit angewinkelten Kniegelenken (mehr als 30 bis 60 Minuten) würde er ihr nicht abverlangen. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei derzeit sicherlich deutlich eingeschränkt. Mechanisch belastende Arbeiten oder feinmechanische Montagearbeiten seien gegenwärtig nicht möglich. In Bezug auf die Schulter-/Nackenregion seien monotone Kopfhaltungen und anhaltende Zwangshaltungen in Extrempositionen (über Kopf etc.) nicht leidensgerecht. Wegen der aktuell nachvollziehbaren Reizerscheinungen im rechten Knie wie auch im rechten Handgelenk seien auch die noch möglichen Tätigkeiten auf drei bis unter sechs Stunden täglich zu befristen. Zum Beginn der Leistungseinschränkungen führte Dr. H. aus, schwere, seitlich betonte Knorpelschäden im rechten Kniegelenk seien bereits bei der Arthroskopie vom 28.03.2001 beschrieben worden. Die Leistungseinschränkung von seiten des rechten Kniegelenkes dürfte also etwa seit 1995, dem Datum der ersten Arthroskopie, in ähnlicher Form bestanden haben. Die Leistungsstörungen von seiten der Halswirbelsäule und der Hände hätten sich offenbar in den letzten drei Jahren ausgebildet. Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. S. bestünden die Handprobleme ca. seit Januar 2003.

Vorgelegt wurde auch der Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 30.08.2004, wonach bei der Klägerin im Vergleich zu früheren Befunden jetzt deutlichere Zeichen einer diabetischen Polyneuropathie nachweisbar seien.

Die Beklagte legte eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. N. vor. Diese führte aus, in Anbetracht des fortbestehenden entzündlichen Reizzustandes des rechten Kniegelenkes stimme sie Dr. H. zu, dass die Klägerin auch leichte Arbeiten nur drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten könne. Dieses Leistungsvermögen könne seit Rentenantragstellung zunächst bis Ende Februar 2005 angenommen werden. Die Beklagte legte einen Versicherungsverlauf vom 06.12.2004 für die Klägerin vor und teilte mit, dass ein Rentenanspruch nur bestehen würde, wenn der Versicherungsfall bis spätestens 19.01.2002 eingetreten wäre.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.07.2005 -abgesandt am 04.07.2005- wies das SG die Klage mit der Begründung ab, der Nachweis für den Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung bis spätestens 19.01.2002 könne nicht als erbracht angesehen werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.08.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung weist sie u. a. darauf hin, dass die Kniegelenksbeschwerden schon in den Jahren 1995 und 2001 operative Eingriffe indiziert hätten. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Leistungsstörungen von seiten der Halswirbelsäule und der Hände bereits im Jahre 2001 bestanden hätten. Bereits 1996 sei sie wegen starker Schmerzen im Schulter-Arm-Bereich rechts und gelegentlicher Missempfindungen im Bereich der rechten Hand behandelt worden. Dies ergebe sich aus dem Bericht von Dr. P. (gemeint Dr. P.) vom 05.11.1996. Bereits seit dem 06.07.2000 befinde sie sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung wegen des insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Zum Nachweis legte sie ein Heft mit ärztlichen Unterlagen aus der Zeit seit 1986 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 01.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2004 zu verurteilen, ihr ab 01.02.2003 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat nochmals den Arzt für Allgemeinmedizin H. und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört (Auskünfte vom 25.10. und 07.11.2006). Unter Auswertung sämtlicher vorliegender ärztlicher Unterlagen kommt Dr. N. in ihrer weiteren ärztlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 01.12.2005 zu der Beurteilung, dass nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt eines Versicherungsfalls im März 2001 ausgegangen werden könne.

Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt (Schreiben vom 18.12.2006 bzw. 03.01.2007).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begründet.

Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zutreffend dargestellt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) - die sogenannte 3/5-Belegung - im Fall der Klägerin zum Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrages am 19.02.2003 nicht erfüllt war.

Nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB 6 besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nur, wenn die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Als Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gelten auch Pflichtbeiträge, die für Zeiten der Kindererziehung als gezahlt gelten sowie Beiträge, die von einem Leistungsträger wegen des Bezuges von Krankengeld, Arbeitslosengeld und bestimmten anderen Lohnersatzleistungen nach § 3 SGB VI entrichtet wurden (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Beiträge, die vom Arbeitgeber für versicherungsfreie geringfügig Beschäftigte nach § 172 Abs. 3 SGB VI getragen werden, gelten dagegen nicht als Pflichtbeiträge. Von der Möglichkeit, auf die Versicherungsfreiheit ihrer geringfügigen Beschäftigung unter Zahlung zusätzlicher Beiträge zu verzichten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 170 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI) hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich nach § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten 2. Berücksichtigungszeiten 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt. 4. Nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf liegt bei der Klägerin vom 01.12.1989 bis 30.11.1999 eine Berücksichtigungszeit im Sinne von § 57 SGB VI wegen der Erziehung des am 01.12.1989 geborenen Sohnes vor. Die Zeit vom 20.10. bis 31.12.1989 ist eine Anrechnungszeit wegen Schwangerschaft und Mutterschutz (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Pflichtbeiträge für Kindererziehung gelten für die Zeit vom 01.01.1990 bis 31.12.1990 als entrichtet (§§ 56, 249 SGB VI). Vom 30.06.1989 bis 19.10.1989 wurden Pflichtbeiträge wegen des Bezuges von Sozialleistungen und vom 01.05.1999 bis 31.12.1999 für eine Beschäftigung gezahlt. Die Zeit bis 29.06.1989 ist zuletzt durchgehend mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung belegt.

Ausgehend von einem Versicherungsfall der Erwerbsminderung zum Zeitpunkt des Rentenantrages am 19.02.2003 wäre der Zeitraum vom 19.02.1998 bis 18.02.2003 maßgeblich. In diesem Zeitraum liegen 22 Monate Berücksichtigungszeit, davon sind 15 Monate (19.02.1998 bis 30.04.1999) nicht mit Pflichtbeiträgen belegt. Der maßgebliche Zeitraum verlängert sich somit um 15 Monate zurück bis 01.11. 1996 (wegen des in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Monatsprinzips ist der Anfang des Kalendermonats maßgeblich - vgl. § 122 Abs. 1 SGB IV). Da auch diese Zeit in die Berücksichtigungszeit fällt und keine Pflichtbeiträge enthält, verlängert sich der maßgebliche Zeitraum wiederum um 15 Monate bis 01.08.1995 und hiernach aus den selben Gründen erneut um jeweils 15 Monate bis 01.05.1994, 01.02.1993, 01.11.1991 und 01.08.1990. Wegen des Zusammentreffens der Berücksichtigungszeit mit der Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung von August bis Dezember 1990, ist der maßgebliche Zeitraum um weitere 10 Monate bis 01.10.1989 zu verlängern. Da in der Zeit vom 01.10.1989 bis 31.07.1990 8 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt sind (01.10.-19.10.1989 und 01.01 -31.07.1990), kann eine weitere Verlängerung wegen der darin liegenden Anrechnungs- und Berücksichtigungszeit noch um 2 Monate bis 01.08.1989 erfolgen. Weitere Verlängerungstatbestände liegen in diesem Zeitraum nicht mehr vor.

In dem somit maßgeblichen Zeitraum vom 01.08.1989 bis 18.02.2003 hat die Klägerin lediglich 23 Monate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung anstelle der erforderlichen 36 Monate.

Ab 01.01.2000 enthält der Versicherungsverlauf der Klägerin weder Pflichtbeiträge noch Verlängerungstatbestände nach § 43 Abs. 4 SGB VI. Die Klägerin war in dieser Zeit versicherungsfrei beschäftigt und weder arbeitslos noch dauerhaft arbeitsunfähig. Ein Rentenanspruch könnte bei dieser Sachlage nur bestehen, wenn der Versicherungsfall spätestens im Januar 2002 eingetreten wäre, wobei wegen des Monatsprinzips ein Versicherungsfall der Erwerbsminderung am 31.01.2002 - und nicht wie von der Beklagten angegeben am 19.01.2002 - ausreichend wäre.

