L 13 SB 211/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 SB 1602/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 211/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Berufung im Verfahren L 13 SB 99/04 erledigt ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat sich in der Hauptsache gegen die Aberkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) gewandt. Der 1965 geborenen Klägerin waren durch Bescheid vom 29. September 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Merkzeichen "aG" zuerkannt worden. Durch Bescheid vom 13. November 2001 in der Fassung eines Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2002 erkannte der Beklagte der Klägerin das Merkzeichen wieder ab, die Voraussetzungen hierfür seien nach dem Ergebnis der ärztlichen Ermittlungen nicht mehr gegeben; der GdB betrage 70. Eine hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom 4. Oktober 2004 abgewiesen. Die Aberkennung des Merkzeichens sei rechtmäßig, da sich der gesundheit-liche Zustand der Klägerin gebessert habe. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte durch Bescheid vom 5. Juni 2003 einen GdB von 80 anerkannt, aber die Zuerkennung gesundheitlicher Merkmale abgelehnt. Die gegen das Urteil des SG Berlin eingelegte Berufung hat die Klägerin im Termin vom 1. November 2006 zurückgenommen. Am 18. Dezember 2006 hat die Klägerin zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ihre Rücknahmeerklärung widerrufen und begehrt, dass das Verfahren fortgeführt werde. Aus dem Vorbringen der Klägerin folgt ihr Antrag, das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2004 wieder aufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2004 und den Bescheid des Beklagten vom 13. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2002 sowie den Bescheid vom 5. Juni 2003 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, den Antrag auf Wiederaufnahme der Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Fortsetzung des Verfahrens sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

Über die Berufung konnte gemäß § 158 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach eine nicht statthafte Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen ist, durch Beschluss entschieden werden. Entsprechend § 158 SGG kann auch dann durch Beschluss entschieden werden, wenn eine Wiederaufnahmeklage nach § 179 SGG in Verbindung mit §§ 579, 580 Zivilprozessordnung unzulässig ist (Meyer-Ladewig, SGG- Kommentar, 8. Aufl., § 158 Rdnr. 6 m. w. N.). Die Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens ist unzulässig, weil die Klä-gerin im Termin vom 1. November 2006 die Berufung gegen das Urteil des SG Berlin vom 4. Oktober 2004 zurückgenommen hat. Die Zurücknahme der Berufung bewirkt nach § 156 Abs. 2 S. 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Eine Anfechtung oder ein Widerruf der Berufungsrücknahme sind grundsätzlich nicht möglich (Bundessozialgericht, SozR 1500 § 102 Nr. 2; Bundesverwaltungsgericht, NJW 1997, 2897 und Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, 2005, § 156 Rdnr. 2 a, m. w. N.). Eine Anfechtung scheidet aus, weil die Grundsätze des materiellen Rechts über die Anfechtung wegen Irrtums oder anderer Willensmängel auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels ist grundsätzlich ebenfalls unwiderruflich. Eine Ausnahme kommt lediglich dann in Betracht, wenn ein Wiederaufnahmegrund gegeben ist. Eine Wiederaufnahme ist nach § 179 Abs. 2 SGG zulässig bei einer strafgerichtlichen Verurteilung eines Beteiligten und nach § 180 SGG im Fall widersprechender Entscheidungen mehrerer Versicherungsträger, was vorliegend nicht gegeben ist. Im Übrigen verweist § 179 Abs. 1 SGG für das Wiederaufnah-meverfahren auf die Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO). § 578 ZPO bestimmt als erste Norm des Vierten Buches der ZPO, dass die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage oder durch Restitutionsklage erfolgen kann. Die in § 579 ZPO geregelte Nichtigkeitsklage findet statt in verschiedenen Fällen einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Zur Zulässigkeit dieser Klage gehört, dass ein Prozessverstoß behauptet wird, der unter § 579 ZPO eingeordnet werden kann (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage 2005, § 579 Rdnr. 1 m. w. N.); ein derartiger Verstoß wurde nicht vorgetragen. Auch ein Fall der Restitutionsklage liegt nicht vor. Diese Klage findet nach § 580 ZPO dann statt, wenn der Gegner sich einer Verletzung der Ei-despflicht schuldig gemacht hat, wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gestützt war, verfälscht war, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheits-pflicht schuldig gemacht hat, wenn das Urteil durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt wurde, wenn ein Richter sich einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflicht gegen die Partei schuldig gemacht hat, wenn das Urteil eines ordentlichen oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist oder wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräf-tig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand ge-setzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Derartige Gründe liegen nicht vor. In § 586 Abs. 1 ZPO ist weiter bestimmt, dass die Klagen vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben sind. Die Frist beginnt mit positiver sicherer Kenntnis der Tatsachen, die den Wie-deraufnahmegrund ausfüllen. Auch diese Notfrist hat die Klägerin mit ihrem erst am 18. Dezember 2006 gestellten Antrag versäumt. Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen. Auf den Gesundheitszustand der Klägerin, auf den diese verweist, kam es für die Entscheidung nicht an. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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