L 6 SB 3693/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 3574/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3693/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin und der Nachteilsausgleich "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G).

Die 1936 geborene Klägerin beantragte am 12. Juni 2001 die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft. Das Versorgungsamt Ulm (VA) zog daraufhin die Arztbriefe der Unfallchirurgischen Klinik des Universitätsklinikums U: vom 12. Mai 2000 über die stationäre Behandlung vom 13. April bis zum 3. Mai 2000 (Diagnose: Antrum-NPL T2 N0 M0; Therapie: Gastrektomie, Rodino-Ersatzmagen, Lymphknotendissektion DI-DII und peripankreatisch) und vom 17. Mai 2001 (kein Anhalt auf Fortbestehen des Tumorleidens) sowie den ärztlichen Entlassungsbericht des Parksanatoriums der Fachklinik für onkologische Reha in A: vom 12. Juni 2001 über die vom 16. Mai bis zum 6. Juni 2001 durchlaufene stationäre Maßnahme (Entlassung bei Zustand nach totaler Gastrektomie, reduziertem Ernährungszustand und Belastbarkeit an den Grenzen der Kompensationsfähigkeit) bei. In der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 17. Juli 2001 wurde ein Verlust des Magens und eine Magenerkrankung in Heilungsbewährung als Behinderung in Ansatz gebracht, der GdB mit 90 bewertet und der Nachteilsausgleich G bejaht. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 2. August 2001 den GdB mit 90 ab 13. April 2000 und den Nachteilsausgleich G fest.

Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens holte das VA den ärztlichen Befundschein der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. A: vom 19. Mai 2005 (Stabilisierung der postoperativ erheblichen Gewichtsabnahme, chronische Schwindelattacken ohne neurologische Symptomatik, Neigung zu depressiven Verstimmungen, keine Hinweise auf ein Rezidiv oder Metastasen, befriedigender objektiver Allgemein- und Ernährungszustand) ein. In der vä Stellungnahme vom 20. Juni 2005 wurden der Verlust des Magens und psychovegetative Störungen (Teil-GdB 40) sowie ein Schwindel (Teil-GdB 10) als Behinderungen in Ansatz gebracht, der GdB mit 40 bewertet und der Nachteilsausgleich G verneint. Nach erfolgter Anhörung hob das VA mit Bescheid vom 13. Juli 2005 den Bescheid vom 2. August 2001 auf, stellte den GdB mit 40 ab 17. Juli 2005 fest und teilte mit, die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G lägen nicht mehr vor.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage des Arztbriefs des Parksanatoriums der Fachklinik für onkologische Reha in A: vom 1. September 2005 über die vom 18. August bis zum 1. September 2005 durchgeführte stationäre Behandlung (verbesserte Beweglichkeit der Wirbelsäule, sämtliche Bewegungen frei und gelenkiger durchführbar, konstantes Körpergewicht, kein Anhalt für ein Rezidiv oder einen Progress der Erkrankung) Widerspruch. In der vä Stellungnahme vom 12. Oktober 2005 wurde an der bisherigen Bewertung festgehalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16. November 2005 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft der Dres. Albani vom 15. Februar 2006 (kein Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung im niederen Belastungsbereich, keine Bewegungseinschränkungen oder neurologische Ausfallerscheinungen in der Lendenwirbelsäule, verminderter Kräftezustand, psychovegetative Komponente) ein. Mit Urteil vom 8. Mai 2006 änderte das SG den Bescheid vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2005 ab, verurteilte den Beklagten, den GdB mit 50 ab 17. Juli 2005 festzustellen und wies die Klage im Übrigen ab.

Gegen das ihr am 30. Juni 2006 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 24. Juli 2006 Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgericht Ulm vom 8. Mai 2006 abzuändern und den Bescheid vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2005 in vollem Umfang aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Beteiligten am 23. August 2006 mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren der GdB 50 beträgt und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht mehr vorliegen. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Ergänzend stellt der Senat klar, dass die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G im Zeitpunkt des Bescheides vom 2. August 2001 vorlagen und wegen einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse weggefallen sind. Denn neben Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137), sonstigen Behinderungen, die sich an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 138) oder inneren Leiden, vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.9 S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 68) sind auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G als erfüllt anzusehen (AP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 89). Eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit lag bei der Klägerin wegen der infolge des im April 2000 festgestellten Magenkarzinoms durchgeführten Gastrektomie vor. Insoweit verweist der Senat auf den ärztlichen Entlassungsbericht des Parksanatoriums der Fachklinik für onkologische Reha in A: vom 12. Juni 2001, wonach die Klägerin aus der vom 16. Mai bis zum 6. Juni 2001 durchlaufenen stationären Maßnahme in reduziertem Ernährungszustand und mit reduzierter Belastbarkeit mit einer Arbeitsleistungsfähigkeit von unter drei Stunden entlassen wurde. Demgegenüber ergibt sich aus dem ärztlichen Befundschein der Dres. A: vom 19. Mai 2005, dass sich die postoperativ erhebliche Gewichtsabnahme inzwischen stabilisiert hat, sich keine Hinweise auf ein Rezidiv oder Metastasen ergeben haben und der objektive Allgemein- und Ernährungszustand befriedigend war. Wegen dieser wesentlichen Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse, hat der Beklagte zu Recht den Nachteilsausgleich G ab 17. Juli 2005 entzogen.

Dasselbe gilt für die Herabsetzung des GdB der Klägerin. Denn insofern war zu beachten, dass bei der Klägerin in der Zeit von April 2000 bis Juli 2005 kein Tumorrezidiv aufgetreten ist und damit zum Zeitpunkt der Herabsetzung des GdB im Juli 2005 die in den AP vorgesehene Heilungsbewährung abgelaufen war. Der reine Zeitablauf stellt vorliegend ausnahmsweise eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar (siehe dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Juli 2006 - L 6 SB 1915/06 - m. w. N.).

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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