L 26 B 907/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 66 AS 8914/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 907/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auch auf den Bescheid vom 6. Juni 2007 erstreckt. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

Der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 3. Mai 2007, mit dem es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 27. März 2007 angeordnet und ihn zur Zahlung höherer Leistungen für Mai 2007 verpflichtet hat, hat das SG nach Erlass des Bescheides vom 6. Juni 2007 mit der Begründung nicht abgeholfen, selbst ein rechtmäßiger an diesem Tage erlassener Sanktionsbescheid könne sich auf den streitigen Zeitraum (April und Mai 2007) nicht auswirken. Die Beschwerde, die das SG an das Landessozialgericht abgegeben hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig (§ 172, 173 SGG) aber unbegründet.

Der Senat nimmt zur Begründung zunächst Bezug auf die angefochtene Entscheidung des SG, der er sich nach eigener Überprüfung und Überzeugungsbildung in vollem Umfang anschließt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Im Beschwerdeverfahren haben sich keine Gesichtspunkte gezeigt, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben könnten. Der Antragsgegner trägt selbst nicht vor, dass der Bescheid vom 27. März 2007 den Erfordernissen, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind (vgl. § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch SGB X), genügen könnte. Mit dem Bescheid vom 6. Juni 2007 hat er im laufenden Widerspruchsverfahren den Bescheid vom 27. März 2007 ersetzt und eine ausdrückliche Entscheidung über die Auswirkungen der eingetretenen Sanktion im Hinblick auf die Höhe der zuerkannten Leistungen getroffen. Dies führt - wie das SG zutreffend in seiner Entscheidung über die Nichtabhilfe ausgeführt hat - nicht zu einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes kann (anders als seine fehlende Begründung) nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, da es sich nicht um einen Formfehler handelt. Der ursprüngliche Verwaltungsakt leidet bei fehlender Bestimmtheit an einem besonders schweren Fehler (Recht in: Hauck/Noftz, K § 33 SGB X RdNr. 3; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005 § 33 RdNr. 6). Dies gilt im Falle einer Sanktion nach § 31 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) schon deshalb, weil die Absenkung der Leistung wegen einer Sanktion rückwirkend ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II treten Absenkung und Wegfall erst mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Dem Betroffen soll dadurch ermöglicht werden sich darauf einzustellen, dass er in der Folgezeit mit niedrigeren Leistungen zur laufenden Sicherung des Lebensunterhalts rechnen muss. Da mit den Leistungen der laufende Bedarf für das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt werden soll, muss es ihm möglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im vorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er ggf. den fehlenden Betrag decken kann. Dazu muss ihm insbesondere von vornherein klar sein, in welcher Höhe er eine Absenkung hinzunehmen hat. Fehlt es in diesem Sinne an einer Bestimmtheit des Ausgangsverwaltungsaktes, kann dies nicht nach Ablauf des Sanktionszeitraumes nachträglich geheilt werden; dem steht der Gesetzeszweck des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II entgegen. Als eigenständige ("neue") Sanktionsregelung ist der Bescheid vom 6. Juni 2007 schon deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil er nicht vor Beginn des Sanktionszeitraumes bekannt gegeben worden ist.

Der Bescheid vom 6. Juni 2007 ist entgegen der in seiner Rechtsmittelbelehrung zum Ausdruck gekommenen Auffassung des Antragsgegners Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden (§ 86 SGG). Der Widerspruch ist mit seinem Erlass nicht erledigt, weil der Bescheid die ursprüngliche Beschwer nicht beseitigt hat. Einer selbständigen Anfechtung durch den Antragsteller bedurfte es nicht. Die angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 SGG) erstreckt sich damit nach Erlass des Bescheides vom 6. Juni 2007 auch auf diesen Bescheid. Mit seiner Entscheidung über die Nichtabhilfe hat das SG erkennbar den entsprechenden Antrag auf Änderung dieser Maßnahme (vgl. § 86 b Abs. 1 Satz 4 SGG) abgelehnt. Dies war im Tenor klarzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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