Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2988/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 6216/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.11.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung im Streit.
Der 1946 geborene Kläger war seit dem 31.03.1976 bei der Firma W. GmbH & Co. in W. als Maschinenbediener beschäftigt. Anschließend bezog er Krankengeld bis zum 11.12.2001 und meldete sich bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin vom 12.12.2001 bis zum 30.11.2004 Arbeitslosengeld und anschließend Anschlussarbeitslosenhilfe.
Die Arbeitgeberin hatte dem Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zunächst trotz einer dauerhaften Erkrankung weiterbestanden hatte, am 30.04.2004 zum 31.03.2005 gekündigt. Hierbei hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass er sich unverzüglich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitsuchend melden müsse.
Der Kläger meldete sich deswegen am 04.05.2004 bei der Beklagten und teilte mit, gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage erreichte der Kläger zunächst die Weiterbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber. Am 02.12.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, seit dem 01.12.2004 wieder unbefristet bei seinem Arbeitgeber beschäftigt zu sein.
Mit Beschluss vom 22.08.2005 stellte das Arbeitsgericht Stuttgart fest, dass die Parteien sich vergleichsweise über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer zweiten Kündigung der Arbeitgeberin vom 29.07.2005 mit Ablauf des 30.06.2006 geeinigt hätten. Hiervon erfuhr die Beklagte jedoch zunächst nichts.
Der Kläger sprach in der Folgezeit erst am 22.09.2005 bei der Beklagten vor und meldete sich für die Zeit ab dem 01.07.2006 arbeitslos und arbeitsuchend. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, er müsse sich alle drei Monate und rechtzeitig arbeitslos melden und meldete den Kläger am 23.12.2005 aus dem Bewerberangebot ab.
Am 19.06.2006 meldete der Kläger sich erneut arbeitslos und gab zugleich eine Erklärung nach § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Mit Bescheid vom 05.07.2006 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2006. Gleichzeitig minderte sie den Anspruch für die Zeit vom 01.07. bis zum 06.09.2006 um 15,68 EUR und für den 07.09.2006 um 15,12 EUR. Dem Kläger teilte sie hierzu im Schreiben vom 04.07.2006 mit, er habe sich um 52 Tage verspätet arbeitsuchend gemeldet. Dies mindere den Anspruch um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens für 30 Tage somit vorliegend in Höhe von 1.050,00 EUR.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass er die Beklagte fortlaufend über den beim Arbeitsgericht Stuttgart anhängigen Rechtsstreit informiert habe. Im Übrigen sei die Anspruchsdauer falsch berechnet worden. Mit Bescheid vom 12.07.2006 und Widerspruchsbescheid vom 19.07.2006 erhöhte die Beklagte die Anspruchsdauer auf 360 Tage und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich unverzüglich am 01.08.2005 arbeitsuchend zu melden. Tatsächlich sei die Meldung jedoch erst am 22.09.2005 und somit um 38 Tage zu spät erfolgt.
Deswegen hat der Kläger am 07.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der er auf seinen bisherigen Vortrag verwies.
Das SG hat mit Urteil vom 08.11.2006 den Bescheid vom 05.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides am 19.07.2006 hinsichtlich der Minderung um 1.050,00 EUR aufgehoben. Streitgegenstand sei lediglich der Bescheid vom 05.07.2006, da er sämtliche Regelungsteile der verfügten Minderung enthalte. Das Schreiben vom 04.07.2006 enthalte nur noch die dazugehörige Begründung, welche das Schreiben an sich zu keinem Verwaltungsakt mehr mache. Der Bescheid vom 12.07.2006 betreffend die Verlängerung der Anspruchsdauer werde vom Kläger nicht angegriffen und sei daher ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen der Minderung nach §§ 37 b, 140 SGB III lägen nicht vor. Hierbei könne offen gelassen werden, ob sich der Kläger bereits vor dem 22.09.2005 bei der Beklagten persönlich gemeldet habe. Denn auch die Meldung am 22.09.2005 sei ausreichend im Sinne von § 37 b SGB III gewesen. Zwar hätte der Kläger sich nach dem Gesetzeswortlaut am Tag nach Erhalt der Kündigung oder jedenfalls Anfang August 2005 bei der Beklagten melden müssen. Andererseits sehe das Gesetz für befristete Arbeitsverhältnisse eine andere Frist vor, was eine unzulässige Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern in unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen darstelle, die gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße (unter Berufung auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 10.11.2005 – L 8 AL 418/04 –). Die Vorschrift des § 37 b SGB III müsse daher aufgrund sämtlicher verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte verfassungskonform angewandt werden, um der Wertentscheidung der Verfassung zu entsprechen. Deshalb sei § 37 b SGB III durch teleologische Reduktion dahingehend auszulegen, dass auch bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Meldepflicht im Falle einer Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten "frühestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses" erfolgen müsse. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 15.11.2006 zugestellt.