Auch nach nochmaliger Überprüfung durch den Senat kann der Eintritt einer - wenigstens teilweisen - Erwerbsminderung spätestens Ende Januar 2002 nicht festgestellt werden. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Gutachten von Dr. H ... Danach bestanden zwar bereits seit der ersten Arthroskopie im Jahr 1995 Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin aufgrund der fortschreitenden arthrotischen Veränderungen beider Kniegelenke. Der von Dr. H. beschriebene Reizzustand im rechten Knie mit leichter Schwellung und Überwärmung des Gelenkes hat sich jedoch erst nach der Implantation der Knie-TEP im Februar 2004 entwickelt. In Bezug auf die Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand weist Dr. H. zutreffend darauf hin, dass erstmals im März 2003 Missempfindungen beider Hände durch den Arztbrief des Neurologen Dr. P. vom 12.03.2003 dokumentiert sind. Nachdem die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. S. am 17.07.2003 angegeben habe, die Handprobleme bestünden seit "ca. einem halben Jahr", geht er davon aus, dass diese ca. seit Januar 2003 bestanden. Die Klägerin könne wegen dieser Gesundheitsstörungen nur noch leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und ohne mechanische Beanspruchung der rechten Hand verrichten. Dr. H. führt weiter nachvollziehbar aus, dass auch solche Tätigkeiten "gegenwärtig" auf drei bis unter sechs Stunden täglich zu befristen seien. Grund für die "Befristung" seien die aktuell nachvollziehbaren Reizerscheinungen im rechten Knie, wie auch im rechten Handgelenk. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen von Dr. H. ergibt sich somit, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, dass eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit für Zeiten vor der Rentenantragstellung im Februar 2003 von diesem Gutachter nicht angenommen wird. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Auch der dokumentierte Verlauf der Erkrankungen der Klägerin zeigt, dass sich die Befunde im Bereich der Kniegelenke - insbesondere des rechten Kniegelenkes - in den Jahren seit der ersten Arthroskopie 1995 kontinuierlich verschlechtert haben und dass nach der Implantation der TEP eine weitere Verschlechterung eingetreten ist. Noch bei der Untersuchung durch Dr. S. am 17.07.2003 bestand kein Reizzustand im Bereich der Kniegelenke. Die Klägerin benötigte zu diesem Zeitpunkt keine Gehhilfen, während sie bei der Untersuchung durch Dr. H. glaubhaft über die Benutzung eines Handstockes beim Treppensteigen berichtete. Nach ihren Angaben gegenüber Dr. H. hat die Klägerin noch bis kurz vor der Operation im Februar 2004 ihre Tätigkeit als Reinigungskraft im Kindergarten zwei Stunden täglich verrichtet. Diese Tätigkeit wird seitdem von dem Ehemann der Klägerin oder deren Tochter unter Anleitung der Klägerin ausgeführt, da die Klägerin wegen ihrer Probleme im Bereich der Knie und der rechten Hand dazu nicht mehr in der Lage ist.

Die auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen - insbesondere der insulinpflichtige Diabetes mellitus sowie der Bluthochdruck - standen vor der Rentenantragstellung einer mindestens sechsstündigen leichten Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen ebenfalls nicht entgegen. Insoweit hat Dr. S. in seinem urkundsbeweislich verwerteten Gutachten zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass trotz zeitweise unzureichender medikamentöser Einstellung des Blutzuckers noch keine Folgeschäden der Diabeteserkrankung von wesentlicher funktioneller Bedeutung vorlagen. Allerdings wirke sich das massive Übergewicht auf diese Erkrankungen negativ aus. Eine leichte diabetische Polyneuropathie hat erstmals Dr. K. in seinem Arztbrief vom 30.08.2004 diagnostiziert. Zusätzliche Einschränkungen in Bezug auf die der Klägerin noch mögliche leichte, überwiegend sitzende Tätigkeit ergeben sich daraus nicht.

