L 6 U 1487/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2266/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1487/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 festzustellen und ihm deshalb Rente zu gewähren ist.

Der 1948 geborene Kläger machte in Österreich von August 1964 bis Juni 1967 eine Ausbildung zum Installateur. Dort war er von Februar 1969 bis Januar 1973 als Eisenverleger beschäftigt. Anschließend war er in Deutschland bis August 2001 ganz überwiegend als angelernter Maurer tätig. Ab 18.06.2001 war er durchgehend arbeitsunfähig krank. Dabei standen zunächst die Folgen des am 20.08.1997 erlittenen Arbeitsunfalles (Amputation des linken Fußes in Höhe des Chopart’schen Gelenks nach schwerer Fußquetschung) im Vordergrund. Zusätzlich traten Lumbalgien mit einer Hypästhesie in den rechten L 5- und S 1-Dermatomen sowie eine Fußheberparese auf, weshalb am 24.09.2001 in der Neurochirurgischen Universitätsklinik T. eine knöcherne Dekompression über eine Laminektomie in Höhe des vierten Lendenwirbelkörpers (LWK) sowie eine Nukleotomie in Höhe LW 3/4 durchgeführt wurde.

Am 22.01.2002 machte die AOK Z. unter Vorlage des sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. B. vom 09.01.2002 einen Erstattungsanspruch geltend, weil eine BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliege. Die Beklagte trat daraufhin in entsprechende Ermittlungen ein. Sie veranlasste die Angaben des Klägers im Fragebogen vom 20.02.2002 und holte Auskünfte der Bezirksdirektionen Z. und S. der AOK B.-W. sowie der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) B.-W. vom 29.04.2002 ein. In seiner Stellungnahme vom 28.06.2002 kam Dipl.-Ing. S. vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten u. a. zu dem Ergebnis, die Belastung im Zeitraum von 1969 bis 1973 habe derjenigen des Armierers in der Dokumentation "Beton und Stahlbetonbauer" und im Zeitraum von April 1984 bis August 2001 derjenigen eines Maurers in der Dokumentation "Maurer im Hochbau" entsprochen. Aus den Unterlagen der AOK Z. ergibt sich, dass der Kläger vom 12.06. bis 09.07.1976 wegen Ischias und vom 13. bis 20.07.1981 sowie vom 03. bis 22.01.1984 wegen Lumbago arbeitsunfähig krank geschrieben war. Vom behandelnden Internisten S. zog die Beklagte zahlreiche ärztliche Unterlagen bei, u. a. die Arztbriefe der Neurochirurgischen Universitätsklinik T. vom 07.01., 05.02. und 29.05.2002, des Radiologen Dr. S. vom 05.09.2001 und 10.01.2002, des Neurologen Dr. E. vom 14.01.2002, den Entlassungsbericht der Parkklinik Bad Rappenau vom 03.04.1989 über das Heilverfahren vom 04.02. bis 21.03.1989 (statisches und degeneratives Lumbalsyndrom mit intermittierender pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung rechts bei generalisiertem Flachrücken infolge myostatischer Insuffizienz sowie großbogiger idiopathischer lumbaler Skoliose) und den Entlassungsbericht der Klinik Bad S. vom 03.11.2001 über die Anschlussheilbehandlung vom 08.10. bis 03.11.2001 (Zustand nach knöcherner Dekompression über Laminektomie LWK 4 sowie Nukleotomie L 3/4 am 24.09.2001 bei Spinalkanalstenose und Bandscheibenvorfall). Nach Auswertung dieser Unterlagen sowie beigezogener Röntgenaufnahmen gelangte Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.02.2003 zu der Beurteilung, es bestehe kein Verdacht auf eine BK Nr. 2108, da vor allem degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) und oberen/mittleren LWS vorlägen. Es bestehe deshalb kein belastungskonformes Schadensbild. Auch der Staatliche Gewerbearzt Dr. J. vertrat in seiner Stellungnahme vom 13.03.2003 die Auffassung, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.04.2003 die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, das festgestellte Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule spreche gegen eine berufliche Verursachung. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 01.08.2003).