Die Beklagte hat am 13.12.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Rechtsauffassung des SG sei unzutreffend. Die Regelung des § 37 b Satz 1 SGB III (alte Fassung) sei klar und eindeutig formuliert. Einer Auslegung, wie sie das SG vorgenommen habe, bedürfe sie nicht, und sie sei auch nicht im Sinne einer teleologischen Reduktion vorzunehmen, da die in § 37 b SGB III vorgenommene Differenzierung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen sehr wohl den gesetzgeberischen Zielvorstellungen Rechnung trage. Gerade die vom SG zutreffend erkannte Absicht der Vorschrift, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen, rechtfertige die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern mit befristeten und Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Lange Kündigungsfristen wie im vorliegenden Fall kämen in aller Regel nur bei lang andauernden Arbeitsverhältnissen und/oder höher qualifizierten Arbeitnehmern vor. Da die Praxis jedoch gezeigt habe, dass in diesen beiden Fällen die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz langwierig sein könne, sei eine besondere Sensibilisierung dieses Personenkreises zur möglichst frühzeitigen Arbeitsplatzsuche erforderlich. Lange Vorlauffristen, welche den gesamten Rahmen der Kündigungsfrist ausschöpften, seien daher in diesen Fällen sinnvoll und trügen der gesetzgeberischen Zielsetzung Rechnung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Bereits in tatsächlicher Hinsicht treffe es nicht zu, dass der Kläger erst am 22.09.2005 die erneute Kündigung zum 30.06.2006 gemeldet habe. Vielmehr habe er die Beklagte während seiner fortlaufenden Vorsprachen über den aktuellen Stand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen seine Arbeitgeberin unterrichtet. Außerdem habe das SG auch zu Recht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 10.11.2005 eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 37 b SGB III vorgenommen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind nach § 37 b SGB III in der Fassung der Jahre 2004 und 2005 verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen auf Grund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt nach § 140 SGB III in der im Jahr 2005 geltenden Fassung 1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 60 Euro 7 Euro, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 100 Euro 35 Euro und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 100 Euro 50 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird.
Vorliegend hat der Kläger von seiner erneuten Kündigung durch seinen Arbeitgeber durch Kündigung vom 29.07.2005 am 01.08.2005 erfahren. Dass er sich erst wieder am 22.09.2005 bei der Beklagten meldete, würde grundsätzlich zu der von der Beklagten ausgesprochenen Minderung nach den §§ 37 b und 140 SGB III führen.
Das fortgeschrittene Alter des Klägers, der beim Eintritt seiner Arbeitslosigkeit im August 2005 bereits 59 Jahre alt war, führt vorliegend jedoch zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger hatte nämlich die Möglichkeit, beim Eintritt seiner Arbeitslosigkeit von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch zu machen, was er auch sogleich noch vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit am 19.06.2006 mit einer entsprechenden Erklärung getan hat.
