L 10 U 1269/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3039/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1269/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung von Unfallfolgen sowie die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2001.

Der 1961 geborene Kläger litt 1994 nach einem Unfall mit einer HWS-Distorsion 1 ½ Jahre unter Myoklonien (Schüttelkrampf, anfallsweise auftretende, kurze blitzartige Zuckungen von Muskeln) und gab bei der damaligen Behandlung an, er habe bereits bei seiner früheren Berufstätigkeit als Koch einmal unter muskulären Zuckungen und Missempfindungen sowie Wadenkrampf gelitten.

Am 19. Dezember 2001 erlitt der bei der Beklagten als selbstständiger Versicherungskaufmann versicherte Kläger auf dem Weg zu einem Kunden einen Unfall, als ein anderes Fahrzeug auf sein Fahrzeug auffuhr (kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung seines Pkw 8 bis 10 km/h). Danach litt der Kläger unter Kopfschmerzen, Schmerzen der HWS mit Schmerzausstrahlung in beide Schultern und einer Einschränkung der Beweglichkeit der HWS. Außerdem traten Ohrgeräusche auf und im Januar 2002 gab der Kläger an, zunehmend unter Myoklonien zu leiden. Ein Kernspintomogramm vom 25. Januar 2002 ergab intracraniell und im Bereich der HWS einen unauffälligen Befund, insbesondere kein Hämatom, keine Kontusionsherde, kein intraspinales Hämatom und keine Wirbelkörperfraktur.

Der Nervenarzt Dr. B., der den Kläger bereits 1994/95 behandelt hatte, berichtete über neu aufgetretene Myoklonien. Gemäß dem Bericht des Dr. S. von der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H., in der sich der Kläger - wie schon 1995 - zur stationären Abklärung und Behandlung befand, wurden u. a. eine psychogene Bewegungsstörung, ein Spannungskopfschmerz und ein Tinnitus festgestellt und bei mangelndem organischem Korrelat ein Bezug zu dem Unfall nicht gesehen. Dr. F. fand im April 2002 auf unfallchirurgischem Gebiet keinerlei Symptomatik mehr. In einem wegen des Haftpflichtschadens eingeholten Gutachten vom 13. Mai 2002 kam Prof. Dr. M., Neurologische Klinik des Universitätsklinikums H., zum Ergebnis, klinisch und elektrophysiologisch gebe es Anhaltspunkte, dass die Myoklonien als psychogene Bewegungsstörung aufzufassen seien. Ein organisch begründbarer Zusammenhang zwischen der jetzigen Symptomatik und dem Unfall bestehe nicht. In einem HNO-ärztlichen Gutachten erachteten PD Dr. D. und Dr. C. die Ohrgeräusche mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um weniger als 10 v. H. als unfallbedingt. In einem neurologischen Gutachten sah Dr. Ba. bezüglich der Myoklonien - unabhängig davon, ob sie psychisch oder organisch retikulärer Natur seien - keinen Zusammenhang mit dem Trauma. Schließlich kam Dr. K. im unfallchirurgischen Gutachten zum Ergebnis, die psychogene Bewegungsstörung, eine Adipositas und ein fragliches Zervikalsyndrom seien nicht Folge des Unfalles. Die Gesamt-MdE betrage weniger als 10 v. H.

Mit Bescheid vom 25. September 2002 entschied die Beklagte, in deren Auftrag die B. Ersatzkasse bis 27. September 2002 Verletztengeld zahlte, ein Anspruch auf Rente bestehe wegen des Versicherungsfalles vom 19. Dezember 2001 nicht (1. Verfügungssatz) und eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 13. Januar 2002 hinaus werde abgelehnt (2. Verfügungssatz). An Unfallfolgen anerkannte sie einen beidseitigen Tinnitus und eine ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Schädelprellung und eine HWS-Zerrung, nicht dagegen die psychogene Bewegungsstörung im Sinne von Reflexmyoklonien, eine Hypertriglyze-ridämie, ein Zervikalsyndrom und Spannungskopfschmerzen.

