L 8 AS 3016/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 1086/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 3016/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Berücksichtigung von Vermögen des Antragstellers zu 2 im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der 1961 geborene Antragsteller zu 1 lebt von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Er wohnt zusammen mit seinem am 29.01.1992 geborenen Sohn, dem Antragsteller zu 2, in einem Eigenheim. Bis 11.08.2005 bezog der Antragsteller zu 1 Arbeitslosengeld I. Für den Antragsteller zu 2 wird Kindergeld in Höhe von monatlich 154 EUR sowie - von seiner Mutter - Unterhalt in Höhe von monatlich 291 EUR gezahlt.

Am 21.07.2005 beantragten die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab der Antragsteller zu 1 (soweit vorliegend relevant) an, der Antragsteller zu 2 sei ihm Besitz eines Sparbuches (Konto Nr.) über den Gesamtbetrag von 1144,36 EUR.

Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellern ab 01.09.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, zuletzt mit Änderungsbescheid vom 05.10.2006 für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.08.2006 in Höhe von 669,70 EUR und für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.01.2007 in Höhe von monatlich 629,70 EUR (Gesamtbedarf einschließlich Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Heizung 1073,80 EUR abzüglich sonstiges Einkommen des Antragstellers zu 1 in Höhe von 109,10 EUR, Kindergeld 154 EUR und Unterhalt 291 EUR zuzüglich Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld 110 EUR).

Am 31.07.2006 legten die Antragsteller dem Antragsgegner eine Spareinlage des Antragstellers zu 2 bei der Volksbank Reutlingen vom 05.01.2006 in Höhe von 2000 EUR mit einer Zinsvereinbarung vom 05.01.2006 bis 05.01.2011 sowie ein Sparkonto in Höhe von 6381,87 EUR (Konto Nr.) mit einer Kündigungsfrist von vier Jahren vor.

Mit Bescheid vom 15.11.2006 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 05.10.2006 ab 01.12.2006 auf und bewilligte für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.01.2007 nunmehr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nur noch für den Antragsteller zu 1 in Höhe von monatlich 592,79 EUR (Gesamtbedarf des Antragstellers zu 1 von 591,89 EUR, abzüglich sonstiges Einkommen 109,10 EUR zuzüglich Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld 110 EUR). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller zu 2 werde ab dem 01.12.2006 nicht mehr in der Berechnung berücksichtigt. Seine Vermögen überschreite den Freibetrag. Er habe keinen Anspruch mehr auf Leistungen. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller keinen Widerspruch ein.

Am 08.02.2007 beantragten die Antragsteller die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 12.02.2007 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 605,07 EUR. Leistungen an den Antragsteller zu 2 wurden nicht erbracht.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller zu 1 am 28.02.2007 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, die Nichtbewilligung von Leistungen an den Antragsteller zu 2 wegen Vermögens und fehlender Hilfebedürftigkeit sei rechtswidrig. Die Vermögensfreibeträge einer Bedarfsgemeinschaft seien zusammenzurechnen. Damit übersteige ihr Vermögen nicht den Gesamtfreibetrag in Höhe von 11.500 EUR. Außerdem könne der Antragsteller zu 2 nach den vertraglichen Bedingungen erst in 3 bzw. 2 Jahren auf sein Vermögen zurückgreifen. Leistungen an ihn müssten damit mindestens darlehensweise erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2006 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.02.2007 zurück. Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage beim SG (S 4 AS 2404/07).

Inzwischen hatten die Antragsteller beim Sozialgericht Reutlingen (SG) am 16.03.2007 den vorliegend streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie führten zur Begründung aus, ein Anordnungsgrund sei gegeben. Ihnen sei auf Grund ihrer finanziellen Situation ein Abwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar. Auch ein Anordnungsanspruch liege vor. Die Freibeträge einer Bedarfsgemeinschaft seien nach dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des § 12 Abs. 2 SGB II und im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vorgängerregelung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung sowie vor dem Hintergrund der Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz zusammenzurechnen. Ihr Vermögen liege unterhalb des Gesamtfreibetrages. Danach stehe fest, dass das Vermögen des Antragstellers zu 2 nicht einsetzbar sei. Zumindest hätte die Leistung darlehensweise erfolgen müssen. Zudem sei seit Beginn der Leistungen versäumt worden, die monatlichen Zinsbeträge für das selbst bewohnte Haus zu übernehmen, obwohl sämtliche Unterlagen vorgelegen hätten.

Der Antragsgegner trat dem Eilantrag entgegen. Der dem Antragsteller zu 2 zustehende Gesamtfreibetrages von 3850 EUR werde in Höhe von 4531,87 EUR überschritten. Der Antragsteller zu 2 werde daher zu Recht wegen fehlender Hilfsbedürftigkeit abgelehnt. Freibeträge innerhalb der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft könnten nicht zusammengerechnet werden. Zudem erscheine im Hinblick auf die Höhe des dem Antragsteller zu 2 bislang bewilligten Betrages von monatlich ca. 30 EUR das einstweiligen Rechtsschutzverfahren überzogen. Die Tilgungszinsen seien entgegen der Ansicht der Antragsteller in der nachgewiesenen Höhe seit Leistungsbeginn berücksichtigt worden.