Hiergegen erhob der Kläger am 08.08.2003 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung trug er vor, in der BKV werde nicht gefordert, dass ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen müsse bzw. sei nicht festgelegt, wie dieses Schadensbild aussehen müsse. Zumindest hätte die Beklagte prüfen müssen, ob eine angeblich degenerative Veränderung der Wirbelsäule durch die berufliche Belastung wesentlich verschlimmert worden sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte nach Aufforderung des SG die Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) vom 12.02.2004 vor. Danach lag die berufliche Gesamtdosis des Versicherten mit einem Wert von 25,46 - 106 Nh über dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 - 106 Nh für Männer.

Das SG holte von dem Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H. I und II, Prof. Dr. Dr. H., das Zusammenhangsgutachten vom 25.06.2004 ein. Anlässlich seiner ambulanten Untersuchung vom 08.06.2004 gab der Kläger an, erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden seien bei ihm erstmals 1970 in seinem Beruf als Eisenverleger aufgetreten. Er sei deshalb 1970 einmal vier Wochen und einmal sechs Wochen krankgeschrieben worden. 1974 sei er wegen eines ähnlichen Beschwerdebildes zwei Monate lang krankgeschrieben gewesen. Verstärkte Beschwerden seien auch 1984 und 1989 im Rahmen des Heilverfahrens in Bad Rappenau aufgetreten. In seiner Beurteilung führte Prof. Dr. Dr. H. aus, für eine berufsbedingte Erkrankung spreche zwar, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen ausweislich der Stellungnahme des TAD zu bejahen seien, dass sich in der Tat auch degenerative Veränderungen der LWS-Bandscheiben nachweisen ließen, dass sich in der Anamnese eine konkurrierende Störung im Sinne einer langjährigen sportbedingten Überlastung der Wirbelsäule nicht ergebe und dass sich im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) radiologisch überhaupt keine schwerwiegenden Aufbrauchserscheinungen nachweisen ließen. Gegen einen beruflichen Zusammenhang spreche jedoch, dass das geforderte 10-jährige beschwerdefreie Intervall nach Aufnahme einer schweren berufsbedingten Belastung nicht gegeben sei. Dass eine heftige Lumbago bereits im Alter von 22 und 26 Jahren aufgetreten sei, spreche eher für eine anlagebedingte Störung aufgrund einer Schwäche der Lendenbandscheiben. Ferner sei röntgenologisch eindeutig belegt, dass die schwersten morphologischen Umbauveränderungen die mittlere und untere BWS beträfen. Mäßige Veränderungen lägen im oberen LWS-Bereich vor, nach kaudal hin nähmen die Veränderungen ab. Das letzte hauptbelastete präsakrale Segment sei radiologisch nicht schwerwiegend auffällig. Bei einer überwiegend berufsbedingten Belastung durch Tragen schwerer Lastgewichte wäre ein umgekehrtes Verteilungsmuster anzunehmen. Ein Teil der Beschwerden der unteren LWS sei ferner durch ein deutlich verändertes Gangverhalten infolge der Absetzung des linken Fußes im Chopartgelenk, auf einen schweren Achsfehler im linken Knie und auf eine Peronäuslähmung des rechten Beins zurückzuführen. Insgesamt könne die berufsbedingte Belastung aufgrund der eindeutigen röntgenmorphologischen Situation nicht als wesentlicher Faktor eingeschätzt werden. Die haftungsausfüllende Kausalität sei deshalb abzulehnen.

Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG von dem Chirurgen Dr. K. von der Chirurgischen Universitätsklinik U. das aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 22.09.2004 erstattete Gutachten vom 28.09.2004 mit den Ergänzungen vom 03.12.2004 und vom 03.03.2005 ein. Der Sachverständige beschrieb darin eine mehrsegmentale Degeneration der Bandscheiben der gesamten LWS mit punctum maximum im Segment L 3/4. Auch das Segment L 5/S 1 sei jedoch kernspintomographisch sowie "übersichtsradiographisch" ebenfalls stark degeneriert und keinesfalls den Veränderungen der BWS nachhinkend. Diese Veränderungen der LWS bedingten ein lumboischialgiformes Schmerzbild sowie motorische und sensible Störungen des rechten Beines. Weiterhin bestünden radiologische Veränderungen der BWS in Form von osteophytären Anbauten, die jedoch nie zu einer klinischen Symptomatik geführt hätten. Die Bandscheibensegmente L 3/4 und L 4/5 seien nach Untersuchungen von White und Panjabi die Segmente, in denen sich der größte Anteil der Flexions-/Extensionsbewegungen der LWS abspiele. Aufgrund der erhöhten Bewegungsamplituden in diesen Segmenten könne eine verstärkte Abnutzung hier durchaus plausibel erklärt werden. Belastungen, die durch Heben und Tragen schwerer Lasten auf den Körper einwirkten, würden über die Arme und Schultern auf der Höhe der oberen BWS auf den Körper eingeleitet und wirkten sich deshalb axial auf das gesamte Wirbelsäulensystem aus, ohne die BWS auszuschließen. Gegen die Annahme, dass es sich bei dem Kläger um eine anlagebedingte Erkrankung handle, sprächen eindeutig die fehlenden degenerativen Veränderungen der HWS. Die Degenerationen im Bereich der LWS seien daher am ehestens als eine Reaktion auf die arbeitsbedingte Belastung zu werten. Die hierdurch bedingte MdE betrage ab dem 27.09.2001 20 v. H. Seine von Prof. Dr. Dr. H. abweichende Beurteilung sei durch die unterschiedliche Bewertung des schmerzfreien Intervalls und des Wirbelsäulendegenerationsmusters zu erklären. Es müsse berücksichtigt werden, dass die erstmals 1970 aufgetretenen Beschwerden in Zusammenhang mit schwerster körperlicher Arbeit in Form von Heben und Tragen von Lasten aufgetreten seien, die nahezu dem Körpergewicht des Klägers entsprochen hätten. Somit habe ein direkter Zusammenhang mit der beruflichen Exposition bestanden. Dies müsse von Gelegenheitssituationen, wie z. B. einer plötzlichen Rumpfbewegung unterschieden werden, die bei anlagebedingter Schwäche des Bandscheibengewebes ausreiche, um Beschwerden auszulösen. Entscheidend sei, dass der Kläger in seinem Berufsleben so lange entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausgeübt habe, dass die von den Berufsgenossenschaften akzeptierte Belastungsdosis überschritten worden sei.

Auf den Einwand der Beklagten, Dr. K. habe sich außerhalb des Konsenses zur Beurteilung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS bei der Prüfung einer BK nach der Nr. 2108 gestellt, erwiderte der Sachverständige, ein diesbezüglicher allgemein anerkannter Konsens sei ihm nicht bekannt. Auch die Argumentation der Beklagten, schon die radiologischen Veränderungen im Bereich der BWS reichten auch ohne klinische Symptomatik aus, um einen berufsbedingten Zusammenhang abzulehnen, könne nicht auf eine wissenschaftliche Grundlage gestützt werden.

Mit Urteil vom 08.03.2005 - den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 12.04.2005 - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich wesentlich auf das Gutachten von Prof. Dr. Dr. H ... Der abweichenden Beurteilung des Kausalzusammenhangs durch Dr. K. könne nicht gefolgt werden, weil für ihn letztlich die dokumentierte berufliche Gesamtbelastungsdosis für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs entscheidend gewesen sei. Damit bewege er sich jedoch außerhalb der von der Rechtsprechung und der unfallmedizinischen Literatur bisher entwickelten Kriterien zur individuellen Kausalitätsbeurteilung. Diese erfordere eine einzelfallbezogene Abwägung der Argumente für und gegen einen Ursachenzusammenhang.