Dagegen erhob der Kläger am 11. Oktober 2002 ("insbesondere gegen Ihren Punkt 2") Widerspruch, begehrte die Übernahme weiterer Behandlungskosten sowie Verletztengeld und erklärte, er behalte sich ("gleichfalls aus Punkt 1 Ihres Ablehnungsbescheides") vor, gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erneut einen Antrag auf "BU-Rente" zu stellen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend mache, seine Beschwerden seien auf dem Unfall zurückzuführen und Verletztengeld begehre, mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2002, am Folgetag zugestellt, zurück. Die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit ab 14. Januar 2002 seien durch nicht unfallbedingte Myoklonien verursacht.

Deswegen hat der Kläger am 16. Dezember 2002 (Montag) Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Gewährung sowie die Feststellung einer unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 13. Januar 2002 hinaus begehrt. Er habe Verletztengeld bis 29. September 2002 erhalten und begehre solches darüber hinaus, da er weiter unfallbedingt arbeitsunfähig sei. Außerhalb des Klageverfahrens hat der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Verletztenrente beantragt (gegen Ende des Krankengeldbezuges am 9. Juli 2003).

Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat sich kritisch zu den Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. Ba. geäußert. Eine organische Genese der Myoklonien sei aus seiner Sicht nicht ausgeschlossen. Selbst wenn eine organische Genese der Myoklonien nach der Distorsion der HWS eindeutig auszuschließen und von einer psychogenen, dissoziativen Bewegungsstörung auszugehen wäre, wäre aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht ein möglicher Unfallzusammenhang zu diskutieren.

Außerdem hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten des Facharztes für psychotherapeutische Medizin, Nervenarzt, Universitätsprofessor Dr. L. eingeholt. Er ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Beschwerden des Klägers seien Symptome einer Konversionsstörung (dissoziative Störung). Das Unfallgeschehen könne nach der Schilderung des Klägers und den vorliegenden Berichten als ursächlicher Faktor der Beschwerden ausgeschlossen werden. Selbst wenn man die Möglichkeit zu Grunde lege, dass bei der geringen Geschwindigkeit von 10 km/h ein HWS-Trauma ausgelöst werden könne, könne dies medizinisch allenfalls mit den passageren Kopfschmerzen und dem Tinnitus und nicht mit neurologischen Folgeerscheinungen wie Myoklonien o. ä. in Zusammenhang gebracht werden. Bei erstmaligem Auftreten am 14. Januar 2001 spreche auch die Latenz gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Dem Unfallgeschehen komme hinsichtlich dieser Gesundheitsstörungen keine Bedeutung zu.

