L 6 U 2238/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 199/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2238/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für den Zeitraum vom 06. Oktober 1997 bis 08. Februar 1999 ein höheres Verletztengeld (Vg) zusteht.

Der 1949 geborene, aus der ehemaligen DDR stammende Kläger erlitt im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Ingenieur bei Arbeitseinsätzen im Ausland am 11. Juli 1985 und am 07. Februar 1986 zwei Arbeitsunfälle mit erheblichen Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. In der ehemaligen DDR bezog er deshalb Unfallrente. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland am 22. Januar 1990 gewährte die Beklagte ab 01. Januar 1992 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vom Hundert (v.H.) und ab 01. August 1998 nach einer MdE um 50 v.H.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Servicetechniker für die Firma W. Automaten GmbH (im Folgenden: GmbH) trat beim Kläger am 11. August 1997 Arbeitsunfähigkeit (AU) ein. Nach Ablauf des Lohnfortzahlungszeitraums gewährte die Techniker Krankenkasse (TKK) dem Kläger zunächst Krankengeld (Krg). Vom 06. Oktober 1997 bis zum Ablauf des Höchstbezugszeitraums am 08. Februar 1999 gewährte sie im Auftrag der Beklagten Vg, da die AU während dieses Zeitraums allein unfallbedingt war. Der Berechnung des Krg bzw. des Vg legte die TKK das vom Kläger nach Mitteilung der GmbH im Entgeltabrechnungszeitraum vom 01. bis 31. Juli 1997 erzielte Bruttoarbeitsentgelt von 5.530,00 DM bzw. ein Nettoarbeitsentgelt von 2.807,30 DM zugrunde, woraus sie ein kalendertägliches Vg in Höhe von 93,58 DM errechnete und nach Abzug der Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung kalendertäglich 81,04 DM an den Kläger zur Auszahlung brachte.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 1998 die TKK um eine Überprüfung der entsprechenden Leistungshöhe gebeten hatte, wandte sich diese erneut an die GmbH, die das mitgeteilte Nettoarbeitsentgelt nunmehr berichtigt mit 2.896,85 DM mitteilte. Die TKK berechnete daraufhin das dem Kläger kalendertäglich zustehende Vg neu, wobei sie nunmehr einen Bruttobetrag von 96,56 DM und nach Abzug der Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung einem Auszahlungsbetrag von 83,62 DM ermittelte. Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 unterrichtete sie den Kläger hiervon und zahlte diesem den sich für die Vergangenheit ergebenden Mehrbetrag nach. Mit weiterem Schreiben vom 07. August 1998 informierte die TKK den Kläger ferner über den zum 01. August 1998 dynamisierten neuen Zahlbetrag (Brutto: 96,78 DM, Netto: 83,82 DM).

Mit Schreiben vom 17. August 1998 wandte sich der Kläger zum einen an das Bundesversicherungsamt und zum anderen an die TKK und machte wiederum geltend, das Krg bzw. das Vg sei fehlerhaft berechnet worden. Die TKK legte dem Kläger mit Schreiben vom 03. September 1998 daraufhin nochmals ausführlich die Berechnungsgrundlagen der entsprechenden Leistungen dar und wies im Hinblick auf sein Vorbringen, wonach das Arbeitseinkommen bei der Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360-sten Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der AU erzielten Arbeitseinkommens zu ermitteln sei, insbesondere darauf hin, dass diese Regelung auf ihn nicht anwendbar sei, da sie sich nur auf Selbständige beziehe, er jedoch Arbeitnehmer der GmbH sei. Im Übrigen bestimme die angesprochene Regelung des § 47 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) lediglich, dass das Arbeitsentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 360-sten Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes bei der Berechnung zu berücksichtigen sei; dies bedeute jedoch nicht, dass Vg in Höhe des 360-sten Teils des Jahresentgelts gewährt werde.

