Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2237/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2941/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) Freiburg nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin (Ast.) begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist, wie das SG zutreffend erkannt hat, für die begehrte Leistungsgewährung vom 1. Oktober bis 30. November 2006 die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Das vorliegende Rechtsschutzverlangen ist unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG zu fassen. Denn durch den hier umstrittenen "Einstellungsbescheid" vom 14. März 2007 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. Februar 2007 wird in die durch die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Juni bis November 2006 erlangte Rechtsposition der Ast. eingegriffen (Bewilligungsbescheid vom 24. April 2006). Da dem Widerspruch der Ast. gegen die Bescheide vom 1. Februar 2007 und 14. März 2007 - soweit nicht die Erstattungsforderung betroffen ist (vgl. hierzu Conradis in LPK- SGB II, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 7; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2005 - L 7 AS 292/05 ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. April 2006 - L 2 B 62/06 AS ER - (beide juris)) - kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Für die Leistungsgewährung für die Zeit ab 1. Dezember 2006 kommt dagegen - auch insoweit hat das SG die zutreffende Rechtsgrundlage herangezogen - allein eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Betracht, denn für diesen Zeitraum wurden von der Antragsgegnerin (Ag.) noch keine Leistungen bewilligt. Damit wurde nicht in eine weitergehende Rechtsposition der Ast. eingegriffen.
Ein Anspruch der Ast. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (dazu unter 1.) besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (dazu unter 2.). Das SG hat daher den Antrag zu Recht insgesamt abgelehnt.
1.) Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - a.a.O. und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.
Die sonach gebotene Interessenabwägung führt nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Streitgegenständlich ist ausweislich des gestellten Antrags die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 1. Februar 2007 sowie mit "Einstellungsbescheid" vom 14. März 2007. Nachdem die Beklagte faktisch die Leistungen bereits zum 1. Oktober 2006 eingestellt hatte, stellt sich angesichts der bereits zuvor erfolgten Aufhebung der Leistungsbewilligung zwar die Frage, welchen Regelungsgehalt der Bescheid vom 17. März 2007 hat. Jedenfalls ist die Aufhebung (auch) mit Wirkung ab 1. Oktober jedoch nach der Rechtsgrundlage des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht zu beanstanden. Nicht Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die von der Ag. geltend gemachte Rückforderung von Leistungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. September 2006.
Nach § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Leistungsbewilligung war von Anfang an rechtswidrig, weil die Ast. wegen der nicht selbst bewohnten Eigentumswohnung in Lahr nicht hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II war. Hilfebedürftig ist danach, wer seinen Lebensunterhalt und den der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine Eigentumswohnung. Die Wohnung der Ast. fällt nicht unter diese Vorschrift, da sie an Dritte vermietet ist und nicht selbst genutzt wird. Ebenso ergibt sich kein Ausschluss der Berücksichtigung der Wohnung aus § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, da die Verwertung weder offensichtlich unwirtschaftlich ist noch für die Ast. eine besondere Härte bedeuten würde. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des SG auf S. 7 bis 9 des angefochtenen Beschlusses an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Ergänzend ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung nochmals darauf hinzuweisen, dass vorliegend die Vermietung der Wohnung keineswegs wirtschaftlicher ist als ein Verkauf. Die von der Ast. angestellte hypothetische Berechnung, dass sie sogar Anspruch auf höhere Leistungen hätte, wenn sie die Wohnung selbst bewohnte, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Zum einen kommt es stets auf den aktuellen tatsächlichen Bedarf an, nicht auf hypothetische Ansprüche bei fiktiven Konstellationen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Ast. bei Verwertung der Wohnung durch Verkauf bis zum Verbrauch des Erlöses überhaupt keinen Leistungsanspruch hätte. Mildere Formen der Verwertung wie Vermietung dürfen dann eingesetzt werden, wenn dies zur Deckung des Bedarfs ausreicht (Behrend in jurisPK-SGB II, Stand 27. November 2006, § 12 Rdnr. 61). Eine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Wohnung vermietet war. Die im Mietvertrag mit ca. 44,5 m² angegebene Wohnung lässt sich durchaus auch vermietet als Kapitalanlage verkaufen, darüber hinaus hatte die Ast. die Wohnung nach erfolgreicher Räumungsklage gegen den letzten Mieter erst zum 1. Dezember 2006 wieder neu vermietet; sie hätte somit die Möglichkeit gehabt, diese auch unvermietet zu verkaufen. Der Verkehrswert der Wohnung beträgt nach Mitteilung des Gutachterausschusses der Stadt Lahr 35.000 EUR, die für die Klägerin bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums 30. November 2005 maßgebliche Vermögensfreigrenze hat der Antragsgegner (Ag.) zutreffend mit 11.350,00 EUR berechnet. Damit liegt Bedürftigkeit nicht vor, so dass die Bewilligung rechtswidrig war.