Hiergegen hat der Kläger u. a. eingewandt, das Gutachten habe nicht geklärt, weswegen die Myoklonien 1994 und 2001 immer nach Auffahrunfällen aufgetreten seien. Beide male habe zwischen dem Ausbruch und dem Unfall ein gewisser Zeitraum gelegen. Selbst wenn eine Konversionsstörung Ursache der Beschwerden sein sollte, dränge sich der Verdacht auf, dass das Unfallgeschehen zumindest mittelbar kausal sei, denn es sei nicht ausgeschlossen, dass die Konversionsstörung durch den Unfall hervorgerufen worden sei.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2005 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Begehrens von Verletztenrente sei der Ablehnungsbescheid bindend geworden, da der Kläger seinen Widerspruch insofern beschränkt habe. Insoweit und auch hinsichtlich des weiteren Begehrens sei die Klage unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen den am 28. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. März 2005, dem Dienstag nach Ostermontag, Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei hinsichtlich der Ablehnung von Rente nicht bestandskräftig. Außerdem seien die Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen. Auch 1994 sei ein vergleichbares Beschwerdebild aufgetreten und eine Erhöhung des Gesamtproteins im Liquor festgestellt worden. Damals habe Prof. Dr. M. eine andere Ursache als den Auffahrunfall nicht gesehen. Weder 1995 noch 2002 sei eine organische Genese der Beschwerden ausgeschlossen und eine psychische Genese bewiesen. Auch psychische Störungen könnten Folgen eines HWS-Traumas sein. Das Gutachten des Prof. Dr. L. sei von falschen Tatsachen ausgegangen sowie im Kernpunkt, der Kausalitätsbetrachtung, unvollständig. Hierzu hat er ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vorgelegt, wonach eine psychogene Ursache der Erkrankung auszuschließen sei, ein retikulärer Reflexmyoklonus, der im zeitlichen Zusammenhang mit zwei ähnlich abgelaufenen Auffahrunfällen aufgetreten sei, die Vermutung eines Zusammenhangs zwischen den Traumata und der Bewegungsstörung nahe lege und eine MdE um 100 v. H. bestehe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Februar 2005 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids vom 25. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2002 festzustellen, dass die Myoklonien Folge des Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2001 sind sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 27. September 2002 hinaus Verletztengeld sowie im Anschluss Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat nervenärztliche Stellungnahmen von PD Dr. R. vorgelegt. Dieser kritisiert, Dr. H. übernehme die Diagnose von Prof. Dr. M. aus dem Jahr 1995, die dieser nicht aufrecht erhalten bzw. nicht auf die Folgen des Unfalls vom Jahr 2001 übertragen und im Gutachten vom 13. Mai 2002 einen Zusammenhang mit der Symptomatik ausdrücklich ausgeschlossen habe. Dr. H. habe auch keine neuen Befunde zur Stützung der von ihm übernommenen Diagnose aufgeführt. Seine Ausführungen seien nicht überzeugend und nicht geeignet, einen rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang der Myoklonus-Symptomatik mit dem Unfall hinreichend nachzuweisen. Prof. Dr. M. habe im Gutachten vom 13. Mai 2002 unter Berücksichtigung der Liquoreiweißerhöhung und der bei den elektrophysiologischen Untersuchungen festgestellten Veränderungen einen Zusammenhang verneint. Auch Prof. Dr. Ba. habe sich mit dem Liquoreiweißwert auseinandergesetzt und ihm offensichtlich keine Bedeutung beigemessen. Die wenn auch nicht sehr erheblichen Liquoreiweißerhöhungen seien von keinem Gutachter bestritten, aber als Ausdruck und Folge einer Schrankenstörung gewertet, und schon Jahre vor dem Unfall nachweisbar gewesen. Auch der elektrophysiologische Befund sei unspezifisch. Außer den Myoklonien lägen weitergehende, auf eine körperliche Erkrankung hinweisende Befunde beim Kläger nicht vor.