Am 03. Januar 2000 erhob der Kläger beim Sozialgericht Ulm (SG) gegen die TKK Klage (S 1 KR 11/00), wandte sich erneut gegen die Höhe der Krg- bzw. Vg-Zahlungen und verwies wiederum auf die Regelung des § 47 SGB VII, nach der das Regelentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 360-sten Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2000 machte er sodann deutlich, dass er neben einem höheren Krg bzw. Vg Aufklärung darüber begehre, welche Beiträge zur Rentenversicherung aus den genannten Leistungen einbehalten worden seien. Die beklagte TKK erklärte sich daraufhin bereit, dem Kläger durch Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides Aufklärung darüber zu erteilen, wie sich das Krg konkret berechne und welche Beiträge einbehalten worden seien, wobei dem Bescheid auch zu entnehmen sein werde, von welchem Bemessungsentgelt bei der Berechnung des Krg bzw. des Vg ausgegangen worden sei. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit daraufhin für erledigt.

In Ausführung ihrer Zusage aus diesem Rechtsstreit legte die TKK dem Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2000 ausführlich u. a. die Grundlagen der Berechnung des im Auftrag der Beklagten vom 06. Oktober 1997 bis 08. Februar 1999 ausgezahlten Vg dar. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte wiederum geltend, das Krg bzw. Vg sei falsch berechnet und nicht in voller Höhe zur Auszahlung gebracht worden. Im Jahr 1996 habe sein Entgelt 79.515,00 DM betragen, so dass der 360-ste Teil einem Regelentgelt von 220,87 DM entspreche. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2000 wies die Beklagte den Widerspruch unter nochmaliger Darlegung der Vg-Berechnung zurück.

Am 22. Dezember 2000 erhob der Kläger dagegen zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage beim SG (S 2 U 2969/00), nahm Bezug auf seine Widerspruchsbegründung, legte in Kopie u. a. die Verdienstabrechnung der GmbH für den Monat Juli 1997 vor und machte geltend, bei der Berechnung des Vg sei die Beklagte von einem zu geringen Einkommen ausgegangen. Mit Beschluss vom 04. Februar 2002 ordnete das SG auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an. Nach Wiederanrufung des Verfahrens, das nunmehr unter dem Aktenzeichen S 2 U 199/04 fortgeführt wurde, machte der Kläger geltend, § 574 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelte auch für Arbeitsunfälle, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten seien, wenn der Verletzte nach dem 31. Dezember 1991 - wie bei ihm der Fall - an den Unfallfolgen wieder erkrankt sei. Die Beklagte trat der Klage mit dem Hinweis entgegen, das Vg sei nicht fehlerhaft berechnet worden. Der Hinweis auf § 574 RVO gehe fehl, da diese Regelung zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung einerseits nicht mehr anwendbar gewesen sei und bei ihm andererseits nicht der Jahresarbeitsverdienst Grundlage der Vg-Berechnung sei, weil er als Arbeitnehmer und nicht als Unternehmer wiedererkrankt sei. Mit Urteil vom 29. März 2004 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Berechnung des Vg richte sich, wie § 214 Abs. 1 SGB VII zu entnehmen sei und von der Beklagten zutreffend dargelegt, nach den §§ 45ff. SGB VII, nicht jedoch nach § 574 RVO. Unter Anwendung der insoweit maßgeblichen Regelungen sei das Vg zutreffend berechnet worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Kläger am 11. Mai 2004 zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 08. Juni 2004 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ausgeführt, sämtliche Berufsgenossenschaften hätten durch Satzung "Höchstjahresverdienstgrenzen" festgelegt, die - wie der Wortlaut zeige - für Arbeitnehmer anzuwenden seien. Hierzu hat er in Kopie Auszüge aus "Schwede, Unfallversicherungsrecht 1997, S. 68-73" vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. März 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2000 zu verurteilen, das ihm im Zeitraum vom 06. Oktober 1997 bis 08. Februar 1999 gewährte Verletztengeld auf der Grundlage seines Jahresarbeitsverdienstes vor seiner Wiedererkrankung unter Berücksichtigung der Höchstjahresverdienstgrenze der Beklagten neu zu berechnen und den Differenzbetrag an ihn auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass dem Kläger die Grundlagen der Berechnung des Vg bereits mehrfach dargelegt worden und nicht zu beanstanden seien.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn dem Kläger steht für den Zeitraum vom 06. Oktober 1997 bis 08. Februar 1999 kein höheres als das bereits gewährte Vg zu. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2000 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2000 hat die TKK bzw. die Beklagte das dem Kläger zustehende Vg zutreffend berechnet und bei dieser Berechnung insbesondere auch die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen zur Anwendung gebracht. Das SG hat zur Vermeidung von Wiederholungen daher zu Recht auf die entsprechenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen. Auch der Senat schließt sich den in Bezug genommenen Berechnungen an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG gleichfalls auf die entsprechenden Ausführungen.