Mit seiner am 14.04.2005 bei dem Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Berufung trägt der Kläger vor, die Ausführungen des SG dazu, dass allein die Überschreitung des Richtwerts für die Gesamtbelastungsdosis nicht für die Bejahung des Kausalzusammenhangs ausreiche, seien "nicht ganz nachvollziehbar". Ein Widerspruch sei darin zu sehen, dass einerseits ausgeführt werde, die Darlegungen von Prof. Dr. Dr. H. stimmten mit den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien überein, andererseits aber ausgeführt werde, es gebe in der Rechtsprechung keine allgemein gültigen Kriterien, bei denen die berufliche Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung eindeutig bejaht oder verneint werden könne. Ferner habe sich das SG nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass auch das Segment L 5/S 1 bei ihm betroffen sei, ebenso wenig mit dem Argument, dass im Bereich der mittleren und unteren BWS "nur degenerative Veränderungen, aber keine funktionalen Veränderungen" vorlägen. Gegen die Annahme einer BK spreche auch nicht der Umstand, dass bei ihm bereits 1970 massive LWS-Beschwerden aufgetreten seien. Vieles spreche dafür, dass diese Beschwerden auf das schwere Heben und Tragen zurückzuführen gewesen seien. Soweit das SG darauf abstelle, dass nach einer beruflichen Belastung von weniger als zehn Jahren die ersten Beschwerden aufgetreten seien, dürfte dies medizinisch unzutreffend sein. Insoweit habe das SG die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. Gegen die Auffassung des SG spreche ferner die Tatsache, dass er nach dem Auftreten der ersten Beschwerden noch 30 Jahre schwer gearbeitet habe. Schließlich habe das SG das Gutachten Dr. K. unzutreffend bewertet, indem es davon ausgegangen sei, für ihn sei nur die berufliche Gesamtbelastungsdosis wesentlich für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs gewesen. Dr. K. habe nämlich darauf hingewiesen, dass dies nur ein wesentlicher Gesichtspunkt sei neben dem weiteren Gesichtspunkt des vorliegenden belastungskonformen Schadensmusters im Bereich der LWS bei gleichzeitig fehlenden funktionellen Veränderungen in den anderen Wirbelsäulenbereichen. Sowohl Prof. Dr. Dr. H. als auch Dr. K. seien nochmals von Amts wegen zu weiteren Stellungnahmen aufzufordern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 08.03.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren, hilfsweise eine erneute Begutachtung von Amts wegen in Auftrag zu geben, entsprechend den Fragen aus dem Schriftsatz vom 16. Februar 2007 und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlussgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gem. § 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 9 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. Dies sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, das heißt, dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und - gegebenenfalls - Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, müssen erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9/Anm. 26). Sind für eine Gesundheitsschädigung auch andere Ursachen (Teilursachen) wesentlich, die im Rahmen einer BK nicht zu berücksichtigen sind, ist die beruflich bedingte schädigende Einwirkung (Teilursache) wesentlich im Rechtssinne, wenn sie gegenüber den sonstigen Ursachen wenigstens annähernd gleichwertig ist.

Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen. Mit der hiermit festgelegten beruflichen Belastung wird verbindlich umschrieben, welche beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS zu verursachen bzw. zu verschlimmern. Die Entscheidung des Verordnungsgebers ist nicht rechtswidrig. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Formulierung der Nr. 2108 der BKV die übliche differenzierende Umschreibung der bisher vorliegenden spezifischen Erkenntnisse dar (BSGE 84, 30).

Angesichts der nach dem MDD errechneten Gesamtdosis von 25,46 - 106 Nh, die über der geforderten Mindestdosis für Männer von 25 - 106 Nh liegt, geht der Senat ebenso wie das SG davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität für die Feststellung einer BK der Nr. 2108 erfüllt sind.