Insoweit wird auf das der Beklagten bekannte Urteil des erkennenden Senats vom 23.02.2007 (L 12 AL 5492/06) Bezug genommen. Danach kann der Gesetzeszweck der Regelung des § 37 b SGB III bei Inanspruchnahme der Regelung in § 428 SGB III nicht erreicht werden, weshalb in diesen Fällen eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht eintreten kann. Die Regelung des § 37 b Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung hat nach dem Willen des Gesetzgebers zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitslosen zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer von Arbeitslosigkeit zu verkürzen; die Agentur für Arbeit soll noch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mit den Vermittlungsbemühungen beginnen können. Von Vermittlungsbemühungen sind jedoch solche Arbeitslose auszunehmen, die sich als ältere Arbeitslose dafür entscheiden, nach § 428 SGB III Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, ohne zur Aufnahme einer Arbeit bereit zu sein. Von solchen Arbeitslosen eine frühzeitige Arbeitsuchendmeldung zu verlangen, entspricht nicht der gesetzgeberischen Zielsetzung der Regelung des § 37 b SGB III, denn Vermittlungsbemühungen für solche Arbeitslose wären sinnlos. Frühzeitige Vermittlungsbemühungen der Beklagten hätten vorliegend den Eintritt der Arbeitslosigkeit und den Anspruch auf Arbeitslosengeld ab Juli 2006 nicht verhindern können, denn der Kläger hat bereits am 19.06.2006 mitgeteilt, er wolle Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III in Anspruch nehmen und damit nicht arbeitsbereit sein.
Die Beklagte, welcher das Alter des Klägers bereits frühzeitig bekannt war, hätte dies im Übrigen auch selbst erkennen und durch einen Hinweis auf § 428 SGB III gegebenenfalls auch eine noch frühere Erklärung des Klägers nach § 428 SGB III erhalten können.
Insofern kommt es vorliegend auf weitere Überlegungen verfassungsrechtlicher Art, wie sie das SG vorgenommen hat, im Ergebnis nicht mehr an. Der Senat lässt daher offen, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 37 b Satz 1 SGB III aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen der Regelung in § 37 b Satz 2 SGB III zu befristeten Arbeitsverhältnissen teleologisch zu reduzieren ist. Hierbei lässt der Senat ebenfalls offen, ob die klare Regelung in § 37 b Satz 1 SGB III insofern bereits eine teleologische Reduktion ausschließt, weshalb das SG nach seiner Rechtsauffassung verpflichtet gewesen sein könnte, das Verfahren nach seiner Rechtsüberzeugung auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, nachdem die hier streitige Rechtsnorm des § 37 b SGB III seit 1.1.2006 sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite wesentlich geändert worden ist.
2. Die Beklagte hat die außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung im Streit.
Der 1946 geborene Kläger war seit dem 31.03.1976 bei der Firma W. GmbH & Co. in W. als Maschinenbediener beschäftigt. Anschließend bezog er Krankengeld bis zum 11.12.2001 und meldete sich bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin vom 12.12.2001 bis zum 30.11.2004 Arbeitslosengeld und anschließend Anschlussarbeitslosenhilfe.
Die Arbeitgeberin hatte dem Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zunächst trotz einer dauerhaften Erkrankung weiterbestanden hatte, am 30.04.2004 zum 31.03.2005 gekündigt. Hierbei hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass er sich unverzüglich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitsuchend melden müsse.
Der Kläger meldete sich deswegen am 04.05.2004 bei der Beklagten und teilte mit, gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage erreichte der Kläger zunächst die Weiterbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber. Am 02.12.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, seit dem 01.12.2004 wieder unbefristet bei seinem Arbeitgeber beschäftigt zu sein.
Mit Beschluss vom 22.08.2005 stellte das Arbeitsgericht Stuttgart fest, dass die Parteien sich vergleichsweise über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer zweiten Kündigung der Arbeitgeberin vom 29.07.2005 mit Ablauf des 30.06.2006 geeinigt hätten. Hiervon erfuhr die Beklagte jedoch zunächst nichts.
Der Kläger sprach in der Folgezeit erst am 22.09.2005 bei der Beklagten vor und meldete sich für die Zeit ab dem 01.07.2006 arbeitslos und arbeitsuchend. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, er müsse sich alle drei Monate und rechtzeitig arbeitslos melden und meldete den Kläger am 23.12.2005 aus dem Bewerberangebot ab.
