Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (22) R 217/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1924 in X in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Januar 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Ein erster Antrag auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung von 1995 wurde von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheiden vom 28.02.1997 und 27.08.1997 abgelehnt, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung vorliegen würden. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründete dies damit, dass für das 1947 in Deutschland im DP-Lager Feldafing geborene Kind I-M auch keine Beitragszeit wegen Kindererziehung in Betracht komme, weil der Aufenthalt in Deutschland von 1946 bis 1948 keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe bzw. keine Wohnsitznahme in Deutschland gewesen sei. Im übrigen hatte bereits die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Entschädigungsakten des Bayerischen Landesentschädigungsamtes beigezogen. Nach dem Inhalt dieser Entschädigungsakte hatte die Klägerin 1953 angegeben: "Schon im Ghetto Bialystok leistete ich schwere ungewohnte Zwangsarbeit als Putzfrau bei der Gestapo. Ich war hier auch schon unterernährt. In Pruzany arbeitete ich auch 10 bis 12 Stunden täglich bei verschiedenen schweren Arbeiten, war hier wohl schon abgemagert" und "In dem errichteten Ghetto in Bialystok ... arbeitete ich zwangsweise als Putzfrau und wurde von der SS bewacht und erhielt Lebensmittel auf Karten" (Blatt 29 Rückseite, Blatt 26 der Rentenakte).
Die Klägerin beantragte am 15.12.2002 erneut und nun bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört. Sie habe zwischen 1941 und 1943 während ihres Aufenthaltes in den Ghettos von Bialystok und Pruzany außerhalb der Ghettos Tätigkeiten verrichtet. Der Arbeitseinsatz sei unter Zwang zustande gekommen. Sie sei bei der Arbeit von bewaffneten Soldaten bewacht worden. Es habe "Anweiser" gegeben. Sie habe den ganzen Tag gearbeitet. Bekommen habe sie dafür keinen Lohn und keine Sachbezüge (Blatt 94 der Rentenakte).
Mit Bescheid vom 31.03.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Die Klägerin selbst habe angegeben, dass die Arbeit durch Zwang zustande gekommen sei, und allein eine freie Beköstigung stelle auch kein Entgelt im Sinne des ZRBG dar. Damit lägen aber keine auf die Wartezeit für eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren erforderlichen Versicherungszeiten vor.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht am 12.05.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, sie habe von 1939 bis 1943 in zwei Ghettos gearbeitet, und dort "Zwangsarbeit" geleistet (Blatt 113 der Rentenakte). Danach sei sie in Auschwitz und Bergen-Belsen gewesen. Sie hoffe auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten.
Mit dem im Ausland zugestellten Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, schon allein mangels Entgeltlichkeit der Arbeiten in den Ghettos seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Beitragszeit nicht gegeben. Ferner habe die Klägerin auch erneut angegeben, dass der Arbeitseinsatz unter Zwang zustande gekommen sei. Zwangsarbeiten würden aber vom ZRBG nicht erfasst.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit ihren Schriftsätzen vom 03.08., 31.08. und 14.09.2006 (bei der Beklagten eingegangen am 11.08., 05.09. und 20.09.2006) sinngemäß Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt noch vor, sie habe in einer Munitionsfabrik und im Spital gearbeitet.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthalts in den Ghettos von Bialystok und Pruzany zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten des Landesentschädigungsamtes beim Landesamt für Finanzen in München beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 21.09.2006 und 01.03.2007 (Blatt 1, 11 der Gerichtsakte) mit einer Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte und den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der Beratung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in dieser Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensmöglichkeit, die nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) besteht, schriftlich einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zwar zulässig. Die Klage wurde insbesondere fristgerecht erhoben; denn alle Schreiben der Klägerin, die deutlich machen, dass sie eine gerichtliche Entscheidung des Sozialgerichts wünscht, gingen bei der Beklagten innerhalb der Klagefrist von 3 Monaten schon ein am 11.08, 05.09. und 20.09.2006. Die Einreichung der Klage bei der Beklagten wahrt auch nach § 91 SGG die Klagefrist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 31.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung abgelehnt hat. Der von der Klägerin sinngemäß begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Dabei hat die Beklagte den Wortlaut der für eine eventuelle Rentengewährung maßgeblichen Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG auch bereits in dem Bescheid vom 31.03.2006 wiedergegeben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung auch der Vorschriften des ZRBG sind nach der derzeitigen Aktenlage im Fall der Klägerin - auch angesichts ihres schweren Verfolgungsschicksals - nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nämlich nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung auch der allgemeinen Wartezeit in der Rentenversicherung. Auf diese Wartezeit anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat die Klägerin aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland scheitert hier schon daran, dass die Klägerin sowohl nach ihren eigenen früheren Angaben in der Entschädigungsakte wie auch nach ihren aktuellen Angaben im Rentenantrag keine Beschäftigungen in Ghettos im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG ausgeübt hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wären. Die Kammer sieht es zwar als erwiesen an, dass die Klägerin in den Ghettos Bialystok und in Pruzany gearbeitet hat. Dieser Umstand allein reicht aber noch nicht aus zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland. Das Gesetz lässt es nämlich nicht genügen, dass überhaupt in Ghettos Arbeit verrichtet wurde, sondern verlangt vielmehr, dass ähnlich gearbeitet wurde wie in einem normalen potentiell versicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin