L 7 KA 284/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 411/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 284/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs-verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung höheren Honorars für seine vertragsärztliche Tätigkeit in den Quartalen III und IV/1997 sowie III/1998.

Der Kläger ist Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Er war im Bezirk der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betrieb im hier streitbefangenen Zeitraum eine Tagesklinik zur Durchführung ambulanter Operationen auf dem Gebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde.

Für alle hier streitbefangenen Quartale nahm die Beklagte zahlreiche Absetzungen von der Honoraranforderung im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung vor. In den sich jeweils anschließenden Widerspruchsverfahren gab die Beklagte mit drei gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 26. Juni 2000, bezogen auf die vorgenannten drei Quartale, den Widersprüchen jeweils insoweit statt, als zuvor in den Honorarbescheiden die Absetzung der Nummern 2365 und 2366 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für Ärzte (EBM) ausgesprochen worden war. Im Übrigen wies sie jedoch jeweils die Widersprüche zurück:

Hinsichtlich des Quartals III/1997 führte sie aus, die EBM-Nr. 452 sei nicht abrechenbar gewesen, weil nicht der behandelte Nerv oder das behandelte Ganglion angegeben worden sei. Deshalb bleibe es insoweit bei der Abrechnung der Nr. 451. Die EBM-Nr. 64 sei abgesetzt worden, weil es sich nicht um zuschlagsberechtigte Operationen gehandelt habe. Die Leistungen der Nr. 1452 seien gestrichen worden, weil sie fakultativer Leistungsbestandteil der Nr. 1453 und deshalb nicht gesondert abrechnungsfähig seien. Gleiches gelte für die Streichung der Nr. 1457 neben der Nr. 1460, deren fakultativer Leistungsbestandteil sie sei. Die Leistungen der Nr. 1418 hätten gestrichen werden müssen, weil diese auf der Leistung der Nr. 1414 aufbaue, die ebenfalls gestrichen worden sei. Die Nr. 83 sei gestrichen worden, weil sie gegenüber den Leistungen der Nr. 85 nicht mehrfach abrechenbar sei. Die Leistung der Nr. 215 sei in einem Falle gestrichen worden, weil sie nur als Leistung an einer Extremität und nicht an anderen Körperteilen berechnungsfähig sei.

Hinsichtlich des Quartals IV/1997 führt die Beklagte aus: Die EBM-Nr. 64 habe gestrichen werden müssen, weil sie bei nicht zuschlagsberechtigten Operationen in Ansatz gebracht worden sei. Die Nr. 98 habe gestrichen werden müssen, weil sie nur abrechnungsfähig gewesen wäre, wenn ansonsten keine Leistungsbeschreibung für die genaue Operation vorgelegen habe, was aber der Fall gewesen sei. Die Nr. 1452 habe gestrichen werden müssen, weil sie wiederum fakultativer Leistungsbestandteil der Leistungen nach Nr. 1453 gewesen sei. Aus den gleichen Gründen habe die Anwendung der Nr. 1457 neben der Nr. 1460 sowie die Anwendung der Nr. 1571 neben der Nr. 1572 gestrichen werden müssen. Gleichfalls habe die Nr. 1418 gestrichen werden müssen, weil es sich insoweit um einen Zuschlag zu einer nicht abrechnungsfähigen Leistung gehandelt habe. Die Nr. 451 habe bei wiederholtem Ansatz am selben Behandlungstag gestrichen werden müssen, die Nr. 422 und 452 hätten nicht neben der Nr. 451 abgerechnet werden dürfen. Die Leistungen der Nr. 1549 sei nicht neben den Leistungen 1572/1575 und die Leistungen nach Nr. 1576 und 1577 nicht neben den Leistungen 1572 bzw. 1575 abrechenbar, weil es sich insoweit um einen fakultativen Leistungsbestandteil gehandelt habe. Die Leistungen nach der Nr. 214 habe nur an einer Extremität nicht an andern Körperteilen erbracht werden können, die EBM-Nr. 1598 sei in dem maßgeblichen EBM noch nicht enthalten gewesen. Die Voraussetzungen der Nr. 1411 hätten ebenso wie in früheren Quartalen nicht vorgelegen, diese Nummer sei teilweise aber in eine Leistung der Nr. 1410 umgewandelt worden. Ebenso habe eine Umwandlung der Leistungen der Nr. 1548 in die Leistungsnummer 1555 erfolgen müssen.

