L 28 B 1087/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1083/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1087/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 7. November 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2006 wird angeordnet. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zulässig und begründet. Auf den Antrag des Antragstellers vom 7. November 2006 um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war die aufschiebende Wirkung seiner ebenfalls am 7. November 2006 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage (S 18 AS 10183/06) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1. November 2006 anzuordnen.

Das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers richtet sich nach § 86 b Abs. 1 SGG. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid sind dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den hier streitbefangenen Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006 in ungekürzter Höhe gewährt worden. Damit hat der Antragsgegner einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate die Auszahlung der ihm mit diesem Bescheid gewährten Leistungen verlangen kann. Wenn der Antragsgegner meint, diese Leistungsgewährung sei vom 1. Oktober 2006 an insoweit rechtswidrig geworden, so bedarf der ursprüngliche Bewilligungsbescheid der Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dieser Bescheid, der hier unter dem 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2006 ergangen ist, stellt eine den Antragsteller belastende Regelung dar, weil mit ihr in die dem Antragsteller mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid gewährte und ihn begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist.

Da die Klage des Antragsteller gegen diese Entscheidung nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (Beschlüsse des Senats vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER - ,vom 2. Mai 2007 - L 28 B 517/07 AS ER – und vom 6. Juni 2007 – L 28 B 731/07 AS ER - sowie bereits Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2006 - L 10 B 191/06 AS ER -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

An diesen Grundsätzen gemessen war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die angefochtene Entscheidung des Antragsgegners anzuordnen. Denn im vorliegenden Verfahren bestehen bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von dem Antragsgegner getroffenen Entscheidung, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der verhängten Sanktion in der Sache ankäme.

Mit dem Bescheid vom 25. September 2006 hat der Antragsgegner eine monatliche Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006 "um 30 % der Regelleistung", höchstens jedoch in Höhe des dem Antragsteller zustehenden "Gesamtauszahlungsbetrages", "maximal" aber "in Höhe 104,00 EUR monatlich", verfügt.

Bedenken gegen diese Verfahrensweise des Antragsgegners bestehen im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, ob ein solcher Verfügungssatz, dem der Hilfebedürftige nicht die tatsächliche Höhe der ihm für den Sanktionzeitraum zustehenden Leistung entnehmen kann, den Anforderungen genügt, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind (vgl. § 33 SGB X). Denn nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II treten Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Sinn und Zweck dieses Ausschlusses der Festsetzung einer Sanktion für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ist es, dem Betroffenen zu ermöglichen, sich darauf einzustellen, dass er in der Folgezeit (für den Sanktionszeitraum) nur noch mit niedrigeren Leistungen zur laufenden Sicherung des Lebensunterhalts rechnen kann. Da mit den Leistungen der laufende Bedarf für das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt werden soll, muss es ihm möglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im Vorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er ggf. den fehlenden Betrag decken kann. Dazu muss ihm insbesondere von vornherein klar sein, in welcher Höhe er eine Absenkung hinzunehmen hat. Der Umfang der Kürzung muss deshalb konkret und unmissverständlich (Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 RdNr. 146) dem Bescheid zu entnehmen sein. Mangelt es an einer Bestimmtheit in diesem Sinne, kann dies nicht nach Ablauf des Sanktionszeitraumes nachträglich geheilt werden; dem steht der Gesetzeszweck des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II entgegen (Beschluss des Senats vom 29. Juni 2007 – L 28 B 889/07 AS ER – und bereits Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2007 – L 26 B 907/07 AS ER - , abrufbar unter www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes kann (anders als seine fehlende Begründung) nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, da es sich nicht um einen Formfehler handelt. Der ursprüngliche Verwaltungsakt leidet bei fehlender Bestimmtheit an einem besonders schweren Fehler (Recht in: Hauck/Noftz, K § 33 SGB X RdNr. 3; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005 § 33 RdNr. 6).

Im vorliegenden Fall bestehen insoweit erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides. Seinem Verfügungssatz ist ein konkreter Absenkungsbetrag nicht zu entnehmen. Er benennt lediglich einen Rahmen (mindestens 30 %/höchstens in Höhe des zustehenden Gesamtauszahlungsbetrages/maximal 104,00 EUR), um den die Regelleistung für den Sanktionzeitraum abgesenkt werden soll. Der Bescheidadressat, der Hilfebedürftige, kann einem solchen Verfügungssatz nicht mit der notwendigen unmissverständlichen Bestimmtheit entnehmen, um welchen konkreten Betrag die ihm bereits gewährte Regelleistung gekürzt wird und welcher Betrag ihm letztendlich damit für die Folgezeit, für den Sanktionszeitraum, konkret zur Sicherung seines Lebensunterhalts zur Verfügung steht.

Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der existenzsichernden Funktion der Leistungen nach dem SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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