selbst hat jedoch schon 1953 angegeben, dass sie in den Ghettos für sie ungewöhnlich schwere Arbeiten bei Unterernährung verrichtete, zudem bewacht von Männern der SS oder der Gestapo. Auch im Rentenantrag von 2002 bestätigte sie dies. Der Arbeitseinsatz sei unter Zwang zustande gekommen, bei der Arbeit habe es neben den sie bewachenden bewaffneten Soldaten auch Anweiser gegeben. Bekommen habe sie dafür weder Lohn noch Sachbezüge. Gerade die Bewachung bei der Arbeit und dass die Klägerin für die Arbeit eben kein angemessenes Entgelt erhielt begründet die Annahme, dass hier von der Klägerin Zwangsarbeit zur Ausnutzung ihrer Arbeitskraft verrichtet wurde. So hat die Klägerin auch in ihrem Widerspruch gegen den Rentenablehnungsbescheid erneut selbst von Zwangsarbeit gesprochen. Gerade Arbeiten bzw. Beschäftigungen unter solchen Bedingungen erfüllen aber nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. Denn wie bereits oben ausgeführt, erfordert § 1 des ZRBG eine freiwillige Beschäftigungsaufnahme gegen Zahlung eines echten "Entgeltes" im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Lohn; nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) würde nicht einmal "gute Verpflegung" ausreichen, um überhaupt eine Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG und im Sinne des SGB VI zu begründen. Dies ist auch bereits mehrfach bestätigt worden von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04 und vom 03.06.2005 - L 4 R 3/05). Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es in einem Ghetto schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten. Mithin kommen für die Klägerin keine auf eine Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten nach Maßgabe des § 1 ZRBG oder aber der §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes in Betracht, weil diese Vorschriften eine gewisse Freiwilligkeit bei der Beschäftigungsausübung voraussetzen. Der spätere Aufenthalt der Klägerin in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen ist auch nicht ausreichend zur Begründung des Status eines Versicherten in der deutschen Rentenversicherung, denn Ersatzzeiten wegen Aufenthalten in Konzentrationslagern könnten allenfalls auf die Wartezeit angerechnet werden, wenn zumindest ein Monat an versicherungspflichtiger Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG oder im Sinne von §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes vorliegen würde (so das bereits oben genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R).
Auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten ergeben sich derzeit auch nicht unter sonstigen Gesichtspunkten. Denn mit den früheren Bescheiden der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28.02.1997 und 27.08.1997 wurden für die Klägerin auch sonstige Beitragszeiten wegen Kindererziehung abgelehnt, ohne dass gegen diese Bescheide Widerspruch eingelegt worden wäre. Diese früheren Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sind mithin nach § 77 SGG bestandskräftig geworden, sodass sie gegenwärtig auch für die Beklagte und für das Gericht als bindend zu beachten sind. Die Kammer konnte daher nicht prüfen, ob sich eventuell doch aus der Erziehung des Kindes I-M in den Jahren 1947 und 1948 für die Klägerin anrechenbare Versicherungszeiten ergeben könnten (wegen der bisherigen Bestandskraft der Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte). Sollte die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt noch geltend machen wollen, für sie seien Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung des Kindes I-M in Deutschland anzuerkennen, so müsste die Klägerin erst bei der Beklagten oder bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (der Nachfolgerin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) im Wege eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X geltend machen, dass ihr möglicherweise unter dem Gesichtspunkt von Kindererziehung von I-M in Deutschland eine Altersrente zustehen könnte; da eine solche Überprüfung durch Bescheide der Beklagten oder der Deutschen Rentenversicherung Bund bisher aber nicht erfolgt ist, war vom Sozialgericht Düsseldorf die bisherige Bestandskraft der Bescheide vom 28.02.1997 und 27.08.1997 zu beachten.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin und die Bedingungen, unter denen sie in Bialystok und in Pruzany arbeitete und dass die Klägerin später auch in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen war; die Kammer sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der von dem Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, gegenwärtig dem geltend gemachten Anspruch auf eine Rente nach dem ZRBG VI zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für die Klägerin zur Überzeugung der Kammer nicht her und die Ablehnung der Kindererziehungszeiten für I-M ist als bisher bestandskräftig von der Kammer bei dem jetzigen Urteil zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1924 in X in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Januar 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Ein erster Antrag auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung von 1995 wurde von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheiden vom 28.02.1997 und 27.08.1997 abgelehnt, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung vorliegen würden. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte begründete dies damit, dass für das 1947 in Deutschland im DP-Lager Feldafing geborene Kind I-M auch keine Beitragszeit wegen Kindererziehung in Betracht komme, weil der Aufenthalt in Deutschland von 1946 bis 1948 keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe bzw. keine Wohnsitznahme in Deutschland gewesen sei. Im übrigen hatte bereits die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Entschädigungsakten des Bayerischen Landesentschädigungsamtes beigezogen. Nach dem Inhalt dieser Entschädigungsakte hatte die Klägerin 1953 angegeben: "Schon im Ghetto Bialystok leistete ich schwere ungewohnte Zwangsarbeit als Putzfrau bei der Gestapo. Ich war hier auch schon unterernährt. In Pruzany arbeitete ich auch 10 bis 12 Stunden täglich bei verschiedenen schweren Arbeiten, war hier wohl schon abgemagert" und "In dem errichteten Ghetto in Bialystok ... arbeitete ich zwangsweise als Putzfrau und wurde von der SS bewacht und erhielt Lebensmittel auf Karten" (Blatt 29 Rückseite, Blatt 26 der Rentenakte).
