L 4 R 921/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2493/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 921/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. November 2006 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; streitig ist die Einhaltung der Berufungsfrist.

Der am 1946 geborene Kläger war ausweislich des Versicherungsverlaufs ab April 1964 durchgängig versicherungspflichtig beschäftigt. Er bestand 1970 die Meisterprüfung im Vulkaniseurhandwerk und war in der Folgezeit entsprechend berufstätig. Die Pflichtbeitragszeiten enden mit 31. Juli 1983. Anschließend betrieb der Kläger in selbstständiger Tätigkeit einen Reifenhandel. Die Zeit vom 01. Januar 1984 bis 31. Dezember 1995 ist mit freiwilligen Beiträgen belegt. Seinen Angaben zufolge betrieb er den Handel weiter bis 2002, als dieser wegen Vermögensverfalls eingestellt werden musste.

Erstmals mit Schreiben vom 30. April 2003 bat der Kläger um Zusendung eines Kontoauszugs. Mit Schreiben vom 01. Mai 2003 erklärte er, aufgrund einer Krankheit sei "damit zu rechnen, Rente zu beantragen". Die Beklagte leitete das Kontenklärungsverfahren ein. Ein am 15. April 2004 eingegangenes Schreiben wurde als Rentenantrag gewertet, der durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 06. August 2004 mangels eines formellen Rentenantrags und mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt wurde. Der Kläger berichtete noch in mehreren Schreiben über seine Krankheiten und Unfälle in den vorangegangenen Jahren. Medizinische Ermittlungen wurden nicht eingeleitet. Durch Bescheid vom 14. November 2005 lehnte die Beklagte den weiteren Rentenantrag vom 04. Oktober 2005 ab. Nach dem letzten Beitrag für Dezember 1995 liege keine anwartschaftserhaltende rentenrechtliche Zeit mehr vor. Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte hörte behandelnde Ärzte. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. erinnerte sich in der Mitteilung vom 21. Dezember 2005, der Kläger sei vor zehn Jahren wegen Bluthochdruck und Diabetes in Behandlung gewesen. Chirurg Dr. O. gab im Befundbericht vom 09. Januar 2006 an, seit Oktober 2005 bestehe Arbeitsunfähigkeit wegen einer ausgeprägten Arthrose im rechten oberen Sprunggelenk. Arzt Dr. M. legte den Befundbericht für die Bundesagentur für Arbeit vom 30. Dezember 2005 vor, der Kläger leide unter einem chronischen metabolischen Syndrom mit vorwiegend Hypokaliämie, einem Zustand nach Sprunggelenksbruch rechts 1993 und einem erneuten Sturz vom November 2005. Derselbe Arzt erstattete sodann noch den Befundbericht vom 27. März 2006, dem u.a. der Arztbrief vom 09. Dezember 1993 über den Klinikaufenthalt nach Unfall vom 31. Oktober 1993, der Bericht des Chefarztes Prof. Dr. L. vom Klinikum L. (Kardiologie/Nephrologie) vom 08. August 1995 und der Arztbrief des Internisten Dr. V. vom 16. März 2006 beigefügt waren. Laut beratungsärztlichem Prüfvermerk vom 07. April 2006 konnte eine Leistungsminderung für den maßgeblichen Zeitpunkt Januar 1996 nicht erkannt werden. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 08. Juni 2006.

