L 12 AL 3932/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 1809/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3932/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 11.10.1995 bis 2.6.1997.

Der 1947 geborene Kläger reiste am 20.5.1989 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Über seinen Antrag vom 14.6.1989 auf Zahlung von Alhi wurde zunächst nicht entschieden, weil die Aussiedlereigenschaft noch nicht geklärt war. Der Kläger lebte stattdessen von Sozialhilfe. Im Februar 1997 wurde er als Vertriebener anerkannt. Der im März 1997 erneut gestellte Alhi-Antrag wurde zunächst mit Bescheid vom 25.3.1997/Widerspruchsbescheid vom 20.5.1997 abgelehnt. Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 13 Ar 3532/97) bewilligte die Beklagte mit Bescheiden vom 2.11.2000 dem Kläger Arbeitslosengeld vom 14.6.1989 bis 12.6.1990 und Alhi für die Zeit vom 13.6.1990 bis 7.8.1995. Eine weitere Gewährung von Alhi lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe ab 8.8.1995 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden. Die damalige Bevollmächtigte des Klägers legte gegen die Bescheide Widerspruch ein und brachte dabei vor, der Kläger habe sich auch nach dem 7.8.1995 alle zwei Monate beim Arbeitsamt D. gemeldet. Das Klageverfahren endete durch gerichtlichen Vergleich vom 7.2.2001 wonach sich die Beklagte bereit erklärte, die Leistungsvoraussetzungen für die Zeit ab dem 8.8.1995 im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens zu überprüfen.

Das Sozialamt der Stadt D. teilte der Beklagten mit, in der Sozialhilfeakte seien Meldungen des Klägers bei der Arbeitsvermittlung bis 7.8.1995 vermerkt. Danach sei die Ausreisepflicht des Klägers festgesetzt worden. Deshalb habe seitens des Sozialamtes keine Notwendigkeit mehr bestanden, weiterhin Nachweise der Meldungen bei der Arbeitsvermittlung zu fordern. Dies auch deshalb, weil die Verlängerungen der Duldung lediglich Zeiträume von vier bis acht Wochen umfasst hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.4.2002 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als ein Anspruch auf Alhi für die Zeit bis 10.10.1995 anerkannt wurde. Dies mit der Begründung, der Kläger habe durch seine Vorsprache vom 7.8.1995 dokumentiert, dass er sein Vermittlungsgesuch aufrecht erhalte und in Arbeit vermittelt werden wolle. Ab dem 11.10.1995 habe jedoch keine Verfügbarkeit mehr vorgelegen, denn dem Kläger sei ein sechswöchiger Zeitrahmen zum Verlassen der Bundesrepublik vorgegeben worden. Sein Bleiberecht im Anschluss an diese Ausweisungsverfügung sei lediglich jeweils kurzfristig verlängert worden. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass das drei Monate gültige Arbeitsgesuch ausgelaufen und nicht wieder verlängert worden sei. Der Kläger habe zwar unter Nennung konkreter Meldetermine vorgetragen, sich beim Arbeitsamt gemeldet zu haben. Diese Meldungen seien jedoch beim Arbeitsamt nicht vermerkt, die Vorsprachen seien auch nach dem vom Sozialamt mitgeteilten Sachverhalt nicht wahrscheinlich. Die Behauptung des Klägers, in Begleitung seiner Tochter, seiner Ehefrau und zweier weiterer Personen vorgesprochen zu haben, sei aus tatsächlichen Gründen nicht zutreffend. Hinzu komme, dass der Kläger sich auch früher nur nach Aufforderung des Sozialamtes in Dreimonatsabständen gemeldet habe, die sogar regelmäßig um zwei bis drei Wochen überschritten worden seien.