Hinsichtlich des Quartals III/1998 führte die Beklagte aus: Die Nr. 451 sei bei mehrmaligem Ansatz am selben Behandlungstag nicht abrechenbar, die Nr. 452 habe neben der Nr. 451 nicht in Ansatz gebracht werden dürfen, ebenso die Nr. 1452 nicht neben der Nr. 1453 und die Nr. 1457 nicht neben der Nr. 1460 sowie die Nr. 1548 nicht neben der Nr. 1515. Die Nr. 215 habe nur bei einer Extremität und nicht an einem anderen Körperteil in Ansatz gebracht werden dürfen. Die Nrn. 1412, 1414, 1418 und 1430 hätte nicht neben der Nr. 1426 in Ansatz gebracht werden dürfen, der zweimalige Ansatz der Nrn. 1403, 7125 und 1411 am selben Behandlungstag sei fehlerhaft, des gleichen der mehrmalige Ansatz der Nrn. 1597 sowie 530 und 564. Auch sei der Zuschlag der Nr. 83 neben der Leistung Nr. 85 nur einmal jeweils berechnungsfähig gewesen.

Die gegen die Honorarbescheide aller drei vorgenannten Quartale erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 29. Mai 2002 abgewiesen: Die Beklagte sei ebenso wie das Gericht an die Anwendung des EBM gebunden. Vergleichbaren Absetzungen habe es bereits für in der Vergangenheit liegende Quartale gegeben, die sich jeweils als rechtmäßig erwiesen hätten. Vor diesem Hintergrund nehme das Gericht auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides Bezug.

Gegen dieses ihm am 15. Juli 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. August 2002 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er hält sämtliche vorgenommenen Absetzungen für rechtswidrig. Insbesondere macht er geltend, auch der mehrmalige Ansatz der EBM-Nr. 451 an einem Behandlungstag sei zulässig, so habe dies insbesondere das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden. Im Hinblick auf die Nr. 452 habe er stets das entsprechende Ganglion angegeben. Die Nr. 1452 sei auch neben der Nr. 1453 abrechenbar, der EBM enthalte insoweit keinen Leistungsausschluss. Auch der Ausschluss der Anwendbarkeit der Nr. 1457 durch die Nr. 1460 bestehe nicht, weil die Nr. 1460 erst zum 1. Januar 1999 im Hinblick auf einen Leistungsausschluss ergänzt worden sei, der für die vor diesem Zeitraum liegenden streitbefangenen Quartale nicht anwendbar sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2002 aufzuheben sowie die Honorarbescheide für die Quartale III/1997, IV/1997 und III/1998 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 26. Juni 2000 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Honorare auch für die richtig gestellten Leistungspositionen nachzuvergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, der Kläger habe mit verschiedenen Leistungsnummern das jeweilige Praxisbudget ohnehin überschritten, so dass auch die Anerkennung zusätzlicher Leistungen nicht zur Gewährung höheren Honorars führen könne. Dies betreffe im dritten Quartal 1997 die EBM-Nr. 452, im vierten Quartal 1997 die EBM-Nrn. 451, 452, 422, 214, 1411 und 1548 sowie im dritten Quartal 1998 die Nrn. 451, 452, 1548, 215, 1412, 1414, 1430, 1403, 1411, 1597, 530 und 564.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatters vom 14. Juli 2006 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand dieser Entscheidung ist die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers in dem Quartalen III und IV/1997 sowie III/1998 hinsichtlich aller Leistungsabsetzungen mit Ausnahme der EBM-Nummern 98 sowie 1457, weil insoweit die Verfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2007 abgetrennt worden sind.