Die Ast. kann keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da sie vorsätzlich bei Antragstellung ihre Eigentumswohnung verschwiegen hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Ag. erhielt erst Kenntnis von dieser Wohnung durch eine Mitteilung des Amtsgerichts Lahr an den Sozialhilfeträger wegen der von der Ast. angestrengten Räumungsklage gegen den früheren Mieter S.L. Selbst auf konkrete Nachfrage des Ag. nach der an S.L. vermieteten Wohnung äußerte die Ast. im August 2006 noch schriftlich: "Leider ist das eine falsche Vermutung. Ich habe keine Wohnung, somit auch keine Mieteinnahmen und auch keinen Mietvertrag, somit kann ich auch nichts vorlegen. Ich besitze, wie ich bereits geschrieben habe, überhaupt keine Wohnung."
Angesichts dessen erscheint die Rechtsverfolgung in der Hauptsache wenig aussichtsreich.
2.) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast. vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 (alle m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).
Vorliegend ist schon ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, wobei auf die unter 1.) gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. Abweichend ist lediglich zu Ungunsten der Ast. zu berücksichtigen, dass der Vermögensfreibetrag für den ab 1. Dezember 2006 beginnenden Bewilligungsabschnitt lediglich noch 9000,00 EUR beträgt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II i.d.F. des Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006, BGBl. I 1706).
Für die Zeit vor Stellung des Antrags beim SG am 19. April 2007 besteht im übrigen kein Anordnungsgrund, da eine Eilbedürftigkeit fehlt, wenn Ansprüche für zurückliegende Zeiträume geltend gemacht werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) Freiburg nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin (Ast.) begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist, wie das SG zutreffend erkannt hat, für die begehrte Leistungsgewährung vom 1. Oktober bis 30. November 2006 die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Das vorliegende Rechtsschutzverlangen ist unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG zu fassen. Denn durch den hier umstrittenen "Einstellungsbescheid" vom 14. März 2007 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. Februar 2007 wird in die durch die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Juni bis November 2006 erlangte Rechtsposition der Ast. eingegriffen (Bewilligungsbescheid vom 24. April 2006). Da dem Widerspruch der Ast. gegen die Bescheide vom 1. Februar 2007 und 14. März 2007 - soweit nicht die Erstattungsforderung betroffen ist (vgl. hierzu Conradis in LPK- SGB II, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 7; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2005 - L 7 AS 292/05 ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. April 2006 - L 2 B 62/06 AS ER - (beide juris)) - kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Für die Leistungsgewährung für die Zeit ab 1. Dezember 2006 kommt dagegen - auch insoweit hat das SG die zutreffende Rechtsgrundlage herangezogen - allein eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Betracht, denn für diesen Zeitraum wurden von der Antragsgegnerin (Ag.) noch keine Leistungen bewilligt. Damit wurde nicht in eine weitergehende Rechtsposition der Ast. eingegriffen.
Ein Anspruch der Ast. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (dazu unter 1.) besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (dazu unter 2.). Das SG hat daher den Antrag zu Recht insgesamt abgelehnt.
1.) Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, sodass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - a.a.O. und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.
Die sonach gebotene Interessenabwägung führt nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Streitgegenständlich ist ausweislich des gestellten Antrags die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 1. Februar 2007 sowie mit "Einstellungsbescheid" vom 14. März 2007. Nachdem die Beklagte faktisch die Leistungen bereits zum 1. Oktober 2006 eingestellt hatte, stellt sich angesichts der bereits zuvor erfolgten Aufhebung der Leistungsbewilligung zwar die Frage, welchen Regelungsgehalt der Bescheid vom 17. März 2007 hat. Jedenfalls ist die Aufhebung (auch) mit Wirkung ab 1. Oktober jedoch nach der Rechtsgrundlage des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht zu beanstanden. Nicht Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die von der Ag. geltend gemachte Rückforderung von Leistungen für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. September 2006.