Mit Beschluss vom 14.05.2007 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die von den Antragstellern begehrte Leistung belaufe sich auf lediglich ca. 30 EUR monatlich, so dass eine existenzielle, sofortiges Handeln erfordernde Notlage nicht ausreichend dargelegt sei, nachdem der Antragsteller zu 1 einen befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 110 EUR erhalte. Im Übrigen sei auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe zu Recht eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 2 verneint, da er aus seinem zu berücksichtigenden Vermögen seinen Lebensunterhalt sichern könne. Eine Zusammenrechnung der Freibeträge entsprechend der Ansicht der Antragsteller komme nicht in Betracht.

Gegen den am 24.05.2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 14.06.2007 beim SG Beschwerde eingelegt, der vom SG mit Beschluss vom 18.06.2007 nicht abgeholfen und die am 20.6.2007 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Sie haben zur Begründung ihre im bisherigen Verfahren geäußerte Ansicht aufrechterhalten und hierzu ergänzend und vertiefend vorgetragen. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Spareinlagen nicht verwertet werden könnten. Da es sich bei dem Antragsteller zu 2 um ein minderjähriges Kind handele, sei auch eine geringfügige Einbuße an Leistungen erheblich und zu verhindern. Die Berechnung der Kosten der Unterkunft ist von den Antragstellern nicht mehr beanstandet worden.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.05.2007 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Leistungen in Form eines Darlehens könnten nicht angeboten werden, da wegen des vorhandenen Vermögens seitens des Antragstellers zu 2 keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Der offene Betrag sei so gering, dass eine Notlage nicht zu erkennen sei.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Akten des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Eine Bevollmächtigung des Antragstellers zu 1, Verfahrenshandlungen auch mit Wirkung für die Antragstellerin zu 2 vorzunehmen, kann nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG unterstellt werden.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Im vorliegenden Fall besteht schon kein Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur dann bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2007 - L 13 AS 3111/07 ER - ). Dies trifft beim Antragsteller zu 2 - ungeachtet seines Vermögens - bereits aufgrund seiner Einkommensverhältnisse nicht zu. Der Antragsteller zu 2 verfügt - abgestellt auf den Zeitpunkt der Antragstellung beim SG am 16.03.2007 - über Einkommen in Höhe von monatlich 445 EUR (ihm zuzurechnendes Kindergeld 154 EUR und Unterhalt 291 EUR). Sein Bedarf beträgt 494,17 EUR (Sozialgeld 276 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung anteilig 218,17 EUR). Damit bleibt eine "Unterdeckung" in Höhe von monatlich 49,17 EUR, mithin von 10 % des Bedarfs. Dass bei dieser "Unterdeckung" dem Antragsteller zu 1 (bei seinem Einkommen vom monatlich 445 EUR) schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, vermag der Senat nicht zu erkennen und wird von ihm auch nicht substantiiert vorgetragen. Allein das Vorbringen, beim Antragsteller zu 2 handele es sich um ein minderjähriges Kind, weshalb auch eine geringfügige Einbuße an Leistungen erheblich und zu verhindern sei, zeigt eine Notlage in dem dargestellten Sinn nicht auf. Der Senat folgt deshalb der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss, dass Eilbedürftigkeit nicht vorliegt, zumal die Gerichte zur Vermeidung einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (zum Beispiel) Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen können (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847). Vorstehendes gilt umso mehr, wenn zudem berücksichtigt wird, dass dem Antragsteller zu 1 vom Antragsgegner ab 01.02.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 605,07 EUR bewilligt wurden und er weiteres, nicht voll angerechnetes Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt, so dass den Antragstellern zusammen über 1050 EUR monatlich für ihren Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen.

Danach kann der Senat offen lassen, ob der Ansicht der Antragsteller zur Berechnung des Vermögensfreibetrages zu folgen ist, wenngleich hinsichtlich Freibetragsregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II mit Blick auf Wortlaut, systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Norm manches dafür spricht, dass der Kindergrundfreibetrag allein der Schonung des Vermögens minderjähriger Kinder dient und nicht der gesamten Bedarfsgemeinschaft zusteht, wie die Antragsteller meinen (vgl. hierzu Landessozialgericht Thüringen, Beschluss vom 06.06.2006 - L 7 AS 235/06 ER -; in diese Richtung ebenfalls neigend Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.03.2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, jeweils mwN) und dass eine Zusammenrechnung der Freibeträge nicht in Betracht kommt, wie das SG im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat.

Es kommt schließlich auch nicht maßgeblich darauf an, ob der Antragsteller zu 2 auf sein Vermögen zugreifen kann oder nicht, wie vorgetragen wurde, und ob deshalb einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Form eines Darlehens besteht. Diesem Vorbringen begegnen allerdings dahin Zweifel, dass nicht ersichtlich ist, weshalb der Antragsteller zu 2 nicht auf das bei der Antragstellung am 21.07.2005 genannte Sparguthaben (Konto Nr.) in Höhe von 1144,36 EUR (monatlich) zugreifen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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