Auch wegen der bei der Klägerin bestehenden Einschränkung des Gehvermögens besteht keine Erwerbsminderung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Ist dies nicht gegeben, gilt der Arbeitsmarkt als verschlossen und ist eine Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI zu bejahen. Da die Klägerin keinen Führerschein hat, ist sie darauf angewiesen, einen etwaigen Arbeitsplatz zu Fuß bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Nach der generalisierenden Rechtsprechung des BSG sind Versicherte dazu noch in der Lage, wenn sie viermal täglich eine Gehstrecke von mehr als 500 m in zumutbarer Zeit zurücklegen können (Niesel, KassKomm § 43 SGB VI Rdziff. 42). Dies ist bei der Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. H. selbst zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 30.08.2004 noch der Fall gewesen. Auch für die Zeit davor ergeben sich aus den Unterlagen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gehstrecke in dem erforderlichen Ausmaß eingeschränkt war. Anläßlich der Arthroskopie am 28.03.2001 hatte die Klägerin selbst noch eine schmerzfreie einfache Gehstrecke von "unter 1000 m" - nicht jedoch unter 500 m - beschrieben.

Auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung der Klägerin sowie der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte von Allgemeinmediziner H. und Dr. S. und der Auswertung der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen aus der Vergangenheit ergibt sich keine andere Beurteilung. Dr. S. berichtet nochmals über den Erkrankungsverlauf ab Februar 2003, der durch eine Verschlechterung der Kniegelenksbeschwerden trotz endoprothetischer Versorgung gekennzeichnet war, sodass im Mai 2005 eine nochmalige Revision am rechten Kniegelenk im Krankenhaus in Memmingen vorgenommen werden musste. Die vom Arzt H. genannten Befunde und Diagnosen wurden bereits bei der Beurteilung durch Dr. S. und Dr. H. berücksichtigt.

Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass in dem Bericht des Kreiskrankenhauses I. vom März 2001 bereits eine endoprothetische Versorgung des rechten Kniegelenkes empfohlen wird. Daraus kann zwar geschlossen werden, dass schon damals nur noch überwiegend sitzende Tätigkeiten für die Klägerin in Frage kamen. Anhaltspunkte dafür, dass damals eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens für solche Tätigkeiten bestand, enthält der Bericht nicht. Das Gericht folgt insoweit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. N. vom 01.12.2005, die noch darauf hinweist, dass die Klägerin trotz des gravierenden Befundes noch bis Februar 2004 mit der Entscheidung zur Implantation einer Totalendoprothese gewartet hat.

Dr. N. lagen bei ihrer Stellungnahme auch sämtliche von der Klägerin vorgelegte ärztliche Unterlagen vor. Sie konnte darin keinen Nachweis für den Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsminderung spätestens im Januar 2002 finden. Das Gericht folgt nach Durchsicht der genannten Unterlagen dieser Auffassung. Danach ist es zwar vertretbar, den Beginn der zeitlichen Leistungseinschränkung ab Rentenantragstellung anzunehmen; es lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass die Klägerin bereits vor diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, mindestens sechs Stunden täglich unter betriebsüblichen Bedingungen zu arbeiten. Da sie für die von ihr verrichtete geringfügige Tätigkeit als Reinigungskraft in einem Kindergarten seit 1.1.2000 keine Rentenversicherungsbeiträge entrichtet hat, waren bei Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr erfüllt. Die Klägerin hat daher gegenwärtig keinen Rentenanspruch. Ob mit Vollendung des 60. Lebensjahres ein Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 37 SGB VI bzw. § 236a SGB VI - ggf mit Abschlägen - besteht, wäre von der Beklagten auf Antrag zu prüfen.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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