Hierzu hat der Kläger eine weitere Stellungnahme von Dr. H. vorgelegt. Dieser hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den zeitlichen Ablauf der Unfallhergänge und das Auftreten der Symptomatik, die Liquorbefunde und die Ergebnisse der polygrafischen Untersuchung in der Universitätsklinik H. Die Frage des Zusammenhangs sei auch abhängig von der Diagnose, über die bislang keine Einigkeit herrsche. Zur Diagnosesicherung sei ein Termin in der Uniklinik K. vereinbart. Hierzu hat der Kläger den Bericht des Universitätsklinikums Schl.-H. (Diagnose: psychogene, sicherlich bewusstseinsferne Myoklonien; es bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zu dem Unfall, die Ursache der Myoklonien sollte im Rahmen einer Psychotherapie abgeklärt werden) vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung von Verletztenrente ist die Berufung unbegründet, weil die Klage unzulässig ist. Der angefochtene Ausgangsbescheid vom 25. September 2002 enthielt zwei Verfügungssätze, nämlich die Ablehnung der Gewährung von Verletztenrente (Verfügungssatz 1) und die Entscheidung, die Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 13. Januar 2002 hinaus sei wegen den unfallunabhängigen Myoklonien notwendig (also nicht unfallbedingt, Verfügungssatz 2). Angefochten hat der Kläger unter verständiger Würdigung seiner Widerspruchsbegründung die Entscheidung, wonach die nach dem 13. Januar 2002 vorliegenden Beschwerden sowie die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nicht unfallbedingt seien und "die Übernahme der Arztkosten und des Verletztengeldes" durch die Beklagte beantragt. Soweit er geltend macht, durch die Formulierung "insbesondere gegen ihren Punkt 2" ergebe sich, dass auf die Ablehnung von Verletztenrente angefochten sei, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr ergibt sich aus den nachfolgenden erläuternden Passagen, dass nur der Verfügungssatz 2 angefochten wurde und sich der Kläger vorbehalten wollte, zu einem späteren Zeitpunkt erneut einen Antrag auf Rente zu stellen. Dies ist auch konsequent, denn wenn dem Kläger - wie von ihm geltend gemacht - ein Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit des Widerspruchsverfahrens zustünde bzw. zugestanden hätte, hätte dies einem Anspruch auf Verletztenrente entgegengestanden (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) und weiter folgerichtig hat der Kläger nach dem Ende seines Krankengeldanspruches - außerhalb des Rechtsstreits - am 18. Juni 2003 bei der Beklagten einen noch nicht verbeschiedenen Antrag auf Gewährung von Rente gestellt. Entsprechend hat die Beklagte seinen Widerspruch gemäß dem Widerspruchsbescheid auch aufgefasst und unter Darstellung des Widerspruchsbegehrens (Geltendmachung, die noch bestehenden Beschwerden seien ursächlich auf den Unfall zurückzuführen und Verletztengeld sei zu gewähren) zu Recht nur darüber entschieden. Damit ist der Bescheid hinsichtlich der Ablehnung von Verletztenrente gemäß § 77 SGG bindend geworden und die hiergegen gerichtete Klage unzulässig.

Soweit der Kläger - nach Hinweis des Gerichts - sein früheres Begehren auf Feststellung von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit dahingehend konkretisiert hat, dass er die Feststellung von Myoklonien als Unfallfolgen und die Gewährung von Verletztengeld über den 27. September 2002 hinaus beantragt, ist sein Begehren zulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage - neben der Anfechtung eines weitere Unfallfolgen (wie hier) verneinenden Bescheids - die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, begehrt werden. Außerdem kann mit der Leistungsklage die - von der Beklagten hier sinngemäß abgelehnte - Weitergewährung von Verletztengeld begehrt werden. Die insoweit zulässige Klage und die Berufung sind jedoch nicht begründet.

Die vom Kläger als Unfallfolgen geltend gemachten Myoklonien sind nicht durch den Unfall vom 19. Dezember 2001 verursacht und der Kläger hat auch keinen Anspruch auf weiteres Verletztengeld.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Anspruch auf Verletztengeld besteht nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII - ein anderer Tatbestand des § 45 SGB VII kommt nicht in Betracht - wenn (und solange) der Verletzte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist. Es müssen somit die Arbeitsunfähigkeit bedingende Unfallfolgen vorliegen.

Gemessen an den vorstehend dargelegten Voraussetzungen liegen beim Kläger für den hier maßgeblichen und strittigen Zeitraum keine Unfallfolgen und keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, denn die beim Kläger im Januar 2002 aufgetretenen und danach noch fortbestehenden Myoklonien sind zur Überzeugung des Senats nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen.