Dagegen hat der Kläger durch seine damalige Prozessbevollmächtigte beim SG Klage erhoben. Es ist wie schon im Widerspruchsverfahren vorgebracht worden, der Kläger, der eine jeweils um Monate verlängerte Duldung seines Aufenthalts gehabt habe, habe am 10.10.1995 vom Ausländeramt eine Ausreiseverfügung erhalten. Dagegen und auch gegen die damalige Nichtanerkennung als Vertriebener seien Rechtsmittel eingelegt worden. Am 24.1.1996 sei dann bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Aufenthalt und eine Arbeitsaufnahme mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet worden. Der Kläger habe sich am 7.8.1995, am 11.10.1995, am 10.1.1996, am 9.4.1996, am 8.7.1996, am 7.10.1996, am 6.1.1997 und am 3.3.1997 beim Arbeitsamt D. gemeldet. Er sei bei diesen Besuchen mehrmals in Begleitung seiner Tochter, die als Dolmetscherin geholfen habe, gewesen, mehrmals auch in Begleitung seiner Ehefrau. Die Besuche hätten in der Altstadt in dem alten Gebäude des Arbeitsamtes stattgefunden. Namen der Bediensteten seien ihm nicht mehr erinnerlich.

Das SG hat von der Ehefrau des Klägers die schriftliche Zeugenauskunft vom 20.9.2004 und von der Tochter des Klägers I. die schriftliche Zeugenauskunft vom 20.10.2004 eingeholt. Das SG hat sodann nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 22.8.2005 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 11.10.1995 bis 2.6.1997.

Die Beklagte habe zurecht Alhi nur bis 10.10.1995 bewilligt. Ab 11.10.1995 sei der Kläger von der Ausländerbehörde zur Ausreise aufgefordert worden. Eine Arbeitsaufnahme sei deshalb in der Zeit ab 11.10.1995 rechtlich nicht gestattet gewesen, zugleich wegen der im Raum stehenden Abschiebung auch tatsächlich nicht möglich.

Zwar sei durch die Verlängerungen der Aufenthaltsberechtigung bis 24.1.1996 (entsprechend der Bescheinigung vom 28.11.1995) eine Erwerbstätigkeit gestattet worden, der Kläger habe aber die Alhi-Voraussetzungen deshalb nicht erfüllt, weil ab November 1995 keine Vorsprache beim Arbeitsamt D. mehr erfolgt sei. Erst am 4.3.1997 habe sich der Kläger wieder arbeitslos gemeldet, nachdem er am 17.2.1997 als Vertriebener anerkannt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Alhi-Anspruch aber erloschen gewesen.

Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass der Kläger zu den von ihm genannten Daten zum Zwecke der Arbeitslosmeldung oder Aufrechterhaltung seines Vermittlungsgesuchs beim Arbeitsamt D. vorgesprochen habe. Es gebe darüber keinen objektiven Nachweis, weder beim Arbeitsamt noch beim Sozialamt. Die anfangs geführte Vorspracheliste beweise Vorsprachen des Klägers lediglich in der Zeit vom 18.10.1990 bis 7.8.1995. Spätere Vorsprachen seien nicht vermerkt, dafür habe von Seiten des Sozialamtes auch wegen der angeordneten Ausreisepflicht keine Notwendigkeit mehr bestanden. Der Kläger selbst habe in einem Schreiben vom 2.3.1998 vorgebracht, dass er nach Erhalt der Ausreiseaufforderung das Arbeitsamt aufgesucht habe und man ihm dort mitgeteilt habe, dass er erst abwarten solle und sich bis zur Klärung der Sachlage beim Arbeitsamt nicht mehr melden müsse.

Die eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen könnten die behaupteten Vorsprachen nicht beweisen. Diese Zeugenaussagen seien zum Teil unschlüssig, zum Teil unplausibel und insgesamt nicht geeignet, die fehlenden schriftlichen Nachweise für die Vorsprachetermine zu ersetzen. Auch ein von der Bevollmächtigten des Klägers angeführtes Schreiben vom 20.8.1990 an die Beklagte könne weder eine notwendige persönliche Vorsprache des Klägers zum Zwecke der Arbeitslosmeldung oder zur Aufrechterhaltung seines Vermittlungsgesuches beweisen noch lasse sich damit die notwendige aktuelle und durchgehende Verfügbarkeit des Klägers im streitigen Zeitraum begründen.

