L 8 B 844/07 R

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 467/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 B 844/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 21. Mai 2007 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der Kläger erhob im Mai 2006 vor dem Sozialgericht durch seinen Bevollmächtigten eine Klage. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2006 teilte der Bevollmächtigte – nach mehrfacher fruchtloser Erinnerung – mit, dass er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht vor dem 30. November 2006 in der Lage sein werde, die Klage zu begründen. Nachdem der Bevollmächtigte im Februar 2007 nochmals ohne Ergebnis erinnert worden war, beraumte das Sozialgericht für den 15. Mai 2007 einen Termin zur mündlichen Verhandlung an, zu dem das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet wurde. Wie sich aus der Gerichtsakte ergibt, wurde der Kläger zu dem Termin mittels Empfangsbestätigung geladen, die am 8. Mai 2007 bei Gericht einging. Zu dem Termin am 15. Mai 2007 erschien für den Kläger niemand. Darauf hin erging ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung folgender Beschluss: "Der Rechtsstreit wird vertagt. Dem Kläger soll ein Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens auferlegt werden." Durch Beschluss vom 21. Mai 2007 erlegte das Sozialgericht "dem ordnungsgemäß geladenen Kläger" die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf und verhängte ferner gegen ihn ein Ordnungsgeld von 200,- EUR, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann. Dem Kläger sei die Ladung ausweislich des Empfangsbekenntnisses bekannt gegeben worden. Er sei somit ordnungsgemäß geladen. Der Kläger sei dem Termin ohne Entschuldigung ferngeblieben. Das persönliche Erscheinen sei angeordnet worden, weil weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter die Klage trotz mehrfacher Erinnerung begründet hätten. Das Klagebegehren sowie der Sachverhalt seien deshalb zum Teil unklar. Indem er nicht erschienen sei, habe der Kläger dem Gericht erhebliche nutzlose organisatorische Arbeit und Kosten verursacht. Außerdem verzögere sein Verhalten das gesamte Verfahren. Seine Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, begründet der Kläger damit, dass sein Bevollmächtigter in den Morgenstunden des 15. Mai 2007 erkrankt sei. Der Bevollmächtigte habe dem Kläger deshalb am selben Tag gegen 7.30 Uhr erklärt, dass er nicht verhandeln könne und davon ausgehe, dass ein neuer Termin anberaumt würde. Ferner habe er sich dahingehend geäußert, dass es dann für den Kläger keinen Sinn mache, zum Verhandlungstermin anzureisen. Wegen der krankheitsbedingten Turbulenzen und eines Büroversehens sei es dann noch unterblieben, dem Sozialgericht die entstandene Situation rechtzeitig anzuzeigen.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 141 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen einen Beteiligten, der im Termin zur mündlichen Verhandlung ausbleibt, obwohl sein Erscheinen dazu angeordnet worden ist (§ 111 Abs. 1 Satz 1 SGG) und obwohl er auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG) Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Ersatz-Ordnungshaft ist für den nicht erschienenen Beteiligten ebenso wenig vorgesehen wie die Auferlegung der durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten (s. nur Roller in Hk-SGG, 2. Aufl. § 111 Rz. 9; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage § 141 Rz. 50, 58; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 65. Aufl. § 141 Rz. 39, 44; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. § 141 Rz. 12), weshalb der Beschluss des Sozialgerichts insoweit bereits aus diesem Grund aufzuheben war. Aber auch die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegen nicht vor, weil das Sozialgericht das ihm zustehende Ermessen (Roller in Hk-SGG a. a. O. § 111 Rz. 9) nicht fehlerfrei betätigt hat. Die Pflicht, die Anordnung des persönlichen Erscheinens zu befolgen, ist kein Selbstzweck. Dem entsprechend kann ein Ordnungsgeld nicht bereits deshalb verhängt werden, weil das Nichterscheinen auf einer tatsächlichen oder vermeintlichen Missachtung des Gerichts beruht (s. statt vieler Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 141 Rz. 5). Ein darüber hinausgehender Grund, der die Verhängung eines Ordnungsgeldes rechtfertigen würde, ist vorliegend aber nicht ersichtlich: Der Kläger war von seinem Bevollmächtigten davon in Kenntnis gesetzt worden, dass dieser den Termin krankheitsbedingt nicht wahrnehmen würde. Der Hinweis des Bevollmächtigten an den Kläger, dass es dann auch für ihn keinen Sinn machte, zu dem Termin anzureisen, ist "im Ergebnis" gerechtfertigt. Denn hätte der Bevollmächtigte des Klägers auch dem Gericht rechtzeitig mitgeteilt, dass er krankheitsbedingt den Termin nicht hatte wahrnehmen können, wäre dies ein erheblicher Grund im Sinne des (§ 202 SGG in Verbindung mit) § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewesen, den Termin (und damit auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens) aufzuheben. Obwohl das Sozialgericht von der Krankheit des Bevollmächtigten infolge von Umständen, welche in dessen Sphäre zu suchen sind, nicht rechtzeitig Kenntnis hatte, hat es die Sache vertagt – augenscheinlich deshalb, weil es sie nicht als entscheidungsreif ansah. Damit befindet sich das Verfahren aber in der gleichen Lage, wie dann, wenn der Grund für die Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten rechtzeitig bekannt gewesen wären. Die Kosten des Beschwerdeverfahren sind der Staatskasse aufzuerlegen (s. Hessisches LAG, Beschluss vom 18. April 2007 – 4 Ta 145/07 – mit weiteren Nachweisen). Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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