In dem vorstehend beschriebenen Umfang ist die Berufung des Klägers zulässig, insbesondere statthaft nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jedoch in der Sache nicht begründet. Alle von der Beklagten vorgenommenen Leistungsabsetzungen in den drei streitbefangenen Quartalen sind im Ergebnis zu Recht erfolgt.

1. Hinsichtlich des Quartals III/1997 kann eine Nachvergütung der Nummer 452 schon deswegen nicht erfolgen, weil der Kläger insoweit sein Praxisbudget nach dem EBM A. I. Teil B für das Quartal III/1997 erschöpft hatte. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob auch ansonsten die Leistungsabsetzung zu Recht erfolgt ist, denn jedenfalls liegt keine Verletzung in subjektiven öffentlichen Rechten des Klägers vor.

Die übrigen Leistungsabsetzungen sind ebenfalls zu Recht erfolgt, weil insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen EBM-Nummern nicht vorliegen:

So ist die Streichung der Nr. 64 zu Recht erfolgt, weil nicht alle kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen gegeben waren. Bei dieser Leistung handelt es sich um die Beobachtung und Betreuung eines Kranken während der Aufwachphase und/oder Erholungszeit bis zum Eintritt der Transportfähigkeit von mehr als vier Stunden, wenn eine zuschlagsberechtigte Operation und zugleich eine zuschlagsberechtigte ambulante Anästhesie/Narkose vorgelegen hatten. An letzten fehlte es, weil der jeweils dazu gehörende Zuschlag für eine zuschlagsberechtigte ambulante Anästhesie/Narkose nach der EBM-Nr. 90 nicht in Ansatz gebracht wurde.

Die Leistungen der Nr. 1452 wurden zu Recht gestrichen, weil sie als fakultativer Leistungsbestandteil bereits in der Nr. 1453 enthalten sind. Die Nr. 1453 erfasste die radikal Operation einer Kieferhöhle, während die Nr. 1452 die vollständige oder teilweise Ausräumung einer Kieferhöhle von der Nase aus umschreibt, die in der Nr. 1453 enthalten ist. Ebenfalls wurde die Leistung der Nr. 1418 zu Recht gestrichen. Hierbei handelt es sich um einen Zuschlag zu der Leistung nach der Nr. 1414, wenn der Eingriff nach der Nr. 1414 mittels eines Lasers durchgeführt wird. Ein gesondert abrechenbarer Eingriff nach der Nr. 1414 lag jedoch nicht vor, denn die Eingriffe dieser Art waren in der umfassenden Leistungsbeschreibung nach der Nr. 1426 enthalten. Die Nr. 1426 beschreibt die plastische Korrektur am Nasenseptum, an den Weichteilen und am knöchernen Nasengerüst zur funktionellen Wiederherstellung der Nasenatmung. Die Nr. 1414 beschreibt einen Teilbereich hiervon, nämlich den operativen Eingriff zur Entfernung festsitzender Fremdkörper aus der Nase und/oder teilweise oder vollständige Abtragung einer Nasenmuschel und/oder submuköse Resektion an der Nasenscheidewand und/oder operative Entfernung von mehr als zwei Nasenpolypen und/oder anderen Neubildungen. Nur dann, wenn diese Leistung isoliert durchgeführt und abrechenbar ist, d. h. nicht im Rahmen der Leistung nach Nr. 1426 mit abgegolten wird, sieht die Nr. 1418 einen gesonderten Zuschlag vor, wenn die Operation mittels eines Lasers durchgeführt wurde. Hingegen differenziert die Nr. 1426 nicht nach der Art des Operationsgerätes; der gesonderte Zuschlag für den Einsatz eines Lasergerätes ist insoweit unstatthaft.