Am 19.06.2006 meldete der Kläger sich erneut arbeitslos und gab zugleich eine Erklärung nach § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Mit Bescheid vom 05.07.2006 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2006. Gleichzeitig minderte sie den Anspruch für die Zeit vom 01.07. bis zum 06.09.2006 um 15,68 EUR und für den 07.09.2006 um 15,12 EUR. Dem Kläger teilte sie hierzu im Schreiben vom 04.07.2006 mit, er habe sich um 52 Tage verspätet arbeitsuchend gemeldet. Dies mindere den Anspruch um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens für 30 Tage somit vorliegend in Höhe von 1.050,00 EUR.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass er die Beklagte fortlaufend über den beim Arbeitsgericht Stuttgart anhängigen Rechtsstreit informiert habe. Im Übrigen sei die Anspruchsdauer falsch berechnet worden. Mit Bescheid vom 12.07.2006 und Widerspruchsbescheid vom 19.07.2006 erhöhte die Beklagte die Anspruchsdauer auf 360 Tage und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich unverzüglich am 01.08.2005 arbeitsuchend zu melden. Tatsächlich sei die Meldung jedoch erst am 22.09.2005 und somit um 38 Tage zu spät erfolgt.
Deswegen hat der Kläger am 07.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der er auf seinen bisherigen Vortrag verwies.
Das SG hat mit Urteil vom 08.11.2006 den Bescheid vom 05.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides am 19.07.2006 hinsichtlich der Minderung um 1.050,00 EUR aufgehoben. Streitgegenstand sei lediglich der Bescheid vom 05.07.2006, da er sämtliche Regelungsteile der verfügten Minderung enthalte. Das Schreiben vom 04.07.2006 enthalte nur noch die dazugehörige Begründung, welche das Schreiben an sich zu keinem Verwaltungsakt mehr mache. Der Bescheid vom 12.07.2006 betreffend die Verlängerung der Anspruchsdauer werde vom Kläger nicht angegriffen und sei daher ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen der Minderung nach §§ 37 b, 140 SGB III lägen nicht vor. Hierbei könne offen gelassen werden, ob sich der Kläger bereits vor dem 22.09.2005 bei der Beklagten persönlich gemeldet habe. Denn auch die Meldung am 22.09.2005 sei ausreichend im Sinne von § 37 b SGB III gewesen. Zwar hätte der Kläger sich nach dem Gesetzeswortlaut am Tag nach Erhalt der Kündigung oder jedenfalls Anfang August 2005 bei der Beklagten melden müssen. Andererseits sehe das Gesetz für befristete Arbeitsverhältnisse eine andere Frist vor, was eine unzulässige Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern in unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen darstelle, die gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße (unter Berufung auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 10.11.2005 – L 8 AL 418/04 –). Die Vorschrift des § 37 b SGB III müsse daher aufgrund sämtlicher verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte verfassungskonform angewandt werden, um der Wertentscheidung der Verfassung zu entsprechen. Deshalb sei § 37 b SGB III durch teleologische Reduktion dahingehend auszulegen, dass auch bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Meldepflicht im Falle einer Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten "frühestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses" erfolgen müsse. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 15.11.2006 zugestellt.
Die Beklagte hat am 13.12.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Rechtsauffassung des SG sei unzutreffend. Die Regelung des § 37 b Satz 1 SGB III (alte Fassung) sei klar und eindeutig formuliert. Einer Auslegung, wie sie das SG vorgenommen habe, bedürfe sie nicht, und sie sei auch nicht im Sinne einer teleologischen Reduktion vorzunehmen, da die in § 37 b SGB III vorgenommene Differenzierung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen sehr wohl den gesetzgeberischen Zielvorstellungen Rechnung trage. Gerade die vom SG zutreffend erkannte Absicht der Vorschrift, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen, rechtfertige die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern mit befristeten und Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Lange Kündigungsfristen wie im vorliegenden Fall kämen in aller Regel nur bei lang andauernden Arbeitsverhältnissen und/oder höher qualifizierten Arbeitnehmern vor. Da die Praxis jedoch gezeigt habe, dass in diesen beiden Fällen die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz langwierig sein könne, sei eine besondere Sensibilisierung dieses Personenkreises zur möglichst frühzeitigen Arbeitsplatzsuche erforderlich. Lange Vorlauffristen, welche den gesamten Rahmen der Kündigungsfrist ausschöpften, seien daher in diesen Fällen sinnvoll und trügen der gesetzgeberischen Zielsetzung Rechnung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Bereits in tatsächlicher Hinsicht treffe es nicht zu, dass der Kläger erst am 22.09.2005 die erneute Kündigung zum 30.06.2006 gemeldet habe. Vielmehr habe er die Beklagte während seiner fortlaufenden Vorsprachen über den aktuellen Stand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen seine Arbeitgeberin unterrichtet. Außerdem habe das SG auch zu Recht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 10.11.2005 eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 37 b SGB III vorgenommen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind nach § 37 b SGB III in der Fassung der Jahre 2004 und 2005 verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen auf Grund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt nach § 140 SGB III in der im Jahr 2005 geltenden Fassung 1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 60 Euro 7 Euro, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 100 Euro 35 Euro und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 100 Euro 50 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird.