Mit der am 10. Juli 2006 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er sei jetzt erwerbsunfähig und habe dies auch für den zurückliegenden Zeitraum durch die Nennung der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser untermauert. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Arzt Dr. M. erstattete die schriftliche Zeugenaussage vom 21. September 2006. Der Kläger stehe seit Jahren in Behandlung, in früheren Jahren sporadisch, etwa in den letzten zwei Jahren zwei- bis dreimal im Monat. Eine genaue Zeitangabe bezüglich des Herabsinkens der Erwerbsfähigkeit sei schwierig, jedoch habe sich insbesondere die Herzinsuffizienz in den letzten zwei Jahren deutlich verschlechtert. Neue Arztbriefe aus dem Jahr 2006 waren beigefügt. Durch Urteil vom 30. November 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, hinreichende Anhaltspunkte für einen spätestens im Januar 1996 eingetretenen Leistungsfall ergäben sich nicht, zumal der Kläger bis ins Jahr 2002 selbstständig tätig gewesen sei. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen. Das Urteil ist dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2006 persönlich übergeben worden.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers, datiert mit 08. Februar 2007, ist am 13. Februar 2007 beim SG eingegangen. Der Kläger hat angekündigt, die Begründung über einen Rechtsanwalt vorlegen zu wollen. Auf Hinweise auf die offensichtliche Verfristung der Berufung hat er mit Schreiben vom 23. März 2007 eine Äußerungsfrist von nochmals drei Wochen erbeten. Eine Äußerung ist nicht mehr eingegangen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juni 2006 zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Sie hat sich in der Sache nicht weiter geäußert.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Rentenakten (63 081146 S 003) Bezug genommen.

II.

Der Senat hat die Berufung des Klägers durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (vgl. § 158 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auf diese Entscheidungsform sind die Beteiligten durch Schreiben vom 16. März 2007 hingewiesen worden; der Kläger hat dieses Schreiben erhalten.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (Abs. 2 Satz 1).

Das angefochtene Urteil vom 30. November 2006 ist dem Kläger gemäß Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2006 persönlich übergeben worden. Die Berufungsfrist hat mithin mit dem Ablauf des gleichnamigen Tages des folgenden Monats, also 21. Januar 2007, und da dies ein Sonntag war, mit Montag, 22. Januar 2007 geendet (vgl. § 64 Abs. 1, 2 und 3 SGG). Die mit 08. Februar 2007 datierte Berufungsschrift ist erst am 13. Februar 2007 beim SG eingegangen.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Verhinderung der Fristeinhaltung (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) sind nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar geltend gemacht, schwer erkrankt gewesen zu sein. Belege hierfür, insbesondere ein ärztliches Attest hat er trotz entsprechenden Hinweises nicht vorgelegt. Eine Wiedereinsetzung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein Verfahrensbeteiligter so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Februar 1992 - 9a BVg 10/91 -; Landessozialgericht Hamburg, Entscheidung vom 16. Januar 1974 - I JBf 127/73 - = Breithaupt 1974, 546; Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 09. Februar 1984 - L 10 Lw 12/83 - = Breithaupt 1984, 1015). Hierfür ist, nachdem der Kläger Belege nicht beigebracht hat, nichts ersichtlich. Es ist nicht einmal glaubhaft gemacht (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG), dass es dem Kläger krankheitsbedingt unmöglich gewesen wäre, bis zum Ablauf der Frist am 22. Januar 2007 jemanden mit der vorsorglichen Einlegung der Berufung zu betrauen. Die Formanforderungen in der Sozialgerichtsbarkeit sind niedrig; es genügt bereits, wenn - auch handschriftlich - Datum und Aktenzeichen des angefochtenen Urteils genannt werden und der Wille erkennbar ist, dieses durch eine höhere Instanz überprüfen lassen zu wollen. Dass eine Begründung später nachgeholt werden kann, war dem Kläger bekannt, da er dies in der Berufungsschrift ausdrücklich angekündigt hat.

Nach alledem ist der Senat an einer sachlichen Prüfung des Begehrens gehindert. Unabhängig hiervon ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Eintritt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung bis spätestens Januar 1996 nicht erweisbar sein dürfte. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich, weil der Kläger, nachdem er vor dem 01. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte, jeden Kalendermonat vom 01. Januar 1984 bis 31. Dezember 1995 mit freiwilligen Beiträgen belegt hat (vgl. im Einzelnen § 241 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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