L 11 AS 216/06 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 146/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 216/06 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 7. November 2005 Az: S 16 AS 146/05 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu bewilligenden Heizkosten.

Die Klägerin zu 1. erhielt bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 142,38 EUR, der Kläger zu 2. Leistungen der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie bewohnen seit 01.10.2004 ein angemietetes Fachwerkhaus in der S.straße, W ... Das Haus hat eine Wohnfläche von 85 m². Die Kläger zahlen hierfür eine monatliche Kaltmiete von 260,00 EUR.

Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 23.12.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 in Höhe von 932,00 EUR monatlich. Der Kostenanteil für Unterkunft und Heizung belief sich dabei auf monatlich 310,00 EUR. Zudem bewilligte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 02.02.2005 einmalige Brennstoffbeihilfe in Höhe von 207,00 EUR als Darlehen.

Ihre hiergegen erhobenen Wiedersprüche begründeten die Kläger damit, es sei nicht deutlich geworden, welche Beträge für Heizkosten angesetzt worden seien. Die Beklagte wies die Widersprüche mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 04.05.2005 zurück. Wie vorausgehend das Sozialamt habe man als Mietnebenkosten 50,00 EUR monatlich angesetzt. Für die Heizperiode vom Oktober 2004 bis April 2005 habe vorausgehend das Sozialamt bereits 481,00 EUR bezahlt. Auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum entfielen deshalb hieraus 4/7. Zudem sei zu beachten, dass die Kläger Brennstoffbeihilfe im November 2004 vom Sozialamt in Höhe von monatlich 240,50 EUR erhalten haben.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) machten die Kläger geltend, sie hätten beim Einzug im Oktober 2004 650 l Heizöl für 260,00 EUR übernommen, am 10.11.2004 487 l Heizöl für 467,68 EUR, am 13.01.2005 487 l Heizöl für 448,05 EUR und am 03.03.2005 816 l für 431,69 EUR eingekauft. Das seien insgesamt 1.607,42 EUR. Ziehe man davon die Brennstoffbeihilfe, die das Sozialamt im November bewilligt habe ab, verblieben offene 1.126,42 EUR. Die Berechnung für das von ihnen bewohnte Anwesen zeige, dass ein jährlicher Durchschnittsverbrauch von 1.306,5 l Heizöl notwendig sei. Es müsse aufgrund des Mietvertrages das gesamte Haus beheizt werden. Das Darlehen aus dem Bescheid vom 02.02.2005 sei zwischenzeitlich zurückbezahlt.

Am 14.07.2005 bewilligte die Beklagte durch Änderungsbescheid gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einmalige Heizkosten in Höhe von 243,87 EUR für den hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum.

Das SG vernahm in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2005 den Zeugen E. zur Frage, ob seitens der Sozialbehörde vormals eine Zusage hinsichtlich der Heizkostenübernahme erteilt worden sei. Der Zeuge verneinte dies.

Mit Urteil vom 07.11.2005 verpflichtete das SG die Beklagte, unter Abänderung der Bescheide vom 23.12.2004, vom 02.02.2005 und 14.07.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2005 den Klägern weitere Heizkosten in Höhe von 296,00 EUR zu bewilligen.

Dagegen legten die Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein. Ihnen stünden weitere 369,86 EUR Heizkosten zu. Das Gericht habe sich möglicherweise verrechnet. Das Urteil gehe von einem Richtwert von 0,80 EUR/m² aus und erhöhe diesen. Unklar sei, welcher Zeitraum abgerechnet worden sei. Es biete sich eine andere Berechnungsart an. Im Übrigen sei der Zeuge nochmals zu vernehmen.

Die Berufung wurde mit Urteil des BayLSG vom 28.07.2006 als unzulässig verworfen, da die begehrte Geldleistung weniger als 500,00 EUR beträgt, und es sich um keine wiederkehrende oder laufende Leistung handelt, da einmalige Heizkosten geltend gemacht werden.