Jedoch fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität. Es kann nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass die Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch die berufliche Belastung verursacht worden sind. Wie schon das SG zutreffend dargelegt hat, ist die Vermutungsregelung in § 9 Abs. 3 SGB VII bei den BKen der Wirbelsäule nach den Nrn. 2108 bis 2110 derzeit ausgeschlossen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108, Anmerkung 5.1 m.N.). Ferner hat das BSG bereits entschieden, dass das Vorliegen einer Krankheit entsprechend der Nr. 2108 sowie einer beruflichen Exposition, die geeignet ist, diese Krankheit zu verursachen, für sich allein keinen Anscheinsbeweis zugunsten der beruflichen Verursachung begründet. Vielmehr müssen gesicherte Erfahrungssätze hinzukommen, die einen typischen Geschehensablauf hinsichtlich der beruflichen Verursachung ergeben (Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39 ff. mit Anmerkung Ricke). Typisch für bandscheibenbedingte Erkrankungen ist nämlich eine multifaktorielle Verursachung, die vielfach durch das Zusammenwirken von endogenen (prädispositionellen) und exogenen Faktoren (belastende Einwirkungen im privaten und versicherten Lebensbereich) geprägt ist. Erforderlich ist deshalb eine individuelle Kausalitätsbeurteilung unter Berücksichtigung der vom SG auf Seite 9 dargelegten, dem Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Seite 577 ff. entnommenen Gesichtspunkte. Das SG hat auf den Seiten 9 und 10 des angefochtenen Urteils ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen im vorliegenden Fall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und den beruflichen Belastungen des Klägers nicht wahrscheinlich gemacht werden kann. Der Senat macht sich diese Ausführungen nach eigener Prüfung zu eigen und verweist hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis. Soweit der Kläger vorträgt, für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass es für die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 nicht ausreiche, dass der Richtwert für die Gesamtbelastungsdosis überschritten sei, verkennt er, dass - wie oben dargelegt - hier weder die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII anwendbar ist, noch die Grundsätze über den Anscheinsbeweis herangezogen werden können. Hieran krankt auch das Gutachten von Dr. K., nach dem, wie sich aus dem Schlusssatz seines Gutachtens vom 28.09.2004 ergibt, entscheidend sei, dass der Kläger in seinem Berufsleben so lange entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten durchgeführt habe, dass letztendlich eine von den Berufsgenossenschaften akzeptierte Dosis eindeutig überschritten worden sei. Soweit Dr. K. ausführt, dass bisher in keiner Studie ein für eine berufsbedingte LWS-Erkrankung belastungstypisches Degenerationsmuster der Wirbelsäule habe nachgewiesen werden können, ist richtig, dass in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor höchst kontrovers diskutiert wird, unter welchen Voraussetzungen die haftungsausfüllende Kausalität bei der BK Nr. 2108 bejaht werden kann. Inzwischen gibt es jedoch Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, in der Wissenschaftler mit stark divergierenden Ausgangspunkten mitgewirkt haben wie Prof. Dr. B.-A. und Prof. Dr. E. einerseits, Prof. Dr. W. und Dr. S. andererseits (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff.). Danach konnte ein Konsens darüber erzielt werden, dass es kein von den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben eindeutig abgrenzbares belastungstypische Krankheitsbild gibt, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulenschadensbild der BK. Das belastungskonforme Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und der Entwicklung einer Begleitspondylose. Einigkeit besteht unter den maßgeblichen Wissenschaftlern ferner darüber, dass berufliche Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich die LWS belasten, während die Belastungen an der HWS und an der BWS erheblich geringer sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich berufliche Belastungen im Sinne der BK Nr. 2108 hauptsächlich an der LWS auswirken.

Über die Bedeutung der degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS einerseits und der BWS andererseits besteht keine Einigkeit zwischen Prof. Dr. Dr. H. und Dr. K ... Während der Erstgenante auf Seite 46 seines Gutachtens ausgeführt hat, die degenerativen Bandscheibenveränderungen der mittleren und unteren BWS mit reaktiven knöchernen Störungen seien viel ausgeprägter als die Veränderungen der LWS, führt Dr. K. auf Seite 25 seines Gutachtens aus, klinisch sowie radiologisch seien die Veränderungen im Bereich der LWS führend. Hierbei ist er jedoch offensichtlich von der Voraussetzung ausgegangen, bei dem Vergleich des Ausprägungsgrades degenerativer Veränderungen verschiedener Wirbelsäulenabschnitte sei nicht oder jedenfalls nicht nur auf den radiologischen, sondern auch bzw. vor allem auf den klinischen Befund abzustellen. Dies überzeugt den Senat nicht. Geht man nach einem biomechanischen Erklärungsmodell davon aus, dass das Heben und Tragen von Lasten Veränderungen der LWS hervorruft, so muss sich dieser Einfluss schon allein röntgenologisch manifestieren, auch wenn noch keine Beschwerden vorhanden sind.