Die Klägerin beantragte am 15.12.2002 erneut und nun bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört. Sie habe zwischen 1941 und 1943 während ihres Aufenthaltes in den Ghettos von Bialystok und Pruzany außerhalb der Ghettos Tätigkeiten verrichtet. Der Arbeitseinsatz sei unter Zwang zustande gekommen. Sie sei bei der Arbeit von bewaffneten Soldaten bewacht worden. Es habe "Anweiser" gegeben. Sie habe den ganzen Tag gearbeitet. Bekommen habe sie dafür keinen Lohn und keine Sachbezüge (Blatt 94 der Rentenakte).
Mit Bescheid vom 31.03.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Die Klägerin selbst habe angegeben, dass die Arbeit durch Zwang zustande gekommen sei, und allein eine freie Beköstigung stelle auch kein Entgelt im Sinne des ZRBG dar. Damit lägen aber keine auf die Wartezeit für eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren erforderlichen Versicherungszeiten vor.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht am 12.05.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, sie habe von 1939 bis 1943 in zwei Ghettos gearbeitet, und dort "Zwangsarbeit" geleistet (Blatt 113 der Rentenakte). Danach sei sie in Auschwitz und Bergen-Belsen gewesen. Sie hoffe auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten.
Mit dem im Ausland zugestellten Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, schon allein mangels Entgeltlichkeit der Arbeiten in den Ghettos seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Beitragszeit nicht gegeben. Ferner habe die Klägerin auch erneut angegeben, dass der Arbeitseinsatz unter Zwang zustande gekommen sei. Zwangsarbeiten würden aber vom ZRBG nicht erfasst.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit ihren Schriftsätzen vom 03.08., 31.08. und 14.09.2006 (bei der Beklagten eingegangen am 11.08., 05.09. und 20.09.2006) sinngemäß Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt noch vor, sie habe in einer Munitionsfabrik und im Spital gearbeitet.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthalts in den Ghettos von Bialystok und Pruzany zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten des Landesentschädigungsamtes beim Landesamt für Finanzen in München beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 21.09.2006 und 01.03.2007 (Blatt 1, 11 der Gerichtsakte) mit einer Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte und den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der Beratung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in dieser Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensmöglichkeit, die nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) besteht, schriftlich einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zwar zulässig. Die Klage wurde insbesondere fristgerecht erhoben; denn alle Schreiben der Klägerin, die deutlich machen, dass sie eine gerichtliche Entscheidung des Sozialgerichts wünscht, gingen bei der Beklagten innerhalb der Klagefrist von 3 Monaten schon ein am 11.08, 05.09. und 20.09.2006. Die Einreichung der Klage bei der Beklagten wahrt auch nach § 91 SGG die Klagefrist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 31.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung abgelehnt hat. Der von der Klägerin sinngemäß begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Dabei hat die Beklagte den Wortlaut der für eine eventuelle Rentengewährung maßgeblichen Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG auch bereits in dem Bescheid vom 31.03.2006 wiedergegeben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung auch der Vorschriften des ZRBG sind nach der derzeitigen Aktenlage im Fall der Klägerin - auch angesichts ihres schweren Verfolgungsschicksals - nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nämlich nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung auch der allgemeinen Wartezeit in der Rentenversicherung. Auf diese Wartezeit anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat die Klägerin aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland scheitert hier schon daran, dass die Klägerin sowohl nach ihren eigenen früheren Angaben in der Entschädigungsakte wie auch nach ihren aktuellen Angaben im Rentenantrag keine Beschäftigungen in Ghettos im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG ausgeübt hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wären. Die Kammer sieht es zwar als erwiesen an, dass die Klägerin in den Ghettos Bialystok und in Pruzany gearbeitet hat. Dieser Umstand allein reicht aber noch nicht aus zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland. Das Gesetz lässt es nämlich nicht genügen, dass überhaupt in Ghettos Arbeit verrichtet wurde, sondern verlangt vielmehr, dass ähnlich gearbeitet wurde wie in einem normalen potentiell versicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin selbst hat jedoch schon 1953 angegeben, dass sie in den Ghettos für sie ungewöhnlich