Für ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln seitens des Arbeitsamtes K. (im Zusammenhang mit einem dort gestellten Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis) oder der Beklagten ließen sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte aus den Akten entnehmen. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Bleiberecht des Klägers damals fraglich gewesen und sein Aufenthalt jeweils für zwei Monate verlängert worden sei.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seine frühere Bevollmächtigte am 22.9.2005 Berufung eingelegt. Die Berufung ist von der Bevollmächtigten und später, nachdem der Kläger ihr das Mandat entzogen hat, von ihm selbst im wesentlichen wiederholend damit begründet worden, die von ihm genannten Meldetermine hätten tatsächlich stattgefunden. Dass sie weder bei der Beklagten noch beim Sozialamt vermerkt seien, führt der Kläger darauf zurück, dass seine Akte beim Arbeitsamt D. in der Zeit zwischen 7.8.1995 und 11.10.1995 verloren gegangen sei. Am 11.10.1995 habe er den Stempel des Arbeitsamtes für das Sozialamt nicht erhalten, weil seine Unterlagen schon für den Umzug gepackt gewesen seien. Es sei ihm aber versichert worden, er müsse sich keine Sorgen machen, die Informationen über seine Arbeitslosigkeit würden auf dem Dienstweg dem Sozialamt D. übermittelt. Diese Situation habe bis zum 3.3.1997 gedauert. An dem Tag habe er sich gemeldet, daraufhin seien seine "Personalakten" gesucht worden. Am 4.3.1997 sei es dann klar gewesen, dass seine früher sehr dicke Akte jetzt nur einige Blätter enthalten habe, die Akte sei also verschwunden. Er beantrage auch wegen dieses Fehlverhaltens der Bediensteten des ehemaligen Arbeitsamtes D. die Gewährung der Alhi für den streitigen Zeitraum.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.8.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.4.2002 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 11.10.1995 bis 2.6.1997 Arbeitslosenhilfe in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie teilt auf Rückfrage mit, es gebe außer den vorgelegten Leistungsakten keine weiteren Akten, insbesondere keine "Personalakten". Das wiederholte Vorbringen des Klägers sei tatsächlich kaum nachvollziehbar, verliere dadurch weiterhin an Glaubwürdigkeit und sei insgesamt keinesfalls geeignet, die fehlenden Nachweise für die vom Kläger genannten Meldetermine zu ersetzen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der oben genannten Vorakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi in der Zeit vom 11.10.1995 bis 2.6.1997. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid mit sehr ausführlicher und zutreffender Begründung dargestellt, dass der Kläger in der genannten Zeit weder objektiv noch subjektiv verfügbar war und auch seine Arbeitslosmeldung nicht durch regelmäßige Erneuerung seines Arbeitsgesuchs aufrechterhalten hat. Das SG hat schlüssig und überzeugend dargestellt, dass es sachliche Gründe dafür gibt, dass der Kläger seine stets auf Aufforderung des Sozialamtes vorgenommenen Meldungen beim damaligen Arbeitsamt D. in der fraglichen Zeit nicht (mehr) durchgeführt hat. Das SG hat auch schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass die schriftlichen Zeugenaussagen der Ehefrau und der Tochter des Klägers inhaltlich unstimmig und damit nicht überzeugend genug sind, um die vom Kläger behaupteten Meldetermine nachzuweisen. Das SG hat schließlich unter zutreffender Darstellung der rechtlichen Grundlagen festgestellt, dass im Zeitpunkt der ersten nachgewiesenen Meldung am 3.6.1997 der Anspruch des Klägers auf Alhi wegen Zeitablaufs erloschen war.

Die Begründung des Klägers im Berufungsverfahren, dies liege alles daran, dass das Arbeitsamt D. seine früheren "Personalakten" verloren oder vernichtet habe, vermag an der schlüssigen und überzeugenden Begründung des SG nichts zu ändern. Die Beklagte hat auf Frage des Senats ausdrücklich mitgeteilt, es gebe keine weiteren Leistungsakten oder Personalakten über den Kläger. Dies ist auch nach dem dargestellten Geschehensablauf einleuchtend und überzeugend.

Dass ein Fehlverhalten von Bediensteten der Beklagten hier inhaltlich nicht feststellbar ist und sich im übrigen nach so langer Zeit auch nicht mehr zuverlässig feststellen lassen könnte, hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls zutreffend ausgeführt.

Der Senat weist damit nach eigener Überprüfung die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Er nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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