Vorliegend hat der Kläger von seiner erneuten Kündigung durch seinen Arbeitgeber durch Kündigung vom 29.07.2005 am 01.08.2005 erfahren. Dass er sich erst wieder am 22.09.2005 bei der Beklagten meldete, würde grundsätzlich zu der von der Beklagten ausgesprochenen Minderung nach den §§ 37 b und 140 SGB III führen.
Das fortgeschrittene Alter des Klägers, der beim Eintritt seiner Arbeitslosigkeit im August 2005 bereits 59 Jahre alt war, führt vorliegend jedoch zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger hatte nämlich die Möglichkeit, beim Eintritt seiner Arbeitslosigkeit von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch zu machen, was er auch sogleich noch vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit am 19.06.2006 mit einer entsprechenden Erklärung getan hat.
Insoweit wird auf das der Beklagten bekannte Urteil des erkennenden Senats vom 23.02.2007 (L 12 AL 5492/06) Bezug genommen. Danach kann der Gesetzeszweck der Regelung des § 37 b SGB III bei Inanspruchnahme der Regelung in § 428 SGB III nicht erreicht werden, weshalb in diesen Fällen eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht eintreten kann. Die Regelung des § 37 b Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung hat nach dem Willen des Gesetzgebers zum Ziel, die Eingliederung von Arbeitslosen zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer von Arbeitslosigkeit zu verkürzen; die Agentur für Arbeit soll noch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mit den Vermittlungsbemühungen beginnen können. Von Vermittlungsbemühungen sind jedoch solche Arbeitslose auszunehmen, die sich als ältere Arbeitslose dafür entscheiden, nach § 428 SGB III Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, ohne zur Aufnahme einer Arbeit bereit zu sein. Von solchen Arbeitslosen eine frühzeitige Arbeitsuchendmeldung zu verlangen, entspricht nicht der gesetzgeberischen Zielsetzung der Regelung des § 37 b SGB III, denn Vermittlungsbemühungen für solche Arbeitslose wären sinnlos. Frühzeitige Vermittlungsbemühungen der Beklagten hätten vorliegend den Eintritt der Arbeitslosigkeit und den Anspruch auf Arbeitslosengeld ab Juli 2006 nicht verhindern können, denn der Kläger hat bereits am 19.06.2006 mitgeteilt, er wolle Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III in Anspruch nehmen und damit nicht arbeitsbereit sein.
Die Beklagte, welcher das Alter des Klägers bereits frühzeitig bekannt war, hätte dies im Übrigen auch selbst erkennen und durch einen Hinweis auf § 428 SGB III gegebenenfalls auch eine noch frühere Erklärung des Klägers nach § 428 SGB III erhalten können.
Insofern kommt es vorliegend auf weitere Überlegungen verfassungsrechtlicher Art, wie sie das SG vorgenommen hat, im Ergebnis nicht mehr an. Der Senat lässt daher offen, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 37 b Satz 1 SGB III aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen der Regelung in § 37 b Satz 2 SGB III zu befristeten Arbeitsverhältnissen teleologisch zu reduzieren ist. Hierbei lässt der Senat ebenfalls offen, ob die klare Regelung in § 37 b Satz 1 SGB III insofern bereits eine teleologische Reduktion ausschließt, weshalb das SG nach seiner Rechtsauffassung verpflichtet gewesen sein könnte, das Verfahren nach seiner Rechtsüberzeugung auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, nachdem die hier streitige Rechtsnorm des § 37 b SGB III seit 1.1.2006 sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite wesentlich geändert worden ist.
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