Nach § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Leistungsbewilligung war von Anfang an rechtswidrig, weil die Ast. wegen der nicht selbst bewohnten Eigentumswohnung in Lahr nicht hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II war. Hilfebedürftig ist danach, wer seinen Lebensunterhalt und den der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine Eigentumswohnung. Die Wohnung der Ast. fällt nicht unter diese Vorschrift, da sie an Dritte vermietet ist und nicht selbst genutzt wird. Ebenso ergibt sich kein Ausschluss der Berücksichtigung der Wohnung aus § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, da die Verwertung weder offensichtlich unwirtschaftlich ist noch für die Ast. eine besondere Härte bedeuten würde. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des SG auf S. 7 bis 9 des angefochtenen Beschlusses an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Ergänzend ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung nochmals darauf hinzuweisen, dass vorliegend die Vermietung der Wohnung keineswegs wirtschaftlicher ist als ein Verkauf. Die von der Ast. angestellte hypothetische Berechnung, dass sie sogar Anspruch auf höhere Leistungen hätte, wenn sie die Wohnung selbst bewohnte, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Zum einen kommt es stets auf den aktuellen tatsächlichen Bedarf an, nicht auf hypothetische Ansprüche bei fiktiven Konstellationen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Ast. bei Verwertung der Wohnung durch Verkauf bis zum Verbrauch des Erlöses überhaupt keinen Leistungsanspruch hätte. Mildere Formen der Verwertung wie Vermietung dürfen dann eingesetzt werden, wenn dies zur Deckung des Bedarfs ausreicht (Behrend in jurisPK-SGB II, Stand 27. November 2006, § 12 Rdnr. 61). Eine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Wohnung vermietet war. Die im Mietvertrag mit ca. 44,5 m² angegebene Wohnung lässt sich durchaus auch vermietet als Kapitalanlage verkaufen, darüber hinaus hatte die Ast. die Wohnung nach erfolgreicher Räumungsklage gegen den letzten Mieter erst zum 1. Dezember 2006 wieder neu vermietet; sie hätte somit die Möglichkeit gehabt, diese auch unvermietet zu verkaufen. Der Verkehrswert der Wohnung beträgt nach Mitteilung des Gutachterausschusses der Stadt Lahr 35.000 EUR, die für die Klägerin bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums 30. November 2005 maßgebliche Vermögensfreigrenze hat der Antragsgegner (Ag.) zutreffend mit 11.350,00 EUR berechnet. Damit liegt Bedürftigkeit nicht vor, so dass die Bewilligung rechtswidrig war.
Die Ast. kann keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da sie vorsätzlich bei Antragstellung ihre Eigentumswohnung verschwiegen hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Ag. erhielt erst Kenntnis von dieser Wohnung durch eine Mitteilung des Amtsgerichts Lahr an den Sozialhilfeträger wegen der von der Ast. angestrengten Räumungsklage gegen den früheren Mieter S.L. Selbst auf konkrete Nachfrage des Ag. nach der an S.L. vermieteten Wohnung äußerte die Ast. im August 2006 noch schriftlich: "Leider ist das eine falsche Vermutung. Ich habe keine Wohnung, somit auch keine Mieteinnahmen und auch keinen Mietvertrag, somit kann ich auch nichts vorlegen. Ich besitze, wie ich bereits geschrieben habe, überhaupt keine Wohnung."
Angesichts dessen erscheint die Rechtsverfolgung in der Hauptsache wenig aussichtsreich.
2.) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast. vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 (alle m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).
Vorliegend ist schon ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, wobei auf die unter 1.) gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. Abweichend ist lediglich zu Ungunsten der Ast. zu berücksichtigen, dass der Vermögensfreibetrag für den ab 1. Dezember 2006 beginnenden Bewilligungsabschnitt lediglich noch 9000,00 EUR beträgt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II i.d.F. des Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006, BGBl. I 1706).
Für die Zeit vor Stellung des Antrags beim SG am 19. April 2007 besteht im übrigen kein Anordnungsgrund, da eine Eilbedürftigkeit fehlt, wenn Ansprüche für zurückliegende Zeiträume geltend gemacht werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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