Mit Schriftsatz vom 17.08.2006 haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt mit der Begründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die Beklagte habe bei der Erstattung von Heizölkosten Pauschalen zugrunde gelegt, während die Kläger den tatsächlichen Verbrauch, der wesentlich höher liege, begehrten.

Dem ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.09.2006 entgegen getreten. Eine grundsätzliche Bedeutung sei zu verneinen, Leistungen seien nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen seien.

II.

Die von den Klägern fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 SGG zulässig, sachlich aber nicht begründet. Die Berufung ist entgegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des SG nicht zulässig, wie das BayLSG mit Urteil vom 28.07.2006 entschieden hat. Demgemäß ist nach § 144 Abs 1 SGG statthaftes Rechtsmittel die Nichtzulassungsbeschwerde.

Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich die Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, der nach § 144 Abs 2 SGG die Zulassung der Berufung rechtfertigt, nicht aber die Frage, ob das SG in der Sache richtig oder falsch entschieden hat.

Da keiner der in § 144 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Erforderlich für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage, § 144 Rdnr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage insbesondere dann nicht, wenn zwar zu einer bestimmten Rechtsvorschrift noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, bereits ergangene Rechtsprechung zu vergleichbaren Vorschriften aber hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung gibt (BayLSG Beschluss vom 24.07.2006 Az: L 11 AS 121/06 NZB).

So liegt der Fall hier. Zwar ist den Klägern durchaus einzuräumen, dass die bisher zur Frage der Angemessenheit von Unterkunftskosten ergangene Rechtsprechung für den Bereich des SGB II noch kein klares Bild ergibt. Es genügt allerdings nicht, einen Zulassungsgrund nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung anzunehmen.

§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II enthält den allgemeinen Grundsatz, dass die angemessenen Kosten übernommen werden, ohne allerdings zu konkretisieren, welche Aufwendungen als Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden (vgl. Schmidt in Oestreicher, SGB XII, SGB II, § 22 SGB II Rdnr 16 ff). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist bei der Auslegung der Vorschrift insoweit auf das bisherige Recht der Sozialhilfe zurückzugreifen (BT-Drs 15/1516), wobei die bisher zum Sozialhilferecht ergangene Rechtsprechung ausreichende Kriterien für die Auslegung des Begriffs der Angemessenheit und damit für die Auslegung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II entwickelt hat. Unter Einbezug der Kriterien und Rechtsgedanken aus dem Sozialhilferecht lässt sich die entsprechende Vorschrift des SGB II ohne Weiteres auslegen und auf dieser Grundlage auch weiter entwickeln (vgl. BayLSG Beschluss vom 25.10.2006 Az: L 11 AS 183/06 NZB). Tatsächliche Heizkosten werden nach dem SGB II immer dann und soweit übernommen, als sie angemessen sind. Soweit Heizkosten vom zuständigen Leistungsträger nach dem SGB II nur pauschal erstattet werden, obwohl dem Leistungsträger bekannt ist, dass ein Antragsteller tatsächlich höhere Aufwendungen für Heizkosten hat, bringt der Leistungsträger damit zum Ausdruck, dass mit der Pauschale gleichzeitig über die Frage der Angemessenheit entschieden wird. Dabei ist es durchaus zulässig, dass bei der Festlegung der Angemessenheit - auch im Wege von Pauschalen - auf Erfahrungswerte betreffend die Heizkosten abgestellt wird. Es obliegt dann dem Antragsteller, Tatsachen nachzuweisen, weshalb in seinem individuellen Fall besondere Umstände vorliegen, die eine Abweichung von diesen Erfahrungswerten zwingend erforderlich machen. Dies sind jedoch Einzelfallentscheidungen, die keine abstrakte und damit klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage darstellen.

Angesichts der dargestellten Sach- und Rechtsfrage liegen die Voraussetzungen einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG nicht vor.

Zulassungsgründe nach § 144 Abs 2 Nr 2 oder Nr 3 SGG sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Die Beschwerde ist nach alledem im Ergebnis zurückzuweisen mit der Folge, dass das Urteil des SG gemäß § 145 Abs 4 Satz 5 SGG rechtskräftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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