Die Myoklonien haben keine organische Ursache. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus dem Gutachten des Prof. Dr. M. vom 13. Mai 2002, den Berichten des Dr. S. vom 18. Februar und 3. Juni 2002, dem Gutachten des Neurologen Dr. Ba. und den von der Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen des PD Dr. R. Prof. Dr. M., der insofern an der beim erstmaligen Auftreten von Myoklonien geäußerten Auffassung jedenfalls nach dem zweiten Unfall nicht mehr festgehalten hat, hat schlüssig und nachvollziehbar begründet, weswegen mit den Myoklonien eine organisch bedingte - und damit ggf. auf eine primäre Unfallschädigung zurückzuführende - Erkrankung nicht vorliegt. Hierbei hat er insbesondere auch die sowohl beim ersten Auftreten als auch beim Auftreten nach dem streitgegenständlichen Unfall festgestellte deutliche Erhöhung des Liquorgesamtproteins mit in seine Überlegungen einbezogen und auch die elektrophysiologischen Untersuchungsergebnisse berücksichtigt. Wie Prof. Dr. M. für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt hat, gibt es klinisch und elektrophysiologisch Anhaltspunkte, dass die Myoklonien eine psychogene Bewegungsstörung darstellen, was er einerseits durch eine gewisse Variabilität der myoklonischen Innervationsmuster in unterschiedlichen Körperstellungen und andererseits aus polygrafischen Eigenheiten des Innervationsmusters, die eher brüsken willkürlichen Bewegungen als echten Myoklonien entsprechen, und dem im Übrigen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund (keine besonderen Hinweise für eine Schädigung des zentralen Nervensystems) schließt. Die Liquoruntersuchung nach dem Unfall vom 19. Dezember 2001 hat außer der aus den Voruntersuchungen bekannten Erhöhung des Gesamtproteins und Albumins keine Veränderungen ergeben. Unter Berücksichtigung all dessen ist er zu dem den Senat überzeugenden Ergebnis gelangt, dass eine organische Ursache der Myoklonien mit durch sie bedingter Muskelverspannung und konsekutiven Spannungskopfschmerzen - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht feststellbar ist. Dieser Auffassung hat sich auch der auf Antrag des Klägers gehörte Prof. Dr. L. angeschlossen. Auch nach dem zuletzt vom Kläger vorgelegten Bericht des Universitätsklinikums K. wird dort von psychogen bedingten Myoklonien ausgegangen.

Soweit hiervon abweichend Dr. B. (allerdings vorsichtig formulierend und mit Hinweis auf frühere, von Seiten der Ärzte der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. inzwischen aufgegebene Annahmen) organisch bedingte Myoklonien bejaht und sie auf den Arbeitsunfall zurückführt, fehlt es an einer dem Senat überzeugenden Begründung. Entgegen seinen Ausführungen haben Prof. Dr. M. und Prof. Dr. Ba. die Liquoreiweißerhöhung durchaus gesehen, gleichwohl aber eine organische Ursache der Myoklonien verneint. Im Übrigen hat er bei seiner Aussage vor dem SG lediglich eine organische Genese als nicht ausgeschlossen gesehen, womit auch unter Zugrundelegung dieser Aussage von unfallbedingten organisch verursachten Myoklonien nicht ausgegangen werden kann.

Auch die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen von Dr. H., der von organisch bedingten Myoklonien ausgeht, überzeugen nicht. Soweit er unter Kritik an den Vorgutachtern das Vorliegen organisch bedingter Myoklonien bejaht, fehlt es ebenfalls an einer den Senat überzeugenden Begründung. Insbesondere hat er sich auch nicht mit allen Vorgutachten hinreichend auseinandergesetzt, sondern nur zu einzelnen gutachterlichen Äußerungen und Einschätzungen Stellung genommen. Eigene, neue, seine Ansicht überzeugend stützende Befunde hat er nicht vorgebracht. Soweit er auf den zeitlichen Ablauf der Unfälle und das Auftreten der Symptomatik abstellt, waren diese Umstände auch den weiteren Gutachtern und Prof. Dr. M. bekannt und wurden von ihnen berücksichtigt. Gleiches gilt für die Liquorbefunde und die polygraphischen Untersuchungsergebnisse, die - so Prof. Dr. M. - gerade gegen eine organische Genese sprechen. Schlussendlich mag der Einwand, die fehlende Nachweisbarkeit einer "möglichen" Läsion des Nervensystem heiße nicht, dass eine solche Läsion nicht vorhanden sei, zutreffen, doch belegt dies weder eine organische Genese der Myoklonien, noch die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfall. Letztlich hat die von ihm für erforderlich gehaltene Untersuchung des Universitätsklinikums Schl.-H. ergeben, dass auch nach dortiger Ansicht eine organische Ursache für die Myoklonien ausscheidet. Damit mangelt es an einer überzeugenden Begründung für seine Bewertung. Unter Berücksichtigung all dessen und der nachvollziehbaren Einwände des PD Dr. R. vermag sich der Senat Dr. H. nicht anzuschließen.

Soweit der Kläger das Vorliegen organisch bedingter Myoklonien für nachgewiesen hält, teilt der Senat diese Auffassung aus den vorstehend dargelegten Gründen und Argumenten in den gutachterlichen Ausführungen nicht. Zwar kann es auch - wie er zutreffend behauptet - bei einem Unfall mit einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von weniger als 10 km/h zu einer Schädigung im HWS-Bereich kommen, doch ist diese Möglichkeit zum Nachweis einer organischen Ursache der Myoklonien nicht ausreichend. Soweit er auf identische Abläufe und Symptome bei dem streitgegenständlichen und dem früheren Unfall verweist, genügt dies für die Annahme der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs gleichfalls nicht, zumal Prof. Dr. M. in Kenntnis all dessen eine organische Ursache verneint und von früheren Annahmen mit nachvollziehbarer Begründung abgerückt ist. Soweit der Kläger eine organische Ursache der Myoklonien für nicht ausgeschlossen hält und eine psychische Ursache nicht als bewiesen sieht, belegt dies ebenfalls keine organische Genese.

Damit lässt sich nicht feststellen, dass die Myoklonien organisch bedingt sind. Ansätze für eine weitere Sachaufklärung sieht der Senat nicht. Sämtliche, eine organische Ursache abklärenden Befunde sind erhoben und in den eingeholten Gutachten berücksichtigt.

Sollten die Myoklonien eine psychische Ursache haben, fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Der auf Antrag des Klägers gehörte Prof. Dr. L. hat anschaulich aufgezeigt, welche anderen, persönlichkeitsbedingten Umstände für die Beschwerden in Betracht kommen und mit nachvollziehbarer Begründung die Ursächlichkeit des (geringfügigen) Unfallereignisses verneint. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers sind nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Einschätzung zu erschüttern. Auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Äußerungen belegen solches nicht. Insbesondere ergibt sich aus den Ausführungen von Dr. B. kein ursächlicher Zusammenhang einer psychischen Störung. Er hat einen solchen (hilfsweise) für diskussionswürdig erachtet, doch ist Prof. Dr. L. in Kenntnis von dessen Ansicht mit nachvollziehbarer Begründung zu einem anderen Ergebnis gelangt. Damit spricht zumindest nicht mehr dafür als dagegen, dass die psychogenen Myoklonien bzw. die psychischen Störungen im Sinne einer Konversionsstörung/dissoziativen Bewegungsstörung (so Prof. Dr. L. ) Folgen des Unfalles vom 19. Dezember 2001 sind und ist die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfall zu verneinen.

Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Myoklonien Folgen des Unfalles vom 19. Dezember 2001 sind.

Damit ist auch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit für die streitige Zeit nicht nachgewiesen und besteht infolgedessen auch kein Anspruch auf Verletztengeld. Die bei der Beschwerdesymptomatik im Vordergrund stehenden psychogenen Myoklonien bzw. die dissoziativen Bewegungsstörungen sind nicht Folge des Arbeitsunfalles und die sonstigen, anerkannten Unfallfolgen haben im strittigen Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeit begründet, weswegen kein Anspruch auf Verletztengeld besteht.

Damit ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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