schwere Arbeiten bei Unterernährung verrichtete, zudem bewacht von Männern der SS oder der Gestapo. Auch im Rentenantrag von 2002 bestätigte sie dies. Der Arbeitseinsatz sei unter Zwang zustande gekommen, bei der Arbeit habe es neben den sie bewachenden bewaffneten Soldaten auch Anweiser gegeben. Bekommen habe sie dafür weder Lohn noch Sachbezüge. Gerade die Bewachung bei der Arbeit und dass die Klägerin für die Arbeit eben kein angemessenes Entgelt erhielt begründet die Annahme, dass hier von der Klägerin Zwangsarbeit zur Ausnutzung ihrer Arbeitskraft verrichtet wurde. So hat die Klägerin auch in ihrem Widerspruch gegen den Rentenablehnungsbescheid erneut selbst von Zwangsarbeit gesprochen. Gerade Arbeiten bzw. Beschäftigungen unter solchen Bedingungen erfüllen aber nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. Denn wie bereits oben ausgeführt, erfordert § 1 des ZRBG eine freiwillige Beschäftigungsaufnahme gegen Zahlung eines echten "Entgeltes" im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Lohn; nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) würde nicht einmal "gute Verpflegung" ausreichen, um überhaupt eine Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG und im Sinne des SGB VI zu begründen. Dies ist auch bereits mehrfach bestätigt worden von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04 und vom 03.06.2005 - L 4 R 3/05). Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es in einem Ghetto schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten. Mithin kommen für die Klägerin keine auf eine Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten nach Maßgabe des § 1 ZRBG oder aber der §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes in Betracht, weil diese Vorschriften eine gewisse Freiwilligkeit bei der Beschäftigungsausübung voraussetzen. Der spätere Aufenthalt der Klägerin in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen ist auch nicht ausreichend zur Begründung des Status eines Versicherten in der deutschen Rentenversicherung, denn Ersatzzeiten wegen Aufenthalten in Konzentrationslagern könnten allenfalls auf die Wartezeit angerechnet werden, wenn zumindest ein Monat an versicherungspflichtiger Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG oder im Sinne von §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes vorliegen würde (so das bereits oben genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R).
Auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten ergeben sich derzeit auch nicht unter sonstigen Gesichtspunkten. Denn mit den früheren Bescheiden der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28.02.1997 und 27.08.1997 wurden für die Klägerin auch sonstige Beitragszeiten wegen Kindererziehung abgelehnt, ohne dass gegen diese Bescheide Widerspruch eingelegt worden wäre. Diese früheren Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sind mithin nach § 77 SGG bestandskräftig geworden, sodass sie gegenwärtig auch für die Beklagte und für das Gericht als bindend zu beachten sind. Die Kammer konnte daher nicht prüfen, ob sich eventuell doch aus der Erziehung des Kindes I-M in den Jahren 1947 und 1948 für die Klägerin anrechenbare Versicherungszeiten ergeben könnten (wegen der bisherigen Bestandskraft der Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte). Sollte die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt noch geltend machen wollen, für sie seien Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung des Kindes I-M in Deutschland anzuerkennen, so müsste die Klägerin erst bei der Beklagten oder bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (der Nachfolgerin der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) im Wege eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X geltend machen, dass ihr möglicherweise unter dem Gesichtspunkt von Kindererziehung von I-M in Deutschland eine Altersrente zustehen könnte; da eine solche Überprüfung durch Bescheide der Beklagten oder der Deutschen Rentenversicherung Bund bisher aber nicht erfolgt ist, war vom Sozialgericht Düsseldorf die bisherige Bestandskraft der Bescheide vom 28.02.1997 und 27.08.1997 zu beachten.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin und die Bedingungen, unter denen sie in Bialystok und in Pruzany arbeitete und dass die Klägerin später auch in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen war; die Kammer sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der von dem Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, gegenwärtig dem geltend gemachten Anspruch auf eine Rente nach dem ZRBG VI zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für die Klägerin zur Überzeugung der Kammer nicht her und die Ablehnung der Kindererziehungszeiten für I-M ist als bisher bestandskräftig von der Kammer bei dem jetzigen Urteil zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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