Soweit der Kläger weiterhin die Auffassung vertritt, die TKK bzw. die Beklagte habe der Berechnung des Vg zu Unrecht nicht seinen Jahresarbeitsverdienst vor seiner Wiedererkrankung zugrunde gelegt, verkennt er den Regelungsgehalt der von ihm herangezogenen Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Soweit diese Vorschrift nämlich bestimmt, dass das Vg entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) mit der Maßgabe zu ermitteln ist, dass das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360-sten Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist, enthält diese Vorschrift, was den Höchstbetrag des Regelentgelts anbelangt, lediglich eine vom SGB V abweichende Regelung der Jahresarbeitsverdienstgrenze. Folge hiervon ist, dass das Regelentgelt, das Grundlage der Berechnung des Vg ist, nicht wie bei der Berechnung des Krg durch die im Krankenversicherungsrecht gültige Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wird. Für die Berechnung des Vg wird im Unfallversicherungsrecht die krankenversicherungsrechtliche Höchstgrenze vielmehr ersetzt durch den Betrag des Höchstjahresarbeitsverdienstes, den der jeweilige Unfallversicherungsträger nach § 85 Abs. 2 SGB VII durch Satzung bestimmen kann; dieser Betrag liegt regelmäßig über der in der Krankenversicherung gültigen Beitragsbemessungsgrenze. Die vom Kläger herangezogene Reglegung hebt somit lediglich die im Krankenversicherungsrecht gültige Grenze auf, bis zu der Einkommen bei der Bemessung der Lohnersatzleistung berücksichtungsfähig ist bzw. erhöht diese Grenze, bis zu der erzieltes Arbeitsentgelt der Berechnung des Vg zugrunde zu legen ist. Sie stellt - anders als der Kläger meint - für sich betrachtet jedoch keinen Berechnungsfaktor für die Bestimmung der Höhe des ihm zustehenden Vg dar. Der Kläger kann aus der in Rede stehenden Regelung für sich insbesondere auch keine Vorteile herleiten. Denn sein im letzten Abrechnungszeitraum erzieltes und der Berechnung des Vg zugrunde zu legendes Arbeitsentgelt hat mit 5.530,00 DM die im Krankenversicherungsrecht im Jahr 1997 gültig gewesene Beitragsbemessungsgrenze von 6.150,00 DM nicht erreicht, so dass der Kläger gerade kein Mehr an Verdienst erzielt hat, der bei der Berechnung der Lohnersatzleistung ohne die Sonderregelung in § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unberücksichtigt hätte bleiben müssen. Mangels Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze wäre beim Kläger demnach auch ohne die Regelung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kein der Höhe nach gekürztes Regelentgelt zugrunde zu legen gewesen. Außerdem kam es letztlich auf die Höhe des Regelentgelts gar nicht an, weil bei der nach § 47 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzustellenden Vergleichsberechnung das Nettoarbeitsentgelt die Obergrenze des Vg darstellte.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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