Dr. K. konnte ferner das Argument von Prof. Dr. Dr. H. nicht entkräften, dass die Bandscheibenveränderungen der LWS im Falle des Klägers anders, als es bei einem Einfluss beruflicher Belastungen zu erwarten wäre, von kranial (oben) nach kaudal (unten) abnehmen. Auf den Seiten 42 und 43 seines Gutachtens hat Prof. Dr. Dr. H. im Einzelnen dargelegt, dass die Veränderungen der LWS-Bandscheiben nicht nur das operierte Segment L 3/4, leichtergradig auch L 4/5 betreffen, sondern vor allem die oberen Bandscheibenetagen der LWS, also L 1/2 und L 2/3. Demgegenüber zeigt die letzte präsakrale Bandscheibe (L 5/S 1) einen eher geringgradigen Befund. Dass Dr. K. das "punctum maximum" der degenerativen Veränderungen der LWS in den Bandscheibensegmenten L 3/4 sowie L 4/5 sieht, ist wieder damit zu erklären, dass er hierbei die klinische Beschwerdesymptomatik jedenfalls mitberücksichtigt hat. Besonders deutlich wird dies aufgrund der Ausführungen Dr. K. in der ergänzenden Stellungnahme vom 03.12.2004, wonach die Veränderungen der Bandscheiben L 3/4 und L 4/5, weniger ausgeprägt auch im Segment L 5/S 1 klinisch relevant seien "und aus diesem Grund Fokus therapeutischer Maßnahmen und der Begutachtung" sein müssten. Schließlich hat Dr. K. das Argument Prof. Dr. Dr. H. nicht widerlegen können, das geforderte 10-jährige Beschwerdeintervall nach Aufnahme einer schweren berufsbedingten Belastung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine Tätigkeit mit schwerem Heben und Tragen hat der Kläger erstmals als Eisenverleger ab Februar 1969 aufgenommen. Bereits 1970 traten Wirbelsäulenbeschwerden mit heftiger Lumbago sowie 4- und 6-wöchigen Arbeitsunfähigkeitszeiten auf. Ähnlich lange andauernde Arbeitsunfähigkeiten mit ähnlicher lumbalgiformer Beschwerdesymptomatik folgten 1974. Zwar räumt auch das überarbeitete Merkblatt des Bundesministers für Gesundheit und Soziales (Bundesarbeitsblatt 10-2006, Seite 33) ein, dass das Merkmal der "Langjährigkeit" in begründeten Einzelfällen auch bei einer kürzeren als 10-jährigen, jedoch sehr intensiven Belastung bejaht werden kann. Ferner wird im MDD die Langjährigkeit mit mindestens sieben Jahren angesetzt (vgl. BSG SozR 4 2700 § 9 Nr. 1 unter Hinweis auf ASUMed 1999, 112, 113). Im Fall des Klägers traten lumbalgiforme Beschwerden jedoch schon nach ca. einem Jahr wirbelsäulenbelastender Tätigkeit auf. Soweit Dr. K. den Standpunkt vertreten hat, bei schwerster körperlicher Arbeit in Form von Heben und Tragen von Lasten, die nahezu dem Körpergewicht entsprächen, könne auch ein frühzeitiges Auftreten nicht zum Ausschluss der Anerkennung einer BK 2108 führen, verkennt er zum einen, dass das Merkmal der Langjährigkeit zwingendes Tatbestandserfordernis einer unter die Nr. 2108 fallenden Erkrankung ist, das der BK-Liste der DDR entnommen worden ist. Gerade weil es sich bei den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS um ein multifaktorielles Geschehen handelt, können zum anderen entsprechende Erkrankungen, die schon nach einem Jahr einer entsprechenden, auch in extremem Maße belastenden Tätigkeit auftreten, nicht wesentlich mit den beruflichen Einflüssen, sondern nur mit der Prädisposition des Versicherten in einen wesentlichen Zusammenhang gebracht werden.

Im Sinne des Hilfsantrags des Klägers war die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht erforderlich. Denn durch die Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. und des Dr. K., die eine im Wesentlichen identische Befundsituationen erhoben haben, ist der medizinische Sachverhalt, was die Erkrankung der Wirbelsäule anbelangt hinreichend aufgeklärt. Für die hiernach in freier richterlicher Beweiswürdigung anhand der erhobenen Befunde und weiteren beweiserheblichen Tatsachen zu treffenden Entscheidung, ob die versicherte Tätigkeit wesentliche Bedingung für die eingetretene Schädigung ist, bedurfte es keiner weiteren Beweiserhebung, da die abzuwägenden Gesichtspunkte in den vorliegenden Gutachten hinreichend diskutiert wurden.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers nicht zum Erfolg führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Denn die Rechtssache wirft insbesondere keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf. Dass beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und dem LWS-Schaden geschlossen werden kann, hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 18.11.1997 (a.a.O.) entschieden. Bei den vom Kläger im Übrigen aufgeworfenen Fragen handelt es sich um medizinische Fragen, die nach den Konsensempfehlungen bei der Prüfung, ob ein belastungskonformes Schadensbild vorliegt, zu prüfen und im Rahmen einer Gesamtbewertung abzuwägen sind, nicht aber um klärungsbedingte Rechtsfragen.
Rechtskraft
Aus
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