Die Streichung des Zuschlags nach der Nr. 83 erfolgte ebenfalls zu Recht. Nach den allgemeinen Regeln des EBM unter B VI sind Zuschläge nach den Nrn. 80 bis 87 insgesamt nur einmal berechnungsfähig, wenn in zeitlichem Zusammenhang mehrere operative Leistungen an demselben Patienten erbracht werden. Diese Voraussetzungen waren erfüllt, denn der Kläger hatte bei denselben operativen Leistungen bereits einmal einen Zuschlag nach der Nr. 85 in Ansatz gebracht, wodurch ein weiterer Zuschlag nach der Nr. 83 ausgeschlossen war.

Die Streichung der Leistung der Nr. 215 schließlich erfolgte deswegen zu Recht, weil sie die Behandlung einer Extremität vorsieht, die durch den Kläger nicht vorgenommen wurde.

2. Hinsichtlich des Quartals IV/1997 scheidet ebenfalls die Nachvergütung mehrerer EBM-Nummern schon deswegen aus, weil der Kläger insoweit das Praxisbudget überschritten hatte. Dies betrifft die Nrn. 451, 422, 452, 214, 1411 und 1548, so dass insoweit nicht mehr zu klären ist, ob ungeachtet der Überschreitung des Praxisbudgets die Absetzung dieser Leistungspositionen im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung zutreffend erfolgte.

Im Übrigen erfolgte die Absetzung der verbleibenden Positionen zu Recht, weil insoweit wiederum die tatbestandlichen Voraussetzungen der einzelnen Leistungsbeschreibungen nicht erfüllt waren. Hinsichtlich der Leistungsnummern 64, 1452 und 1418 gilt dies aus denselben Gründen wie hinsichtlich des Quartals III/1997. Die Absetzung der Nr. 1549 erfolgte deshalb zu Recht, weil sie nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 1572 bzw. 1575 abrechenbar war. Die Nr. 1549 beschreibt die operative Beseitigung einer Stenose und/oder von Exostosen im knöchernen Teil des Gehörganges, jedoch nur dann, wenn sie als selbstständige Leistung erbracht wurde. Dies fehlte im vorliegenden Falle, weil umfassende Leistungen nach der Nr. 1572 (Operation eines Mittelohrtumors oder Cholesteatoms) bzw. nach Nr. 1575 (Zuschlag zu der Nr. 1572) erfüllt waren und insoweit eine gesonderte Abrechnung der Nr. 1549 ausschied. Ebenso waren auch die Leistungen nach den Nrn. 1576 und 1577 abzusetzen, weil es sich wiederum um einen fakultativen Leistungsbestandteil der Nrn. 1572 bzw. 1575 gehandelt hat, denn die Nr. 1576 beschreibt eine Tympanoplastik mit Interposition, abrechenbar aber nur, wenn sie als selbstständige Leistung erbracht wird, und die Nr. 1577 beschreibt eine Tympanoplastik mit Interposition und Aufbau der Gehörknöchelchenkette, die in der Nummer 1572 mit enthalten ist. Die Absetzung der 1598 erfolgte schließlich deswegen zu Recht, weil diese im Quartal IV/1997 noch nicht in den Leistungsbeschreibungen des EBM enthalten war.

3. Hinsichtlich des Quartals III/1998 scheidet die Nachvergütung zahlreicher Gebührenziffern ebenfalls deswegen aus, weil insoweit eine Erschöpfung des Praxisbudgets vorliegt; dies betrifft die Nrn. 451, 452, 1548, 215, 1412, 1414, 1430, 1403, 1411, 1597, 530 und 564.

Hinsichtlich der übrigen EBM-Nummern lagen jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Dies gilt hinsichtlich der Nrn. 1452, 1418 und 83 aus denselben Gründen wie in den Vorquartalen. Die insoweit allein verbleibende Nr. 7125 war zu Recht abzusetzen; diese Nummer sieht eine Pauschalerstattung für die Dokumentation nach der Qualitätssicherungsvereinbarung für ambulantes Operieren vor, jedoch nur jeweils einmal je dokumentierten Fall. Hiergegen verstieß der Kläger, weil er die Nummer am selben Behandlungstag zweimal in Ansatz brachte.

Die Kostensentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved