L 5 KR 5978/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1882/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5978/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Streit.

Der 1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Zuletzt erhielt er in der Zeit vom 9. April 2001 bis 30. April 2001 auf Kosten des Rentenversicherungsträgers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Der Kläger ist schwerbehindert (GdB 50) und nunmehr Rentner. Er beantragte am 9. Februar 2005 (Bl. 8 VA) bei der Beklagten eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Im Selbstauskunftsbogen gab er hinsichtlich seiner körperlichen Leistungsfähigkeit an, dass er noch 1000 Meter gehen und eine Treppe über mehrere Etagen hinauf gehen könne. Er könne sich bücken, aufstehen und hinsetzen. Er leide aber unter Hautreizung, Angstgefühl, Erschöpfung, Nervosität, Schwindelgefühl, Schmerzen und Depressionen. Er legte eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation seines Hausarztes Dr. G. vom 28. Februar 2005 (Bl. 1 VA) vor, wonach er über Schmerzen in der Wirbelsäule, beim Bücken, Schwindel, eingeschränkte Beweglichkeit der Finger -, Schulter- und Kniegelenke klage und seine Psyche zur Erschöpfung neige. Als rehabilitationsrelevante Diagnosen führte Dr. G. unter anderem an: multiple Phobien, cervikalen Schwindel bei multipler segmentaler Dysfunktion der Halswirbelsäule, einen Zustand nach Alkoholabusus, BWS-Syndrom und Interphalangealarthrose beider Hände. Bezüglich Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häuslichem Leben und auch in anderen Lebensbereichen bestünden beim Kläger keine Einschränkungen. Bisher seien mehrfache haus- und fachärztliche Maßnahmen erfolgt. Auch seien manuelle Therapien in den letzten 12 Monaten erfolgt (Bl. 3-5 VA).

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) gelangte in seiner Stellungnahme vom 16. März 2005 zu der Einschätzung, dass aus den eingereichten Unterlagen die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation etwa wegen des Erfordernisses ständiger ärztlicher Bereitschaft, einer stark einschränkten Mobilität und eines speziellen Pflegebedarfs nicht hervor gehe. Allerdings sei den Unterlagen zu entnehmen, dass die wohnortnahen Maßnahmen erfolglos ausgeschöpft worden seien und eine ambulante Reha bzw. sekundäre Vorsorgeleistung an einem geeigneten Kurort zur Erreichung des Behandlungszieles sinnvoll sei.

Mit gleich lautenden Schreiben vom 23. März 2005 und 4. April 2005 lehnte die Beklagte dem Kläger gegenüber die Übernahme der Kosten für eine stationäre Kur ab, da keine ausreichenden medizinischen Gründe vorlägen. Die Beklagte bot gleichzeitig jedoch an, sich im Rahmen einer ambulanten Badekur entsprechend an den Kosten zu beteiligen.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und legte ein Schreiben der Ärztin Dr. Sch. der Praxis Dres. G. u.a. vom 8. April 2005 vor, wonach beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung im täglichen Leben bestünde. Die bisher durchgeführten ambulanten Therapieversuche in Form einer Behandlung durch den Orthopäden hätten keine Besserung der Wirbelsäulen- und Schwindelsymptomatik gebracht. Das gleiche gelte für die durchgeführte neurologische Mitbehandlung. Es drohe eine Chronifizierung des Leidens.

In einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 26. April 2005 vertrat Dr. St. die Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung der noch vorgelegten Unterlagen eine stationäre Reha-Maßnahme sozialmedizinisch nicht zu begründen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 25. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er angegeben, dass eine stationäre Rehabilitation die einzig erfolgversprechende Maßnahme für ihn sei.

Das SG hat Auskünfte der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. hat in seiner Auskunft vom 22. September 2005 angegeben, dass der Kläger unter multiplen Beschwerden leide. Seitens der Neurologie läge eine phobische Entwicklung, ein psychophysischer Erschöpfungszustand sowie eine depressive Verstimmung vor. Auf dem Gebiet der Orthopädie bestünden degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden und auf dem Fachgebiet der Inneren Medizin ein arterieller Hypertonus. Trotz der Dichte der Behandlungsmaßnahmen habe sich insbesondere an den Schlafstörungen und den Angstzuständen nichts verändert. Als stationäre Behandlungsstätte sei eine solche empfehlenswert, die sowohl eine Behandlung der Wirbelsäule und Gelenke als auch eine begleitende Psychotherapie ermögliche. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. teilte in seiner Auskunft vom 15. März 2006 mit, dass der Kläger unter einer zwanghaften Persönlichkeit mit Angst und depressiven Zuständen leide. Außerdem bestehe eine medikamentenpflichtige Hypertonie. Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation könnten Langzeitfolgen mit drohender Behinderung aufgrund der Kreislaufregulationsstörung vorbeugen. Die Rehabilitationsleistungen sollten in einer Herz-Kreislaufklinik durchgeführt werden. Die Maßnahme würde zur Roborierung des Klägers beitragen. Eine ambulante Kurmaßnahme dürfte beim Kläger dazu führen, dass er sich benachteiligt fühlen würde und für ihn eine narzistische Kränkung bedeuten. Der Kläger sei auf eine stationäre Maßnahme fixiert. Bei der bekannten oralen Fixierung des Klägers sei bei einer Begrenzung seiner Wünsche mit unberechenbaren gesundheitlichen Folgen zu rechnen.

Der Orthopäde Dr. B. hat in seiner Auskunft vom 7. März 2006 schließlich noch angegeben, dass die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule einer medizinischen Rehabilitation sehr gut zugänglich seien. Eine intensive ambulante Krankenbehandlung sei ausreichend, ebenso sei eine ambulante Kur ausreichend, wenn der Kläger dort täglich behandelt würde.

Die Beklagte ist unter Berücksichtigung auch auf die noch vorgelegten sachverständigen Zeugenauskünfte mit entsprechenden Befundberichten nach wie vor der Klage entgegen getreten und hat auch darauf verwiesen, dass ausweislich der noch im Verfahren eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 7. Februar 2006 (Bl. 37 VA) und 29. Mai 2006 (Dr. St.) die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nach wie vor nicht gegeben sei. Insbesondere hinsichtlich der Auskunft von Dr. W. hat Dr. St. darauf verwiesen, dass sozialmedizinisch nicht nachvollziehbar sei, warum Dr. W. medizinische Leistungen zur Rehabilitation in einer Herz- Kreislauf- Klinik empfehle. Eine medikamentenpflichtige Hypertonie mache keine Rehamaßnahme in einer derartigen Klinik notwendig. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, weshalb bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur eine ambulante Krankenbehandlung am Wohnort nicht erfolgsversprechend sein sollte. Sozialmedizinisch seien bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur verhaltenstherapeutische oder auch tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapien vorrangig und durchaus erfolgsversprechend. Auch habe Dr. B. ausdrücklich auf eine ausreichende ambulante Krankenbehandlung hingewiesen. Sozialmedizinisch könne auch die Notwendigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme nicht mit dem Hinweis auf eine erhebliche narzistische Kränkung bei Nichtgewährung nachvollzogen werden. Wenn es zu dieser narzistischen Kränkung kommen würde, wäre dies ein Symptom der zwanghaften Persönlichkeitsstruktur und eben diese sei ambulant zu behandeln. (Bl. 52/57 SG-Akte).

Mit Urteil vom 5. Oktober 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger im wesentlichen an einer zwanghaften Persönlichkeit mit Angst und depressiven Zuständen, Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und arterieller Hypertonie leide. Schon ausweislich der Auskünfte des Orthopäden seien jedoch diese Leiden ausreichend ambulant behandelbar bzw. in einer ambulanten Kur. Auch die Diagnosen auf nervenärztlichem Gebiet rechtfertigten nicht eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Eine stationäre Maßnahme mit dem Argument zu begründen, dass so mittelbar eine narzistische Kränkung beim Kläger vermieden werden könne, überzeuge auch das SG nicht. Vielmehr müssten in diesem Fall die psychischen Probleme des Klägers unmittelbar ambulant durch eine verhaltenstherapeutische oder auch tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie behandelt werden.

Der Kläger hat gegen das seinen Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 2. November 2006 zugestellte Urteil am 30. November 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, der Kläger könne sich keinesfalls mit dem Urteil des SG einverstanden erklären. Er sei nach wie vor der nachhaltigen und unverrückbaren Auffassung, dass ihm hier zu unrecht die Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme versagt worden sei. Zur Begründung stütze er sich ausdrücklich auf die Auskünfte des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. und seines Hausarztes Dr. G ... Das SG habe sich hierüber ohne hinreichende Begründung hinweggesetzt. Bezüglich der Auskunft von Dr. B. verweise er im übrigen darauf, dass er nicht von diesem sondern von Dr. S. behandelt worden sei, weshalb diese Auskunft nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden könne. Außerdem komme hinzu, dass er am 10. Oktober 2006 bei Dr. S. erneut in Behandlung gewesen sei wegen starker Wirbelsäulenschmerzen und einer Blockade.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2005 bzw. 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat noch bei Dr. S. eine ergänzende Auskunft eingeholt. Dieser hat mit Schreiben vom 15. Februar 2007 nochmals die bereits von seinem Kollegen in der Gemeinschaftspraxis Dr. B. im sozialgerichtlichen Verfahren erteilte Auskunft ausdrücklich bestätigt und darauf hingewiesen, dass die von Dr. B. erteilte sachverständige Zeugenauskunft sich auf die von ihm in der EDV dokumentierten Befunde gestützt hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist bei der letztlich hier im Streit stehenden stationären Rehabilitationsmaßnahme für einen Zeitraum von mindestens drei Wochen überschritten. III.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation nicht besteht.

Die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen (§§ 11, 27 und 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) sind bereits vom SG zutreffend benannt worden. Insoweit wie auch im übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Einwand des Klägers hinsichtlich der Aussagekraft der Auskunft von Dr. B. nicht durchgreift, denn der behandelnde Arzt Dr. S. hat vielmehr diese Auskunft ausdrücklich bestätigt und hier auch in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass diese sich auf die von ihm in der EDV abgespeicherten und erhobenen Befunde stützte.

Soweit der Kläger im übrigen noch auf eine zwischenzeitlich im Oktober 2006 aufgetretene Behandlung wegen starker Wirbelsäulenbeschwerden und einer Blockade hingewiesen hat, ist dies für das Ergebnis des Rechtsstreits ohne Belang, weil es sich dabei offensichtlich um eine nur vorübergehende Erkrankung gehandelt hat, die von Dr. S. im Wege der ambulanten Behandlung ausreichend therapiert werden konnte. Der Kläger hat diese Beschwerden in seinem späteren Vortrag nicht mehr wiederholt und auch Dr. S. hat in seiner Auskunft gegenüber dem Senat diese Erkrankung nicht weiter erwähnt, so dass Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer stationärere Behandlung für den Senat auch insoweit nicht erkennbar sind.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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